Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 7 U 25/18 – Urteil vom 30.10.2019
Die Berufung der Beklagten gegen das am 25.01.2018 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam wird zurückgewiesen.
Die Hilfswiderklage wird abgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg; sie ist unbegründet. Ihre Eventualwiderklage ist unzulässig.
I.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht zu Recht der Unterlassungsklage des Klägers nach dem UKlaG hinsichtlich der im Berufungsverfahren noch streitgegenständlichen AGB-Teilklauseln stattgegeben. Der Senat folgt mit den nachfolgenden Ergänzungen den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die zur Begründung verwiesen wird. Die hiergegen gerichteten Berufungsangriffe vermögen nicht zu überzeugen.
1.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der Verwendung der in der Berufungsinstanz noch streitgegenständlichen AGB-Teilklauseln gemäß §§ 1, 3 Abs. 1, 4 UKlaG.
Er ist als qualifizierte Einrichtung im Sinne der §§ 3 Abs. 1 Ziffer 1, 4 UKlaG klagebefugt und berechtigt, die in §§ 1 bis 2 UKlaG bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung der Verwendung von Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den §§ 307 bis 309 BGB unwirksam sind, gegenüber der Beklagten als Verwenderin geltend zu machen. Diese hat die im Berufungsverfahren noch streitgegenständlichen Klauseln unstreitig bis Mai 2017 verwendet und die vom Kläger vorprozessual begehrte Unterlassungserklärung nicht abgegeben. Auch eine Wiederholungsgefahr liegt vor. Die nicht weiter erfolgte Verwendung identischer Klauseln nach Mai 2017 beseitigt eine Wiederholungsgefahr nicht. Hierfür spricht auch das Verhalten der Beklagten in der Berufungsinstanz, die diese Klauseln weiterhin für wirksam hält.
2.
Unter der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung sind die im Berufungsverfahren noch streitgegenständlichen fünf Klauseln unwirksam.
a)
Die Klausel aus Ziffer 3. des Tenors des angefochtenen Urteils, § 4 Fest- und Pauschalpreis, Ziffer 4.5. lautet wie folgt:
„Änderungen und Zusatzaufwendungen, bedingt durch gesetzliche oder behördliche Auflagen und Bestimmungen des Bauordnungsamtes oder anderen zuständigen Behörden, die über die fixierten Leistungen hinausgehen, wozu z. B. Sicherung von nachbarschaftlichen Bauten, Sicherung von Baumbestand, Gehwegüberfahrten und Straßensperrungen sowie deren Beschilderung während der Bauzeit gehören, gehen zu Lasten des Auftraggebers.“
Diese Klausel ist entgegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB intransparent und damit unangemessen benachteiligend. Es liegt auch eine unzulässige Abweichung vom gesetzlichen Grundgedanken des Werkvertragsrechts gemäß § 307 Abs. 2 Ziffer 1 BGB vor.
Die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien müssen möglichst klar, einfach und verständlich dargestellt werden (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 78. Aufl. § 307 Rn. 21). Was die „fixierten Leistungen“ im vorliegenden Fall sind, lässt sich nach dem Vertragsinhalt jedenfalls in Bezug auf die Planungsleistungen nicht eindeutig bestimmen. Die Planung des Hauses selbst obliegt dem Auftragnehmer, wie sich § 3 Ziffern 3.3. des Bauvertrages und der in § 7 Ziffer 7.1.1 enthaltenen Abschlagszahlungsregelung für die Vorlage der Bauantragsunterlagen zur Einreichung beim Bauamt ergibt. Der Begriff „Zusatzaufwendungen“ grenzt nicht hinreichend ab, welche Leistungen als „fixierte Leistungen“ gelten. Ferner lassen die in der Klausel genannten Beispiele keine hinreichend sichere Bestimmung der fixierten Leistungen zu.
