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Werklohnprozess im Urkundsverfahren

KG Berlin – Az.: 21 U 61/15 – Urteil vom 09.03.2018

1. Das am 06.10.2017 verkündete Vorbehaltsurteil im Urkundsprozess wird für vorbehaltlos erklärt.

2. Die Widerklage wird abgewiesen.

3. Der Antrag der Beklagten, die Berufung der Klägerin gegen das Vorbehaltsurteil des Landgerichts Berlin vom 29.04.2015 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 12.05.2016 — 3 O 415/13 — zurückzuweisen, wird zurückgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Die durch die Nebenintervention entstandenen Kosten trägt die Nebenintervenientin.

5. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages nebst 10 % abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.

6. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Wegen des Sach- und Streitstandes sowie des Verfahrensgangs wird auf den Tatbestand des am 06.10.2017 verkündeten Vorbehaltsurteils des Senats verwiesen.

Mit vorgenanntem Urteil hat das Kammergericht auf die Berufung der Klägerin das Vorbehaltsurteil des Landgerichts im Urkundsprozess abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere € 600.604,23 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.12.2013 zu zahlen sowie ihr die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten.

Die Beklagte ist der Auffassung, der Rechtsstreit sei für das Nachverfahren auf ihren Antrag hin gem. § 538 Abs. 2 Nr. 5 ZPO an die erste Instanz zurückzuverweisen.

Sie hält ferner an ihrer Aufrechnung mit dem Vertragsstrafenanspruch in Höhe von € 629.972,877 fest. Hierzu wiederholt sie im Wesentlichen ihren Vortrag aus dem Berufungsverfahren hinsichtlich der Wirksamkeit der Vertragsstrafe und trägt außerdem vor: Der Klammerzusatz in Ziff. 7.4 „etwaige vereinbarte Nachträge werden hinzugerechnet“ sei individuell zwischen den Parteien vereinbart worden. Im Ursprungsentwurf des Vertrages finde sich ein Klammerzusatz ebenso wenig wie im Verhandlungsprotokoll vom 07.05.2010. Dieser sei erst infolge einer Besprechung vom 14.06.2010 in den Vertragstext aufgenommen worden. Die Klägerin sei hinsichtlich des Wegfalls der Vertragsstrafe wegen Verzuges mit Zwischenterminen in Ziff. 7.3 des Vertrages bessergestellt worden. Im Gegenzug habe sie eingewilligt, die Klarstellung im Klammerzusatz aufzunehmen. Beide Parteien seien von Anfang an davon ausgegangen, dass unter Nettoauftragssumme die ursprüngliche Auftragssumme zuzüglich Nachträgen bzw. Minderkosten zu verstehen sei. Wegen näherer Einzelheiten wird auf die Seiten 8 bis 13 des Schriftsatzes vom 29.1 12017 Bezug genommen.

Mit der Widerklage verfolgt die Beklagte im Wesentlichen Freistellungsansprüche, mit Ausnahme der Avalzinsen, die sie beziffert. Sie meint, die zwischen den Parteien geschlossene Vereinbarung vom 27.03.2013 stehe der klageweisen Verfolgung von Freistellungsansprüchen nicht entgegen, da sie sich ausdrücklich nur auf Zahlungsansprüche beziehe. Im Einzelnen:

a)

Die Beklagte verlangt nunmehr Freistellung von der Vertragsstrafe wegen Verzuges mit der von der Klägerin herzustellenden Gebäudeleittechnik (GLT), die die Streithelferin gegenüber der Beklagten im Prozess vor dem Landgericht Köln aufrechnet. Es seien statt der dort berechneten € 126.000,00 für 63 Tage Verzug lediglich 52 Tage und damit € 104.000,00 an Vertragsstrafe angefallen.

b)

Freistellung verlangt die Beklagte auch wegen eines seitens der Streithelferin vor dem Landgericht Köln gegen sie geltend gemachten bzw. aufgerechneten Vermögensschadens in Höhe von € 1.495.843,91, der infolge verspäteter Fertigstellung entstanden sei. Hierzu verweist sie auf bestimmte Seiten mehrerer beim Landgericht Köln eingereichter Schriftsätze.

c) und d)

Ebenso möchte die Beklagte von den Kosten der Ersatzvornahme für die Fertigstellung der Gebäudeleittechnik in Höhe von € 59.440,03 und die Beseitigung der Trinkwasserverunreinigung in Höhe von € 34.490,96 freigestellt werden, die die Streithelferin ihr gegenüber geltend macht.

