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Tiefbauunternehmer – Hinweispflicht bei zu flacher Aushubtiefe

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 7 U 120/15 – Urteil vom 10.08.2017

Auf die Berufung der Klägerin wird – unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen – das am 21.07.2015 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 7. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.100,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit dem 02.07.2014 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 82% und der Beklagte 18%. Von den Kosten des Berufungsrechtszuges sowie des Revisionsverfahrens vor dem Bundesgerichtshof VII ZR 181/16 tragen die Klägerin 72% und der Beklagte 28%.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die jeweils andere Partei gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten, der unter anderem Erdbauarbeiten durchführt, auf Schadensersatz – zweitinstanzlich in Höhe von noch rund 43.058,00 € – in Anspruch.

Die Klägerin beabsichtigte in den Jahren 2013/2014, den – mittlerweile fertiggestellten – Neubau eines Cafés im Stadtpark H. Dieses sollte sich äußerlich wie aus der Skizze Anlage K9 ersichtlich darstellen.

Der Beklagte erhielt aufgrund eines Angebots vom 21.11.2013 (Anlage B1, Bl. 29 GA) den Auftrag, Erdarbeiten für den geplanten Neubau (X-Straße.) auszuführen. Nach einem Ortstermin am 21.11.2013 sollte zunächst die Baugrube ausgehoben werden. Im Anschluss daran sollte ein aus Betonfertigteilen zusammengesetzter Keller (sog. „Thermo-Rohbau-Keller) von der JS GmbH eingebaut werden. Dem Beklagten war die Bauzeichnung (Anl. K9) bekannt.

Der Aushub der Baugrube erfolgte zwischen dem 29.11. und 04.12.2013 durch den Zeugen P, einen Mitarbeiter des Beklagten. Dabei erfolgte vor Ort und vor Beginn der Arbeiten eine genaue Einweisung durch den Zeugen R (Ehemann der Klägerin) sowie durch den Zeugen B, der sich als Bauleiter der Klägerin gerierte. Durch diese wurde auch der sogenannte Nullpunkt vorgegeben.

Der Beklagte forderte für seine Arbeiten unter dem 04.12.2013 (Anlage K2) einen ersten Abschlag von 9.037,43 €, der von der Klägerin gezahlt wurde. Im Februar 2014 wurde der Keller geliefert und eingebaut, der rund 80 cm über die Geländeoberfläche hinausragte und damit offensichtlich nicht mit den Bauplänen übereinstimmte. Die Klägerin forderte den Beklagten anschließend zur Fertigstellung der beauftragten Erdarbeiten auf. In der Zeit vom 18.3.-19.3.2014 führte der Beklagte die Arbeiten auftragsgemäß aus, und lieferte statt geplanter ca. 250 qbm tatsächlich 293 qbm Füllsand, der anschließend verdichtet bzw. aufgeschüttet wurde. Die Klägerin bezahlte den Restbetrag aus der Schlussrechnung des Beklagten vom 25.3.2014 (14.371,99 ./. bereits gezahlter 9.037,34 = 5.334,65 €; vgl. Bl. 246-249 GA). Außerdem ließ sie die Arbeiten mit den Mauerarbeiten am Erdgeschoss fortsetzen (vgl. Lichtbild v. 24.3.2014, Bl. 255 GA). Weil der Rohbau nicht den genehmigten Bauplänen entsprach, forderte die Stadt von der Klägerin mit Schreiben vom 29.4.2014 (Anlage K8, Bl. 16) die Umsetzung der abgestimmten Planung bis zum 30.6.2014 und damit den Rückbau des herausragenden Kellers.

Mit Anwaltsschreiben vom 16.05.2014 (Anlage K6) ließ die Klägerin den Beklagten auffordern, bis zum 29.05.2014 mitzuteilen, ob er „an einer einvernehmlichen Vertiefung der Kellergrube gegen Übernahme der Kosten auf Ihre Rechnung bei gleichzeitiger Vertiefung interessiert“ sei. Zudem ließ sie „hiermit hinsichtlich des Rückbaus des Kellers um 80 cm Tiefe“ den Beklagten „ausdrücklich in Verzug“ setzen und kündigte „nach Ablauf der Frist die kostenmäßig gegen Sie gewandte Ersatzvornahme durch einen Drittunternehmer“ an.

Der Beklagte lehnte dies mit Anwaltsschreiben vom 20.05.2014 (Bl. 59 f. d. A.) unter Hinweis darauf ab, er habe die Baugrube nach den ausdrücklichen Vorgaben der Mitarbeiter der Klägerin ordnungsgemäß errichtet.

