LG Oldenburg – Az.: 5 O 1630/07 – Urteil vom 02.11.2012
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 48.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.08.2007 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Gerichtskosten tragen der Kläger 77 Prozent und die Beklagten 23 Prozent als Gesamtschuldner. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) zur Hälfte und von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) und 3) 77 Prozent. Die Beklagten tragen von den außergerichtlichen Kosten des Klägers 23 Prozent als Gesamtschuldner. Im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche des Klägers gegen die Beklagten im Zusammenhang mit der Verwendung von Planungsleistungen für ein Seniorenheim, die der Kläger in seiner Eigenschaft als Architekt erbracht hat.
Wegen des Sachverhaltes wird zunächst auf den Tatbestand des Teilgrund- und Teilendurteils der Kammer vom 15.04.2009 Bezug genommen.
Der Kläger hat zunächst beantragt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger 100.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.08.2007 zu zahlen, sowie die Beklagten zu 2) und 3) gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger weitere 112.419,33 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.11.2008 zu zahlen.
Mit dem genannten Urteil der Kammer ist die Klage gegen die Beklagte zu 1) abgewiesen worden und hinsichtlich der Beklagten zu 2) und 3) eine Verurteilung dem Grunde nach erfolgt.
Gegen das Urteil haben der Kläger einerseits und die Beklagten zu 2) und 3) andererseits Berufung eingelegt.
Das Oberlandesgericht Oldenburg hat die Berufung der Beklagten zu 2) und 3) durch Beschluss nach § 522 ZPO vom 14.09.2009 zurückgewiesen.
Durch Grundurteil vom 10.11.2009 hat das Oberlandesgericht Oldenburg auf die Berufung des Klägers das Urteil der Kammer vom 15.04.2009 unter Zurückweisung der Berufung im übrigen dahin geändert, dass auch die Beklagte zu 1) dem Grunde nach verurteilt worden ist, soweit gesetzliche Zahlungsansprüche aus eigenem Recht geltend gemacht werden, und die Sache zur Durchführung des Betragsverfahrens an das Landgericht zurückverwiesen.
Die durch den Beklagten zu 1) beim Bundesgerichtshof eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde blieb ohne Erfolg.
Der Kläger meint, ihm sei durch die rechtswidrige Nutzung der von ihm erstellten Planung jedenfalls ein ersatzfähiger Schaden in Höhe von insgesamt 162.419,33 € entstanden. Wegen der Berechnung und Aufteilung auf die Beklagten wird auf den Schriftsatz vom 12.11.2008 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt nunmehr noch,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 50.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.08.2007 zu zahlen, sowie
2. die Beklagten zu 2) und 3) gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger weitere 112.419,33 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.11.2008 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten halten die Forderung des Klägers unter dem Blickwinkel der Lizenzanalogie für überhöht.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens aufgrund des Beschlusses vom 09.11.2012 (Bl. 78 Bd. V d.A.) in Verbindung mit dem Beschluss vom 01.12.2011 (Bl. 84 Bd. V d.A.). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. Arch. … vom 16.02.2012 nebst Erläuterung in der mündlichen Verhandlung am 05.09.2012 (Protokoll Bl. 123 ff Bd. V d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist der Höhe nach teilweise begründet.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann der Kläger wegen Verletzung seiner Urheberrechte an den Plänen durch die Beklagten nach § 97 UrhG Schadensersatz in Höhe von 48.000 € verlangen.
I.
Die Höhe des Schadensersatzanspruches wegen einer Verletzung des Urheberrechts im Sinne von § 97 Abs. 1 UrhG ist unter Anlegung eines objektiven Maßstabs im Wege der „Lizenzanalogie“ danach zu bestimmen, welches Entgelt bei einer vertraglich vereinbarten Nutzungseinräumung üblicherweise berechnet wird. Bei der Berechnung der angemessenen Lizenzgebühr ist objektiv darauf abzustellen, was bei vertraglicher Einräumung ein vernünftiger Lizenzgeber gefordert und ein vernünftiger Lizenznehmer gewährt hätte, wenn beide die im Zeitpunkt der Entscheidung gegebene Sachlage gekannt hätten (OLG Celle, Urteil vom 02.03.2011, Az. 14 U 140/10 mwN.).
Bei der Ermittlung dieses Wertes können bei Verletzung eines Architektenurheberrechts die Honorarsätze der HOAI nicht unmittelbar übernommen werden, da diese für die Einräumung eines Nutzungsrechts am Urheberrecht des Architekten keine Honoraranteile enthalten; die Sätze der HOAI sind aber als verlässliche Maßstäbe für die Bewertung von Architektenleistungen auch insoweit als „Richtschnur“ heranziehbar (OLG Celle aaO mwN).
