Eine Frage des Baurechts: Streit um Tiefgaragenzufahrt und Rücksichtnahmegebot
In einem jüngst verhandelten Fall aus Siegen-Kreuztal musste das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern sich mit der Zufahrt zu einer Tiefgarage auseinandersetzen. In dieser Angelegenheit ging es um das sogenannte Rücksichtnahmegebot im Baurecht und die Abwägung von Nachbarschaftsinteressen. Im Zentrum der Auseinandersetzung stand eine Tiefgarage mit 19 Stellplätzen, deren Ein- und Ausfahrt unmittelbar am bebauten Grundstück des Antragstellers entlangführte.
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Übersicht
Lärmpegel und Baugenehmigungen: Aspekte des Falles
Das Oberverwaltungsgericht beschäftigte sich in erster Linie mit dem durch die Tiefgarage verursachten Lärmpegel und den hierfür relevanten Richtwerten. Diese waren gemäß der Parkplatzlärmstudie des Bayerischen Landesamts für Umwelt und der TA Lärm deutlich überschritten. Weiterhin ging es um die Frage, ob das umliegende Gebiet als allgemeines Wohngebiet eingestuft werden kann oder ob möglicherweise ein Mischgebiet oder ein Zwischenwert angesetzt werden sollte.
Interessenabwägung und Vollziehungsinteresse: Eine delikate Balance
Das Gericht musste die widerstreitenden Interessen der Beteiligten abwägen. Hierbei spielte das private Interesse des Antragstellers, vom Vollzug des Verwaltungsaktes vorläufig verschont zu bleiben (Aussetzungsinteresse), eine ebenso wichtige Rolle wie das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes (Vollziehungsinteresse). Diesbezüglich stellte das Gericht fest, dass an der Vollziehung eines rechtswidrigen Bescheids kein schutzwürdiges öffentliches Interesse besteht.
Das Rücksichtnahmegebot: Kernpunkt der Auseinandersetzung
Das Rücksichtnahmegebot steht im Zentrum des Disputs. Es zielt darauf ab, störende Nutzungen rücksichtsvoll zuzuordnen und Konflikte zu vermeiden. Die Anforderungen hieraus hängen stark von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere davon, was den beteiligten Parteien zumutbar ist. Dabei stellte das Gericht heraus, dass eine Tiefgarage typische Lärmemissionen bei der Stellplatznutzung besser abschirmen wird als eine oberirdische Lösung.
Schlussfolgerung und Kostenentscheidung
Schlussendlich wurde entschieden, dass selbst wenn die Tiefgarage 1 mit der Zufahrt vom Kavaliersweg den Antragsteller nicht in seinen Nachbarrechten verletzt, eine nur teilweise Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers nicht möglich ist. Dies liegt daran, dass es sich um ein einheitliches Bauvorhaben handelt. Die Kostenentscheidung erfolgte entsprechend § 154 Abs.
Das vorliegende Urteil
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern – Az.: 3 M 108/20 OVG – Beschluss vom 16.03.2021
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 23. Januar 2020 geändert.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 8. Juli 2019, Az. 03797-16-07, wird angeordnet.
Der Antragsgegner und der Beigeladene tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers je zur Hälfte. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt als Nachbar vorläufigen Rechtsschutz gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für einen Tiefgaragenkomplex.
Er ist Eigentümer des mit einem zweigeschossigen Wohnhaus bebauten Grundstücks, A-straße 1 in B, bestehend aus dem Flurstück a der – so auch die nachfolgenden Flurstücke – Flur b, Gemarkung B. Die in dem Haus befindlichen Wohnungen stehen derzeit leer. Das Grundstück grenzt mit seiner rückwärtigen, südlichen Seite an das im Eigentum des Beigeladenen stehende Flurstück c und östlich an das diesem gehörende Flurstück d an, das mit dem ebenfalls leerstehenden Wohnhaus A-straße 7 bebaut ist. Die Länge der gemeinsamen Grundstücksgrenze der Flurstücke a und d beträgt ca. 28 Meter. Die Entfernung vom Haus des Beigeladenen bis zu dieser Grundstücksgrenze beträgt ca. drei Meter. Von dort sind es bis zum Haus des Antragstellers, dessen östliche Außenwand zweimal in Richtung auf die gemeinsame Grundstücksgrenze verspringt, im vorderen Bereich zunächst ca. sechs Meter, dann etwas weniger als ca. vier Meter und schließlich im hinteren Bereich ca. zwei Meter.
