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Sicherheitsleistung nach den Besonderen Vertragsbedingungen VHB Bund

LG Berlin, Az.: 20 O 272/12, Urteil vom 07.03.2013

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Vertragserfüllungsbürgschaft der … Versicherung AG (Deutschland), Bürgschaftsurkunde Nr. …, ausgestellt über 1.644.386,18 € an die Klägerin herauszugeben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Zinsen in Höhe von 0,8 % p. a. aus 1.397.728,20 € und in Höhe von 1,1 % p. a. aus 246.657,93 € seit dem 13. September 2011 bis zur Rückgabe der im Urteilstenor zu Ziffer 1. genannten Bürgschaftsurkunde zu zahlen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist zu Ziffer 1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.644.386,18 €, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist eine Arbeitsgemeinschaft, die sich für Durchführung von Bauarbeiten betreffend Rohbauarbeiten für den Neubau des Bundesnachrichtendienstes zusammengeschlossen hat. Wegen der Einzelheiten wird auf den Arbeitsgemeinschaftsvertrag in Auszügen in der Anlage K 17, Bl. 210 ff. d. A. Bezug genommen.

Sicherheitsleistung nach den Besonderen Vertragsbedingungen VHB Bund
Symbolfoto: SuccessphotoBigstock

Am 16.09.2008 bekam die Klägerin den Auftrag für die Rohbauarbeiten des Neubaus. Als Auftraggeber wurde in der Auftragserteilung das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Referat VI A 5 bezeichnet. Weiter heißt es in der Auftragserteilung: „Aufgrund ihres o. g. Angebotes erhalten Sie hiermit den Auftrag zur Ausführung der oben bezeichneten Leistungen im Namen und für Rechnung Bundesamt für Immobilienaufgaben vertreten durch Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung.“ Unter Nr. 4 der besonderen Vertragsbedingungen findet sich eine Regelung über die Stellung von Sicherheiten. Wegen der Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarung wird auf die Anlage K 1, Bl. 11 ff. d. A. Bezug genommen.

Die Klägerin brachte vertragsgemäß eine Bürgschaft der … Versicherung AG, in der als Auftraggeber bezeichnet war: „Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, … 87, … Berlin.“ Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 3, Bl. 16 d. A. Bezug genommen.

Am 25.05.2011 erfolgte die Abnahme, wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll in der Anlage K 4, Bl. 17 d. A. Bezug genommen.

Am 30.06.2011 erstellte die Klägerin ihre Schlussrechnung über 38.471.724,16 €.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Klägerin bereits überzahlt sei. Sie klagt vor dem Landgericht Berlin zu dem Aktenzeichen 10 O 213/12 auf Rückzahlung einer vermeintlichen Überzahlung in Höhe von 2.050.364,08 €.

Am 31.08.2011 forderte die Klägerin die Beklagte zur Herausgabe der Bürgschaftsurkunde auf, wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 11, Bl. 80 d. A. Bezug genommen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 28.03.2012 verlangte die Klägerin erneut die Herausgabe der Bürgschaft, wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 10, Bl. 26 f. d. A. Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 04.04.2012 erklärten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten, dass sie von einer Überzahlung ausgehen und kündigten an, die Bürgschaft in voller Höhe in Anspruch nehmen zu wollen.

Am 16.11.2012 ermächtigten die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft die Klägerin dazu, Schadensersatzansprüche wegen der zu zahlenden Avalzinsen gerichtlich geltend zu machen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 16, Bl. 17 d. A. Bezug genommen.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Verpflichtung zur Stellung der Bürgschaft aus verschiedenen Gründen nicht wirksam sei. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens insoweit wird auf die Klageschrift Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet, dass die beiden Mitglieder … Deutschland AG sowie die … … GmbH & Co. KG mit je 42,5 % an der Klägerin beteiligt sind und für die Bürgschaft einen Avalzins von je 0,8 % p. a. zu zahlen haben, die … Bau AG sei mit 15 % beteiligt und habe einen Avalzins von 1,1 % zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, die Vertragserfüllungsbürgschaft der … Versicherung AG (Deutschland), Bürgschaftsurkunde Nr. …, ausgestellt über 1.644.386,18 € an die Klägerin herauszugeben.