Insoweit nimmt sie Bezug auf Rechnungen der ausführenden Unternehmen. Die Trinkwasserverunreinigung sei durch fehlerhafte Verwendung von Bauteilen aus C-Stahl statt aus nichtrostendem Stahl im Wasserleitungsnetz des Neubaus entstanden. Zur Aufrechterhaltung des Krankenhausbetriebes sei es erforderlich gewesen, Filter an den Wasserhähnen der Räume mit Patientenverkehr anzubringen.

e)

Außerdem verlangt die Beklagte für eine im April 2012 ausgereichte Bürgschaft gem. § 648a BGB in Höhe von noch € 1.500.000,00 Avalzinsen für den Zeitraum vom 01.04.2016 bis zum 31.12.2017 in Höhe von € 10.500,00. Aufwendungen für den vorangegangenen Zeitraum klagt die Beklagte anderweitig ein.

Für den Fall, dass die Widerklage abgewiesen wird, rechnet die Beklagte mit dem Vertragsstrafenanspruch GLT in Höhe von € 104.000,00 sowie mit folgenden Ansprüchen hilfsweise auf:

1. in Höhe von € 19.596,12 wegen teilweise entfallener Leistungen aufgrund einer Teilkündigung bezüglich deflagrationssicherer Bodenabläufe (S. 20, 21 des Schriftsatzes der Beklagten vom 29.11.2017);

2. in Höhe von € 49.862,38 wegen entfallener Leistungen aufgrund einer Teilkündigung bezüglich der Schmutzwassersammelanlage (S. 21, 22 des vorgenannten Schriftsatzes);

3. in Höhe von € 27.345,32 wegen entfallener Leistungen betreffend die VE-Anlage (S. 22, 23 des vorgenannten Schriftsatzes);

4. in Höhe von € 206.125,55: Ersparnis für nicht gelieferte und eingebaute Entrauchungskanäle (S. 23, 24 des vorgenannten Schriftsatzes);

5. in Höhe von € 90.000,00: Minderung der Streithelferin wegen Nichterfüllung von Energieleitlinien (S. 24 des vorgenannten Schriftsatzes);

6. in Höhe von € 250.000,00: Minderung der Streithelferin wegen Nichterfüllung der Vernetzung der Notstromanlagen (S. 24, 25 des vorgenannten Schriftsatzes);

7. in Höhe von € 145.000,00: Minderung der Streithelferin wegen Abweichungen betreffend HKLS vom Vertrag (S. 25, 26 des vorgenannten Schriftsatzes);

8. in Höhe von € 20.000,00: Minderung der Streithelferin wegen Nichtausführung von NH- Lastschaltern (S. 26, 27 des vorgenannten Schriftsatzes);

9. in Höhe von € 4.500,00: Minderung der Streithelferin wegen Strommehrkosten infolge unvollständiger Umsetzung der Lichtsteuerung (S. 27 des vorgenannten Schriftsatzes);

10. in Höhe von € 10.000,00: Minderung der Streithelferin, weil der Blitzschutz nicht in Edelstahl ausgeführt sei (S. 27, 28 des vorgenannten Schriftsatzes);

11. in Höhe von € 5.500,00: Minderung der Streithelferin, weil Notstromaggregate nicht eingehaust seien (S. 28 des vorgenannten Schriftsatzes);

12. in Höhe von € 18.525,60: anteilige Bewachungskosten wegen Verzuges mit der Fertigstellung (S. 29 des vorgenannten Schriftsatzes);

13. in Höhe von € 255.272,00: Kosten für Ersatzvornahmen und der Mangelverfolgung (S. 29, 30 des vorgenannten Schriftsatzes);

14. in Höhe von € 38.500,00: Ersatzvornahmekosten für Brandschutzmaßnahmen (S. 30 des vorgenannten Schriftsatzes);

