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VOB-Vertrag – Bürgschaft mit Aufrechnungsverbot wirksam?

OLG Nürnberg – Az.: 6 U 781/12 – Beschluss vom 21.08.2012

(§ 522 Abs. 2 ZPO)

Nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand hat die Berufung der Beklagten keine Aussicht auf Erfolg. Der Senat beabsichtigt daher, das Rechtsmittel nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

Gründe

I.

Im Namen der Klägerin beauftragte die Autobahndirektion Nordbayern die R. B. GmbH & Co KG, Unternehmung für Hoch-, Tief- und Eisenbetonbau, K., (im Folgenden: „B. B.“) am 6. März 2002 mit Abbruch- und Neubauarbeiten an einer Mainbrücke der Bundesautobahn A 9 (vgl. Anlagen K 2 und K 15; Auftragnehmerin in Anlage K 2 offenbar falsch bezeichnet). Die Vertragspartner vereinbarten die Geltung der VOB/B. Die B. B. stellte der Klägerin zunächst eine Vertragserfüllungsbürgschaft über 156.000 Euro. Nach Abnahme der Arbeiten würde diese Bürgschaft ersetzt durch eine Gewährleistungsbürgschaft über 67.218 Euro (vom 10. Oktober 2003; Anlage K 1). Bürgin war die Beklagte.

Am 1. Mai 2004 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. B. eröffnet.

Während der Gewährleistungsfrist, die bis 2. Juni 2008 dauerte, traten Mängel an dem Werk der B. B. auf. Nach erfolgloser Aufforderung zur Mängelbeseitigung ließ die Klägerin die Mängel durch Dritte beheben. Hierfür wandte die Klägerin 22.371‚07 Euro auf. Diesen Betrag verlangte sie von der Beklagten als Bürgin ersetzt. Die Beklagte zahlte nicht.

Die Klägerin erhob Klage auf Zahlung von 22.371‚07 Euro nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Herausgabe der Bürgschaftsurkunde. Das Landgericht gab der Klage statt. Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie beantragt, das Endurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

II.

Der Senat hat die Einwände der Berufungsführerin gegen das angefochtene Endurteil geprüft und gewürdigt. Die in der Berufung vorgetragenen Gesichtspunkte reichen jedoch nicht aus, um dem Rechtsmittel zum Erfolg zu verhelfen. Das Urteil des Landgerichts beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 5l3 Abs. 1 ZPO).

In Nr. 115 der zusätzlichen Vertragsbedingungen (Anlage K 14) vereinbarten die Klägerin und die B. B., dass diese

– eine Sicherheit für Vertragserfüllung in Form einer Bürgschaft in Höhe von 5 % der Auftragssumme zu stellen habe und

– diese Bürgschaft nach Abnahme des Werks gegen eine Sicherheit für Gewährleistung in Form einer Bürgschaft über 2 % der Abrechnungssumme auszutauschen sei.

Nach Nr. 23.3 der Vertragsbedingungen hatte diese Bürgschaft die Erklärung zu enthalten, dass der Bürge „auf die Einreden der Anfechtung, der Aufrechnung sowie der Vorausklage gemäß §§ 770, 771 BGB verzichtet“.

Die Beklagte wies im ersten Rechtszug (zu Recht) darauf hin, dass Nr. 23.3 der Vertragsbedingungen als Allgemeine Geschäftsbedingung zu werten und nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist, weil der Verzicht auch die Aufrechnung mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenforderungen der B. B. umfasst, was die Bürgin unangemessen benachteiligt (vgl. BGH NJW 2003, 1521; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Auflage, § 307 Rn 80).

Die Beklagte vertrat allerdings darüber hinaus die Ansicht, die Unwirksamkeit der Klausel führe zur Unwirksamkeit der gesamten Sicherungsabrede. Insoweit kann der Senat – wie schon das Landgericht – der Beklagten nicht folgen. Zwar wäre auch die Beklagte berechtigt, diesen Einwand, der eigentlich der B. B. zustünde, zu erheben (§ 768 BGB; BGH NJW 2009, 1664). Er bleibt jedoch ohne Erfolg. Die Unwirksamkeit der Allgemeinen Geschäftsbedingung in Nr. 23.3 der Vertragsbedingungen hat nicht zur Folge, dass die Sicherungsabrede (Stellen einer Gewährleistungsbürgschaft in Höhe von 2 % der Abrechnungssumme) in Nr. 115 der zusätzlichen Vertragsbedingungen ungültig ist (vgl. § 306 Abs. 1 und 3 BGB; Palandt/Grüneberg, aaO., § 306 Rn. 5). Das hat das Landgericht in seinem Urteil (Seite 8 bis 11) überzeugend begründet. Hierauf nimmt der Senat Bezug.

Die von der Berufung gegen die Ausführungen des Landgerichts erhobenen Einwände greifen nicht durch.

