KG Berlin – Az.: 21 W 5/18 – Beschluss vom 14.08.2018
Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 1. Dezember 2017 dahin geändert, dass der Gebührenstreitwert der ersten Instanz 16.327,48 € beträgt.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einem Bauträgervertrag auf Übergabe der verkauften Wohnung in Anspruch.
Mit notariellem Vertrag vom 29. Juli 2013 (Anlage K 1, dort § 1) verkaufte die Beklagte der Klägerin einen Miteigentumsanteil an dem Grundstück J… Straße 36 in Berlin verbunden mit Sondereigentum an der Wohnung Nr. 20 und dem Sondernutzungsrecht an dem Kellerraum Nr. 20 (Nummerierung gemäß Aufteilungsplan, im Folgenden auch: Kaufgegenstand). Daneben verpflichtete sich die Beklagte zur Errichtung des Kaufgegenstands gemäß näher bestimmten Vorgaben (§ 2a Abs. 1). Der Vertrag sieht einen Kaufpreis von 192.088,00 € (§ 2), die bezugsfertige Herstellung der Wohnung bis zum 30. Juni 2014 und einen näher bestimmten Schadensersatzanspruch im Fall der Terminsüberschreitung vor (§ 2a Abs. 3). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 verwiesen.
Mittlerweile hat die Beklagte die Wohnung Nr. 20 bezugsfertig hergestellt, die Klägerin hat die Abnahme des Sondereigentums erklärt. Ob die Beklagte auch die im Gemeinschaftseigentum stehenden Bereiche des Kaufgegenstands abnahmereif hergestellt hat, ist umstritten.
Die Klägerin zahlte bislang 155.591,28 € an die Beklagte. Weitere 20.169,24 € hinterlegte sie zugunsten der Beklagten beim Amtsgericht Tiergarten bis zur Vorlage einer schriftlichen Erklärung der Klägerin, wonach die Übergabe des Kaufgegenstands an sie erfolgt sei (Anlage K 4).
Zur Zahlung des restlichen Kaufpreises von 192.088,00 € – 155.591,29 € – 20.169,24 € = 16.327,48 €, was einem Anteil von 8,5 % entspricht, ist die Klägerin gegenwärtig nicht bereit. Sie beruft sich auf die fehlende Fälligkeit der Schlussrate von 3,5 % des Kaufpreises sowie ihr Recht zum Sicherheitseinbehalt von weiteren 5 % des Kaufpreises gemäß § 632a Abs. 3 S. 1 BGB a.F.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Übergabe der Wohnung Nr. 20 Zug um Zug gegen Zahlung des hinterlegten Betrages von 20.169,24 € sowie die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten. Die Beklagte ist der Klage vor dem Landgericht entgegengetreten. Sie hat die Ansicht vertreten, erst gegen Zahlung von weiteren 9.604,40 € (= 5 % des Kaufpreises) zur Übergabe der Wohnung verpflichtet zu sein. Zudem hat sie im Wege der Widerklage beantragt, die Klägerin zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums zu verurteilen bzw. hilfsweise dessen Abnahmefähigkeit festzustellen. Die Klägerin hat die Abweisung dieser Widerklage beantragt.
Mit Urteil vom 1. Dezember 2017 hat das Landgericht der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Diese Entscheidung hat es im Wesentlichen darauf gestützt, dass das Gemeinschaftseigentum schon nach dem eigenen Vortrag der Beklagten mit nicht unwesentlichen Mängeln behaftet und folglich nicht abnahmefähig sei.
Mit Beschluss vom 1. Dezember 2017 hat das Landgericht den Gebührenstreitwert mit bis zu 200.000,- € festgesetzt.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Beschwerde. Sie meint, der Gebührenstreitwert belaufe sich auf die hinterlegte Kaufpreisrate von 20.169,24 € zuzüglich der fünfprozentigen Sicherheit von 9.604, 40 €, mithin auf 29.737,64 €.
II.
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Streitwertfestsetzung des Landgerichts ist gemäß § 68 Abs. 1 GKG zulässig.
Sie hat auch in der Sache Erfolg, da der Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens nicht wie im angegriffenen Beschluss bestimmt, bis zu 200.000,- € beträgt, sondern nur 16.327,48 €. Der Senat bleibt damit als Beschwerdegericht noch unter dem Betrag, den die Beklagte und Beschwerdeführerin für richtig hält. Dies ist möglich, da der Senat auch den erstinstanzlichen Streitwert gemäß § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG von Amts wegen festsetzen kann und deshalb nicht an das Verbot der sog. reformatio in peius gebunden ist. Damit ist seine Entscheidung nicht durch die Rechtsmittelanträge der Parteien begrenzt.
1.
