Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Der Fall vor dem OLG Düsseldorf: Restwerklohnforderung nach Kündigung eines Bauvertrags
- Hintergrund des Rechtsstreits: Von der Sicherheitsleistung zur Kündigung
- Die Entscheidung des OLG Düsseldorf: Werklohnforderung teilweise erfolgreich
- Bedeutung des Urteils für Betroffene: Die Vergütung bei Vertragsbeendigung
- Die Rolle des selbstständigen Beweisverfahrens
- Konsequenzen für die Praxis: Sorgfältige Dokumentation und Abrechnung
- Ausblick: Die zugelassene Revision
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Vergütungsansprüche bestehen nach einer Bauvertragskündigung?
- Wie muss ein Auftragnehmer seine Restwerklohnforderung nachweisen?
- 3. Welche Fristen müssen bei der Geltendmachung von Restwerklohn eingehalten werden?
- Was passiert mit vereinbarten Sicherheitsleistungen nach einer Kündigung?
- Wie wirken sich Mängel auf die Restwerklohnforderung aus?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: OLG Düsseldorf
- Datum: 30.11.2023
- Aktenzeichen: I-5 U 33/23
- Verfahrensart: Berufungsverfahren im Werklohnstreit
- Rechtsbereiche: Werkvertragsrecht, Bauvertragsrecht
- Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Auftragnehmerin, die Restwerklohn in Höhe von 7.668,28 Euro für die Herstellung eines Wärmedämmverbundsystems fordert. Sie argumentiert, dass der Beklagte durch die Nichtleistung einer vereinbarten Sicherheitsleistung einen Vertragsbruch begangen hat, was ihre Kündigung des Vertrags rechtfertigte.
- Beklagter: Auftraggeber, der die vereinbarte Sicherheitsleistung nicht erbracht hat, wodurch die Grundlage für die Kündigung des Vertrags durch die Klägerin entstand.
- Um was ging es?
- Sachverhalt: Die Klägerin verlangte nach der Kündigung des Vertrags den Restwerklohn für die Errichtung eines Wärmedämmverbundsystems an einem Mehrfamilienhaus. Nachdem der Beklagte die vereinbarte Sicherheitsleistung nicht geleistet hatte, wurde zunächst gerichtlich die Sicherheitsleistung eingefordert und der Vertrag anschließend gekündigt.
- Kern des Rechtsstreits: Entscheidend ist die Frage, ob der Anspruch auf Restwerklohn trotz der vorausgegangenen Sicherheitsleistungforderung und der Vertragskündigung bestehen bleibt und wie die Kostentragung im Zusammenhang mit dem selbstständigen Beweisverfahren verteilt wird.
- Was wurde entschieden?
- Entscheidung:
- Die Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen.
- Die Klägerin trägt 4 % der Kosten des vor dem Landgericht Duisburg geführten selbstständigen Beweisverfahrens, der Beklagte 96 %.
- Die Kosten des Berufungsverfahrens werden von der Klägerin getragen.
- Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung; es wird jedoch nachgelassen, dass die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abgewendet werden kann, wenn der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung eine entsprechende Sicherheit leistet.
- Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.
- Begründung: Die Entscheidung fußte darauf, dass der Beklagte die vereinbarte Sicherheitsleistung nicht erbracht hat, was die Kündigung des Vertrages durch die Klägerin rechtfertigte und ihren Anspruch auf Restwerklohn begründete.
- Folgen:
- Die Klägerin muss die festgesetzten Kosten des Berufungsverfahrens sowie ihren Anteil der Kosten des Beweisverfahrens tragen.
- Durch die Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung können beide Urteile rasch durchgesetzt werden, wobei eine nachträgliche Sicherheitsleistung zur Abwendung der Vollstreckung möglich ist.
- Die Zulassung der Revision eröffnet der Klägerin die Möglichkeit, den Fall in einer höheren Instanz erneut überprüfen zu lassen.