Der Beigeladene ist darüber hinaus auch Eigentümer des Flurstücks e. Die Flurstücke c und e befinden sich auf einer Anhöhe, die u. a. zur A-straße hin abfällt. Auf dem östlich an die Flurstücke d und c angrenzenden Flurstück e betreibt er das Hotel und Restaurant „C“.
Bereits im Jahre 2008 waren dem Beigeladenen mit nachfolgend wiederholter Verlängerung der Geltungsdauer Baugenehmigungen für die Errichtung zweier Appartementhäuser mit 12 bzw. 13 Wohnungen auf dem Flurstück c erteilt worden, wobei das Appartementhaus 2 auf der dem Grundstück des Antragstellers zugewandten Nordseite des Flurstücks c errichtet werden soll und das Appartementhaus 1 südlich davon. Einen einstweiligen Rechtsschutzantrag des Antragstellers gegen diese Baugenehmigungen lehnte das Verwaltungsgericht Greifswald mit Beschluss vom 5. April 2016 – 5 B 680/16 – ab. Mitte 2018 erhob der Antragsteller zunächst eine Untätigkeitsklage – 5 A 937/18 HGW –; das Verfahren wurde nach Erklärungen zur Erledigung der Hauptsache eingestellt. Nach Erlass des den Widerspruch zurückweisenden Widerspruchsbescheids erhob der Antragsteller Klage gegen diese Baugenehmigungen – 5 A 962/19 HGW –, über die noch nicht entschieden ist.
Gegenstand der vom Antragsgegner zunächst weiter erteilten Baugenehmigung vom 10. April 2018 war das Vorhaben des Beigeladenen, auf dem Flurstück c eine Tiefgarage mit zwei – voneinander getrennten – unterirdischen Geschossen für 44 Stellplätze zu errichten. Nach den Bauvorlagen sollte das Tiefgaragengeschoss 1 über den D-weg auf der dem Grundstück des Antragstellers abgewandten Seite des Flurstücks c hinter dem Appartementhaus 2 erschlossen werden. Die Ein- und Ausfahrt zum Tiefgaragengeschoss 2 mit 19 Stellplätzen war über das Flurstück d im Wesentlichen entlang der Grenze zum Grundstück des Antragstellers zwischen den dortigen Häusern geplant, wobei sich die Zufahrt hinter dem Haus auf ca. 4,5 m verbreitern sollte; kurz vor der Flurstücksgrenze zum Flurstück c war die Rampe für die Ein- und Ausfahrt in die und aus der Tiefgarage 2 geplant, die zwischen ca. vier und fünf Metern von der Grenze zum Grundstück des Antragstellers entfernt im rückwärtigen Bereich hinter dem dortigen Haus liegen sollte.
Mit Beschluss vom 1. August 2018 – 5 B 929/18 HGW – ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen diese Baugenehmigung an, und zwar zum einen wegen der Lärmimmissionen bei Nutzung der Stellplätze und Garagen (Parkplatzlärm) durch die Nutzung der Zufahrt unmittelbar entlang des Grundstücks des Antragstellers, zum anderen wegen Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit der Baugenehmigung. Die Beschwerde des Beigeladenen wies der Senat mit Beschluss vom 22. März 2019 – 3 M 735/18 OVG – zurück. Daraufhin nahm der Antragsgegner die Baugenehmigung mit Bescheid vom 20. Mai 2019 zurück.