15. in Höhe von € 139.166,38 an Aufwendungen für Beprobungen, Spülmaßnahmen und Sachverständige wegen nicht konformer Wasserqualität (S. 31 des vorgenannten Schriftsatzes);

16. in Höhe von € 5.227,22: Ersatzvornahme Betankung mit Notstromdiesel (S. 31, 32 des vorgenannten Schriftsatzes);

17. in Höhe von € 59.391,72: Ersatzvornahme wegen Reinigung der Baustelle und Entsorgung von Schutt (S. 32, 33 des vorgenannten Schriftsatzes);

18. in Höhe von € 905.621,17: Schadensersatz aus Übernahmeverzug wegen der Verunreinigung des Wassers (S. 33 des vorgenannten Schriftsatzes);

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Vorbehaltsurteil des Landgerichts Berlin vom 29.04.2015 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 12.05.2016 — 3 0 415/13 zurückzuweisen; das Vorbehaltsurteil im Urkundsprozess vom 06.10.2017 aufzuheben; die Klage abzuweisen, soweit die Klägerin Forderungen gegen die Beklagte geltend macht, die über den Betrag hinausgehen, welcher ihr durch das Vorbehaltsurteil des Landgerichts Berlin vom 26.04.2015 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 12.05.2016 — 3 O 415/13 zuerkannt wurden.

Widerklagend beantragt sie, die Klägerin zu verurteilen, sie von folgenden Forderungen der … GmbH freizustellen:

a) Vertragsstrafe GLT, € 104.000,00;

b) Verzugsschaden des Bauherrn, € 1.495.843,91;

c) Ersatzvornahme GLT, € 59.440,03;

d) Ersatzvornahme Trinkwasserverunreinigung, € 34.490,96;

und zwar jeweils in der Höhe, die in dem derzeit vor dem Landgericht Köln zu Geschäftsnummer 86 O 17/15 geführten Rechtsstreit festgestellt wird;

die Klägerin zu verurteilen, an sie € 10.500,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

den Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Berlin zu verweisen.

Die Klägerin beantragt, das Vorbehaltsurteil vom 06.10.2017 für vorbehaltslos zu erklären; die Widerklage abzuweisen sowie den Verweisungsantrag zurückzuweisen.

Die Klägerin meint, dass der Senat aufgrund der Bindungswirkung des am 06.10.2017 verkündeten Vorbehaltsurteils an einer abweichenden Entscheidung zur Unwirksamkeit der Vertragsstrafe gehindert sei. Selbst wenn dies nicht der Fall sei, sei der neue Vortrag der Beklagten, der Klammerzusatz in Ziff. 7.4 des zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrages sei individualvertraglich vereinbart worden, unerheblich. Denn auch bei einer derartigen Vereinbarung sei nicht klar, auf welche Nettoauftragssumme sich die Klausel Ziff. 7.1 beziehe. Zudem bestreitet sie, über den Klammerzusatz, der ursprünglich in Ziff. 7.3 des Vertrages enthalten gewesen sei, verhandelt zu haben. Ferner rügt sie Verspätung gem. § 296 Abs. 2 ZPO.

Die Klägerin hält die Widerklage gem. § 533 ZPO für unzulässig und weil sie der Vereinbarung vom 27.03.2013 entgegen stehe. Wegen weiterer Einzelheiten auch zur fehlenden Begründetheit der Widerklage wird auf die Seiten 23 bis 36 des Schriftsatzes der Klägerin vom 14.02.2018 verwiesen.

Hinsichtlich der hilfsweise aufgerechneten Forderungen ist die Klägerin der Auffassung, die prozessuale Bedingung für deren Prüfung durch den Senat sei nicht eingetreten, da die Hilfsaufrechnungen nur für den Fall der Unbegründetheit nicht jedoch denjenigen der Unzulässigkeit der Widerklage erklärt worden seien. Jedenfalls seien sie wegen Verspätung gem. § 296 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Darüber hinaus seien die Gegenforderungen aber auch nicht begründet. Einen Großteil könne die Beklagte schon deshalb nicht mehr geltend machen, weil sie bereits in die Ermittlung der Höhe des noch offenen Werklohns eingeflossen seien. Hierzu wird auf die Seiten 39 bis 53 des Schriftsatzes der Klägerin vom 14.02.2018 Bezug genommen.