Die Beklagte als Auftragnehmerin schuldet ihren Auftraggebern insbesondere eine mangelfreie, vollständige und genehmigungsfähige Planung. Dabei hat sie für Planungsfehler, die ihre Ursache in ihrem Bereich haben, gegenüber ihren Auftraggebern einzustehen. Aber auch solche Kosten, die auf ihren Planungsmängeln beruhen, werden nach dem Inhalt der Klausel den Auftraggebern auferlegt. Dies stellt eine unzulässige Abweichung vom gesetzlichen Grundgedanken des Werkvertragsrechts gemäß §§ 631 Abs. 1, 633 Abs. 1, 634 ff. BGB dar.
Es handelt sich hierbei auch nicht lediglich um eine einen Änderungsvorbehalt regelnde Klausel nach § 308 Nr. 4 BGB für ein bei Abschluss des Bauvertrages noch unbekanntes Grundstück. Die Klausel differenziert bereits nicht, sondern gilt allgemein für alle Bauverträge der Beklagten und zwar auch in den Fällen, in denen das zu bebauende Grundstück bereits bekannt ist. Zudem betrifft die Klausel nicht Änderungen der versprochenen Leistung, nämlich der Errichtung des Hauses, sondern sie soll die Kostentragung regeln, wenn die Planung infolge von Auflagen geändert werden muss.
b)
Die Klausel aus Ziffer 4. des Tenors, § 5 Bauausführung, Ziffer 5.2., Satz 2 hat folgenden Wortlaut:
„Wesentliche Veränderungen zu den Zeichnungsmaßen und den Ausstattungsmerkmalen der Technischen Baubeschreibung im Zuge der Bauausführung erfolgten nur im gegenseitigen Einverständnis zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer und bei Erfordernis vorbehaltlich der behördlichen Zustimmung.“
Diese Bestimmung ist wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sowie wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der einseitigen Leistungsänderung nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam.
Der Auftraggeber muss Rechtsklarheit und Preisklarheit erlangen. Maßgeblich ist das Verständnis des typischen Durchschnittskunden. Die vorliegende Bestimmung lässt den Auftraggebern der Beklagten aber bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung keine Möglichkeit, abzusehen, welche Änderungen im gegenseitigen Einverständnis zu erfolgen haben und welche die Beklagte ohne das Einverständnis des Bauherrn „bei Erfordernis vorbehaltlich der behördlichen Zustimmung“ vornehmen kann. Auch eine konkrete Differenzierung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Änderungen enthält die Bestimmung nicht. Soweit die Beklagte einwendet, dass Maßabweichungen im Bau üblich sein sollen, rechtfertigt dies den Änderungsvorbehalt nicht. Auch der Kunde hat ein Interesse an der Maßgenauigkeit, da er häufig für die Innenausstattung – etwa für die Küche – auf die Einhaltung der bei der Planung bestimmen Maße angewiesen ist.
Bei derartigen Änderungs- und Erweiterungsklauseln geht es in der Regel darum, dass sich eine Vertragspartei als Verwenderin im Vertrag das Recht einräumen lassen möchte, die vertragliche Leistung einseitig, das heißt nötigenfalls auch ohne oder gegen den Willen der anderen Partei zu ändern. Die Klausel verstößt gegen § 308 Nr. 4 BGB, weil die Interessen des Auftraggebers durch die nicht hinreichend bestimmte Einschränkung des Bestimmungsrechts nicht gewahrt werden. In ihrer verwendungsgegnerfeindlichsten Auslegung gibt die Klausel der Beklagten selbst dann ein Bestimmungsrecht, wenn die Parteien eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen haben. Im Hinblick auf die gebotene Transparenz ist es unverzichtbar, dass die Klausel Gründe für ein vermeintliches Erfordernis für einseitige wesentliche Änderungen benennt und die Voraussetzungen und Folgen der Änderungen in einer die Interessen beider Parteien angemessenen berücksichtigenden Weise regelt (vgl. Markus/Kapellmann/Pioch, AGB-Handbuch Bauvertragsklauseln, 5. Aufl. Rn. 216, 223 ff. m.w.N.).