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Zinsen in Höhe von 0,8 % p. a. aus 1.397.728,20 € und in Höhe von 1,1 % p. a. aus 246.657,93 € seit dem 13. September 2011 bis zur Rückgabe der im Urteilstenor zu Ziffer 1. genannten Bürgschaftsurkunde zu zahlen.

hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, gegenüber der Klägerin die Teilenthaftung der Vertragserfüllungsbürgschaft der … Versicherung AG (Deutschland), Bürgschaftsurkunde Nr. 704.003.243.386, ausgestellt über 1.644.386,18 €, bis auf einen verbleibenden Restbetrag in Höhe von 19.013,64 € zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die Verpflichtung zur Bürgschaft wirksam sei und dass diese auch Ansprüche wegen Überzahlung abgelte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt.

Das Gericht hat die Schriftsatzfrist zunächst auf den 8.2.13 festgesetzt und sodann nach entscheidungserheblichem Sachvortrag der Klägerin auf den 28.2.2013.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde.

Die Beklagte hat die Bürgschaft aufgrund einer Leistung der Klägerin erhalten, nämlich aufgrund der vertraglichen Verpflichtung zur Stellung der streitgegenständlichen Bürgschaft aufgrund der Auftragserteilung vom 16.09.2008.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Bürgschaftserklärung bereits deshalb unwirksam und herauszugeben ist, weil nicht die Gläubigerin der Werklohnforderung, sondern deren Einziehungsberechtigte in der Urkunde als Berechtigte genannt ist.

Die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung in Ziffer 4 a des Vertrages verstößt gegen das Verbot der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 BGB und ist damit unwirksam. Eine wirksame Verpflichtung zur Stellung einer der Bürgschaft besteht nicht, so dass für die Erbringung der Leistung kein rechtlicher Grund gegeben war.

Nach der kundenfeindlichsten Auslegung, die bei der Frage, ob eine Klausel wirksam ist oder nicht, zugrunde zu legen ist, muss die Vereinbarung so ausgelegt werden, dass die Klägerin für die Vertragserfüllung Sicherheit in Höhe von 5 % der Auftragssumme zu leisten hat und gegebenenfalls gleichzeitig weitere 3 % wegen der Mängelansprüche. Die Beklagte hat durch ihr Vorgehen selbst gezeigt, dass sie diese Auslegung auch für zutreffend hält, wonach eine automatische Umwandlung der Erfüllungsbürgschaft in eine Gewährleistungsbürgschaft nach der Abnahme nicht erfolgt, sondern dies voraussetzt, dass Ansprüche aus Vertragserfüllung nicht geltend gemacht werden. Damit kann die Situation eintreten, dass die Klägerin dazu verpflichtet ist, insgesamt 8 % an Sicherheit zu leisten.

Des Weiteren ist hier zu berücksichtigen, dass die Vertragserfüllungsbürgschaft nach der vorzunehmenden Auslegung nicht für Überzahlungen in Anspruch genommen werden kann. Unklarheiten der Bürgschaft gehen zu Lasten desjenigen, der den Text entworfen hat. Dies ist hier die Beklagte. Ein hinreichender Anhaltspunkt im Wortlaut der Bürgschaftserklärung dafür, dass auch Ansprüche aus Überzahlungen von Werklohn abgesichert sein sollten, besteht nicht. „Ausführung der Leistung einschließlich Abrechnung“ bedeutet nach dem Wortlaut gerade nicht einschließlich etwaiger Überzahlungen. Die Abrechnung in diesem Zusammenhang muss dahingehend verstanden werden, dass etwaige Kosten abgedeckt werden sollten, die durch eine ggf. nicht erfolgte Abrechnung durch den Auftragnehmer entstehen würden. Dass diese vergleichsweise gering sind, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Hätten die unter Umständen sehr weit gehenden Ansprüche aus Überzahlung abgesichert werden sollen, hätte dies ausdrücklich vereinbart werden müssen, wie es beispielsweise war bei dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.03.2004 – VII ZR 453/02 zugrunde lag. Auch dort gab es die Formulierung wie hier „Ausführung der Leistung einschließlich der Abrechnung“, im Folgenden wurde sodann jedoch der weitere Zweck der Überzahlung ausdrücklich genannt. Der Text in dieser Bürgschaftsurkunde wurde von einem Land vorgegeben. Die ausdrückliche Nennung der Absicherung von Überzahlungen wäre nicht erforderlich gewesen, wären nach dem objektiven Wortlaut durch das Wort „Abrechnung“ auch Überzahlungen abgedeckt.