Im neuen Bauantrag des Beigeladenen vom 4. Juli 2019 für das im Übrigen im Wesentlichen gleiche Vorhaben „Errichtung von zwei Kellergeschossen als Tiefgarage mit 44 Stellplätzen“ werden die Stellplätze auf dem Gelände und im Tiefgaragenkomplex den Appartementhäusern 1 und 2 zugeordnet, davon 25 Stellplätze in der Tiefgarage 1 und 19 in der Tiefgarage 2. Beigefügt wurde zudem die „Schalltechnische Untersuchung zum Bauvorhaben ‚C. Zufahrt Tiefgarage A-straße 7‘ in B“ vom 5. September 2018.
Mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung vom 8. Juli 2019 erteilte der Antragsgegner die Genehmigung für das Bauvorhaben „Neubau von 2 Kellergeschossen als Tiefgarage mit 44 Stellplätzen (für jede Appartement[…]-Wohnung (25 Appartements) stehen 2 Stellplätze zur Verfügung, 44 in der Tiefgarage und 6 Stellplätze auf dem Gelände)“ auf dem Flurstück c. Als Nebenbestimmung in Form einer Auflage ist u. a. in der Ziff. 2.1.2 als Schallschutzmaßnahme verfügt, die Rampe der Tiefgarage 2 inklusive Garagentor einzuhausen und eine nach dem Stand der Technik lärmarme Mechanik zum Öffnen und Schließen des Garagentors sowie eine nach dem Stand der Technik lärmarme Abdeckung der Regenrinnen im Fahrbereich der Tiefgaragen einzubauen. Unter der Ziffer 2.1.7 wird der Beigeladene u. a. beauflagt, insbesondere hinsichtlich der Lüftungstechnik und Ein- bzw. Ausfahrt der Tiefgarage sicherzustellen, dass die in der TA Lärm festgesetzten Immissionsrichtwerte für ein Misch- und Dorfgebiet eingehalten werden. Gegen diese Baugenehmigung legte der Antragsteller mit Telefax-Schreiben vom „1.8.2018“, beim Antragsgegner im Original eingegangen am 29. Juli 2019, Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden wurde.
Das Verwaltungsgericht hat den vorläufigen Rechtsschutzantrag des Antragstellers gegen die Baugenehmigung vom 8. Juli 2019 mit Beschluss vom 23. Januar 2020 abgelehnt. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Kammer erachte den Ausgang eines Hauptsacheverfahrens als offen. Eine Abwägung der Interessen gehe zu Lasten des Antragstellers aus. Die Kammer gehe davon aus, dass sich die Nutzung einer Tiefgarage im Vergleich zu oberirdischen Stellplätzen für die betroffene Nachbarschaft grundsätzlich günstig auswirke, da der durch das Starten der Motoren und Schlagen der Fahrzeugtüren verursachte Lärm durch das Gebäude weitgehend abgeschirmt werde. Zudem sei die Nebenbestimmung 2.1.2 zur Baugenehmigung zu berücksichtigen. Eine nachbarliche Beeinträchtigung folge daher im Wesentlichen daraus, dass die Nutzer der Tiefgarage 2 mit 19 Einstellplätzen für ihre Ein- und Ausfahrt unmittelbar am bebauten Grundstück des Antragstellers entlangfahren würden. Entsprechend Tab. 33 der Parkplatzlärmstudie (herausgegeben vom Bayerischen Landesamt für Umwelt, 6. Aufl. 2007) habe der Sachverständige in seiner schalltechnischen Untersuchung zum Vorhaben vom 5. September 2018 je Stellplatz Fahrzeugbewegungen im Tagzeitraum von 0,15 je Stunde und im Nachtzeitraum von 0,02 je Stunde angesetzt. Möglicherweise stellten sich ca. 50 Fahrzeugbewegungen täglich, die seitlich am Grundstück des Antragstellers entlangfahren würden, als ein Verstoß gegen das Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme unabhängig davon dar, wie viel Lärm auf dem Nachbargrundstück dadurch tatsächlich hervorgerufen werde. Andererseits gehe es beim Parkplatzlärm vornehmlich um den Schutz der rückwärtigen Grundstücksbereiche; das setze zum einen voraus, dass das Grundstück des Antragstellers dort überhaupt nutzbar sei. Zum anderen gehe es dabei vornehmlich um einen Schutz während des Tagzeitraums. Für diesen prognostiziere das Sachverständigengutachten Beurteilungspegel, die deutlich, nämlich 11 bis 22 dB(A) hinter den Richtwerten der TA Lärm für ein allgemeines Wohngebiet zurückblieben. Zudem müsse erforderlichenfalls in einem Ortstermin oder in anderer geeigneter Weise auch festgestellt werden, ob die Nutzung der Grundstücke der näheren Umgebung überhaupt einem allgemeinen Wohngebiet entspreche oder ob es nicht sachgerecht wäre, den Beurteilungspegel für ein Mischgebiet oder einen Zwischenwert anzusetzen. Jedenfalls spreche der deutliche Abstand zum maßgeblichen Richtwert der TA Lärm für den Tagzeitraum eher gegen einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot.
