LG Flensburg – Az.: 2 OH 26/17 – Beschluss vom 05.09.2018
Das Gesuch der Antragsgegnerin vom 27.06.2018, den Sachverständigen Architekt H. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Voraussetzungen für eine Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit (§§ 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Die Antragsgegnerin hat keine Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht, die von ihrem Standpunkt aus geeignet sind, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen.
I.
Der Sachverständige hat in seiner Stellungnahme vom 27.06.2018 mitgeteilt, dass er die Antragstellerin gebeten habe, der Teilnahme des Privatsachverständigen der Antragsgegnerin am Ortstermin am 24.06.2018 zuzustimmen unter Hinweis darauf, dass dieser nicht direkter Beteiligter des Verfahrens sei. Die Antragstellerin habe ihre Zustimmung nicht erteilt. Sie habe dazu mitgeteilt, dass sie einer Teilnahme zugestimmt hätte, wenn der Privatsachverständige vorher angemeldet worden wäre. Dann hätte sie ebenfalls ihren eigenen Privatsachverständigen zum Ortstermin gebeten.
Weiter führt der Sachverständige in seiner Stellungnahme aus, dass er die Beteiligten darauf hingewiesen habe, dass eine Pflicht zur Teilnahme am Ortstermin nicht bestehe und er den Termin mit den übrigen Beteiligten fortsetzen werde. Er hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin Hausrecht besitze und durch die Anwesenheit des Privatsachverständigen des Antragsgegners, der nicht Beteiligter sei, die Waffengleichheit der Parteien im Ortstermin nicht gegeben sei.
Abschließend verweist der Sachverständige darauf, dass die Anwesenheit des Privatsachverständigen zur Klärung des Sachverhaltes in Ortstermin nicht notwendig gewesen sei.
Der Sachverständige hat den Ortstermin unter Abwesenheit des Privatsachverständigen der Antragsgegnerin, gleichwohl in Anwesenheit der Antragsgegnerin und ihres Prozessbevollmächtigten durchgeführt.
II.
Das Verhalten des Sachverständigen im Ortstermin ist nicht geeignet, bei der Antragsgegnerin den Anschein einer Parteilichkeit entstehen zu lassen.
Seine Entscheidung, den Ortstermin ohne den Privatsachverständigen der Antragsgegnerin durchzuführen, war allerdings verfahrensfehlerhaft.
Aus dem Grundsatz der Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme gemäß § 357 ZPO folgt nicht nur das Recht einer Partei auf Teilnahme. Soweit bei einer Beweisaufnahme Fragen bedeutsam werden, zu deren Beurteilung besondere Kenntnisse, zB technischer oder betriebswirtschaftlicher Art, erforderlich sind, darf es einer Partei nicht verwehrt werden, zu ihrer Beratung weitere sachkundige Personen hinzuzuziehen (MüKoZPO/Heinrich ZPO § 357 Rn. 6, beck-online). Da der richterliche Augenschein als Teil der Beweisaufnahme parteiöffentlich ist (§ 357 I ZPO), die Parteiöffentlichkeit das rechtliche Gehör (Art. 103 I GG) gewährleisten soll und dies bei einem gerichtlichen Augenschein (mit Zuziehung des Gerichtssachverständigen) in einem Bauprozess am besten gesichert erscheint, wenn die Partei ihrerseits sich im Termin sachkundig beraten lassen kann, um ihre Rechte wirksam wahrzunehmen, darf die Partei zum Termin einen fachkundigen Berater beiziehen (vgl. OLG Düsseldorf, BauR 1974, 72; OLG München, NJW-RR 1988, 1534, beck-online). Der Sachverständige hätte somit die Teilnahme des Privatsachverständigen am Ortstermin nicht von einer Zustimmung der Antragstellerin abhängig machen dürfen, da die Antragsgegnerin ein Recht auf die Teilnahme des Privatsachverständigen hat. Wenn die Antragstellerin unter Hinweis auf ihr Hausrecht einer Teilnahme des Privatsachverständigen widersprochen hätte, hätte der Sachverständige den Ortstermin abbrechen müssen.
Zu Recht weist die Antragstellerin unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG Bremen, Beschluss vom 9.1.2012, Aktenzeichen 3 W 28/11, zitiert nach juris, jedoch darauf hin, dass ein Verfahrensfehler des Sachverständigen nicht ohne weiteres die Besorgnis der Befangenheit rechtfertige. Erforderlich sei vielmehr, dass sich etwa durch die Art oder Häufung von Verfahrensfehlern zum Nachteil einer Partei bei einer vernünftigen und besonnenen Partei der Eindruck unsachlicher Einstellung oder willkürlichen Verhaltens des abgelehnten Sachverständigen ergebe.