- Entscheidung:
Der Fall vor Gericht
Der Fall vor dem OLG Düsseldorf: Restwerklohnforderung nach Kündigung eines Bauvertrags
Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hatte sich mit einem Fall zu befassen, in dem es um eine Werklohnforderung nach einer Kündigung im Zusammenhang mit einem Wärmedämmverbundsystem ging. Konkret stritten die Parteien über den Restwerklohn für Arbeiten, die ein Auftragnehmer (die Klägerin) an einem Mehrfamilienhaus des Auftraggebers (der Beklagte) ausgeführt hatte. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die komplexen Rechtsfragen, die entstehen können, wenn ein Bauvertrag vorzeitig beendet wird und es um die Abrechnung der erbrachten Leistungen geht. Gerade für Menschen, die selbst in ähnliche Situationen geraten sind, ist das Urteil relevant, da es wichtige Hinweise auf ihre Rechte und Pflichten gibt.
Hintergrund des Rechtsstreits: Von der Sicherheitsleistung zur Kündigung
Die Klägerin, ein Unternehmen, das sich auf die Erstellung von Wärmedämmverbundsystemen spezialisiert hat, war vom Beklagten mit entsprechenden Arbeiten an seinem Mehrfamilienhaus beauftragt worden. Im Laufe der Ausführung kam es jedoch zu Unstimmigkeiten, die schließlich zur Kündigung Bauleistung führten.
Ein wesentlicher Punkt im Vorfeld der Kündigung war die unterbliebene Leistung einer Sicherheit durch den Beklagten. Die Klägerin hatte im September 2016 ihren Anspruch auf eine solche Sicherheitsleistung in Höhe von 5.500,00 Euro gerichtlich durchgesetzt, da der Beklagte seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen war. Dieser Umstand ist relevant, da er das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien bereits vor der eigentlichen Streitigkeit belastete.
Nach der Kündigung durch den Beklagten, forderte die Klägerin die Zahlung des aus ihrer Sicht noch offenen Restwerklohns in Höhe von 7.668,28 Euro. Dieser Betrag beinhaltete nicht nur den Grundwerklohn, sondern auch Ansprüche aus Nachträgen sowie die Rückforderung zu Unrecht abgezogener Skonti. Hieraus resultierte der Gang vor Gericht.
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf: Werklohnforderung teilweise erfolgreich
Das OLG Düsseldorf wies die Berufung der Klägerin zurück. Das bedeutet, dass das Gericht die Entscheidung der Vorinstanz im Wesentlichen bestätigte. Dennoch modifizierte das OLG die Entscheidung des Landgerichts Duisburg dahingehend, dass die Klägerin die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens zu 4 % trägt und der Beklagte zu 96 %.
Die Kernaussage des Urteils ist, dass die Werklohnforderung der Klägerin nicht in vollem Umfang berechtigt war. Das Gericht hat offenbar bestimmte Positionen der Klägerin, insbesondere im Hinblick auf die Nachträge und die Skontoabzüge, nicht anerkannt.
Das Gericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass ein Anspruch auf Vergütung gemäß § 648 Satz 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) dem Grunde nach besteht. § 648 BGB regelt die Vergütung bei Vertragsbeendigung.
Das Gericht führte aus, dass die Voraussetzungen für eine Kündigung aus wichtigem Grund vorlagen. Damit ist die Kündigung Bauleistung durch den Beklagten wirksam gewesen.
Bedeutung des Urteils für Betroffene: Die Vergütung bei Vertragsbeendigung
Das Urteil des OLG Düsseldorf verdeutlicht die Rechtsfolgen einer Kündigung im Bauvertrag. Entscheidend ist, dass der Auftragnehmer nach einer Kündigung grundsätzlich einen Anspruch auf Vergütung bei Vertragsbeendigung hat. Dieser Anspruch ist jedoch nicht unbegrenzt.
Wichtig ist, dass der Auftragnehmer nur die tatsächlich erbrachten Leistungen abrechnen kann. Nicht erbrachte Leistungen, die im ursprünglichen Vertrag vereinbart waren, aber aufgrund der Kündigung nicht mehr ausgeführt wurden, können nicht in Rechnung gestellt werden.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Beweislast. Der Auftragnehmer muss darlegen und beweisen, welche Leistungen er tatsächlich erbracht hat und welcher Werklohn dafür angemessen ist. Im vorliegenden Fall konnte die Klägerin offenbar nicht alle ihre Forderungen ausreichend belegen, insbesondere im Hinblick auf die Nachträge. Dies führte dazu, dass das Gericht ihre Werklohnforderung nicht in vollem Umfang anerkannte.
