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Öffentliche Abwasserleitungsentfernung von einem Privatgrundstück

Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt – Az.: 4 L 204/22 – Beschluss vom 12.01.2024

Auf die Berufung des Beklagten wird das auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 2022 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg geändert. Der Beklagte wird verurteilt, die auf den Flurstücken … und … der Flur … in der Gemarkung A-Stadt verlaufende Abwasserleitung zu beseitigen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen mit Ausnahme der durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichtes Stendal entstandenen Kosten, die die Kläger als Gesamtschuldner zu tragen haben; die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens 4 L 126/21 bleiben außer Ansatz.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beteiligten können die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteiles jeweils gegen sie insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der vollstreckende Beteiligte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 50.000 Euro festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Kläger machen gegenüber dem Beklagten die Beseitigung und hilfsweise die Duldung der Beseitigung einer Abwasserleitung geltend.

Die Kläger sind Miteigentümer zur jeweils ideellen Hälfte des in der Gemarkung A-Stadt in Flur …, Flurstück … gelegenen und im Grundbuch von A-Stadt zu Blatt … eingetragenen Grundstückes. Die Klägerin zu 1. ist alleinige Eigentümerin eines weiteren hieran unmittelbar südwestlich anschließenden Grundstückes in der Gemarkung A-Stadt in Flur …, Flurstück …. Die Grundstücke liegen im Ortsteil H-Stadt der Gemeinde A-Stadt.

Die seinerzeitige Eigentümerin der noch nicht aus dem Flurstück … abgegrenzten Flurstücke … und …, die Gemeinde A-Stadt, errichtete im Jahr 1998 eine Abwasserleitung. Sie verläuft – in Fließrichtung gesehen – von der T-Straße aus über beide Flurstücke in nordwestlicher Richtung in einer Tiefe von 2,4 m bis 2,5 m, wovon das Flurstück … mit einigen Metern in seinem nördlichen Bereich betroffen ist. Der Verlauf über das Flurstück … misst rund 30 m und durchschneidet das Flurstück von Südosten nach Nordwesten ungefähr in einer nach Süden leicht versetzten Diagonalen von der Mitte der zur T-Straße gelegenen südöstlichen Seite bis kurz vor der südwestlichen Ecke des Flurstückes. Die Abwasserleitung dient – nach wie vor – der Ableitung von Schmutzwasser, das von mehreren Grundstücken stammt. Mit Wirkung zum Beginn des Jahres 2012 übertrug die Gemeinde A-Stadt ihre Aufgabe der Abwasserbeseitigung auf den Beklagten. Hierfür schlossen sie unter Beteiligung der Abwasserkontor A-Stadt GmbH am 4. November 2011 einen Beitrittsvertrag. Darin wurde dem Beklagten unter anderem das Eigentum an den Anlagen der Abwasseranlagen in den Gebieten der Ortschaften A-Stadt/H-Stadt, K-Stadt und W-Stadt nebst Verbindungsleitungen zwischen den Ortschaften und zum Klärwerk G-Stadt übertragen. Mit Vertrag vom 23. Oktober 2014 verkaufte die Gemeinde A-Stadt die nun abgegrenzten Flurstücke … und … und übertrug das Eigentum hieran an private Dritte. Die Leitungsführung wurde nicht grundbuchrechtlich gesichert. Nach ihrem Erwerb der Flurstücke im Jahr 2017 stellten die Kläger die Existenz der Abwasserleitung im Zuge der Errichtung eines Wohnhauses (T-Straße … fest, das auf dem Flurstück … und dem sich weiter anschließenden Flurstück … errichtet wurde.

Mit Schreiben vom 6. Juni 2018 forderten die Kläger den Beklagten unter Setzung einer Frist erfolglos zur Entfernung der Abwasserleitung auf.

Die Kläger haben am 20. September 2018 Klage bei dem Landgericht Stendal erhoben. Das Landgericht Stendal hat auf der Grundlage seines Beschlusses vom 13. März 2019 durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zum einen Beweis über die Behauptung des Beklagten erhoben, dass das Abwasser nur über das Grundstück der Kläger abgeleitet werden könne. Nach dem Gutachten vom 7. Juni 2019 habe der Beklagte Alternativen zur anderweitigen Abführung des Abwassers als über die Flurstücke … und …. Drei Möglichkeiten bestünden hierfür. Zum anderen hat das Landgericht mit Beschluss vom 16. Juli 2019 durch Einholung eines Ergänzungsgutachtens Beweis darüber erhoben, welche Bau- und Planungskosten die günstigere Variante für eine alternative Leitungsführung, die nicht die Inanspruchnahme privater Grundstücke erfordert, darstellt. Das Gutachten vom 12. September 2019 betrachtet von den drei Möglichkeiten nur zwei Alternativen, da im Übrigen auch private Grundstücke betroffen wären. Die Herstellung einer neuen Abwasserleitung im Straßengrund verursachte danach Bruttokosten von 66.000 Euro in der ersten Variante oder 82.000 Euro in der zweiten Variante, die sich noch um Kosten für die Anpassung der bisher bestehenden Grundstücksanschlüsse erhöhen.

Das angerufene Landgericht hat mit Beschluss vom 4. März 2020 den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Magdeburg verwiesen.

Zur Begründung ihrer Klage haben die Kläger ausgeführt, dass ihnen ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 BGB auf Beendigung der Nutzung der Grundstücke in Form der Entfernung der Abwasserleitung und der zukünftigen Unterlassung der Durchleitung von Abwässern zustehe. Es handele sich um eine nicht zu duldende Eigentumsbeeinträchtigung. Sie sei bei Errichtung des ersten Wohnhauses festgestellt worden. Die Kläger beabsichtigten grundsätzlich, das Grundstück einer weiteren Bebauung zuzuführen. Der Beklagte sei mit der Übergabe der Entwässerungseinrichtung insoweit Rechtsnachfolger der Gemeinde A-Stadt geworden und müsse sich deren Verhalten zurechnen lassen. Es sei ohne weiteres technisch möglich, die Leitungen im öffentlichen Verkehrsraum zu verlegen. Bei der zwischenzeitlichen Überbauung handele es sich nur um eine temporäre Nutzung durch eine provisorische Zwingeranlage, für die es keine Fundamente gebe.

Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 25. März 2021 beantragt, den Beklagten zu verpflichten, die auf dem Flurstück … und … der Flur … in der Gemarkung A-Stadt verlaufende Abwasserleitung zu beseitigen, hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, zu dulden, dass die Kläger die vorstehend bezeichnete Abwasserleitung auf eigene Kosten beseitigen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat eingewandt, dass das Abwasser ohne Alternative nur über das Grundstück der Kläger und das dahinterliegende Grundstück abgeführt werden könne, auf dem sich der Rest des Sammlers befinde, der Richtung Klärwerk führe. Zudem liege die Leitung 2,5 m tief, so dass sie überbaut werden könne. Die Kläger hätten den Sammler inzwischen selbst überbaut und damit ihr Beseitigungsrecht verloren. Die Leitung könne zudem durch Schutzmaßnahmen oder leichte Veränderungen des Verlaufes bei Tiefbaumaßnahmen verlegt werden. Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Die Verjährungsfrist habe mit der Verlegung des Kanales im Jahr 1998 begonnen. Der Beginn des Beseitigungsanspruches hänge nicht davon ab, dass der Grundstückseigentümer die Inanspruchnahme seines Grundstückes als Störung empfunden oder überhaupt hiervon Kenntnis gehabt habe. Zudem hat der Beklagte die Aussetzung des Verfahrens beantragt, weil er einen Antrag nach § 93 i. V. m. § 92 Satz 2 WHG gestellt habe, eine daraus folgende Duldungspflicht den Beseitigungsanspruch ausschließe und das Gericht zumindest inzident die Voraussetzungen der Duldung zu prüfen habe. Diesen Antrag hat der Beklagte beim Landkreis Jerichower Land mit Schreiben vom 5. Juli 2019 gestellt. Er lautete auf Durchführung eines verwaltungsrechtlichen Verfahrens zur Durchsetzung der Duldungspflicht über die Mitbenutzung im Hinblick auf eine Durchleitung von Abwasser durch die Flurstücke … und …. Die beantragte Trasse der Durchleitung entspricht dem Verlauf der bestehenden Abwasserleitung. Allerdings hat der Antrag auch eine Genehmigung unter der Bedingung in Bezug genommen, dass der Beklagte die Durchführung an einer anderen Stelle über das Grundstück vornehmen werde, wenn das Grundstück durch den Verlauf des Sammlers in seiner Bebaubarkeit zukünftig beeinträchtigt werde. Der Landkreis hat den Beklagten mit Schreiben vom 28. Oktober 2019 darauf hingewiesen, dass die bisher aufgeführten Bestrebungen nicht ausreichend seien und umfassender begründet werden müssten.

Mit dem auf die mündliche Verhandlung vom 25. März 2021 ergangenen und nur von zwei der drei Berufsrichter unterzeichneten Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen, da sowohl das klägerische Beseitigungs- als auch das Duldungsbegehren wegen Unzumutbarkeit ausgeschlossen sei.

Die Kläger haben am 8. Juni 2021 die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes vom 25. März 2021 beantragt. Mit Beschluss vom 12. Juli 2021 hat der Senat die Berufung gegen dieses Urteil zugelassen.

Mit Urteil vom 5. Mai 2022 hat der Senat das (Schein-)Urteil vom 25. März 2021 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht Magdeburg zurückverwiesen. Die Aufhebung und Zurückverweisung erfolgten mit Blick auf die – mangels vollständig abgefassten Urteiles – noch nicht getroffene Sachentscheidung.

Im Fortgang des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Kläger auf ihren gesamten bisherigen Vortrag Bezug genommen und in der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2022 beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, die auf dem Flurstück … und … der Flur … in der Gemarkung A-Stadt verlaufende Abwasserleitung zu beseitigen,

hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, zu dulden, dass die Kläger die vorstehend bezeichnete Abwasserleitung auf eigene Kosten beseitigen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat darauf hingewiesen, dass sich die Bindungswirkung des Urteiles vom 5. Mai 2022 nur auf die Feststellung beziehe, dass erstinstanzlich ein Scheinurteil vorliege.

Mit Schreiben vom 17. November 2022 hat der Beklagte beim Landkreis Jerichower Land einen weiteren Antrag auf Durchführung eines verwaltungsrechtlichen Verfahrens zur Durchsetzung der Duldungspflicht über die Mitbenutzung von Grundstücken nach § 93 i. V. m. § 92 Satz 2 WHG im Hinblick auf eine Durchleitung von Abwasser durch die Flurstücke … und … gestellt. Der Verlauf der nun neu geplanten Trasse, der in dem Antrag beigefügten Lageplan verzeichnet ist, weicht vom Verlauf der bestehenden Abwasserleitung ab und führt entlang der nordöstlichen und nordwestlichen Grenze des Flurstückes … zur bestehenden Trasse an deren westlichen Punkt auf dem Flurstück …. Eine Entscheidung über den Antrag steht aus.