Eine Unbestimmtheit der Baugenehmigung, wie sie die Kammer noch im Beschluss vom 1. August 2018 angenommen habe, liege nicht mehr vor. Der Beigeladene habe den Stellplatzbedarf auf seinem Grundstück und die Nutzung der erforderlichen Stellplätze nachgewiesen. Die Stellplätze der beiden Tiefgaragengeschosse dienten nach einem mit einem Zugehörigkeitsvermerk zur Baugenehmigung versehenen Nachweis vom 15. August 2018 ausschließlich dem Stellplatzbedarf für die 25 Appartements der beiden Wohngebäude. Ihre Nutzung durch Restaurant- oder Hotelgäste oder durch Kunden des Wellnessbetriebs sei daher unzulässig.
Für die Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten berücksichtige die Kammer auf der einen Seite, dass nach Angabe des Antragstellers der Beigeladene mit der Ausführung des Vorhabens bereits begonnen habe. Andererseits werde der Antragsteller nicht durch die Errichtung der Tiefgarage, sondern allenfalls durch deren Nutzung in seinen Rechten betroffen. Da das Wohngebäude auf seinem Grundstück seit langem leergezogen sei, würden für ihn gegenwärtig auch durch eine Nutzung der Tiefgarage keine unzumutbaren Belästigungen entstehen.
Nach Zustellung des Beschlusses am 29. Januar 2020 hat der Antragsteller am 5. Februar 2020 Beschwerde erhoben, die er am 21. Februar 2020 begründet hat.
II.
Die fristgemäß eingelegte (§ 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und ebenso fristgerecht begründete (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) Beschwerde hat Erfolg.
Die Beschwerdebegründung rechtfertigt eine Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses. Der Antragsteller hat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO hinreichend dargelegt (vgl. zum Maßstab etwa OVG Greifswald, Beschluss vom 11. März 2020 – 3 M 770/19 OVG –), dass sich die Baugenehmigung bei summarischer Prüfung als voraussichtlich rechtswidrig darstellt und ihn in seinen Rechten verletzen dürfte.
Bei einem Verwaltungsakt mit Doppelwirkung kann das Gericht gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1 VwGO auf Antrag Maßnahmen nach § 80a Abs. 1 und 2 VwGO ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die – hier kraft Gesetzes gemäß § 212a Abs. 1 BauGB fehlende – aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die gerichtliche Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ergeht auch hier auf der Grundlage einer Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind auf der einen Seite das private Interesse des Antragstellers, vorläufig vom Vollzug des Verwaltungsaktes verschont zu bleiben (Aussetzungsinteresse), und auf der anderen Seite das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes (Vollziehungsinteresse) bzw. – im vorliegenden Falle des § 80a VwGO – das entsprechende private Vollziehungsinteresse des Begünstigten. Im Rahmen der Interessenabwägung ist der Gesichtspunkt der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bzw. der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache maßgeblich zu berücksichtigen. In der Regel überwiegt bei kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Verwaltungsakten das Vollziehungsinteresse, wenn sich der Verwaltungsakt nach dem Prüfungsmaßstab des – summarischen – vorläufigen Rechtsschutzverfahrens als rechtmäßig erweist und der Rechtsbehelf in der Hauptsache ohne Aussicht auf Erfolg sein wird. Demgegenüber überwiegt grundsätzlich das private Aussetzungsinteresse, wenn sich der Verwaltungsakt nach diesem Maßstab als rechtswidrig erweist und der Rechtsbehelf in der Hauptsache voraussichtlich Erfolg haben wird; an der Vollziehung eines rechtswidrigen Bescheids besteht regelmäßig kein schutzwürdiges öffentliches Interesse. Lässt sich die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht in diesem Sinne klären bzw. ist der Ausgang der Hauptsache offen, bedarf es einer Abwägung der (sonstigen) wechselseitigen Interessen (vgl. OVG Greifswald, Beschluss vom 29. Mai 2019 – 3 M 229/19 –, juris Rn. 17).