Die Beklagte hat im Schriftsatz vom 28.02.2018 weiter vorgetragen.

II.

1.

Der Antrag der Beklagten, die Berufung der Klägerin gegen das Vorbehaltsurteil des Landgerichts Berlin vom 29.04.2015 zurückzuweisen, ist gegenstandslos, da der Senat über diese durch das am 06.10.2017 verkündete Vorbehaltsurteil im Urkundsprozess entschieden hat. Über eine etwaige Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hätte der Bundesgerichtshof zu entscheiden.

2.

Das Vorbehaltsurteil ist für vorbehaltlos zu erklären, da die der Klägerin aus Ziff. 5 der Vereinbarung vom 27.03.2012 auf Zahlung weiterer € 600.604,23 zustehende Klageforderung nicht infolge der Aufrechnung mit der Vertragsstrafe in Höhe von € 629.972,77 und auch nicht infolge der Hilfsaufrechnungen erloschen ist, § 389 BGB.

a)

Es kann dahinstehen, ob der neue Vortrag der Beklagten zur Vertragsstrafe im Schriftsatz vom 29.11.2017 gem. §§ 296 Abs. 2, 132 ZPO verspätet ist. Insoweit handelt es sich um eine Ermessensvorschrift, die das Gericht nicht zur Zurückweisung verpflichtet.

b)

Jedoch ändert der neue Vortrag der Beklagten zu einer Individualvereinbarung des Klammerzusatzes in Ziff. 7.4 nichts an der rechtlichen Beurteilung im Vorbehaltsurteil vom 06.10.2017. Denn insoweit haben die Parteien nicht eine Vertragsklausel ausgehandelt, also den gesetzesfremden Kerngehalt einer Klausel inhaltlich ernsthaft zur Disposition gestellt, sondern wie die Beklagte selbst vorträgt, den Begriff der Nettosumme definieren wollen. Damit handelt es sich um eine zur Intransparenz der Gesamtregelung führende redaktionelle Änderung einer Klausel, die zuvor inhaltlich nicht zu beanstanden war, nicht jedoch um eine individuell ausgehandelte, vom Muster abweichende Vereinbarung.

Zu welcher Gegenleistung die Klägerin sich durch die von Ziff. 7.1 und 7.2 abweichende Definition der Nettoauftragssumme in Ziff. 7.4 im Hinblick auf den Wegfall der Vertragsstrafe für Zwischentermine in Ziff. 7.3 verpflichtet haben soll, erschließt sich aus den Darlegungen der Beklagten jedenfalls dann nicht, wenn die Summe, nach der die Vertragsstrafe zu bemessen ist, gleichzeitig in allen Regelungen gleich verstanden werden und im Übrigen auch Minderleistungen erfassen soll. Eine Gegenleistung könnte doch allenfalls darin bestehen, dass die insgesamt verwirkte Vertragsstrafe sich nach der ggf. um Nachträge erhöhten Nettoauftragssumme bemessen soll, während Minderleistungen nicht berücksichtigt würden. Insoweit würde bei solchen Minderleistungen vom gesetzlichen Leitbild abgewichen, weil die Vertragsstrafe dann die zulässige Höchstgrenze überschreiten würde, da sie sich nach der anfänglichen Auftragssumme bemessen soll. Dies trägt die Beklagte aber gerade nicht vor. Danach sollen die Parteien den Begriff der Nettoauftragssumme in allen Vertragsklauseln gleich verstanden haben, obwohl nur in Ziff. 7.4 ein Klammerzusatz aufgenommen worden ist. Dann aber hätte die Individualvereinbarung am Regelungsgehalt nichts geändert, abgesehen davon, dass die Beklagte nicht erläutert, aufgrund welcher Tatsachen sie von einem derartigen Verständnis der Parteien ausgeht.

Damit hat die Beklagte eine im Ergebnis intransparente Klausel in den Vertrag aufgenommen.