Mit dem auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 2022 ergangenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Kläger auch unter Berücksichtigung ihres Vortrages im vorausgegangenen Berufungszulassungs- und Berufungsverfahren eine Beseitigung der streitgegenständlichen Abwasserleitung nicht mit Erfolg gegenüber dem Beklagten geltend machen könnten. Ungeachtet von Duldungsgründen stehe dem jedenfalls der Ausschlussgrund der Unzumutbarkeit entgegen. An seinen Ausführungen im Urteil vom 25. März 2021 halte das Verwaltungsgericht auch nach erneuter Prüfung fest. Die Argumentation einer fehlenden baulichen Nutzbarkeit, da gemäß der DVGW-Richtlinie W 400-1 ein Schutzstreifen von 4 m neben der Leitung einzuhalten sei, in dessen Bereich weder eine Bebauung, eine Überlagerung noch ein Auf- und Abtrag von Erdmassen erlaubt sei, trage nicht. Die DWA-Arbeitsblätter stellten keine Rechtsnormen, vielmehr freiwillige Handlungsempfehlungen für Vorhabenträger dar. Eine Rechtsverbindlichkeit ergebe sich allenfalls aus § 60 Abs. 1 Satz 2 WHG. Gleichwohl könnten sich die Kläger nicht unmittelbar zu ihren Gunsten auf die DWA-Arbeitsblätter berufen, weil sie sich nicht an private Grundstückseigentümer richteten und keinen Drittschutz entfalteten. Die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik erfolge grundsätzlich nicht im Interesse Einzelner, sondern der Allgemeinheit. Auch für den Fall der Berücksichtigung der Regelwerke bei der Zumutbarkeitsprüfung, dass vom Beklagten nicht die Duldung eines den Regeln der Technik widersprechenden Zustandes bei Bebauung durch die Kläger verlangt werden könne, verbleibe es bei der Interessenabwägung zu Lasten der Kläger. Das DVGW-Arbeitsblatt 400-1 diene ausweislich des Vorwortes als Grundlage für die Planung von Wasserverteilungsanlagen der Trinkwasserversorgung. Insbesondere für den Einbau, die Verlegung und die Prüfung von Abwasserleitungen gälten die DIN EN 1610 sowie das Arbeitsblatt DWA-A 139, das in Ziffer 8.6.4 die zu treffenden Vorkehrungen für Rohrleitungen durch, unter oder neben Bauwerken regele. Wo Rohrleitungen unter oder neben Bauwerken verlegt werden, sollten ähnliche Vorkehrungen wie bei der Verlegung durch Bauwerke einschließlich Schächten und Inspektionsöffnungen berücksichtigt werden. Dort seien Gelenkverbindungen in die Wand einzubauen oder so dicht wie möglich an der Außenwand des Bauwerkes anzuordnen, es sei denn, Rohrleitungen und Bauwerk bildeten bautechnisch eine Einheit auf festem Fundament. Vor diesem Hintergrund vermöge das Verwaltungsgericht dem Einwand des Verbotes einer Überbauung der Abwasserleitung nicht zu folgen. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichtes, das Grundstück sei baulich erheblich eingeschränkt, könne im Lichte der nach wir vor bestehenden Bebauungsmöglichkeit, die unter Berücksichtigung des maßgeblichen Arbeitsblattes DWA-A 139 lediglich in Bezug auf die Tiefe der Bebauung eingeschränkt sei, nicht mehr Grundlage der Beurteilung sein. Die Rechtsprechung, dass Versorgungsleitungen in einer Tiefe zwischen 2 m und 3 m grundsätzlich die Bebaubarkeit eines innerstädtischen Grundstückes berührten, betreffe nicht die Zumutbarkeit der Erfüllung eines Folgenbeseitigungsanspruches, sondern die Duldungspflicht gemäß § 905 Satz 2 BGB. Die Kläger treffe angesichts der Tiefenlage der Leitung zwar keine Duldungspflicht. Gleichwohl könne – wie hier – ein Folgenbeseitigungsanspruch aber ausgeschlossen sein. Die Wertminderung des klägerischen Grundstückes in Höhe von allenfalls 50.000 Euro wiege weniger schwer als der Aufwand des Beklagten für die Neuverlegung der Leitung in Höhe von 82.000 Euro. Entsprechendes gelte auch, wenn sich der Gesamtwert des Grundstückes ausgehend von einem Bodenrichtwert von 75 Euro/m2 auf zirka 70.000 Euro belaufe, weil angesichts der lediglich partiellen Einschränkung der Bebauungsmöglichkeit keinesfalls der Wert des gesamten Grundstückes einzustellen sei. Selbst bei einer wertmäßigen Beeinträchtigung von 70.000 Euro verbleibe es bei der (im Verhältnis) geringeren Beeinträchtigung der klägerischen Interessen bei einem Überwiegen der Interessen des Beklagten. Neben der lediglich beeinträchtigten Bebaubarkeit sei auch maßgebend zu Lasten der Kläger zu berücksichtigen, dass ihnen eine Geltendmachung der aus der anhaltenden Nutzung ihrer Grundstücke zum Zweck der Abwasserbeseitigung resultierenden Wertminderung gegenüber dem Beklagten unbenommen bleibe. Ferner folge das Verwaltungsgericht zwar der Auffassung, dass ein Folgenbeseitigungsanspruch auch dann nicht ausscheide, wenn der Wert der in Anspruch genommenen Fläche weitaus geringer als die Kosten der Folgenbeseitigung sei. Gleichwohl sei hier nicht der Wert des gesamten Grundstückes in die Bewertung einzustellen. Das Verwaltungsgericht halte unter wertender Gewichtung die Bildung eines Mittelwertes zwischen dem Wert des gesamten Grundstückes und der betroffenen Grundstücksfläche für sachgerecht. Zur Bildung dieses Mittelwertes hat das Verwaltungsgericht das Produkt aus der Länge der Leitung (30 m) und einer Breite (2 m) sowie dem Bodenrichtwert (75 Euro/m2) von insgesamt 4.500 Euro von einem Grundstückswert von 70.000 Euro abgezogen und den Differenzbetrag von 65.500 Euro auf einen Mittelwert von 32.750 Euro halbiert. Aber selbst bei Berücksichtigung des Gesamtwertes – so das Verwaltungsgericht weiter – rechtfertigten die Belastungen des Beklagten die Annahme einer Unzumutbarkeit der Beseitigung. An seinen Ausführungen im Urteil vom 25. März 2021 zum jeweils zu berücksichtigenden Maß des Verschuldens halte das Verwaltungsgericht ebenfalls fest. Der Einwand eines nicht oder verspätet eingeleiteten Verfahrens nach § 93 WHG greife nicht. Auch der Beklagte habe sich auf den öffentlichen Glauben des Grundbuches verlassen können und die Antragstellung vom 5. Juli 2019 nach Erhebung der Klage am 20. September 2018 sei nicht verspätet erfolgt. Weiterhin habe auch der hilfsweise gestellte Antrag keinen Erfolg. Dem Duldungsanspruch stehe ebenfalls entgegen, dass die (Duldung der) Wiederherstellung des früheren Zustandes für den Beklagten unzumutbar sei.