Für Änderungen muss ein triftiger Grund vorliegen. Voraussetzung und Umfang der Änderungen müssen möglichst konkretisiert und kalkulierbar sein. Unzulässig sind Änderungsvorbehalte, die das Zumutbarkeitskriterium ersatzlos wegfallen lassen (vgl. Palandt-Grüneberg, a.a.O. § 308 Rn. 5).
c)
Die Klausel aus Ziffer 6. des Tenors, § 7 Vergütungs- und Zahlungsplan, Ziffer 7.1., Satz 3, 1. bis 12. Zahlung ist jedenfalls in ihrer früheren Fassung ohne den zeitlich später erfolgten Hinweis auf die Fertigstellungssicherheitsleistung gemäß § 307 Abs.1 BGB unwirksam. Den Bestellern ist bei der 1. Abschlagszahlung eine Sicherheit für die rechtzeitige Herstellung des Werkes ohne Mängel in Höhe von 5 % der vereinbarten Gesamtvergütung zu leisten (§§ 632a Abs. 3 BGB a.F., 650m Abs. 2 BGB).
Eine in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Unternehmers enthaltene Klausel, die isoliert die Fälligkeit und die Höhe der 1. Abschlagszahlung in einem Werkvertrag mit einem Verbraucher über die Errichtung oder den Umbau eines Hauses regelt, ohne auf die nach § 632a Abs. 3 BGB gesetzlich geschuldete Sicherheitsleistung des Unternehmers einzugehen, ist gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist entsprechend dem Grundsatz von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Vertragspartner verständlich ist. Vielmehr gebieten es Treu und Glauben auch, dass die Gefahr von Missverständnissen oder Fehldeutungen durch eine unklare, mehrdeutige oder unvollständige Fassung der Klauseln möglichst vermieden wird. Weiter ist eine Klausel auch dann unwirksam, wenn der Vertragspartner durch die Formulierung der Klausel davon abgehalten wird, seine berechtigten Ansprüche oder Gegenrechte dem Verwender gegenüber geltend zu machen. Die Klausel ist so formuliert, dass sie den Kunden von der Geltendmachung seines Rechts auf Sicherheitsleistung gemäß § 632a Abs. 3 BGB bzw. nunmehr § 650m Abs. 2 BGB abhalten kann (vgl. BGH, Urteil vom 08.11.2012 – VII ZR 191/12 m.w.N.).
d)
Die Klausel aus Ziffer 9 des Tenors, § 11 Schlussbemerkungen, Ziffer 11.2. lautet wie folgt:
„Auftragnehmer und Auftraggeber bestätigen den Wortlaut dieses Werkvertrages in allen Punkten anzuerkennen.“
Die Klausel ist gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Sie stellt eine fingierte Erklärung dar, mit der die Auftraggeber bestätigen, den Wortlaut des Werkvertrages in allen Punkten anzuerkennen, also auch soweit einzelne Klauseln unwirksam sind. Sie legt damit einen Verzicht auf diesbezügliche Einwendungen der Auftraggeber nahe, durch den sie davon abgehalten werden sollen, ihre berechtigten Ansprüche oder Gegenrechte gegenüber der Beklagten als Verwenderin geltend zu machen. Die Bestätigung von unangemessenen Klauseln ist ebenfalls unangemessen.
e)
Die Klausel aus Ziffer 11 des Tenors, Titel 23 Schlussbemerkung, 23.2. Änderungen technischer Art, Satz 1 hat folgenden Wortlaut:
„Änderungen, Ergänzungen und Verbesserungen im Sinne des Bauherren und des technischen Fortschritts bleiben vorbehalten.“
Diese Klausel ist – wie zur Klausel aus Ziffer 4. des Tenors unter Buchstabe b) ausgeführt – wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 und § 308 Nr. 4 BGB unwirksam. Sie räumt der Beklagten das einseitige Recht zur Änderung des Bauvertrages ein, ohne zwingende Gründe hierfür konkret anzugeben. Es ist wiederum nicht klar formuliert, welchen Inhalt die Anpassungen haben können. Art und Umfang möglicher Änderungen sind für den Kunden nicht ersichtlich. Der Verwenderin wird das Recht eingeräumt, ihre Leistungen zu ändern, selbst wenn eine Beschaffenheitsvereinbarung vorliegt und ohne dass gleichzeitig die Verpflichtung zur Zahlung des Werklohnes angepasst wird (vgl. Markus/Kapellmann/Pioch, a.a.O. Rn. 216, 223 ff. m.w.N.).