1. Eine ergänzende Vertragsauslegung – welche die Beklagte für unzulässig hält – nahm das Landgericht nicht vor. Es stellte lediglich fest, dass die Unwirksamkeit von Nr. 23.3 nicht auch die Unwirksamkeit der Nr. 115 der Vertragsbedingungen nach sich ziehe. Das entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH NJW 2009, 1664, Rn. 10, 13 ff, zitiert nach juris).

2. Die Berufung meint, das zitierte Urteil des Bundesgerichtshofs dürfe nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden, weil der Bundesgerichtshof über einen Einzelfall entschieden habe. Das mag sein; gleichwohl hatte das Landgericht den vorliegenden Fall in gleicher Weise zu entscheiden, da beide Fälle hinsichtlich der sie im Wesentlichen prägenden Umstände übereinstimmen. Dass der Verzicht auf Einreden in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall nicht die Aufrechnungsmöglichkeit (§ 770 Abs. 2 BGB) betraf, sondern andere Einreden im Sinn des § 768 BGB, steht einer Übertragung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs auf den vorliegenden Fall nicht entgegen. Die vom Bundesgerichtshof entwickelten Gedanken und Argumente besitzen für die Einrede nach § 770 Abs. 2 BGB (Aufrechnung) in gleicher Weise Gültigkeit.

3. Die Berufung kreidet dem Landgericht noch an, es habe sich nicht mit der abweichenden Literaturmeinung auseinander gesetzt. Soweit sich die Beklagte auf Joussen (in Ingenstau/Korbion, VOB, 17. Auflage, § 17 Abs. 4 VOB/B) beruft, ist jedoch darauf hinzuweisen, dass dieser der Entscheidung, BGH NJW 2009, 1664, zustimmt (aaO., Rn. 41 am Ende). Soweit sich die Beklagte auf Hogrefe (BauR 2003, 17/18) bezieht, ist anzumerken, dass jener Aufsatz sich mit der besonders risikoreichen Bürgschaft „auf erstes Anfordern“ befasst. Die dort vertretene Meinung kann daher nicht ohne weiteres auf eine selbstschuldnerische Bürgschaft – wie hier – übertragen werden. Entsprechendes gilt für den Hinweis der Beklagten auf Kniffka (ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht 2012, Rn. 141). Im Übrigen befasste sich Hogrefe naturgemäß noch nicht mit der erst später ergangenen Entscheidung des BGH NJW 2009, 1664.

4. Unabhängig davon trafen die Parteien anlässlich der Abnahme am 2. Juni 2003 eine neuerliche Sicherungsabrede (vgl. Nr. IV der Abnahmeniederschrift, Anlage. K 3). Zumindest diese ist jedenfalls wirksam. Der zeitliche Abstand zur Auftragserteilung am 6. März 2002 – der bedingte, dass diese Sicherungsabrede in einem gesonderten Schriftstück formuliert wurde, – lässt vermuten, dass es sich dabei nicht um einen mit dem ursprünglichen Vertrag eine Einheit bildenden Teil handelte, so dass die Unwirksamkeit der AGB-Klausel im Vertrag vom 6. März 2002 nicht auf die Sicherungsabrede vom 2. Juni 2003 ausstrahlt (§ 139 BGB; vgl. BGHZ 78, 346/349; NJW-RR 2007, 395).

III.

Aus den dargelegten Gründen verspricht das Rechtsmittel der Beklagten auch nach nochmaliger Prüfung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Erfolg, sondern ist nach gegenwärtigem Stand offensichtlich aussichtslos im Sinn des § 522 Abs. 2 ZPO. Umstände, die gleichwohl eine mündliche Verhandlung geboten erscheinen ließen, sind nicht ersichtlich. Die Beklagte muss daher, sofern keine wesentlichen neuen Gesichtspunkte hinzutreten, mit der Zurückweisung ihrer Berufung durch einen einstimmigen – unanfechtbaren – Beschluss rechnen (§ 522 Abs. 2 ZPO).

Sollte sich die Beklagte im Hinblick auf die Rechtsauffassung des Senats entschließen, ihr Rechtsmittel zurückzunehmen, hätte dies gegenüber einer förmlichen Zurückweisung gebührenrechtliche Vorteile (Ersparnis zweier Gerichtsgebühren).

IV.

Der Senat erwägt, die im Rubrum des Endurteils vom 16. März 2012 vor der Überschrift „Endurteil“ stehenden Worte „auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2011“ zu ersetzen durch „im schriftlichen Verfahren, in dem Schriftsätze bis 19.01.2012 eingereicht werden konnten.“ Insoweit liegt ein offenkundiges Versehen vor (§ 319 Abs. 1 ZPO). Die Berichtigung kann auch durch das Rechtsmittelgericht erfolgen (BGHZ 106, 373; Zöller-Vollkommer, ZPO, 29. Auflage, § 319 Rn. 22 m.w.N).

Frist zur Stellungnahme: 10. September 2012.

Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren in Übereinstimmung mit der Wertfestsetzung für die erste Instanz auf 22.371,07 Euro festzusetzen.

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