Mit Beschluss vom 28. März 2023 hat der Senat auf Antrag der Kläger die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes vom 23. November 2022 zugelassen.

Zur Begründung ihrer Berufung beziehen sich die Kläger insbesondere auf die Begründung ihres Zulassungsantrages. Die als Baugrundstücke erworbenen und grundsätzlich im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB bebaubaren Grundstücke seien nur wegen der Einbringung der hier streitgegenständlichen Leitung nicht bebaut worden. Sie seien tatsächlich baulich nicht mehr nutzbar, weil aufgrund der gesetzlichen Vorschriften bzw. der Richtlinien ein Überbau von Rohrleitungen oder im Bereich von einzuhaltenden Schutzstreifen neben Bebauungen eine Überlagerung von Auf- und Abtrag von Erdmassen sowie Bepflanzung unzulässig seien. Gerade wegen der Tiefe der Leitungen von 2,5 m müsse sichergestellt sein, dass auch mit Baggern und Ähnlichem das Erdreich notfalls abgetragen werden könne, um etwaige Arbeiten an der Leitung durchzuführen. Die DVGB-Richtlinie W400-1 hätte das Verwaltungsgericht berücksichtigen müssen. Die Frage der Verhältnismäßigkeit sei im Rahmen der Zumutbarkeit dahingehend zu beantworten, dass es den Klägern gerade nicht zugemutet werden könne, die Eigentumsbeeinträchtigung dauerhaft zu dulden. Unzulässig sei eine Gegenüberstellung der wechselseitigen Aufwände, um so faktisch den höheren Aufwand als entscheidendes Kriterium anzunehmen – hier den Aufwand für die Neuverlegung gegenüber den ersparten Kosten für die Entfernung der auf dem Grundstück befindlichen Leitung von nur 2.000 Euro zu 80.000 Euro. Auch wenn der Wert der in Anspruch genommenen Fläche nicht die Kosten der Folgenbeseitigung aufwiege, könne dies für sich gesehen nicht zur Folge haben, dass die Folgenbeseitigung für den Beklagten unzumutbar werde, da der Quadratmeterpreis einer rechtswidrig in Anspruch genommenen Fläche kaum jemals den Kosten der Beseitigung und Verlegung der darauf errichteten baulichen Anlagen entspreche. Dies gelte umso mehr, als mit der Abwasserleitung und der Schutzstreifenregelung eine tatsächliche Wertaufhebung des Grundstückes als Baugrundstück zu besorgen sei.

Die Kläger beantragen, das Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg vom 23. November 2022 zum Aktenzeichen 9 A 179/22 MD abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, die auf dem Flurstück … und … der Flur … in der Gemarkung A-Stadt verlaufende Abwasserleitung zu beseitigen, hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, es zu dulden, dass die Kläger die vorstehend bezeichnete Abwasserleitung auf eigene Kosten beseitigen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er wendet ein, dass es in Bezug auf die Zumutbarkeit auch auf das zeitliche Moment ankomme. Die Kläger hätten den Kanal wissentlich mit Stellfläche überbaut und damit manifestiert, dass sie den Bereich auf Dauer der Überbauung mit einem Gebäude entzogen haben. Die Forderung nach Beseitigung des Sammlers sei hiernach rechtsmissbräuchlich. Darüber hinaus würde der Sammler durch die Abstandsflächen der beiden Gebäude verlaufen. Wenn überhaupt bestehe nur ein Beseitigungsanspruch für einen konkreten Verlauf. Eine nicht störende Verlegung in den nördlichen Bereich komme in Betracht. Der Beklagte beantragt die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über das von ihm beim Landkreis Jerichower Land beantragte Duldungsrecht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird neben dem Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens auf den Inhalt der Akten der weiteren Verfahren vor dem Landgericht Stendal (23 O 254/18), vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg (9 A 114/20 MD) und vor dem Senat (4 L 126/21) sowie auf den Verwaltungsvorgang des Landkreises Jerichower Land (2019-71410) Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Für das Ergebnis der durch das Landgericht Stendal durchgeführten Beweisaufnahme wird auf das Sachverständigengutachten (Nr. 46/2019) vom 7. Juni 2019 und das ergänzende Sachverständigengutachten (Nr. 46/2019 [1]) vom 12. September 2019 Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die zulässige Berufung der Kläger durch Beschluss gemäß § 130a Satz 1 VwGO, weil er sie einstimmig für begründet und bei geklärtem Sachverhalt eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Das Verfahren wirft weder in rechtlicher Hinsicht besondere Schwierigkeiten auf noch bestehen erhebliche Unklarheiten in tatsächlicher Hinsicht. Die Sach- und Rechtslage wurde bereits in zwei mündlichen Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht sowie in einer mündlichen Verhandlung vor dem beschließenden Senat erörtert. Die Beteiligten sind hierzu gemäß § 130a Satz 2 i. V. m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO angehört worden. Die Kläger haben ohne neuen Sachvortrag einer Entscheidung nach § 130a VwGO zugestimmt. Der Beklagte hat sich nicht geäußert.