Der Bundesgerichtshof hat noch keine Entscheidung dazu gefällt, ob eine kumulative Sicherheit von 8 % Prozent von Erfüllungsbürgschaft und Gewährleistungsbürgschaft den Auftragnehmer unangemessen benachteiligt. Er hat dies bejaht für eine kumulative Sicherheit von 10 % (BGH VII ZR 7/10 und VII ZR 179/10). Er hat auf der anderen Seite eine Sicherheit in Höhe von 6 % für zulässig erachtet (VII ZR 453/02). Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich aus der zuletzt genannten Entscheidung nicht, dass 6 % die Höchstgrenze sind. Dazu finden sich in der genannten Entscheidung keine Ausführungen, sie verhält sich lediglich dazu, dass 6 % den Auftragnehmer nicht unangemessen benachteiligen. Der vorliegende Sachverhalt liegt somit zwischen den beiden genannten Entscheidungen. Letztlich handelt es ich um eine Wertungsfrage, bei welchem Prozentsatz von einer unangemessenen Benachteiligung auszugehen ist. Das Gericht sieht eine derartige unangemessene Benachteiligung bereits bei der Sicherheitsleistung von 8 %. Es ist gerichtsbekannt, dass wegen des hohen Konkurrenzdruckes im Baugewerbe nur geringen Gewinnspannen zu erzielen sind. Wenn dann 8 % der Bausumme als Sicherheit geleistet werden, bleibt nur ein kleiner Teil, mit dem überhaupt ein Gewinn über einen längeren Zeitraum erwirtschaftet werden kann.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Ersatz der Avalzinsen aus §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich insoweit tatsächlich um eine Prozessstandschaft handelt, weil die Avalzinsen nicht direkt von der Klägerin selbst, sondern von ihren einzelnen Mitgliedern erbracht werden. Denn selbst wenn man davon ausgeht, dass insoweit der Klägerin der Schaden nicht direkt entsteht, sind die Voraussetzungen für eine prozessuale Geltendmachung des Schadens dadurch gegeben, dass die einzelnen Mitglieder die Klägerin zur Geltendmachung des Zinsschadens mit der Anlage K 16 ermächtigt haben. Ein eigenes wirtschaftliches Interesse für eine Prozessstandschaft ist gegeben, da die Zinsforderung die Klägerin selbst in ihrer wirtschaftlichen Situation trifft.

Die Beklagte ist durch die Mahnung vom 31.08.2011 in Verzug geraten. Dabei kommt es nicht darauf an, dass sich die Klägerin in diesem Zusammenhang noch nicht auf die Unwirksamkeit der Bürgschaftsverpflichtung berufen hat. Die Beklagte kann sich insoweit auch nicht auf einen Rechtsirrtum berufen, weil sie sich gar keine Gedanken darüber gemacht hat, ob eine wirksame Verpflichtung zur Herausgabe der Bürgschaft besteht oder nicht.

Die Klägerin hat inzwischen hinreichend dargelegt, dass der Zinsschaden in der geltend gemachten Höhe entstanden ist. Mit der Anlage K 17 ist dargelegt, welches Mitglied der Klägerin in welcher Höhe beteiligt und verpflichtet ist. Mit den Anlagen K 11 und K 12 im Zusammenhang mit den weiteren Erörterungen der Klägerin ist hinreichend dargetan, dass zwei Mitglieder Avalzinsen in Höhe von 0,8 % und eines in Höhe von 1,1 % zu zahlen haben. Die Beklagte hat auf die weiteren Erörterungen der Klägerin hierzu im Schriftsatz vom 8. Februar 2013 trotz Gelegenheit zur Stellungnahme nicht mehr erwidert, so dass der Vortrag insoweit gemäß § 138 Abs. 3 ZPO unstreitig geworden ist. Der Antrag ist auch hinreichend bestimmt, weil das Datum der Rückgabe der Bürgschaftsurkunde identifizierbar ist, mit diesem Tag endet die Zinspflicht der Beklagten. Mit der Verpflichtung zur Zahlung der Zinsen entsteht der Klägerin ein Schaden, der von der Beklagten zu ersetzen ist. Zwar könnte die Klägerin die Bürgschaft durch Hinterlegung der Summe auslösen: dies würde jedoch den Schaden nicht entfallen lassen. Denn dann müsste die Klägerin entweder einen Kredit hierfür aufnehmen oder vorhandenes Kapital dafür einsetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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