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Werklohnforderung  – Fälligkeit bei Überprüfungsvorbehalt des Bestellers

OLG Frankfurt – Az.: 29 U 101/18 – Urteil vom 12.08.2019

Die Berufung der Klägerin gegen das am 11.6.2018 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Limburg an der Lahn wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das landgerichtliche Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Das vorliegende Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus beiden Urteilen vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung restlichen Werklohns in Höhe von 40.000 € für die Errichtung eines Fertighauses in Anspruch. Die Beklagte wendet ein, die Klageforderung sei mangels Abnahme und wegen zahlreicher Mängel der klägerischen Werkleistung nicht fällig, mindestens aber bestehe ein Leistungsverweigerungsrecht.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und der in erster Instanz gestellten Anträge nimmt der Senat auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug.

Das Landgericht hat die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen. Die Klageforderung sei nicht fällig. Die Beklagte habe die Werkleistung der Klägerin nur unter der aufschiebenden Bedingung einer (positiven) gutachterlichen Prüfung abgenommen, die indessen zahlreiche Mängel ergeben habe, sodass die Bedingung nicht eingetreten sei. Aus der Ingebrauchnahme des Hauses durch die Beklagte sei angesichts fortlaufender Verhandlungen über Mängel nicht auf eine „fiktive Abnahme“ zu schließen. Eine Abnahme sei auch nicht entbehrlich. Die Beklagte habe keine Schadensersatzansprüche geltend gemacht, kein Abrechnungsverhältnis begründet. Sie habe die Abnahme wegen der fehlenden Zu- und Abflussleitungen samt Steigleitung im Gäste-WC der rechten Wohneinheit zu Recht verweigert. Die Klägerin habe ihr insoweit keine zumutbaren Maßnahmen zur Mängelbeseitigung angeboten, ebenso wenig eine akzeptable finanzielle Entschädigung.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin die Klageforderung weiter. Sie rügt, die Beklagte habe die Abnahme am 13.4.2015 erklärt, und auf ihren Vorbehalt gutachterlicher Überprüfung könne sie sich nach Treu und Glauben nicht mehr berufen, weil sie diese erst knapp zwei Jahre später veranlasst habe. Zur Freiheit der klägerischen Bauleistung von wesentlichen Mängeln hätte das Landgericht nicht nur Zeugen vernehmen, sondern auch das von der Klägerin angebotene Sachverständigengutachten einholen müssen. Sie habe für das Gäste-WC keine Leitungen geschuldet, weil das „Sanitärpaket“ ausweislich S. 12 Punkt 6.5 der Bau- und Leistungsbeschreibung lediglich die Ausführung nach dem Standardgrundrissplan umfasse (Anlage BK1, Bl. 562 d. A.), der kein Gäste-WC vorsehe (Anlage BK3, Bl. 563 d. A.) im Gegensatz zum von der Beklagten gewünschten Grundriss (Anlage BK3, Bl. 564 d. A.). Eine Unzumutbarkeit des Lösungsvorschlages der Klägerin zur Entwässerung des Gäste-WCs habe das Landgericht nicht nachvollziehbar begründet. Dieser Vorschlag entspreche dem Stand der Technik, Verstopfungsprobleme bestünden unabhängig von der genauen Leitungsführung. Über die technische Fehlerfreiheit ihres Lösungsvorschlages hätte das Landgericht den von ihr angebotenen Sachverständigenbeweis erheben müssen. Da die Beklagte die technisch fehlerfreie Mängelbeseitigung in Bausch und Bogen abgelehnt habe, könne sie die Abnahme nicht wegen des betreffenden Mangels verweigern. Das Entschädigungsangebot der Klägerin sei angemessen gewesen, weil sie weder Wasserzuleitungen noch eine Strangentlüftung schulde.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 40.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus 42.794,36 € seit Zustelldatum des Mahnbescheides bis zum 13.11.2016 und aus 40.000,00 € seit dem 14.11.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil.

B. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht als derzeit unbegründet abgewiesen, weil die Klageforderung mangels erklärter Abnahme und mangels Abnahmereife der klägerischen Bauleistung nicht fällig ist.

I. Die Beklagte hat die Bauleistung der Klägerin nicht ausdrücklich abgenommen, und sie ist nicht nach Treu und Glauben gehindert, sich auf ihren Überprüfungsvorbehalt zu berufen.

1. Es mag dahinstehen, ob mit dem landgerichtlichen Urteil von einer aufschiebend bedingten Abnahme (vgl. hierzu OLG Koblenz NZBau 2015, 294 f., Tz. 14; krit. zur Abnahmeerklärung unter Bedingungen Weise/Hänsel NJW-Spezial 2015, 174) und dem Fehlen des Eintritts der Bedingung oder ob nicht vielmehr davon auszugehen ist, dass die Beklagte überhaupt noch nicht abgenommen, sondern ihre Entscheidung hierüber bis zu einer positiven gutachtlichen Untersuchung verschoben hat, was nach Ansicht des Senats deutlich näher liegt. Im Ergebnis kommt es darauf nicht an. Ein derart allgemeiner Überprüfungsvorbehalt ist von einem Vorbehalt hinsichtlich einzelner Mängel zu unterscheiden, der die Abnahme überhaupt und damit die Fälligkeit des Werklohns unberührt lässt (vgl. hierzu etwa OLG Köln, Urteil vom 21.12.2017 – 7 U 49/13, BeckRS 2017, 146461, Tz. 21).

2. Das Fehlen der ausdrücklichen Abnahmeerklärung ist nicht nach § 242 BGB unbeachtlich. Die Verwirkungsvoraussetzungen liegen angesichts der fortlaufenden Korrespondenz der Parteien zu Mängeln ersichtlich nicht vor, die ein Vertrauen der Klägerin darauf, dass die Beklagte keine Mängelrechte mehr geltend machen würde, von vornherein nicht entstehen ließ. Der Unternehmer, der abnahmereif geleistet hat, ist gegen einen zu Unrecht die Abnahme verweigernden Besteller keineswegs schutzlos, kann er doch jederzeit auf Abnahme oder ohne Abnahme auf Zahlung des Werklohns klagen.

II. Eine konkludente Abnahme durch Ingebrauchnahme hat das Landgericht auf S. 4 seines Urteils – wenn auch unter der missverständlichen Bezeichnung als fiktive Abnahme – zutreffend verneint. Die Berufung beanstandet das Urteil insoweit auch nicht. Für die Vereinbarung einer Teilabnahme ist nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich.

III. Dass eine Abnahme nicht durch die Begründung eines Abrechnungsverhältnisses als Fälligkeitsvoraussetzung entbehrlich geworden ist, hat das Landgericht zutreffend und von der Berufung unbeanstandet ausgeführt.

IV. Die Beklagte hat die Abnahme bislang zu Recht verweigert. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedurfte es insoweit nicht, weil sich aus dem unstreitigen Sachverhalt ergab, dass die Leistung der Klägerin jedenfalls hinsichtlich des Gäste-WCs im Erdgeschoss einen wesentlichen Mangel aufweist.

1. Der von der Klägerin neu in der Berufung erhobene Einwand, die schulde im Gäste-WC keine Leitungen, ist unbegründet.

(a) Allerdings ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass die Bau- und Leistungsbeschreibung Bestandteil des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages geworden ist. Das von der Beklagten unterzeichnete Vertragsformular bezeichnet die Bau- und Leistungsbeschreibung auf S. 1 links unten als Vertragsbestandteil (Anlage K1, Bl. 35 d. A.). Ihren Empfang hat die Beklagte unter dem 31.3.2014 mit ihrer – nicht als unecht bestrittenen – Unterschrift bestätigt (Anlage K3, Bl. 40 d. A.), sodass ihr jetziges Bestreiten nicht ausreicht.