Im Übrigen kommt nicht darauf an, ob die Beklagte in allen Nachunternehmerverträgen Vertragsstrafen vereinbart hat (s. den Bauvertrag … GmbH) oder über interne Mustersammlungen verfügte. Insoweit trägt die Beklagte nichts Neues vor, Es wird auch hinsichtlich der Verträge …, …, …, …, … und … (Anlagen B 21-26) auf die Seiten 11 bis 13 des Vorbehaltsurteils verwiesen.

Die von der Beklagten benannten Zeugen waren aus vorgenannten Gründen nicht zu hören. Die Frage der Bindungswirkung des Vorbehaltsurteils für das Nachverfahren kann dahinstehen.

3.

Die Widerklage ist unzulässig, weil es der Beklagten nach Ziff. 5b) des Vergleichs vom 27.03.2013 verwehrt ist, Gegenforderungen aktiv geltend zu machen. Danach bilden der noch streitige Restwerklohnanspruch der ARGE aus der Schlussrechnung vom 17.12.2012 in Höhe von € 1.741.752,25 sowie der hier geltend gemachte Betrag in Höhe von € 600.604,23 „die Obergrenze für etwaige Gegenforderungen“ der Beklagten mit der Maßgabe, dass diese „allenfalls (passiv) aufrechnen kann, nicht jedoch (aktiv/widerklagend) Zahlung aus diesen Gegenforderungen verlangen kann“.

Der Wortlaut dieser Regelung ist eindeutig und erfasst auch widerklagend geltend gemachte Freistellungsansprüche, die die Beklagte nicht einklagen darf. Danach ist sie, wenn sie überhaupt Gegenforderungen geltend machen möchte, darauf beschränkt, sie aufzurechnen. Diese Regelung erfährt keine Einschränkung, sondern wird beispielhaft verdeutlicht durch die Passage, sie dürfe keine Widerklage auf Zahlung erheben. Damit soll weder der Formulierung noch dem Zweck nach, die vorangegangene Beschränkung auf die Aufrechnung teilweise wieder aufgehoben werden. Dafür spricht insbesondere auch, dass eine selbständige Klage nicht erwähnt wird, die aber dem Zweck der Regelung nach, mehr noch als die wenigstens im Zusammenhang mit der Werklohnklage erhobene Widerklage unzulässig sein soll. Aber auch die zuvor definierte Obergrenze, bis zu deren Höhe Gegenforderungen geltend gemacht werden dürfen, lässt eine andere Auslegung nicht zu. Insoweit sollen Werklohnanspruch und Gegenforderungen korrespondieren, indem eine erfolgreiche Aufrechnung den Anspruch unmittelbar zum Erlöschen bringt. Durch eine gesonderte Klage oder auch Widerklage wäre dieser Zusammenhang nicht gleichermaßen gewahrt, selbst wenn diese der Höhe nach möglicherweise zu begrenzen wären. Auch können sich Freistellungsansprüche in Zahlungsansprüche umwandeln, wenngleich sie es nicht müssen. Solche Ansprüche sollten jedenfalls ausgeschlossen werden.

Die widerklagend geltend gemachten Forderungen stehen auch sämtlich im Zusammenhang mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrag.

4.

Die Klageforderung ist auch nicht infolge der seitens der Beklagten erklärten Hilfsaufrechnungen gem. § 389 BGB erloschen, da sie sämtlich unschlüssig sind, ohne dass es auf den Inhalt des Schriftsatzes der Beklagten vom 14.02.2018 hierzu ankommt.

a)

Die Bedingung ist eingetreten. Die Beklagte hat die Hilfsaufrechnungen für den Fall erklärt, dass die Widerklage abgewiesen wird. Eine Beschränkung auf die Abweisung als unzulässig ist dem nicht zu entnehmen. Es ist auch nicht ersichtlich, aus welchem Grund sie die Möglichkeit der Aufrechnung aufgrund einer unzulässigen Widerklage verlieren wollte.

b)

Die Frage der Verspätung gem. §§ 296 Abs. 2, 132 ZPO kann auch hier dahinstehen.

c)

aa) Vertragsstrafe GLT — € 104.000,00

Die Beklagte hat gegen die Klägerin keinen Anspruch aus §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Hilfsaufrechnung mit einem Freistellungsanspruch ist unzulässig, weil es sich nicht um eine gleichartige Forderung handelt. Die Beklagte hat den Anspruch widerklagend als Freistellungsanspruch geltend gemacht. Dass er sich in einen Zahlungsanspruch umgewandelt hätte, hat sie nicht vorgetragen. Sie macht lediglich geltend, dass die Vertragsstrafe nur für 52 Tage und nicht für 63 Tage bestünde. Inwieweit sie sich den Anspruch im Prozess vor dem Landgericht Köln abziehen lässt, bleibt ebenfalls weiterhin offen.

bb) Hilfsaufrechnungen zu 1.-18.