Mit weiterem Schreiben vom 06.06.2014 ließ die Klägerin dem Beklagten eine Frist zur ordnungsgemäßen Herstellung der Baugrube auf den 13.06.2014 setzen, die ergebnislos verstrich.

Tiefbauunternehmer - Hinweispflicht bei zu flacher Aushubtiefe
(Symbolfoto:
Von Petair/Shutterstock.com)

In der Folgezeit musste der errichtete Rohbau einschließlich Keller und Bodenplatte wieder abgerissen, die Grube tiefer gesetzt und wieder eine neue Bodenplatte erstellt werden. Das Café wurde nunmehr planmäßig errichtet und wird seit Juni 2015 im Stadtpark betrieben.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei ihr wegen mangelhaften Aushubes der Baugrube zum Schadensersatz verpflichtet. Sie hat erstinstanzlich als Schaden den Pauschalpreis für den Thermo-Keller inkl. Mwst. mit 58.072,00 € zzgl. der Kosten der Abbrucharbeiten mit 10.174,50 €, insgesamt 68.246,50 € geltend gemacht.

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 68.246,50 € nebst 5%-Punkten Verzugszinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 30.04.2015 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, entsprechend der ihm erteilten Vorgaben die Kellergrube ordnungsgemäß ausgehoben zu haben.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf das angefochtene Urteil nebst darin enthaltener Verweisungen Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme (Zeugenvernehmung) abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, Schadensersatzansprüche stünden der Klägerin allein schon deshalb nicht zu, weil es an einer ordnungsgemäßen Fristsetzung zur Mängelbeseitigung gefehlt habe.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie rügt Rechtsfehler des angefochtenen Urteils, zudem Verfahrensfehler des Landgerichts.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Erdarbeiten des Beklagten seien gar nicht abgenommen worden. Zudem sei eine Fristsetzung zur Mängelbeseitigung angesichts der Verweigerungshaltung des Beklagten entbehrlich gewesen. Jedenfalls aber sei sie mit den Anwaltsschreiben vom 16.05. bzw. 06.06.2014 ordnungsgemäß erfolgt.

Sie bestreitet erstmals im zweiten Rechtszug, dass dem Beklagten bzw. seinem Mitarbeiter der Nullpunkt seitens des Zeugen R oder des Zeugen B vorgegeben worden sei.

Jedenfalls hätte der Beklagte erkennen können und müssen, da ihm – insoweit unstreitig – die Skizze Anlage K9 bekannt gewesen sei, dass bei einer Tiefe des Aushubs von rund 2,20 m der Keller notwendig über die Geländeoberfläche herausragen würde. Darauf hätte er die Klägerin bzw. deren Ehemann hinweisen müssen.

Zweitinstanzlich macht die Klägerin als Schaden nur noch einen Betrag von 43.057,83 € geltend. Die Reduzierung beruht auf dem unstreitigen Umstand, dass die Klägerin durch die Fa. … Betonbohr- und Sägetechnik die alten Kellerwand-Betonelemente demontieren und nach Befreiung von Beton- und Mörtelresten wieder einbauen ließ, mithin keinen neuen Fertigkeller mehr errichtete.

Sie beantragt, unter Änderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an sie 43.057,83 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.07.2014 zu zahlen, hilfsweise, die Sache unter Aufhebung des am 21.07.2015 verkündeten Urteils des Landgerichts Itzehoe, Az.: 7 O 159/14, an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags. Er behauptet, das Baugelände habe ein zum Weg ansteigendes Gefälle von mindestens 70 cm gehabt.

Der Senat hat im Termin am 10. Mai 2016 ergänzend den Beklagten persönlich angehört.

Nach Aufhebung des am 02.06.2016 verkündeten, die Berufung der Klägerin zurückweisenden Senatsurteils durch den Bundesgerichtshof (BGH VII ZR 181/16) mit Beschluss vom 18. Januar 2017 hat der Senat Termin bestimmt und ergänzend die Parteien persönlich angehört. Außerdem hat er gemäß prozessleitender Verfügung vom 29.06.2017 (Bl. 229 d. A.) Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen R, P, S, S-G und F.

Wegen des Inhalts wird auf die Sitzungsniederschriften vom 10.05.2016 (Bl. 165-167 d. A.) und 25.07.2017 (Bl. 236-244 d. A.) nebst Protokollanlagen (Bl. 245-257 d. A.) Bezug genommen.

Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung der Klägerin hat nur im zuerkannten Umfang Erfolg. Im Übrigen erweist sie sich als unbegründet.

1. Der Klägerin stehen keine Schadensersatzansprüche aus §§ 634 Nr. 4, 636 BGB zu. Diese scheitern – entgegen der Auffassung des Landgerichts – jedoch nicht an einer fehlenden Fristsetzung zur Mängelbeseitigung sondern daran, dass die Aushubtiefe der Baugrube nach den dem Beklagten bzw. dessen Mitarbeiter, dem Zeugen P, gemachten Vorgaben nicht mangelhaft war. Insoweit wird auf die Ausführungen des Senats aus dem Urteil vom 2.6.2016 Bezug genommen, die durch die Revisionsentscheidung des BGH vom 18.1.2017 nicht beanstandet worden sind.

Nach dem schon erstinstanzlich unstreitigen Vorbringen der Klägerin war sowohl bei der Vor-Ort-Besichtigung am 21.11.2013 (im Beisein des Beklagten) als auch nochmals bei Beginn der Baggerarbeiten am 29.11.2013 (gegenüber dem Zeugen P) durch die Zeugen B und R der sogenannte Nullpunkt angewiesen und mitgeteilt worden. Diese Feststellungen hat der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 18. Januar 2017 (dort Rn. 17) ausdrücklich gebilligt. Im Übrigen hat der Zeuge P diesen Umstand bei seiner Vernehmung am 25.7.2017 nochmals ausdrücklich bestätigt (Bl. 241 GA).

Soweit die Klägerin nunmehr – im Gegensatz zu ihrem erstinstanzlichen Vortrag, wonach vor Beginn der Baggerarbeiten durch die Zeugen B und R nochmals der Nullpunkt angezeigt worden ist (Schriftsatz vom 13.10.2014, Bl. 38 GA) – bestreitet, dass ein Nullpunkt vorher angezeigt worden sei und sich die Aussagen der Zeugen R und B insoweit zu Eigen macht, verhält sie sich widersprüchlich und kann damit nicht mehr gehört werden. Das nunmehrige erstmalige Bestreiten ihres in erster Instanz unstreitigen Vortrages stellt ein neues Angriffs- bzw. Verteidigungsmittel dar, das der Zurückweisung gemäß §§ 529, 531 Abs. 2 ZPO unterliegt.

Demzufolge lässt sich nicht feststellen, dass die ausgehobene Baugrube im Sinne von § 633 Abs. 1 BGB mangelhaft gewesen ist, denn ein Mangel folgt nicht bereits aus dem Umstand, dass der Fertigkeller rund 80 cm aus der Baugrube herausragte. Vielmehr hätte die Klägerin darlegen und beweisen müssen, dass trotz des aus ihrer Sphäre vorgegebenen Nullpunkts die Baugrube zu flach ausgehoben worden ist. Das ist ihr aber nicht gelungen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat ergänzend auf die Ausführungen Seite 5 Mitte bis Seite 6 des Senatsurteils vom 02.06.2016.

2. Der Beklagte ist der Klägerin jedoch wegen Verletzung einer Hinweis- und Aufklärungspflicht als Nebenpflicht zum Werkvertrag gemäß §§ 631 ff., 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet.

a) Der Beklagte hätte die Klägerin bzw. deren vor Ort tätigen Mitarbeiter vor Beginn der Tiefbauarbeiten darauf hinweisen müssen, dass nach den tatsächlichen Vorgaben für die Tiefe der Baugrube (angezeigter Nullpunkt) anschließend der Keller deutlich (rund 80 cm) über die Geländeoberfläche hinausragen würde. Damit hätte der Beklagte die Klägerin bzw. ihren für sie vor Ort handelnden Ehemann und/oder den Zeugen B auf den Widerspruch zwischen der ihm bekannten Planzeichnung Anlage K9 und der durch Angabe des Nullpunktes bedingten Aushubtiefe (zweitinstanzlich unstreitig 2 m bis 2,20 m) hinweisen müssen. Nach der Bauzeichnung sollte die Kelleroberkante nämlich ebenerdig abschließen.