Die Rolle des selbstständigen Beweisverfahrens
Das OLG Düsseldorf korrigierte die Kostenentscheidung des Landgerichts hinsichtlich des selbstständigen Beweisverfahrens. Dies zeigt, dass ein solches Verfahren eine wichtige Rolle bei der Klärung von Streitigkeiten im Baubereich spielen kann. Durch ein selbstständiges Beweisverfahren können Tatsachen, wie beispielsweise der Umfang der erbrachten Leistungen oder die Qualität der Ausführung, vor einem Gerichtsverfahren festgestellt werden. Dies kann dazu beitragen, einen Rechtsstreit zu vermeiden oder zumindest die Position der Parteien zu stärken.
Konsequenzen für die Praxis: Sorgfältige Dokumentation und Abrechnung
Das Urteil des OLG Düsseldorf unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Dokumentation und Abrechnung von Bauleistungen. Gerade im Hinblick auf Nachträge ist es wichtig, dass diese schriftlich vereinbart und detailliert dokumentiert werden. Auch die Rechnungsstellung Restwerklohn sollte transparent und nachvollziehbar erfolgen.
Für Auftraggeber ist es ratsam, sich vor einer Kündigung umfassend rechtlich beraten zu lassen. Eine unberechtigte Kündigung kann zu erheblichen Schadensersatzansprüchen des Auftragnehmers führen. Ebenso sollten Auftraggeber ihren Verpflichtungen zur Sicherheitsleistung nachkommen, um das Vertrauensverhältnis zum Auftragnehmer nicht zu gefährden.
Ausblick: Die zugelassene Revision
Das OLG Düsseldorf hat die Revision für die Klägerin zugelassen. Dies bedeutet, dass der Fall möglicherweise noch vor dem Bundesgerichtshof (BGH) verhandelt wird. Die Entscheidung des BGH könnte weitere Klarheit in Bezug auf die Rechtsfragen rund um die Werklohnforderung nach Kündigung bringen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht, dass bei einer Kündigung wegen nicht geleisteter Sicherheit der Werkunternehmer zwar grundsätzlich Anspruch auf die volle Vergütung hat, sich aber dennoch bestehende Mängel anrechnen lassen muss. Die Höhe des Abzugs bemisst sich dabei nach den objektiven Kosten der Mangelbeseitigung – unabhängig davon, ob der Unternehmer durch die nicht durchgeführte Mängelbeseitigung tatsächlich Kosten erspart hat. Das Urteil stärkt damit den Verbraucherschutz im Werkvertragsrecht.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie als Auftraggeber Mängel an der Werkleistung feststellen, können Sie diese auch dann noch geltend machen, wenn der Handwerker wegen ausbleibender Sicherheitsleistung kündigt. Die Kosten für die Mangelbeseitigung werden dann von der Werklohnforderung abgezogen. Als Handwerker müssen Sie damit rechnen, dass Ihnen trotz berechtigter Kündigung nicht automatisch die volle Vergütung zusteht, wenn Ihre Leistung mangelhaft war. Die Höhe des Abzugs richtet sich nach den objektiven Kosten der Mangelbeseitigung – Ihre tatsächlichen Ersparnisse spielen keine Rolle.
Benötigen Sie Hilfe?
Klare Perspektiven im Bauvertragsrecht
Komplexe Streitigkeiten rund um Restwerklohnforderungen nach einer Bauvertragskündigung können für Beteiligte zu erheblichen Unsicherheiten führen. Die präzise Abrechnung erbrachter Leistungen und die differenzierte Betrachtung von Nachträgen verlangen eine detaillierte Analyse der zugrundeliegenden Unterlagen. Ein strukturierter Blick auf die verschiedenen Anspruchsgrundlagen kann entscheidend dazu beitragen, den rechtlichen Verlauf objektiv zu bewerten.
Wir unterstützen Sie dabei, Ihre Situation umfassend zu prüfen und den Sachverhalt differenziert zu erfassen. Mit einem methodischen und transparenten Beratungsansatz helfen wir Ihnen, mögliche Fallstricke zu identifizieren und Ihre rechtlichen Optionen klar abzuwägen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Vergütungsansprüche bestehen nach einer Bauvertragskündigung?