Der vom Verwaltungsgericht angenommene Fall, dass sich die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht in diesem Sinne klären lassen würde, liegt ersichtlich nicht vor. Auch in Fällen, in denen nicht die Schaffung vollendeter Tatsachen droht (zu den Anforderungen in solchen Fällen vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. September 2016 – 1 BvR 1335/13 – juris Rn. 19 ff.), gebietet die aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG abgeleitete Garantie effektiven Rechtsschutzes vor einer Folgenabwägung eine rechtliche Prüfung des Verwaltungsakts im Rahmen des im vorläufigen Rechtsschutzverfahren Möglichen.
Der Widerspruch des Antragstellers wird bei summarischer Prüfung voraussichtlich Erfolg haben. Der genehmigte Neubau von zwei Kellergeschossen als Tiefgarage mit 44 Stellplätzen dürfte rechtswidrig sein und die Nachbarrechte des Antragstellers nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verletzen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Gebiet, in dem das Bauvorhaben liegt, als faktisches allgemeines Wohngebiet (vgl. § 4 BauNVO) oder als faktisches Mischgebiet (§ 6 BauNVO) zu beurteilen ist. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sind die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden. Die vorliegende Baugenehmigung verletzt voraussichtlich das darin enthaltene Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme, auf das sich der Antragsteller berufen kann.
Ziel des Rücksichtnahmegebots ist es, einander abträgliche Nutzungen in rücksichtsvoller Weise zuzuordnen sowie Spannungen und Störungen zu vermeiden. Welche Anforderungen sich hieraus ergeben, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, namentlich davon, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahmeverpflichteten andererseits nach Lage der Dinge zuzumuten ist (OVG Greifswald, Beschluss vom 4. April 2013 – 3 M 183/12 –, juris Rn. 5 m. w. N.).
Die Frage, wann die Benutzung von Garagen oder Stellplätzen die Umgebung unzumutbar stört, lässt sich nicht abstrakt und generell nach festen Merkmalen beurteilen. Vielmehr kommt es entscheidend auf die konkrete Situation an, in der sich die Belästigungen auswirken, nicht auf eine schematische Orientierung an der TA Lärm (VGH München, Beschluss vom 7. Mai 2019 – 9 ZB 17.53 –, juris Rn. 9 m. w. N.). Die dortigen Richtwerte sind keine zwingenden Grenzen, sondern können nur als Anhaltspunkte dafür dienen, was sich im Einzelfall als zumutbar darstellen könnte. Parkplatzlärm zeichnet sich durch spezifische Merkmale aus, die sich von den Straßengeräuschen des fließenden Verkehrs unterscheiden und einen anderen Informationsgehalt aufweisen. Parkplatztypische Geräusche wie etwa Türenschlagen und Gespräche sind durch die 16. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung) und die Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen (RLS-90) nicht zu erfassen. Dies kann je nach baulicher Ausgestaltung auch auf den Lärm bei Nutzung einer Tiefgarage zutreffen, und zwar vor allem dann, wenn sie – etwa in einer Hanglage – nicht vollständig unterirdisch gebaut wird. Zur Beurteilung der von Parkplätzen und entsprechenden Anlagen ausgehenden Lärmimmissionen ist daher zumindest grundsätzlich auch bei der gerichtlichen Überprüfung einer planerischen Entscheidung oder Baugenehmigung