Die zulässige Berufung ist begründet. Der Senat hat gemäß § 17a Abs. 5 GVG aufgrund des Verweisungsbeschlusses des Landgerichtes Stendal nicht zu prüfen, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Die im Übrigen in zulässiger Weise erhobene Klage, die nach dem Klageziel der Beseitigung der rechtswidrigen Folgen eines schlicht-hoheitlichen Handelns trotz des als Verpflichtung formulierten Antrages als allgemeine Leistungsklage anzusehen und statthaft ist, ist in ihrem Hauptantrag begründet.

Die Kläger haben gegen den Beklagten einen Anspruch auf Beseitigung der Abwasserleitung, die über die in der Gemarkung A-Stadt in Flur … gelegenen Flurstücke … und … verläuft. Gemessen an der heranzuziehenden Rechtsgrundlage eines öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruches (1.) liegen dessen tatbestandlichen Entstehungsvoraussetzungen vor (2.). Weder rechtsvernichtende (3.) noch rechtshindernde (4.) Einwendungen stehen einer Geltendmachung des Anspruches entgegen, der auf seiner Rechtsfolgenseite die Beseitigung der Abwasserleitung umfasst (5.)

1. Rechtsgrundlage für den von den Klägern geltend gemachten Beseitigungsanspruch ist der – gewohnheitsrechtlich anerkannte – öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch.

Dieser Anspruch findet seine Grundlage in den Grundrechten und dem rechtsstaatlichen Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Juli 2015 – 6 C 35.14 -, juris, Rn. 8, vom 29. Juni 2022 – 6 C 11.20 -, juris, Rn. 16 und vom 12. Januar 2023 – 2 C 22.21 -, juris, Rn. 16). Als verschuldensunabhängiger Anspruch ist er unter den Voraussetzungen grundsätzlich gegeben, dass ein hoheitlicher Eingriff in Gestalt öffentlich-rechtlichen Verwaltungshandelns vorliegt, der eine subjektive Rechtsposition des Betroffenen aus einfachgesetzlichen Vorschriften oder Grundrechten unmittelbar verletzt, und dass für den Betroffenen dadurch ein rechtswidriger Zustand geschaffen worden ist, der andauert (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Juli 1984 – 3 C 81.82 -, juris, Rn. 25 ff., vom 26. August 1993 – 4 C 24.91 -, juris, Rn. 24 und vom 12. Januar 2023 – 2 C 22.21 -, juris, Rn. 16). Der Anspruch ist grundsätzlich auf die Beseitigung dieses rechtswidrigen Zustandes und auf Wiederherstellung des früheren Zustandes, der im Zeitpunkt des Eingriffes bestanden hat, gerichtet, ohne zu einem darüberhinausgehenden Erfolg führen zu können (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Dezember 2000 – 2 C 39.99 -, juris, Rn. 19 und vom 12. Januar 2023 – 2 C 22.21 -, juris, Rn. 16).

2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Entstehung eines Anspruches auf Folgenbeseitigung sind erfüllt. In Ansehung des Eigentumsrechtes der Kläger (a) liegt ein hoheitlicher Eingriff vor, den sich der Beklagte als Anspruchsgegner einer Folgenbeseitigung zurechnen lassen muss (b) und der zu einem rechtswidrigen Zustand geführt hat, der im vorliegenden Entscheidungszeitpunkt andauert (c).

a) Der Eingriff erfolgt in das durch Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 18 Abs. 1 LVerf geschützte Eigentumsrecht der Kläger.

Eigentümer des Flurstückes … sind die Kläger. Eigentümerin des Flurstückes … ist die Klägerin zu 1. Das Eigentum ist auf sie jeweils im Jahr 2017 übertragen worden.

Die von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Nutzbarkeit des Grundstückes wird durch den Verlauf der fremden Abwasserleitung auf den Flurstücken … und … und deren fremde Nutzung in Form der Ableitung von Abwasser durch die Leitung eingeschränkt.

Denn Eigentümer dieser Abwasserleitung sind nicht die Kläger. Das Eigentum daran kommt dem Beklagten zu.

Das Eigentumsrecht am Grundstück erstreckte sich im Zeitpunkt der Errichtung der Abwasserleitung durch die Gemeinde A-Stadt zunächst gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 BGB auch auf die Abwasserleitung als wesentlichen Bestandteil des Grundstückes. Denn zu diesem Zeitpunkt waren die Voraussetzungen eines sogenannten Scheinbestandteiles nicht gegeben, die gemäß § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB nur vorliegen, wenn Dritte in Ausübung eines Rechtes am Grundstück ein Werk errichten. Werden – wie hier – Leitungen auf einem eigenen Grundstück errichtet, handelt es sich – selbst bei Wahrnehmung einer anderen hoheitlichen Aufgabe – gerade nicht um Scheinbestandteile (vgl. VGH Bayern, Urteil vom 29. November 2013 – 4 B 13.1166 -, juris, Rn. 27 f.).

Allerdings ist es noch vor Übertragung des Eigentums an den Grundstücken durch die Gemeinde A-Stadt im Jahr 2014 an private Dritte zu einer rechtlichen Verselbständigung des Eigentums an der Abwasserleitung gekommen. Die sachenrechtliche Umwandlung von einem ehemals wesentlichen Bestandteil zu einer selbständigen Sache ist bei Versorgungsleitungen durch eine Übereignung entsprechend § 929 Satz 2 BGB möglich (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2005 – V ZR 35/05 -, juris, Rn. 17). Zu einer solchen Eigentumsübertragung auf den Beklagten ist es gekommen, so dass es jedenfalls seitdem vom Eigentum am Grundstück im Sinne des § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB zu unterscheiden ist. Die dafür notwendige dingliche Einigung zwischen der Gemeinde A-Stadt und dem Beklagten liegt mit § 1 Nr. 1 Satz 3 des Beitrittsvertrages vom 4. November 2011 vor. Danach übertrugen die Einheitsgemeinde A-Stadt und die Abwasserkontor A-Stadt GmbH dem Beklagten die Anlagen zu Eigentum, die gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des Beitrittsvertrages die Abwasseranlagen in den Gebieten der Ortschaften A-Stadt/H-Stadt, K-Stadt und W-Stadt nebst Verbindungsleitungen zwischen den Ortschaften und zum Klärwerk G. umfassten. Die hier gegenständliche Abwasserleitung ist Bestandteil der Anlage im Bereich A-Stadt/H-Stadt.