Die Behauptung des Beklagten, der Baugrund habe ein deutliches Gefälle (mindestens 70 cm) zum nördlich gelegenen Weg hin aufgewiesen (vgl. Skizze Bl. 245 GA) mit der Folge, dass (nur) durch Aufschüttungen eine allseits ebene Fläche hätte entstehen können, hat in der Beweisaufnahme keine Bestätigung gefunden. Bis auf den Zeugen P, den Baggerfahrer des Beklagten, haben sämtliche Zeugen den Baugrund als plan oder mit lediglich einem leichten Gefälle versehen beschrieben. Die Zeugin S-G, die über den Stadtpark, wo sich der Baugrund befindet, die Revierleitung hat, hat beispielsweise angegeben, es gebe dort „lediglich ein leichtes Gefälle zum Weg hin, schätzungsweise circa 10 cm“. Der Zeuge F, seinerzeit zuständiger Bauamtsleiter beim Bezirksamt H-Nord, hat angegeben, dass es nach seiner Erinnerung „fast überhaupt kein Gefälle“, wenn überhaupt ein leichtes Gefälle zur westlich gelegenen X-Straße hin“ gegeben habe. Das Gelände sei nämlich früher einmal die Liegewiese eines Freiluftbades gewesen. Auch aus den weiter zur Akte gereichten Lichtbildern (Bl. 250-257 d. A.) ergibt sich, dass das Gelände weitgehend eben war, zumal auch der ursprünglich eingebaute Keller offensichtlich an allen vier Seiten weitgehend in gleicher Höhe die Geländeoberfläche überragte.

In Kenntnis dessen hätte der Beklagte als Fachmann darauf hinweisen müssen, dass die Kelleroberkante nach den erteilten Vorgaben nicht (weitgehend) plan mit dem Gelände abschließen, mithin im Widerspruch zur Bauzeichnung (Anl. K9) stehen würde. Unstreitig ist ein solcher Hinweis nicht erfolgt.

b) Verletzung der Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB

Der Senat hat die Klägerin im Termin am 25.7.2017 ausdrücklich auf eine Verletzung ihrer Schadensminderungspflicht hingewiesen (Bl. 244 GA). Der aus der Hinweispflichtverletzung des Beklagten erwachsene Schadensersatzanspruch der Klägerin umfasst deshalb nur einen Teil der von ihr geltend gemachten Kosten.

Einen nicht unerheblichen Teil der von ihr als Schaden geltend gemachten Kosten hat die Klägerin nämlich selbst verursacht, weil sie den Keller fertigstellen ließ und anschließend sogar noch damit begonnen hat, das Gelände aufzuschütten und das Erdgeschoss des Cafés aufzumauern. Es war nämlich offensichtlich, dass das Bauwerk in der vorhandenen Form gegen die Baugenehmigung verstieß. Hierbei muss sich die Klägerin auch die Sachkunde ihres Ehemannes und ihres Bauleiters B zurechnen lassen (vgl. BGH VII ZR 457/98, Urteil vom 18.01.2001). Die Klägerin wusste, dass die Baugenehmigung aus Gründen des Denkmalschutzes und der Barrierefreiheit nur ein ebenerdiges Bauwerk vorsah.

Bereits die Anfang Dezember 2013 ausgehobene Baugrube sah augenscheinlich schon sehr flach aus (vgl. Lichtbild Bl. 256 GA). Schon dieser Umstand hätte der Klägerin bzw. ihrem baukundigen Ehemann, der immerhin ein Bauingenieurstudium aufgenommen hat, auffallen können. Doch selbst wenn die schon augenscheinlich recht flache Baugrube – gerade auch nach Einbringen der Sohlplatte – immer noch keinen Anlass zur Prüfung der Baugrundtiefe gegeben hätte, wäre die Klägerin doch spätestens am Tag des Kellereinbaus und schon nach dem Einbringen des ersten Beton-Kellerelements gehalten gewesen, den Weiterbau abzubrechen. Denn spätestens ab diesem Zeitpunkt war für jedermann offensichtlich, dass die Baugrube zu flach und damit die genehmigte Planung nicht eingehalten werden konnte. Wie sich aus dem Lichtbild Bl. 254 d. A. ergibt, wurde der Fertigkeller in Einzelteilen in die Baugrube eingebracht, die dort anschließend verbunden wurden. Der baurechtswidrige Zustand der Maßnahme war schon nach Einbringen des ersten Kellerwandelements augenfällig. Vor Ort befand sich seinerzeit – wie ganz überwiegend wenn auf der Baustelle was los war – für die Klägerin der Zeuge R, dem als gelernter Handwerker mit begonnenem – wenn auch nicht abgeschlossenen – Bauingenieurstudium eine gewisse Sachkunde nicht abgesprochen werden kann. Statt angesichts der klaren bauplanungsrechtlichen Vorgaben darauf zu setzen, den nach oben herausragenden Keller durch nachträgliche Aufschüttungen und das Erstellen einer Rampe dem Gelände anzugleichen, hätte der Zeuge sofort den weiteren Kellereinbau stoppen müssen.