(aa)

Soweit die Beklagte mit Abzügen wegen teilweise entfallener Leistungen mit oder ohne Teilkündigung aufrechnet, fehlt es bereits an jeweils selbständigen Gegenansprüchen, mit denen sie aufrechnen könnte. Vielmehr verringert sich der Werklohn der Klägerin um nicht erbrachte Leistungen, die diese entsprechend abrechnen muss. Dies betrifft die Hilfsaufrechnungen zu 1. deflagrationssichere Bodenabläufe, zu 2. Schmutzwassersammelanlage, zu 3.VE-Anlage sowie zu 4. Entrauchungskanäle.

(bb)

Auch Minderungsansprüche kann die Beklagte nicht erfolgreich aufrechnen, da sie diese nicht einfach aus dem Verhältnis zu ihrer Auftraggeberin durchreichen kann, sondern die einzelnen Anspruchsvoraussetzungen im Verhältnis zur Klägerin darlegen muss. Daran fehlt es hinsichtlich folgender Gegenforderungen: zu. 5. Nichterfüllung von Energieleitlinien, zu 6. Nichterfüllung der Vernetzung von Notstromanlagen, zu 7. Abweichungen betreffend HKLS, zu 8. Nichtausführung von NH-Lastschaltern, zu 9. unvollständige Umsetzung der Lichtsteuerung, zu 10. Blitzschutz nicht in Edelstahl und zu 11. Notstromaggregate nicht eingehaust.

(cc)

Die zu 12. geltend gemachten anteiligen Bewachungskosten kann die Beklagte nicht verlangen, da sie zu einem Anspruch wegen Verzuges nicht hinreichend vorgetragen hat. Weder ist der bereits zuvor von der Klägerin bestrittene Verzug mit der Fertigstellung hinreichend dargelegt. Noch sind die Kosten oder die auf die Klägerin entfallende Quote nachvollziehbar aufgeschlüsselt oder aus der Rechnung der … vom 01.04.2012 ersichtlich.

(dd)

Gleiches gilt für die zu 13. beanspruchten Kosten für Ersatzvornahmen und Mangelverfolgungskosten. Hier sind die Voraussetzungen von § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B oder eines Schadensersatzanspruches, insbesondere die Aufforderung zur Mängelbeseitigung nicht dargelegt. Um welche Mängel es sich handeln soll, legt die Beklagte nicht dar. Der bloße Verweis auf eine Kostenaufstellung reicht insoweit nicht.

(ee)

Ebenso verhält es sich mit der Ersatzvornahme hinsichtlich der Brandschutzmaßnahmen zu 14., zu 16. Betankungen mit Notstromdiesel und zu 17. anteilige Reinigungskosten. Ein Anspruch aus § 4 Abs. 7 VOB/B ist nicht dargetan. Die Mahnungen sind sämtlich vor Abnahme erfolgt, ohne dass die Beklagte zu einer Kündigung vorgetragen hat.

(ff)

Zu 15. – Ersatzvornahme wegen nicht konformer Wasserqualität gelten die Ausführungen zu (dd) entsprechend.

(gg)

Ebenso wenig hat die Beklagte einen Schadensersatzanspruch aus Übernahmeverzug (zu 18.) hinreichend erläutert. Auch insoweit reicht es nicht, ohne jegliche inhaltliche Darlegung der Anspruchsvoraussetzungen auf eine Anlage „Aufwendungen während Übernahmeverzug“ über immerhin € 905.621,17 zu verweisen.

c)

Ob ein Großteil der Ansprüche bereits mitverglichen wurde, kann unentschieden bleiben. Eine Stellungnahme der Beklagten war insoweit entbehrlich.