Die bauliche Nutzbarkeit des Grundstückes wird durch den Verlauf der Abwasserleitung im Boden in einer in Ansehung des Eigentums am Grundstück rechtserheblichen Weise eingeschränkt.

Dies ist trotz der Tiefe ihres Verlaufes im Erdboden rund 2,4 m bzw. 2,5 m unter der Erdoberfläche der Fall. Dem steht vorliegend nicht die gleichermaßen im öffentlichen Recht anzuwendende (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 – 9 A 30.10 -, juris, Rn. 14) Vorschrift des § 905 Satz 2 BGB entgegen, die allgemein die Rechtsbeziehungen des Grundstückseigentümers zum Erdkörper regelt. Nach dieser Vorschrift kann der Eigentümer Einwirkungen nicht verbieten, die in solcher Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, dass er an der Ausschließung kein Interesse hat. Das Verbietungsinteresse der Kläger ist hier jedoch als schutzwürdig anzusehen. Versorgungsleitungen in einer Tiefe zwischen 2 m und 3 m berühren grundsätzlich die bauliche Nutzbarkeit eines innerstädtischen Grundstückes (vgl. VGH Bayern, Urteile vom 26. Februar 2007 – 4 ZB 06.1905 -, juris, Rn. 16 und vom 5. Oktober 2009 – 4 ZB 05.570 -, juris, Rn. 10 unter Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 1. Februar 1994 – VI ZR 229/92 -, juris, Rn. 22). In diesem Tiefenbereich verläuft die Abwasserleitung. Die Flurstücke … und … sind auch im Ortsteil H-Stadt der Gemeinde A-Stadt und damit im Innenbereich des Ortes gelegen.

Die Schutzwürdigkeit entfällt auch nicht durch den Einwand des Beklagten einer zwischenzeitlich durchgeführten Bebauung des Flurstückes …, die sich auf den Bereich der Erdoberfläche beschränkt. Die Kläger haben hier auf eine Zwischennutzung durch einen Hundezwinger ohne Fundament verwiesen und der Beklagte hat darüber hinaus auf eine Versiegelung der Flächen zur Nutzung als Stellplatz Bezug genommen. Für das Nutzungsinteresse durch Bebauung kommt es hingegen schon nicht allein auf den gegenwärtigen Zeitpunkt an. Vielmehr genügt das Interesse an einer künftigen Bebauung, um ein schutzwürdiges Verbietungsinteresse zu begründen. Denn für die Beurteilung des Verbietungsinteresses anhand der Hinderlichkeit ist nicht nur die gegenwärtige Grundstücksnutzung maßgebend, sondern zu berücksichtigen sind vielmehr auch solche Umstände, die erst in der Zukunft Hindernisse einer Bebauung besorgen lassen (vgl. VGH Bayern, Urteil vom 5. Oktober 2009 – 4 ZB 05.570 -, juris, Rn. 10 unter Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 23. Oktober 1980 – III ZR 146/78 -, juris, Rn. 24 sowie Beschluss vom 5. Oktober 2005 – 4 ZB 05.740 -, juris, Rn. 10 unter Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 1. Februar 1994 – VI ZR 229/92 -, juris, Rn. 22 dort m. w. N.; vgl. bereits RG, Urteil vom 29. Oktober 1904 – V 165/04 -, juris). Die Kläger haben in ihrer Klageschrift vom 19. September 2019 ihre Planung zum Ausdruck gebracht, nach der Errichtung des ersten Wohnhauses in der T-Straße ein weiteres Wohnhaus mit Anschrift in der T-Straße zu errichten. Mit Schriftsatz vom 8. März 2021 haben sie ihre grundsätzliche Absicht dahingehend konkretisiert, das Grundstück einer Bebauung zuzuführen oder über eine Veräußerung als Bauland zu entscheiden. Danach liegt nach wie vor das Interesse an einer künftigen baulichen Nutzung mit einem Wohngebäude vor.

b) Der Eingriff in das Eigentumsrecht der Kläger ist dem Beklagten zuzurechnen.

Passivlegitimierter Schuldner eines Folgenbeseitigungsanspruches ist die im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt für die öffentliche Aufgabe zuständige Stelle. Anzuknüpfen ist nicht an die vormalige, sondern die aktuelle kompetenzielle Verantwortlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. September 1984 – 4 C 51.80 -, juris, Rn. 15; OVG Sachsen, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 1 A 360/11 -, juris, Rn. 14; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 9. Oktober 2014 – 7 LA 70/13 -, juris, Rn. 3), weil Anknüpfungspunkt des Folgenbeseitigungsanspruches ein zu beseitigender anhaltender rechtswidriger Zustand ist und – ungeachtet der Tragung der Kosten – die Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes nur dem Hoheitsträger rechtlich möglich ist, der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im Rahmen seiner Zuständigkeit zur Vornahme der entsprechenden Maßnahmen befugt ist.