Nach einer Kündigung des Bauvertrags entstehen unterschiedliche Vergütungsansprüche, abhängig davon, wer den Vertrag gekündigt hat und aus welchem Grund. Grundsätzlich gilt, dass der Auftragnehmer für die bis zum Zeitpunkt der Kündigung erbrachten Leistungen einen Anspruch auf Vergütung hat.
Die Art der Kündigung – ob ordentlich oder außerordentlich – spielt eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung der Höhe des Vergütungsanspruchs.
Vergütungsanspruch bei ordentlicher Kündigung durch den Auftraggeber
Wenn der Auftraggeber den Vertrag ordentlich kündigt, also ohne wichtigen Grund, hat der Auftragnehmer Anspruch auf die vereinbarte Vergütung. Allerdings muss sich der Auftragnehmer die Aufwendungen anrechnen lassen, die er durch die Kündigung erspart hat. Dies können beispielsweise Materialkosten oder Löhne sein, die nicht mehr anfallen. Der Auftragnehmer hat auch Anspruch auf die ursprünglich kalkulierte Gewinnmarge, wenn der Auftraggeber ohne wichtigen Grund kündigt.
Vergütungsanspruch bei außerordentlicher Kündigung
Eine außerordentliche Kündigung liegt vor, wenn ein wichtiger Grund die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar macht. Wichtig: Kündigt der Auftraggeber aus einem wichtigen Grund, hat der Auftragnehmer lediglich Anspruch auf Vergütung der bis dahin erbrachten Leistungen. Es ist daher ratsam, den Leistungsstand genau zu dokumentieren, da der Auftragnehmer diesen im Streitfall beweisen muss.
Vergütungsanspruch für Vorleistungen und Planungen
Grundsätzlich gilt, dass Vorarbeiten und Planungen, deren Vergütung in die Baupreise einkalkuliert ist, nur dann gesondert vergütet werden, wenn sie eine eigenständige Leistung darstellen. Das ist oft nicht der Fall, da sich der Auftragnehmer die Eigentums- und Urheberrechte an den Unterlagen vorbehält. Ausnahmsweise kann ein Vergütungsanspruch bestehen, wenn die Vorleistungen für die Weiterführung des Bauvorhabens uneingeschränkt geeignet sind und dem Besteller die Verwendung zumutbar ist.
Berechnung des Werklohns nach Kündigung
Nach der Kündigung des Bauvertrages muss der Auftragnehmer seinen Werklohnanspruch prüfbar abrechnen. Er muss den Anteil an der vereinbarten Gesamtvergütung ermitteln, der auf die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen entfällt. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der verbleibende Werklohnanspruch des Auftragnehmers gemäß § 287 ZPO auf der Grundlage einer prüfbaren Abrechnung geschätzt werden kann.
Besonderheiten bei Pauschalpreisverträgen
Bei Pauschalpreisverträgen ist die Berechnung des Werklohns nach Kündigung komplizierter. Der Auftragnehmer muss darlegen, welche Leistungen er bis zur Kündigung erbracht hat und welchen Wert diese Leistungen im Verhältnis zum vereinbarten Pauschalpreis haben.
Schlussrechnung
Der Auftragnehmer muss nach der Kündigung eine Schlussrechnung erstellen, die alle erbrachten Leistungen und die darauf entfallende Vergütung ausweist. Voraussetzung für die Fälligkeit der Schlussrechnung ist eine vorherige Abnahme. Eine Abnahme ist nicht durch die alleinige Feststellung des Leistungsstandes erfolgt.
Anspruch auf Schadensersatz
Unabhängig von der Kündigung aus wichtigem Grund kann Schadensersatz geltend gemacht werden, wenn eine Partei den Anlass zur Kündigung schuldhaft verursacht hat.
Wie muss ein Auftragnehmer seine Restwerklohnforderung nachweisen?
Ein Auftragnehmer, der nach einer Kündigung des Bauvertrags eine Restwerklohnforderung geltend machen möchte, muss diese präzise und nachvollziehbar darlegen. Dies ist notwendig, um die Forderung rechtlich durchzusetzen und Streitigkeiten mit dem Auftraggeber zu vermeiden. Die Nachweispflichten umfassen mehrere Aspekte:
1. Prüffähige Schlussrechnung
- Grundlage der Forderung: Die Schlussrechnung muss alle erbrachten Leistungen detailliert auflisten und den vertraglich vereinbarten Preisen entsprechen. Sie dient als Basis für die Berechnung des Restwerklohns.