die TA-Lärm, ggf. unter Einbeziehung weiterer technischer Regelungen heranzuziehen, um zu einer tragfähigen Immissionsprognose zu kommen (OVG Greifswald, Beschluss vom 30. Juli 2013 – 3 M 122/13 –, juris Rn. 34 f. m. w. N.). Auch die 6. Bayerische Parkplatzlärmstudie (Parkplatzlärmstudie, 6. überarbeitete Auflage August 2007, erstellt vom Bayerischen Landesamt für Umwelt) ist eine fachlich geeignete Orientierungshilfe für die Beurteilung der von Parkplatzanlagen ausgehenden Lärmemissionen (OVG Greifswald, Beschluss vom 2. Mai 2019 – 3 LZ 306/18 OVG –, S. 7 des amtlichen Umdrucks m. w. N.), die auch Untersuchungen zu kleineren Stellplatzanlagen, die nur einem beschränkten Nutzerkreis offen stehen, darstellt, etwa, wie sich aus der Tabelle 33 (S. 84) ergibt, welche durchschnittliche Stellplatzbewegungen auch von Parkplätzen von Wohnanlagen, Gaststätten und Hotels bewertet und auf die Erhebungsergebnisse verweist (vgl. OVG Greifswald, Beschluss vom 2. Mai 2019, a. a. O., S. 8 des amtlichen Umdrucks). Dem entsprechend ist von Bedeutung, an welchem Standort die Garagen oder Stellplätze angeordnet werden sollen und in welcher Lage sich dieser Standort zu dem Grundstück, dem Wohnhaus und gegebenenfalls gegenüber den Wohnräumen des betroffenen Nachbarn befindet. Entscheidend ist weiter der Umstand, wie der Bereich, in dem die Stellplätze oder Garagen errichtet werden sollen bzw. in dem sie sich auswirken werden, zu qualifizieren ist und welche Einwirkungen die Anwohner dort bereits hinzunehmen haben. Dabei ist von dem Grundsatz auszugehen, dass die durch die Nutzung von Stellplätzen oder Garagen verursachten Belästigungen nur selten zu unzumutbaren Beeinträchtigungen der Umgebung führen, wenn die Stellplätze oder Garagen wie üblich und in der Regel durch die Konzeption der Bebauung vorgegeben, nahe der Straße untergebracht werden. Die Grenze des Zumutbaren ist umso niedriger anzusetzen, je empfindlicher und schutzwürdiger der Bereich ist, in dem die Stellplätze errichtet werden sollen (OVG Greifswald, Beschluss vom 7. Juli 2010 – 3 M 102/10 –, juris Rn. 12 m. w. N.). In der Rechtsprechung kommt darüber hinaus der Zufahrt eine besondere Bedeutung zu, weil jedenfalls bei Wohnbebauung der Zu- und Abgangsverkehr die Nachbarschaft regelmäßig am stärksten belastet. Insoweit begegnen Garagen und Stellplätze in ruhigen rückwärtigen Gartenbereichen hinter Wohnhäusern oft rechtlichen Bedenken (OVG Greifswald, Beschluss vom 7. Juli 2010 – 3 M 102/10 –, juris Rn. 18 m. w. N.; OVG Koblenz, Urteil vom 23. Mai 2019 – 1 A 11371/18 –, juris Rn. 38). Im Rahmen der Einzelfallbetrachtung ist dabei auch zu berücksichtigen, dass eine Tiefgarage, worauf bereits das Verwaltungsgericht hingewiesen hat, viele typische Lärmemissionen bei der Stellplatznutzung besser abschirmen wird als eine oberirdische Stellplatzlösung (VGH München, Beschluss vom 7. Mai 2019 – 9 ZB 17.53 –, juris Rn. 8 m. w. N.; vgl. auch OVG Koblenz, Urteil vom 23. Mai 2019 – 1 A 11371/18 –, juris Rn. 38); dies gilt allerdings nicht für die Zufahrt zur Tiefgarage. Ebenso spielt ggf. der sog. Hofeffekt, also die Schallreflektionen eines zwischen zwei nahe beieinanderstehenden Häusern hindurchfahrenden Fahrzeugs, eine Rolle (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 23. Mai 2019 – 1 A 11371/18 –, juris Rn. 48).