Der Architekt kann allerdings nicht sämtliche Leistungsphasen gemäß § 15 HOAI ersetzt verlangen. Der Kläger kann von dem nach der HOAI zu berechnenden Honorar nur diejenigen Anteile als Schadensersatz geltend machen, die die von ihm erbrachten, urheberrechtlichen Schutz genießenden Teilleistungen betreffen. Dies betrifft zum einen nur diejenigen Leistungsphasen, die mit schöpferischen Leistungen des Architekten in Verbindung stehen (vgl. OLG Nürnberg NJW RR 1998, 47). Das OLG Thüringen führt aus (BauR 1999, 672):
„Anerkannten urheberrechtlichen Grundsätzen entspricht es nämlich, daß bei unrechtmäßiger Nutzung eines Werkteils der Lizenzanteil zu zahlen ist, der dem Umfang des Werkteils im Verhältnis zum Gesamtumfang entspricht (vgl. Nordemann in: Fromm/Nordemann § 97 UrhG Rn. 40, 41). Dafür, daß dies dann nicht gelten soll, wenn die Lizenzgebühr sich nach der HOAI richtet, die zur Eingrenzung des Honoraranspruches ausreichend Differenzierungsmöglichkeiten bietet, ist nicht erklärbar. Insgesamt stellt der Senat also weder die starren Leistungsphasen der HOAI noch die undifferenzierte Gesamtbaukostensumme in den Vordergrund. Dem Architekten dürfen auf dem Wege des Schadensersatzes keinesfalls Honoraransprüche für Teile der Planung zukommen, die überhaupt nichts mit Urheberrechtsschutzfähigkeit zu tun haben. Ist Argument für einen Verbleib der Nutzungsrechte beim Architekten allein eine wirtschaftliche Überlegung, so muß sich dieses Argument bei der Schadensberechnung spiegelbildlich wiederfinden. Der Anspruch müßte sich eigentlich mehr an einem Vergütungsanspruch aus einem urheberrechtlichen Nutzungsvertrag als an einem Honoraranspruch nach der HOAI orientieren, der künstlerische und rein handwerklich-technische Leistungen vermischt. Da dieser aber nicht ohne weiteres bezifferbar ist, kann in den genannten und noch aufzuzeigenden Grenzen die HOAI als grober Anhaltspunkt Richtschnur für die Bemessung der entgangenen Lizenzgebühr i.S.v. § 97 UrhG bleiben.“
Darüber hinaus ist das Honorar aber auch nur aus der Nettobausumme zu berechnen, die – weil das Werk des Klägers nicht in seiner Gesamtheit Urheberrechtsschutz genießt – dem schutzfähigen Werkteil zuzuordnen ist (OLG Thüringen aaO; OLG Celle aaO).
II.
Den vorstehend dargestellten Maßstäben ist der Sachverständige Dipl.-Ing. Arch. … bei seiner Begutachtung gefolgt. Er hat sich bei der Ermittlung der hier zu entrichtenden Lizenzgebühr an den Regelungen der HOAI orientiert. Dabei hat er zunächst die Kostenschätzung des Klägers vom 30.01.2004 (Anlage K4) zugrunde gelegt und durch Errechnung der Kostenkennwerte ermittelt, dass die durch den Kläger angesetzten anrechenbaren Kosten von 4.070.000 € eine zutreffende Größenordnung haben.
Sodann hat der Sachverständige dargestellt, welche Teilbauleistungen des Objektes nicht urheberrechtsrelevant sind, und den Anteil dieser Teilbauleistungen am Gesamtbetrag der anrechenbaren Kosten mit 206/1000 beziffert. Daraus ergibt sich, dass auf die urheberrechtlich relevanten Teilbauleistungen anrechenbare Kosten in Höhe von 3.232.000 € entfallen.
Diese Differenzierung ist vor dem Hintergrund, dass nur die auf den urheberrechtlich geschützten Teil entfallenden Nettobaukosten zu berücksichtigen sind, nicht zu beanstanden.
Weiter hat der Sachverständige die Leistung des Klägers (Anlage K8) als Vorplanung entsprechend der Leistungsphase 2 gemäß § 15 Abs. 2 HOAI eingeordnet, die allerdings aufgrund ihres Bearbeitungsstandes in die Leistungsphase 3 hineinreiche, und zwar dergestalt, dass die Leistungsphase 3 als zur Hälfte erbracht angesehen werden könne. So ist er dazu gelangt, dass bei der Ermittlung des Honorars für die erbrachten Leistungen nach HOAI 16 Prozentpunkte anzusetzen wären. Unter Anwendung der in der HOAI vorgesehenen Maßstäbe hat er auf dieser Grundlage ein Honorar in Höhe von rund 48.000 € ermittelt. Diesen Betrag hält er aus fachlicher Sicht als Lizenzgebühr für die hier erfolgte Nutzung der Architektenleistungen des Klägers durch die Beklagten für angemessen.