- Prüffähigkeit: Die Schlussrechnung muss so gestaltet sein, dass der Auftraggeber sie nachvollziehen kann. Dazu gehören:
- Eine übersichtliche Darstellung der Leistungen,
- Angabe von Mengen und Einheitspreisen,
- Abzüge für nicht erbrachte oder mangelhafte Leistungen.
- Relevanz: Ohne eine prüffähige Schlussrechnung ist die Werklohnforderung nicht fällig (§ 641 BGB).
2. Nachweis der erbrachten Leistungen
- Der Auftragnehmer muss belegen können, welche Leistungen bis zur Kündigung tatsächlich erbracht wurden. Dies erfolgt durch:
- Aufmaße (z. B. Flächen- oder Mengenberechnungen),
- Bautagebücher oder Protokolle,
- Stundenzettel bei Stundenlohnarbeiten.
- Beweispflicht: Falls der Auftraggeber die erbrachten Leistungen bestreitet, trägt der Auftragnehmer die Beweislast.
3. Abzüge für ersparte Aufwendungen
- Nach einer Kündigung (insbesondere bei freier Kündigung gemäß § 648 BGB) hat der Auftragnehmer Anspruch auf den vereinbarten Werklohn abzüglich ersparter Aufwendungen und anderweitig erzielter Erlöse.
- Berechnung: Der Auftragnehmer muss darlegen, welche Kosten (z. B. Material oder Arbeitszeit) durch die Kündigung eingespart wurden. Ein pauschaler Abzug von 5 % für nicht erbrachte Leistungen ist gesetzlich vermutet (§ 648 BGB).
4. Umgang mit Mängeln
- Wenn der Auftraggeber Mängel geltend macht, muss der Auftragnehmer nachweisen, dass die erbrachten Leistungen mangelfrei sind oder die Mängel keine wesentlichen Auswirkungen auf die Vergütung haben.
- Sachverständigengutachten können hier hilfreich sein, um die Qualität der Arbeiten zu belegen.
5. Dokumentation von Vertragsänderungen
- Falls es während der Bauausführung zu Änderungen oder Zusatzaufträgen gekommen ist, sollten diese schriftlich dokumentiert und in der Schlussrechnung berücksichtigt werden.
6. Rechtliche Besonderheiten bei Bauvertragskündigungen
- Bei einer freien Kündigung des Bauherrn (§ 648 BGB) wird das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis umgewandelt. Der Auftragnehmer hat Anspruch auf Vergütung für die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen sowie eine anteilige Entschädigung für entgangenen Gewinn.
- Bei einer berechtigten Kündigung aus wichtigem Grund durch den Bauherrn entfällt der Anspruch auf Vergütung für nicht erbrachte Leistungen.
Beispiel
Stellen Sie sich vor, ein Bauunternehmer hat bis zur Kündigung eines Hausbauprojekts 70 % der vereinbarten Arbeiten abgeschlossen. Um seinen Restwerklohn geltend zu machen, legt er eine Schlussrechnung vor, in der er:
- Die bereits fertiggestellten Arbeiten detailliert auflistet (z. B. Fundamentarbeiten und Rohbau),
- Die ersparten Kosten für nicht ausgeführte Arbeiten (z. B. Innenausbau) abzieht,
- Nachweise wie Bautagebücher und Fotos beifügt.
Mit diesen Unterlagen kann er seinen Anspruch schlüssig darlegen und im Streitfall gerichtlich durchsetzen.
3. Welche Fristen müssen bei der Geltendmachung von Restwerklohn eingehalten werden?
Bei der Durchsetzung von Restwerklohnforderungen sind drei zentrale Fristen zu beachten:
1. Verjährungsfrist: 3 Jahre ab Fälligkeit
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt 3 Jahre (§ 195 BGB). Sie beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und Sie als Auftragnehmer Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen hatten (§ 199 BGB).
- Beispiel: Stellen Sie eine Schlussrechnung im April 2025, beginnt die Frist am 31.12.2025 und endet am 31.12.2028.
- Besonderheit bei VOB/B-Verträgen: Die Frist startet erst nach Zugang einer prüfbaren Schlussrechnung und Ablauf der vertraglichen Prüffrist (meist 30 Tage).