Rücksichtslos erscheint dem Senat nach Lage der Dinge jedenfalls die geplante Zufahrt zur Tiefgarage 2 mit 19 Stellplätzen. Die vom Beigeladenen offenbar bezweckte optimale Nutzung seines Grundstücks führt dazu, dass insoweit die für den Antragsteller als Nachbarn und Eigentümer eines Wohnhausgrundstücks belästigendste Lösung gewählt wurde. Es ist auch weder dargelegt noch ersichtlich, dass eine mit den nachbarlichen Belangen verträglichere Nutzung des Tiefgaragenkomplexes nicht etwa insgesamt über eine Zufahrt zum Kavaliersweg oder aber wenigstens eine solche – z. B. für die Stellplätze in der Tiefgarage 2 – auf der anderen Seite des Wohngebäudes auf dem Flurstück d zur A-straße möglich ist. Der Antragsteller muss es nicht hinnehmen, dass Fahrzeugverkehr zur oder von der Tiefgarage 2 mit dem entsprechenden Lärm auf einer Länge von ca. 28 m unmittelbar bzw. nahe der gemeinsamen Grundstücksgrenze und vor allem in einem Abstand von nur ca. sechs, vier und zwei Metern zum Wohnhaus des Antragstellers verläuft. Hinzu kommt der Umstand, dass die beiden Wohnhäuser auf den Flurstücken a und d relativ nah zusammenstehen, was bei dem Zufahrtsverkehr zwischen den Häusern voraussichtlich auch den vorgenannten Hofeffekt hervorrufen wird. Dies gilt umso mehr, als durch die Enge der Zufahrt ein Begegnungsverkehr zwischen in die Tiefgarage 2 hinein- und von dort hinausfahrenden Fahrzeugen nicht möglich erscheint. Aus den Bauvorlagen ist auch nicht ersichtlich, wie das Problem ggf. hin- und herrangierender Fahrzeuge bzw. von Rückstau oder notwendigen Ausweichmanövern im Falle des Begegnungsverkehrs jedenfalls in dem engen Bereich zwischen dem Wohnhaus auf dem Flurstück d und der Grenze zum Grundstück des Antragstellers gelöst werden soll (vgl. auch OVG Greifswald, Beschluss vom 26. April 2016 – 3 L 170/15 –, S. 6 des amtlichen Umdrucks). Insoweit erachtet der Senat das Wohnhausgrundstück des Antragstellers unabhängig von der Frage, wie hoch die Lärmimmissionen nach der TA-Lärm gerade in diesem Bereich sind, als besonders schutzwürdig, und zwar nicht nur im Bereich dortiger Fenster (von schutzbedürftigen Räumen), sondern ggf. auch im rückwärtigen Grundstücksareal. Warum das Verwaltungsgericht insoweit andeutungsweise die Frage aufwirft, ob das Grundstück des Antragstellers in diesem Bereich überhaupt nutzbar ist, erschließt sich dem Senat nicht.
Auch für den Fall, dass die Tiefgarage 1 mit der Zufahrt vom Kavaliersweg den Antragsteller nicht in seinen Nachbarrechten verletzt, ist eine nur teilweise Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers nicht möglich. Es handelt sich um ein einheitliches Bauvorhaben, das die Errichtung der Tiefgarage 1 auf der darunterliegenden Tiefgarage 2 vorsieht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3 VwGO. Der Beigeladene hat einen Sachantrag gestellt, mit dem er – neben dem Antragsgegner – unterlegen ist.
Die Entscheidung über den Streitwert ergibt sich aus den §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und entspricht der Höhe nach der erstinstanzlichen Festsetzung, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.
Hinweis:
Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.