5.

Der Rechtsstreit war nicht zur weiteren Verhandlung und Entscheidung gem. § 538 Abs. 2 Nr. 5 ZPO analog an das Landgericht zurückzuverweisen.

Es kann unentschieden bleiben, ob eine solche Zurückverweisung auf Antrag erfolgen dürfte oder müsste (offen gelassen in BGH, Vorbehaltsurteil vom 01.06.2005, VIII ZR 216/04, NJW 2005, 2701 ff.; bejahend z.B. OLG München, Urteil vom 29.01.2014, 13 U 3932/13 und zum alten Recht: Urteil vom 15.07.1986, 25 U 2839/86).

Denn eine solche Zurückverweisung steht jedenfalls im pflichtgemäßen Ermessen des Senats (BGH, aaO., NJW 2005, 2701, 2703). Grundsätzlich ist das Berufungsgericht zur Verhandlung und Entscheidung des Nachverfahrens zuständig, wenn wie hier die erste Instanz die Klage abgewiesen hat und das Vorbehaltsurteil erst auf Rechtsmittel der Klägerin ergeht (BGH, aaO., NJW 2005, 2701, 2703). Das bedeutet, dass nicht jedes Nachverfahren auf Antrag zurückzuverweisen ist, sondern allenfalls dann, wenn dies sachdienlich ist. Hier überwiegt das Interesse an einer schnelleren Erledigung gegenüber dem Verlust einer Tatsacheninstanz (vgl. Heßler in Zöller, ZPO, 33. Auflage, § 538 Rn. 7). Der Senat kann ohne Weiteres selbst in der Sache entscheiden. Weder ist Beweis zu erheben, noch ist der Verlust der Tatsacheninstanz für die Beklagte vorrangig (s. zu der Voraussetzung einer umfangreichen Beweisaufnahme: OLG München, Urteil vom 29 01.2014, recherchiert unter BeckRS 2014, 02553). Vielmehr hätte sie es in der Hand gehabt, ihre Gegenforderungen auch vor dem Landgericht einzuklagen, wenngleich eine solche Klage ebenso wie die Widerklage unzulässig sein dürfte. Die Zurückverweisung soll überdies nicht dazu dienen, der Beklagten weiteren Vortrag zu ermöglichen. Dies betrifft die Hilfsaufrechnungen, zu deren Grundlage die Beklagte im Wesentlichen nichts Neues im Vergleich zu ihrem bereits am 26.07.2016 eingereichten Schriftsatz dargelegt hat.

6.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 28.02.2018 war nicht zu berücksichtigen und eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gem. § 156 ZPO nicht anzuordnen, da er nicht nachgelassen war und im Übrigen auch hinsichtlich der Trinkwasserverunreinigung keinen entscheidungserheblichen neuen Vortrag insbesondere zu den Anspruchsvoraussetzungen enthält.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 101, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt, die weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch aus Gründen der Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.

Berichtigungsbeschluss vom 3. April 2018

1. Der Tenor des am 09.03.2018 verkündeten Schlussurteils wird zu Ziff. 5 wegen einer offenbaren Unrichtigkeit gem. § 319 Abs. 1 ZPO berichtigt wie folgt:

Statt „der Klägerin wird nachgelassen, … wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit muss es richtig heißen:

5.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages nebst 10 % abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.

2. Im Übrigen wird der Berichtigungsantrag der Klägerin vom 14.03.2018 zurückgewiesen.

Gründe:

Mit der Berichtigung zu 1. wird ein offensichtlicher Tenorierungsfehler korrigiert, der sich im Zusammenhang mit den Entscheidungsgründen zu Ziff. III ergibt, in denen die Vorschriften der §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO zitiert werden. Hieraus ergibt sich zugleich, dass der Senat die Abwendungsbefugnis nicht versehentlich ausgesprochen hat. Insofern kommt eine Berichtigung des Tenors dahingehend, die Abwendungsbefugnis entfallen zu lassen, nicht in Betracht. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen des § 713 ZPO auch nicht vor, da ein Rechtsmittel nicht unzweifelhaft ausgeschlossen ist.

 

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