Wenn Sie eine Immobilie finanzieren möchten, sollten Sie beachten, dass Verzögerungen bei der Rechnungsstellung die Verjährung „einfrieren“ können – aber nur, wenn Sie rechtzeitig gerichtliche Schritte (z. B. Klage oder Mahnbescheid) einleiten.
2. Ausschlussfristen in VOB/B-Verträgen
Bei Verträgen nach VOB/B gelten strenge Ausschlussregeln:
- 24 Werktage nach Erhalt der Schlusszahlung müssen Sie schriftlich Vorbehalte für vergessene Posten anmelden (§ 16 Abs. 3 VOB/B).
- Weitere 24 Werktage haben Sie Zeit, um eine prüfbare Nachrechnung einzureichen.
Praxisbeispiel: Erhalten Sie am 1. März 2025 eine Schlusszahlung ohne Berücksichtigung Ihrer Nachträge, müssen Sie bis zum 31. März 2025 (bei 24 Werktagen) einen Vorbehalt erklären. Ohne diese Frist verfallen Ihre Ansprüche unwiderruflich.
3. Präklusion bei verspäteter Rüge
Der Auftraggeber kann Ihre Rechnung nur dann beanstanden, wenn er Mängel der Schlussrechnung (z. B. fehlende Aufschlüsselung) innerhalb der Prüffrist (meist 30 Tage) rügt. Unterlässt er dies, wird die Rechnung als genehmigt angesehen – selbst bei Fehlern.
Achtung: Diese Regelung gilt nur bei VOB/B-Verträgen. Im BGB-Werkvertrag müssen Sie als Auftragnehmer nachweisen, dass die Rechnung trotz Fehlern hinreichend prüfbar war.
Sonderfall: Kündigung des Bauvertrags
Wird der Vertrag gekündigt, entsteht der Anspruch auf Restwerklohn ohne Abnahme, sobald die Leistung im Wesentlichen vertragsgemäß erbracht wurde. Die Verjährung beginnt hier mit der Kündigungserklärung.
Beispiel: Kündigt der Auftraggeber am 15.02.2025, startet die Verjährung am 31.12.2025 und endet am 31.12.2028.
Rechtliche Grundlagen:
- Verjährung: §§ 195, 199 BGB
- Ausschlussfristen: § 16 VOB/B
- Fälligkeit: § 641 BGB, § 650g BGB (BGB-Bauverträge)
Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Rechnung vergessen – durch die Kombination aus kurzen Ausschlussfristen und langer Verjährung bleibt Ihnen nur ein schmales Zeitfenster, um Ansprüche durchzusetzen. Dokumentieren Sie daher alle Zahlungseingänge und Kommunikation lückenlos, um im Streitfall handlungsfähig zu bleiben.
Was passiert mit vereinbarten Sicherheitsleistungen nach einer Kündigung?
Wenn ein Bauvertrag gekündigt wird, bleibt der Anspruch auf Bauhandwerkersicherheit gemäß § 650f BGB bestehen. Dies bedeutet, dass der Auftragnehmer auch nach einer Kündigung eine Sicherheitsleistung vom Auftraggeber verlangen kann, um offene Vergütungsansprüche abzusichern.
Rechtliche Grundlagen
Der Anspruch auf eine Bauhandwerkersicherheit entsteht bereits mit dem Abschluss des Bauvertrags und bleibt unabhängig von der Kündigung bestehen, solange die vereinbarte Vergütung nicht vollständig gezahlt wurde. Die Kündigung beendet das Vertragsverhältnis, hat jedoch keinen Einfluss auf den Sicherungsanspruch, da das Risiko einer Insolvenz des Bestellers weiterhin besteht.
Arten von Sicherheiten
Es gibt verschiedene Arten von Sicherheiten, die der Auftraggeber stellen kann:
- Bankbürgschaften: Diese sind häufig genutzt und bieten eine Garantie für die Zahlung im Falle eines Zahlungsausfalls des Auftraggebers.
- Sicherheitseinbehalt: Ein Teil des Werklohns wird zurückgehalten, um sicherzustellen, dass der Auftragnehmer seine Verpflichtungen erfüllt.