II.
Mit ihrer erstmals in der Berufungsinstanz erhobenen Eventualwiderklage begehrt die Beklagte für den Fall, dass die Klage auf ihre Berufung hin nicht teilweise abgewiesen werden sollte, festzustellen,
dass die Zahlungsplan-Klausel (§ 7 Vergütung und Zahlungsplan, Ziffer 7.1., Satz 9, 1. bis 12 Zahlung) in dem von der Beklagten in Bauverträgen mit Verbrauchern formularmäßig verwendeten Klauseltext 2017 rechtswirksam ist, weil darin der folgende Hinweis der Zahlungsplan-Klausel unmittelbar vorangestellt ist:
„Der Auftraggeber erhält die gesetzlich geschuldeten Sicherheitsleistungen gemäß § 632 a Abs. 3 BGB. Dem AG ist bei der ersten Abschlagszahlung eine Sicherheit für die rechtzeitige Herstellung des Werkes ohne wesentliche Mängel in Höhe von 5 % des Vergütungsanspruchs zu leisten. Erhöht sich der Vergütungsanspruch infolge von Änderungen oder Ergänzungen des Vertrages um mehr als 10 %, ist dem AG bei der nächsten Abschlagszahlung eine weitere Sicherheit in Höhe von 5 % des zusätzlichen Vergütungsanspruchs zu leisten. Auf Verlangen des AN ist die Sicherheitsleistung durch Einbehalt dergestalt zu erbringen, dass der AG die Abschlagszahlungen bis zu dem Gesamtbetrag der geschuldeten Sicherheit zurückhält. Die Sicherheit kann durch eine Garantie oder ein sonstiges Zahlungsversprechen eines in der Europäischen Union zugelassenen Kreditinstitutes oder Versicherers geleistet werden.“
Die Eventualwiderklage ist unzulässig, weil der mit ihr verfolgte Feststellungsantrag nicht das Bestehen bzw. Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses betrifft. Gegenstand einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO kann nur das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses sein. Damit sind die aus einem konkreten Lebenssachverhalt entstandenen Rechtsbeziehungen von Personen zu Personen oder von Personen zu Sachen gemeint (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 2018 – XII ZR 76/17). Die beantragte Feststellung zielt aber nicht auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines konkreten Rechtsverhältnisses ab, sondern auf die abstrakte Bewertung einer Vertragsklausel. Keine Rechtsverhältnisse im Sinne des § 256 ZPO sind aber abstrakte Rechtsfragen (vgl. Zöller-Greger ZPO, 32. Aufl. § 256 Rn. 3 ff.). Der Kläger hat sich eines Unterlassungsanspruches gegen die Beklagten hinsichtlich des neuen Klauseltextes nicht berühmt. Er hat weder eine Unterlassung dieser Klausel geltend gemacht noch die Beklagte abgemahnt. Seine Ausführungen im Schriftsatz vom 11.09.2017, S. 4, beziehen sich, wie sich aus Seite 3 unten (Bl. 329 d.A.) ergibt, auf die früher verwendete Zahlungsplanklausel. Dies hat der Kläger auch nochmal ausdrücklich in seinem Schriftsatz vom 28.08.2019 (Bl. 551 d.A.) klargestellt. Aus demselben Grund fehlt es auch an dem gemäß § 256 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, weil die hierfür in § 543 Abs. 2 ZPO bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 15.000 € festgesetzt (für die Klage je Klausel 2.500 € und mithin 12.500 € für die fünf Klauseln, wegen der die Beklagte das Urteil angefochten hat, vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Oktober 2015 – III ZR 36/15 und 28. September 2006 – III ZR 33/06, zzgl. eines entsprechenden weiteren Betrages für die Eventualwiderklage hinsichtlich der Zahlungsplanklausel mit einem vorangestellten Hinweis auf die Sicherheitsleistung).