Bei seiner mündlichen Anhörung hat der Sachverständige ergänzend erläutert, dass der Kläger vorliegend urheberrechtlich relevante Architektenleistungen der Leistungsphasen 5 und 8 nicht erbracht habe und solche daher bei der Ermittlung der Lizenzgebühr auch nicht berücksichtigt worden seien.
Der Kammer ist bewusst, dass der Sachverständige hier über einen fiktiven Vorgang zu befinden hatte, der sich in der Praxis des Architekten so nicht ereignet, nämlich das Aushandeln eines Architektenhonorars lediglich für die urheberrechtlich geschützten Teile seines Werks. Sie sieht sich aufgrund der sachverständigen Beratung aber in der Lage, den entstanden Schaden unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zur Lizenzanalogie bei der Verletzung von Urheberrechten des Architekten nach § 287 ZPO bemessen zu können.
Das Gericht folgt den eingehenden und sachkundigen Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. Arch. … in vollem Umfang. Es besteht kein Anlass, an seiner Sachkunde zu zweifeln oder die Richtigkeit der fachlichen Ausführungen in Frage zu stellen. Die gutachterlichen Ausführungen sind fundiert, von Sachkenntnis getragen und überzeugend. Das Gutachten ist sorgfältig ausgeführt, nachvollziehbar und widerspruchsfrei begründet.
Er hat sich auch überzeugend mit Einwendungen auseinandergesetzt und diese in der Anhörung am 05.09.2012 entkräftet.
Der Sachverständige verfügt über eine langjährige Berufserfahrung und großes Fachwissen hinsichtlich der hier betroffenen Sachfragen. Seine ergiebigen Ausführungen beantworten die Beweisfrage, gehen von einer zutreffenden Tatsachenbasis und einem richtigen Verständnis der Fragestellungen aus. Die Schlussfolgerungen sind verständlich und für das Gericht in jeder Hinsicht nachvollziehbar. Die Parteien haben keine überzeugungskräftigen Vorhalte vorbringen können, welche die Feststellungen oder deren Beurteilung in begründete Zweifel ziehen könnten.
Die Kammer kann nur den bewiesenen Mindestschaden zusprechen. Vor dem Hintergrund, dass nach den Erläuterungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung die Frage, welche Vergütung der Architekt durchsetzen kann, von seiner Markstärke abhängt, bleibt hier ungewiss, ob der Kläger bei Verhandlungen über eine Übernahme seines Entwurfs eine über die urheberrechtlich geschützten Teile hinausgehende Vergütung hätte vereinbaren können.
Die Kammer nimmt den bewiesenen Schaden daher unter Zugrundelegung der Ausführungen des Sachverständigen mit 48.000 € an.
III.
Ein weitergehender Anspruch des Klägers besteht auch nicht unter bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten, denn der Bereicherungsanspruch entspricht der Höhe nach der oben ermittelten Lizenzgebühr.
Bei v. Wolff in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 2. Auflage 2006, Rn 88 heißt es:
„Der Bereicherungsanspruch richtet sich auf den grundlosen Vermögenszuwachs beim Verletzer. Die frühere Rechtsprechung (BGHZ 20, 345, 355 – Paul Dahlke) sah die Bereicherung darin, dass der Verletzer die Vergütung erspart, die er hätte entrichten müssen, wenn er den Urheber bzw. Leistungsschutzberechtigten um Zustimmung gebeten hätte (Ersparnisbereicherung). Seit BGHZ 82, 299 – Kunststoffhohlprofil II – ist die dogmatische Begründung eine andere: Das „Erlangte“ i.S.d. § 812 BGB ist nicht die Lizenzersparnis, sondern der Gebrauch des immateriellen Schutzgegenstandes. Hierdurch greift der Verletzer in die ausschließliche Benutzungsbefugnis des Rechtsinhabers ein. Da diese Nutzung seiner Natur nach nicht herausgegeben werden kann, ist ihr Wert zu ersetzen (§ 818 Abs. 2 BGB).“
Der Wert des Erlangten besteht auch nach diesen Maßstäben in der oben ermittelten Lizenzgebühr, mit der der Gebrauch des Schutzgegenstandes abgegolten wird, hier also der urheberrechtlich geschützten Teile der Planungsleistung des Klägers.
IV.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.