- Geldeinbehalt: Ähnlich wie der Sicherheitseinbehalt, wird ein Teil des Zahlbetrags zurückgehalten.
Auswirkungen der Kündigung
Nach einer Kündigung richtet sich die Höhe der Sicherheit nach dem Vergütungsanspruch für die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen. Zusätzlich kann ein Anspruch auf entgangenen Gewinn für nicht erbrachte Leistungen bestehen, sofern dieser nachgewiesen wird.
Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Bauunternehmer, der einen Vertrag über Arbeiten im Wert von 300.000 € abgeschlossen hat. Wenn der Vertrag gekündigt wird, nachdem Sie bereits Leistungen im Wert von 100.000 € erbracht haben, können Sie eine Sicherheit für diese erbrachten Leistungen sowie ggf. einen pauschalen Schadensersatz für den entgangenen Gewinn verlangen.
Wie wirken sich Mängel auf die Restwerklohnforderung aus?
Bei Mängeln an der erbrachten Bauleistung nach einer Kündigung gelten besondere Regelungen für die Restwerklohnforderung. Der Unternehmer bleibt auch nach einer Kündigung verpflichtet, die Mängel der erbrachten Leistung zu beseitigen.
Mängel vor der Abnahme
Werden Mängel vor der Abnahme festgestellt, muss der Auftraggeber dem Unternehmer zunächst die Möglichkeit zur Nachbesserung geben. Eine angemessene Frist zur Mängelbeseitigung muss gesetzt werden, bevor weitere Rechte geltend gemacht werden können.
Auswirkungen auf die Vergütung
Bei bestehenden Mängeln kann sich der Werklohnanspruch des Unternehmers reduzieren. Der Abzug besteht in Höhe des Aufwands für die Mängelbeseitigung, wenn diese möglich ist und nicht wegen unverhältnismäßig hoher Kosten verweigert werden kann. Alternativ wird der mangelbedingte Minderwert des Werkes in Abzug gebracht.
Besonderheiten bei der Abrechnung
Nach einer Kündigung muss der Auftragnehmer seinen Werklohnanspruch prüfbar abrechnen. Zum Kündigungszeitpunkt vorhandene Mängel beschränken den Umfang des dem Unternehmer zustehenden Vergütungsanspruchs. Wenn Sie als Auftraggeber die Abnahme wegen wesentlicher Mängel verweigern, kann der Unternehmer dennoch die Vergütung verlangen – allerdings unter Berücksichtigung der Mängelrechte.
Aufrechnung mit Mängelansprüchen
Der Auftraggeber kann mit Gegenansprüchen wegen mangelhafter Ausführung gegen die Werklohnforderung aufrechnen. Eine berechtigte Aufrechnung führt zum Erlöschen der Werklohnforderung in entsprechender Höhe. Dabei müssen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Aufrechnung vorliegen, insbesondere muss der Auftraggeber dem Unternehmer zuvor eine angemessene Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt haben.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Werklohn
Ein Werklohn ist die vereinbarte Vergütung für die Herstellung eines Werkes im Rahmen eines Werkvertrags nach § 631 BGB. Der Werklohn wird fällig, wenn das Werk abgenommen wurde oder als abgenommen gilt. Der Anspruch auf Werklohn besteht grundsätzlich nur bei mangelfreier Leistung.
Beispiel: Ein Handwerker installiert eine Heizungsanlage für 5.000 Euro. Nach erfolgreicher Installation und Abnahme durch den Auftraggeber hat er Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Werklohns.
Restwerklohn
Der Restwerklohn bezeichnet den noch ausstehenden Teil der Vergütung nach teilweiser Erfüllung eines Werkvertrags oder nach dessen vorzeitiger Beendigung. Bei einer berechtigten Kündigung des Vertrags hat der Werkunternehmer gemäß § 648a BGB Anspruch auf den Teil der Vergütung, der seinen bereits erbrachten Leistungen entspricht.
Beispiel: Von einem vereinbarten Werklohn über 10.000 Euro wurden 6.000 Euro als Abschlag gezahlt. Der Restwerklohn beträgt somit 4.000 Euro.
Sicherheitsleistung
Eine Sicherheitsleistung ist eine finanzielle Absicherung für mögliche Ansprüche einer Vertragspartei. Im Baurecht dient sie nach § 648a BGB dazu, die Erfüllung von Verpflichtungen (z.B. Mängelbeseitigung oder Werklohnzahlung) abzusichern. Übliche Formen sind Bankbürgschaften oder Einzahlungen auf ein Sperrkonto.