Die Kammer hat keinen Zweifel an der Unparteilichkeit, Neutralität und Objektivität des Sachverständigen. Für die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit nach §§ 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO kommt es allerdings gerade nicht darauf an, ob der Sachverständige tatsächlich parteilich ist oder das Gericht Zweifel an einer Unparteilichkeit hat. Ausreichend ist bereits, dass vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus ein objektiver Grund gegeben ist, der in den Augen eines vernünftigen Menschen geeignet ist, Zweifel an der Unparteilichkeit und Objektivität des Sachverständigen zu erregen (OLG Bremen, a.a.O., mwN).
Anknüpfungspunkt für die Besorgnis der Befangenheit aus Sicht der Antragsgegnerin ist nicht sein Verfahrensfehler allein, sondern die eigeninitiative rechtliche Belehrung der Antragstellerin über das Anwesenheitsrecht des Privatsachverständigen während des Ortstermins und seine daraus resultierende Entscheidung, den Ortstermin ohne den Privatsachverständigen durchzuführen.
Aus Sicht der Antragsgegnerin wurden ihr durch den Sachverständigen elementare prozessuale Rechte genommen, nämlich das Recht auf Parteiöffentlichkeit verkürzt. Der Sachverständige hat zu Lasten der Antragsgegnerin die Frage aufgeworfen, ob die Antragstellerin die Anwesenheit des Privatsachverständigen gestattet, und sodann verfahrensfehlerhaft den Ortstermin ohne den Privatsachverständigen durchgeführt. Es steht außer Frage, dass der Sachverständige nicht für die rechtliche Beratung zuständig ist. Ihm obliegt die Pflicht, die Beweisaufnahme durchzuführen. Wenn er die Beweisaufnahme verfahrensfehlerhaft und zu Lasten einer Partei durchführt, kann allein aus diesem Umstand jedoch nicht auf seine Befangenheit geschlossen werden. Anhaltspunkte dafür, dass der Sachverständige einseitige Empfehlungen an die Antragstellerin ausgesprochen hat, die aufgeworfenen Fragen gar nicht oder nur einseitig mit der Antragstellerin diskutiert hat oder gar willkürlich die Beweisaufnahme durchführte, fehlen und sind auch nicht dargelegt bzw. glaubhaft gemacht. Sowohl die Antragstellerin als auch die Antragsgegnerin waren während des Ortstermins durch ihren Prozessbevollmächtigten vertreten. Diese standen ihnen für die rechtliche Beratung zur Verfügung. Den allseitigen Stellungnahmen ist zu entnehmen, dass die Anwesenden kontrovers über die Teilnahme des Privatsachverständigen diskutiert haben. Indem der Sachverständige den Beteiligten seine Vorgehensweise erläuterte und dafür auch rechtliche Argumente benutzte, wird seine Intention deutlich, gerade keine Seite zu bevorzugen, sondern seine Entscheidung, mag sie auch verfahrensfehlerhaft sein, in gebotener Neutralität zu erklären. Ein Anschein der Parteilichkeit wird damit gerade nicht gesetzt.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Art des Verfahrensfehlers in dem konkreten Einzelfall für sich alleine keine Besorgnis der Befangenheit begründet. Zwar betrifft der Fehler, wie schon erläutert, das elementare Recht auf Parteiöffentlichkeit, das auch die Hinzuziehung eines Privatsachverständigen umfasst. Wenn ein Kläger, dem Rat seines Prozeßbevollmächtigten folgend, Privatgutachter unter Berufung auf das Hausrecht vom Anwesen verweist, so wäre sein Verhalten unter dem Gesichtspunkt der Beweisvereitelung (§ 444 ZPO analog; § 242 BGB, der auch im Prozeßrecht gilt) zu würdigen, weil er eine ordnungsgemäße Durchführung des Augenscheins vereitelt hätte (vgl. OLG München, NJW 1984, 807; NJW-RR 1988, 1534, beck-online). Eine Beweisvereitelung durch die Antragstellerin liegt nicht vor und auch sonst ist eine Wiederholung des Ortstermins derzeit nicht angezeigt. Nach der Art der Beweisaufnahme diente der Ortstermin am 24.06.2018 der Durchführung der Schallmessungen. Diese wurde von dem Zweitsachverständigen Rasch unter Abwesenheit der Verfahrensbeteiligten auch durchgeführt. Bei den Schallmessungen ist die Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten aus der Natur der Sache nicht möglich. Der Verfahrensfehler kann sich somit auf die eigentliche Tatsachenfeststellung im Rahmen der Schallmessungen nicht konkret auswirken. Sollte sich nach Vorlage des Gutachtens ergeben, dass die eigenen Feststellungen des Sachverständigen H. im Ortstermin für das Ergebnis der Beweisaufnahme erheblich sind, so kann zu diesem Zeitpunkt entschieden werden, ob ggf. ein weiterer Ortstermin stattfinden muss, an dem die jeweiligen Privatsachverständigen hinzugezogen werden können. Dieser Aspekt betrifft allerdings nur die Auswirkungen des Verfahrensfehlers auf die Beweisaufnahme und kann die Besorgnis der Befangenheit nicht eigenständig begründen.