Deshalb können nur die notwendigen Kosten, die ab jenem Zeitpunkt (Kellereinbau) angefallen wären, ersetzt werden. Dabei handelt es sich um die Kosten für Abbruch und Entsorgung der bereits eingebrachten Fundament-/Sohlplatte, die Kosten für die Vertiefung der Baugrube sowie diejenigen Kosten für den Einbau einer neuen Fundament-/Sohlplatte. Diese Kosten schätzt der Senat gem. § 287 ZPO auf netto 12.100,00 €.

Die Klägerin ist als Bauherrin und Betreiberin des Cafès P als Gewerbetreibende zum Vorsteuerabzug berechtigt. Deshalb besteht keine Ersatzpflicht für Mehrwertsteuer (BGH NJW 2014,2874). Sie macht deshalb zu Recht auch nur Nettobeträge geltend.

Die Kosten für die Vertiefung der Baugrube erweisen sich als sogenannte Sowieso-Kosten, die auch dann angefallen wären, wenn der Beklagte nach einem entsprechenden Hinweis sogleich die Baugrube tiefer ausgehoben hätte.

Die Kosten für eine neue Fundamentplatte belaufen sich gemäß Rechnung der JK vom 14.8.2014 auf 7.600,00 € (netto) (vgl. Anlage K20, Bl. 138 GA). Hinzu kommen die Kosten für Abbruch und Entsorgung der ursprünglich eingebauten Fundamentplatte (Größe ca. 12,67 x 7,83 m; C25/30 WU Stahlfaserbeton), die der Senat auf 4.500,00 € (netto) schätzt (§ 287 ZPO). Der Senat hat sich telefonisch bei dem Bausachverständigen Architekten H aus X sachkundig gemacht und den genannten Betrag ermittelt (vgl. Vermerk vom 1.8.2017, Bl. 282 GA). Indiziell hat der Senat ferner die Rechnung K vom 4.8.2014 (Anlage K13, Bl. 132 GA) als Schätzgrundlage herangezogen und dabei berücksichtigt, dass die dort aufgeführten Abbruch- und Entsorgungsarbeiten das gesamte bis dahin errichtete Bauwerk betrafen. Deshalb war dieser Rechnungsbetrag (netto 12.885,50 €) geschätzt um ca. 2/3 zu kürzen, weil es hier nur um die Entsorgungskosten für die Fundamentplatte geht.

Für die weitergehenden, der Klägerin durch Abbruch und Neuaufbau entstandenen Kosten hat der Beklagte nicht einzustehen, denn es geht allein zu Lasten der Klägerin, wenn sie trotz eines offensichtlich bauordnungswidrigen Zustandes des Bauwerks weitere Arbeiten hat vornehmen lassen, die absehbar wieder beseitigt werden mussten.

Die Ausführungen der Klägerin aus dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 07.08.2017 rechtfertigen nicht die Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 ZPO. Eine Pflicht des Senats zur Wiedereröffnung von Amts wegen (§ 156 Abs. 2 ZPO) besteht nicht, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen. Es liegt auch keine Verletzung der richterlichen Aufklärungspflicht vor. Den Mitverschuldenseinwand hat der Beklagte bereits mit Schriftsatz vom 07.04.2017 (S. 3+4) erhoben, indem er vorgetragen hat, dass „nach Einbringung des Kellers für alle Beteiligten offensichtlich war, dass eine Ebenerdigkeit mit der Geländefläche zum Wanderweg nicht gegeben war“ und gleichwohl die Klägerin als Bauherrin weiterbauen ließ und sogar mit den Maurerarbeiten auf der Kelleroberfläche begonnen hatte.

§ 254 BGB begründet keine Einrede, sondern einen von Amts wegen zu berücksichtigenden Einwand (BGH NJW 1991, 167). Unstreitig war der Zeuge R als Ehemann und Beauftragter der Klägerin bei der Anlieferung der Kellerelemente zugegen. Eine entsprechende Kenntnis muss sich die Klägerin zurechnen lassen (§ 166 I BGB). Der ausdrückliche Hinweis des Senats im Termin am 25.07.2017 war deshalb auch nicht überraschend und im Übrigen auch Gegenstand des ausführlich begründeten gerichtlichen Vergleichsvorschlags.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegt nicht vor.

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