Beispiel: Ein Bauunternehmer verlangt 10% der Auftragssumme als Sicherheit für die Zahlung des Werklohns.
Wärmedämmverbundsystem
Ein Wärmedämmverbundsystem (WDVS) ist eine mehrschichtige Außenwanddämmung an Gebäuden, die aus Dämmplatten, Armierungsschicht und Putz besteht. Die Ausführung unterliegt speziellen technischen Regelwerken und bauaufsichtlichen Zulassungen.
Beispiel: An einem Mehrfamilienhaus werden 14 cm starke Polystyrol-Dämmplatten angebracht, mit Armierungsgewebe versehen und abschließend verputzt.
Vorläufige Vollstreckbarkeit
Die vorläufige Vollstreckbarkeit bedeutet, dass ein Urteil sofort vollstreckt werden kann, auch wenn es noch nicht rechtskräftig ist. Nach § 708 ZPO kann der Gläubiger bereits vor Rechtskraft seine Ansprüche zwangsweise durchsetzen, muss aber bei späterem Wegfall des Urteils Schadensersatz leisten.
Beispiel: Der Kläger kann trotz eingelegter Berufung des Gegners bereits jetzt den zugesprochenen Geldbetrag zwangsvollstrecken.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 648a Abs. 5 BGB a.F.: Dieser Paragraph regelte das Recht des Unternehmers zur Kündigung des Bauvertrags, wenn der Besteller die geforderte Sicherheit für die Werklohnforderung nicht leistet. Die Kündigung führt dazu, dass der Unternehmer Anspruch auf die vereinbarte Vergütung behält, jedoch unter Abzug dessen, was er infolge der Kündigung an Aufwendungen erspart hat oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Klägerin hat sich auf diesen Paragraphen berufen, um nach Kündigung des Vertrages aufgrund nicht geleisteter Sicherheit Restwerklohn zu fordern.
- § 634 BGB (Mängelrechte des Bestellers): Dieser Paragraph listet die Rechte des Bestellers bei Vorliegen eines Mangels auf, wie z.B. Nacherfüllung, Minderung, Schadensersatz oder Rücktritt vom Vertrag. Diese Rechte stehen dem Besteller zu, wenn das Werk mangelhaft ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Beklagte macht Mängel geltend, um den Werklohnanspruch der Klägerin zu mindern, indem er die zur Mängelbeseitigung notwendigen Kosten vom Werklohn abzieht.
- § 631 BGB (Werkvertrag): Dieser Paragraph definiert den Werkvertrag, bei dem sich der Unternehmer zur Herstellung eines Werkes und der Besteller zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Kern des Werkvertrags ist die Herstellung eines bestimmten Erfolgs. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Hier liegt ein Werkvertrag über die Herstellung eines Wärmedämmverbundsystems vor, aus dem die Klägerin (als Unternehmer) einen Werklohnanspruch ableitet.
- § 280 BGB (Schadensersatz wegen Pflichtverletzung): Dieser Paragraph regelt den Schadensersatzanspruch, wenn eine Vertragspartei ihre Pflichten aus dem Schuldverhältnis verletzt. Dies kann auch im Rahmen eines Werkvertrags relevant werden, beispielsweise bei Mängeln oder Verzögerungen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Mangel am Werk könnte einen Schadensersatzanspruch des Beklagten begründen, der gegen den Werklohnanspruch der Klägerin aufgerechnet werden könnte.
- § 242 BGB (Leistung nach Treu und Glauben): Dieser Paragraph fordert von den Vertragsparteien, ihre Rechte und Pflichten nach Treu und Glauben auszuüben. Er kann dazu führen, dass die Berufung auf eine formale Rechtsposition unzulässig ist, wenn sie gegen Treu und Glauben verstößt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Dieser Paragraph könnte relevant sein, falls die Kündigung der Klägerin oder die Mängelrügen des Beklagten unter Berücksichtigung der Umstände des Falles als treuwidrig anzusehen wären.
Das vorliegende Urteil
OLG Düsseldorf – Az.: I-5 U 33/23 – Urteil vom 30.11.2023
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