Der Streitwert der Klage hat in der ersten Instanz sogar nur 10.104,40 € betragen.
a)
Nimmt der Erwerber eines Bauträgervertrags den Bauträger auf Übergabe des Kaufgegenstands in Anspruch so gilt für den Gebührenstreitwert dieser Klage gemäß §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ff ZPO:
Jedenfalls wenn der Bauträger seine Übergabepflicht nicht generell bestreitet, sondern sie nur deshalb nicht erfüllen will, weil aus seiner Sicht der Erwerber einen zu hohen Kaufpreisanteil einbehält, ist zwischen den Parteien in der Sache nur die Höhe dieses Einbehalts umstritten, den der Erwerber typischerweise mit der fehlenden Fälligkeit von Kaufpreisraten, seinem Sicherheitseinbehalt nach § 632a Abs. 3 S. 1 BGB a.F. oder einem weiteren Mängeleinbehalt begründet. Deshalb ist es gerechtfertigt, auch den Streitwert nur mit der Höhe dieses umstrittenen Kaufpreisanteils anzusetzen.
Die Festsetzung des Gebührenstreitwerts nach §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ff ZPO sollte sich nach Möglichkeit an der wirtschaftlichen Bedeutung orientieren, die ein Rechtsstreit für die Parteien hat. Aufgrund dieses allgemeinen Grundsatzes, der als Grundprinzip bei der Streitwertfestsetzung zu beachten ist, ist der Gebührenstreitwert in einem Rechtsstreit um den Besitz einer Sache abweichend von § 6 ZPO nicht mit ihrem Wert, sondern dem (geringeren) Betrag anzusetzen, dessen Nichtzahlung durch den Herausgabegläubiger Ausgangspunkt für den Rechtsstreit ist (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 30. Mai 2014, 22 U 139/13, Rz 12 m.w.N.; OLG Hamm, Beschluss vom 20. Januar 2013, 12 W 37/12; Kammergericht, Beschluss vom 23. Februar 2002, 12 W 202/02; offen gelassen von BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2001, VII ZR 420/00, Rz 5; vgl. auch Herget in: Zöller, ZPO, Kommentar, 32. Auflage, 2018, § 6 ZPO, Rz 1 m.w.N. auch zur abweichenden Auffassung). Dies ergibt sich aus dem Gebot einer wirtschaftlichen Bewertung des Streitgegenstands, der für die Gebührenbestimmung maßgeblich ist und der den Vorrang gegenüber einer am Wortlaut haftenden Auslegung von § 6 ZPO (i.V.m. § 48 Abs. 1 GKG) hat. Diese wirtschaftliche Sichtweise gilt stets bei der hier erörterten Fallkonstellation und nicht nur dann, wenn die höhere Wertbestimmung nach § 6 ZPO wegen ihrer Auswirkung auf die Prozesskosten eine Partei vom Beschreiten des Rechtswegs abhalten würde (hierzu BVerfG, Beschluss vom 16. November 1999, 1 BvR 1821/94). Deshalb kommt es nicht darauf an, ob die primär von der Kostenfolge betroffene Klägerin mit einer Streitwertfestsetzung in Höhe des Gesamtwerts der Wohnung in Anlehnung an § 6 ZPO einverstanden ist.
b)
Im vorliegenden Fall beträgt der Streitwert des Herausgabeantrags in der ersten Instanz mithin 9.604,40 €, denn vor dem Landgericht hat die Beklagte die Übergabe der Wohnung nur deshalb verweigert, weil die Klägerin nicht bereit war, Zug um Zug gegen die Übergabe auch den Kaufpreiseinbehalt von 5 % (= 9.604,40 €) gemäß § 632a Abs. 3 S. 1 BGB a. F. freizugegeben (vgl. die Klageerwiderung vom 12. Juni 2017, S. 3). Auf die Zahlung der Schlussrate in Höhe von weiteren 3,5 % (= 6.723,08 €) hat die Beklagte in der ersten Instanz Zug um Zug gegen Übergabe der Wohnung nicht bestanden (vgl. auch den Schriftsatz der Beklagten vom 26. Januar 2018, S. 3), dies hat sich erst in der Berufungsinstanz geändert (vgl. Berufungsbegründung vom 26. April 2018, S. 8).
c)
Der Feststellungsantrag Ziff. 2 ist mit weiteren 500,- € anzusetzen, sodass sich ein Gebührenstreitwert für die Klage von 10.104,40 € errechnet.
2.
Allerdings erhöht sich der Gebührenstreitwert der ersten Instanz insgesamt wegen der Widerklage auf 16.327,48 € (§ 45 Abs. 1 GKG). Mit dem Hauptantrag der Widerklage beantragt die Beklagte, die Klägerin zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums zu verurteilen. Da diese Abnahme Voraussetzung für die Gesamtfälligkeit des restlichen Kaufpreises ist, beläuft sich der Streitwert des Hauptantrags der Widerklage im Zweifel auf den gesamten restlichen Kaufpreis, soweit ihn die Klägerin noch nicht gezahlt bzw. noch nicht zugunsten der Beklagten hinterlegt hat, mithin auf 16.327,48 €. Da Klage und Widerklage bei der auch insoweit gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung denselben Gegenstand betreffen, ist für den erstinstanzlichen Gebührenstreitwert des Rechtsstreits insgesamt nur der höhere Betrag, mithin 16.327,48 € maßgeblich (§ 45 Abs. 1 GKG). Der Hilfsantrag der Widerklage führt nicht zu einer weiteren Erhöhung des Streitwerts, § 45 Abs. 1 GKG.
3.
Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).