(b) Die Bau- und Leistungsbeschreibung ist aber entgegen der von der Klägerin in der Berufungsbegründung vertretenen Rechtsansicht nicht dahin auszulegen, dass die Klägerin das „Sanitärpaket“ nur für die Räume gemäß Standardgrundrissplan schuldete. Der entsprechende Passus im 4. Aufzählungspunkt zu Abschnitt 6.5 tritt unter Spezialitätsaspekten hinter dem unmittelbar anschließenden 5. Aufzählungspunkt zurück, wonach „je WC“ ein Anschluss für ein Waschbecken und ein WC mit Einbauspülkasten erstellt wird. Jedenfalls kommt das Gegenteil in der Klausel weder klar genug zum Ausdruck, noch musste die Beklagte als Vertragspartnerin der Verwenderin mit einer derartigen Überraschung rechnen (§ 305c Abs. 1 und 2 BGB). Aus nämlichen Erwägungen schuldet die Klägerin auch eine Heizleitung im Gäste-WC.

2. Das Landgericht hat bindend tatbestandlich als unstreitig festgestellt, dass die Wasser- und die Entwässerungsleitungen zum Gäste-WC fehlen. Dieses ist infolgedessen praktisch nicht nutzbar, ein Umstand, der einen wesentlichen Mangel des Hauses begründet.

3. Hierauf kann die Beklagte weiterhin ihre Abnahmeverweigerung stützen.

(a) In der endgültigen Ablehnung einer Mängelbeseitigung kann unter Umständen ein Verzicht zu sehen sein oder ein Verwirkungstatbestand. Das kommt aber nur ganz ausnahmsweise in Betracht und setzt jedenfalls ein umfassendes Angebot des Unternehmers zur Mängelbeseitigung voraus (vgl. Kniffka, in: Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Auflage 2014, 6. Teil Rn. 173).

(b) An einem solchen umfassenden Angebot fehlt es vorliegend.

(1) Das Landgericht hat nach einer Beweisaufnahme festgestellt, die Klägerin habe der Beklagten vorgeschlagen, die Abflussleitung für WC und Waschbecken innerhalb der Bodenplatte durch die Trennwand zur benachbarten Einliegerwohnung hindurch zu verlegen, um sie dort mit dem Abfluss der Küche zu verbinden; die Entlüftungsleitung hätte nach diesem Vorschlag ebenfalls durch die Trennwand zur Nachbarwohnung und dort in der Küche an der Trennwand entlang nach oben auf Putz verlegt werden sollen. Zweifel an dieser Feststellung im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bestehen nicht. Die Berufung hat insoweit auch nichts erinnert.

(2) Das Landgericht hat diesen Vorschlag im Ergebnis zu Recht als lückenhaft und unzureichend gewertet, weil er die Wasserleitungen – im landgerichtlichen Urteil als „Zuleitungen“ bezeichnet – zu Waschbecken und WC nicht umfasste und weil Aufputzleitungen nicht mehr üblich und daher mangels besonderer Vereinbarung mangelhaft sind. Hinzu kommt das Fehlen einer Heizleitung. Die Klägerin stellt die Lückenhaftigkeit ihres Lösungsvorschlags insoweit in tatsächlicher Hinsicht nicht in Abrede und meint lediglich, sie schulde diese Teilleistungen nicht, was – wie bereits ausgeführt – auf einer unzutreffenden Auslegung der Leistungsbeschreibung beruht. Angesichts dessen ist nicht zu vertiefen, ob auch die Bedenken des Landgerichts gegen die von der Klägerin vorgeschlagene Führung der Abwasserleitungen berechtigt sind oder ob es hierzu den angebotenen Sachverständigenbeweis hätte erheben müssen.

(3) Ob die Klägerin der Beklagten alternativ eine Geldentschädigung in angemessener Höhe vorgeschlagen hat, ist im Ansatz unerheblich, weil der Unternehmer dem Besteller – von Fällen der Unverhältnismäßigkeit abgesehen, die hier nicht ernsthaft erwägenswert ist – eine Minderung nicht aufzwingen kann, sondern Mängel schlicht und einfach zu beseitigen hat.

V. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 2 ZPO.

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