Gemessen hieran ist verantwortlicher Anspruchsgegner der Beklagte. Ihm kommt seit dem 1. Januar 2012 infolge des Beitrittes der Gemeinde A-Stadt zum Beklagten die Aufgabe der Abwasserbeseitigung auch im Gebiet dieser Gemeinde, in dem die Grundstücke der Kläger gelegen sind, gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 GKG-LSA zu. Zu seinen öffentlichen Abwasseranlagen gehören nach § 2 Buchst. a, i und k der Abwasserbeseitigungssatzung vom 11. Juli 2012 in der Fassung der 1. Änderung vom 1. März 2023 insbesondere das gesamte öffentliche Kanalnetz, bestehend unter anderem aus Kanälen für Schmutzwasser, den von ihm unterhaltenen Gräben und sonstigen Einrichtungen, soweit sie zur Ableitung der Abwässer aus den angeschlossenen Grundstücken dienen, sowie Anlagen und Einrichtungen, die nicht von ihm selbst, sondern von Dritten hergestellt und zu unterhalten sind, wenn er sich dieser Anlagen und Einrichtungen zur Ableitung der Abwässer bedient. Davon umfasst ist auch die streitgegenständliche Abwasserleitung auf dem Grundstück der Kläger.

c) Der hoheitliche Eingriff in das Eigentumsrecht hat zu einem andauernden rechtwidrigen Zustand geführt.

Anknüpfungspunkt für den Eingriff in das Eigentumsrecht ist eine hoheitliche Maßnahme. Die Verlegung der Abwasserleitung erfolgte in Wahrnehmung der seinerzeit noch bei der Gemeinde A-Stadt liegenden Aufgabe zur öffentlichen Beseitigung von Abwasser.

aa) Die Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme folgt zwar nicht unmittelbar aus der Verlegung der Abwasserleitung durch die Gemeinde A-Stadt und aus der Aufnahme der Nutzung zur Abwasserableitung im Jahr 1998. Denn bei Einverständnis des Grundstückseigentümers mit der Verlegung eines Kanales über sein Grundstück ist die Schaffung eines rechtswidrigen Zustandes ausgeschlossen (vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 15. Dezember 2006 – 9 LA 194/05 -, juris, Rn. 4). So ist es hier zunächst gewesen. Zum damaligen Zeitpunkt war Grundstückseigentümerin die Gemeinde A-Stadt, die als seinerzeit für die Abwasserbeseitigung zuständige Stelle die selbst ergriffenen Maßnahmen offensichtlich konsentierte.

bb) Der ursprünglich rechtmäßige Eingriff ist jedoch durch die Änderung der Eigentumsverhältnisse am Grundstück rechtswidrig geworden. Das Umschlagen einer ursprünglich rechtmäßigen Maßnahme in einen rechtswidrigen Zustand ist für die Annahme eines hoheitlichen rechtswidrigen Eingriffes im Sinne der Voraussetzung eines Folgenbeseitigungsanspruches ausreichend, weil nicht die Rechtswidrigkeit des Zustandes im Zeitpunkt des Eingriffes, sondern im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebend ist (vgl. Riese, in: Schoch/Schneider, VwGO, § 113 Rn. 91 <Juni 2017>; Wolff in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 113 Rn. 215). Denn der Folgenbeseitigungsanspruch ist auf die Beseitigung andauernder rechtswidriger Zustände gerichtet. Die Maßnahmen der Übertragung des Eigentums an der Abwasserleitung einerseits und der Übertragung des Grundstückseigentums ohne Zurückbehalt eines Leitungsrechtes andererseits haben zu einem anhaltenden rechtswidrigen Zustand geführt.

cc) Die Rechtswidrigkeit des Eingriffes entfällt nicht dadurch, dass die Kläger zur Duldung der fremden Abwasserleitung und ihrer Nutzung durch den Beklagten verpflichtet sind. Ein Leitungsrecht zu Lasten der Kläger oder der Grundstücke, das entsprechend § 1004 Abs. 2 BGB die Kläger zu einer Duldung verpflichten könnte, besteht im vorliegenden Entscheidungszeitpunkt weder in privatrechtlicher noch in öffentlich-rechtlicher Hinsicht. Auf eine Gestattung seitens der vor den Klägern eingetragenen privaten Grundstückseigentümer kommt es dabei von vornherein nicht entscheidungserheblich an. Denn fehlt es – wie hier – an einer dinglichen Belastung des Grundstückes, werden durch eine Gestattung nur persönliche Eigentumsabwehransprüche des Gestattenden ausgeschlossen, nicht jedoch öffentlich-rechtliche Beseitigungsansprüche des jeweiligen (Einzel-) Rechtsnachfolgers (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1985 – 4 C 46.82 -, juris, Rn. 13 unter Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 19. Dezember 1975 – V ZR 38/74 -, juris, Rn. 13).

dd) Es sind auch weder dingliche Leitungsrechte im Grundbuch nicht eingetragen, noch besteht eine schuldrechtliche Vereinbarung über Duldungspflichten der Kläger.

ee) Es besteht schließlich auch keine gesetzliche Duldungspflicht der Kläger.

(1) Eine Duldung der auch im öffentlichen Recht für die Ableitung von Abwasser grundsätzlich anwendbaren (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Juli 2009 – 4 L 66/09 -, juris, Rn. 6) Vorschriften über das Notwegerecht gemäß § 917 und § 918 Abs. 2 BGB scheidet jedenfalls aus, weil ein Fall des § 918 Abs. 1 BGB gegeben ist.

Nach dieser Vorschrift tritt die Verpflichtung zur Duldung des Notweges nicht ein, wenn die bisherige Verbindung des Grundstückes mit dem öffentlichen Weg durch eine willkürliche Handlung des Eigentümers aufgehoben wird. Willkürlich handelt, wer sich bei Vornahme oder Duldung von Maßnahmen einen vorhandenen Weg abschneidet, ohne sich eine andere entsprechende Verbindung zu verschaffen, wobei die Handlungen auch den Nachfolgern im Eigentum schaden (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 1974 – V ZR 69/73 -, juris, Rn. 21).

Der Beklagte hat sich im Zuge der Übertragung des Eigentums an den Abwasseranlagen mit dem Beitrittsvertrag nicht zugleich ein Wegerecht über die Grundstücke der Gemeinde A-Stadt auch für den Fall vorsehen und dinglich sichern lassen, dass die Grundstücke veräußert werden. Mit dieser Vertragsgestaltung ohne Vorkehrungen für den Veräußerungsfall hat der Beklagte jedoch im o.g. Sinne willkürlich eine Sicherung des Leitungsrechtes unterlassen und sich dieser Möglichkeit mit der späteren Veräußerung auch tatsächlich begeben.

(2) Die Kläger trifft im vorliegenden Entscheidungszeitpunkt auch keine Duldungspflicht auf der Grundlage von § 93 Satz 1 WHG.

Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde auf Antrag des Berechtigten Eigentümer und Nutzungsberechtigte von Grundstücken und oberirdischen Gewässern verpflichten, das Durchleiten von Wasser und Abwasser sowie die Errichtung und Unterhaltung der dazu dienenden Anlagen zu dulden, soweit dies zur Entwässerung oder Bewässerung von Grundstücken, zur Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung, zum Betrieb einer Stauanlage oder zum Schutz vor oder Ausgleich von Beeinträchtigungen des Natur- oder Wasserhaushaltes durch Wassermangel erforderlich ist.

Eine Entscheidung in den vom Beklagten beantragten Verfahren über eine Duldung der Durchleitung von Abwasser sowie der Unterhaltung der dazu dienenden Anlagen gemäß § 93 WHG ist (bisher) nicht ergangen. Da die Duldungspflicht von einer behördlichen Einzelfallentscheidung in einem hier nicht gegenständlichen Verfahren abhängt, reicht entgegen dem Einwand des Beklagten das etwaige Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 93 Satz 1 WHG nicht aus, um eine Duldungspflicht im vorliegenden Entscheidungszeitpunkt annehmen zu können. Denn dadurch würde der gesetzlich der Behörde überantwortete Ermessensspielraum durch die vorliegende Entscheidung übergangen, für den § 114 Satz 1 VwGO nur eine beschränkte Prüfungskompetenz des Gerichtes in einem gesonderten Verfahren begründet.

Eine Aussetzung des Berufungsverfahrens im Hinblick auf die beiden behördlichen Verfahren entsprechend § 94 VwGO, wie sie der Beklagte beantragt, ist ermessensgerecht nicht auszusprechen, sondern in der Sache zu entscheiden. Denn aus den beigezogenen Verfahrensunterlagen ist nicht ersichtlich, dass es zeitnah zu einer vorgreiflichen Entscheidung kommen wird. Vielmehr teilte der Landkreis Jerichower Land dem Beklagten auf dessen Antrag vom 5. Juli 2019 mit, dass die bisher aufgeführten Bestrebungen nicht ausreichend genug seien und umfassender begründet werden müssten. Eine Nachbesserung des Antrages ist trotz Zeitablaufes nicht festzustellen. Das Verfahren auf den stattdessen gestellten neuen Antrag des Beklagten vom 17. November 2022 betrifft schon nicht die Frage nach einer Duldung der hier gegenständlichen Abwasserleitung und ist dafür nicht vorgreiflich. Denn dieser Antrag hat die Duldung eines völlig neuen Verlaufes einer anderen, erst anstelle des bestehenden Kanales neu zu errichtenden Abwasserleitung zum Gegenstand, die sich an der Grenze des Flurstückes … orientieren soll.

(3) Eine gesetzliche Duldungspflicht besteht schließlich auch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 AVBWasserV nicht, der für Zwecke der örtlichen Versorgung die Pflicht zur unentgeltlichen Zulassung des Anbringens und Verlegens von Leitungen einschließlich Zubehör zur Zu- und Fortleitung von Wasser über im gleichen Versorgungsgebiet liegende Grundstücke sowie erforderliche Schutzmaßnahmen begründet. Diese Pflicht gilt für die öffentliche Wasserversorgung, nicht im Bereich der Abwasserentsorgung.

3. Rechtsvernichtende Ausschlussgründe bringen den Anspruch der Kläger auf Folgenbeseitigung nicht zu Fall.

Ein Anspruch auf Folgenbeseitigung entfällt insbesondere, wenn die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes für den verpflichteten Rechtsträger unzumutbar ist. Dies ist dann der Fall, wenn damit ein unverhältnismäßig hoher Aufwand verbunden ist, der zu dem erreichbaren Erfolg bei allem Respekt für das Verlangen nach rechtmäßigen Zuständen in keinem vernünftigen Verhältnis mehr steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. August 1993 – 4 C 24.91 -, juris, Rn. 59 und Beschluss vom 12. Juli 2004 – 7 B 86.04 -, juris, Rn. 7). Durch das sehr allgemein gehaltene Zumutbarkeitskriterium kann ein an sich gegebener Anspruch auf Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes aber nur ausnahmsweise ausgeschlossen werden, so dass ein strenger Maßstab mit hohen Anforderungen anzulegen ist (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13. Mai 2019 – 2 L 10/17 -, juris, Rn. 32; VGH Bayern, Beschluss vom 11. November 2022 – 8 ZB 22.1469 -, juris, Rn. 33). Denn faktische Macht darf sich gegenüber dem Bürger nicht deshalb durchsetzen, weil sie vollzogen wurde, sondern weil sie von der Rechtsordnung hierzu legitimiert ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2017 – 9 B 65.16 -, juris, Rn. 9). So muss vermieden werden, dass der Folgenbeseitigungsanspruch als wirksames Sanktionsrecht gegen Eigentumsverletzungen relativiert wird. Es kann daher nicht um eine allgemeine Vorteils- und Nachteilsabwägung gehen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. April 2017 – 1 A 10865/16 -, juris, Rn. 33). Deswegen reicht eine bloße Prüfung, ob die Interessen des Beklagten die Interessen der Kläger überwiegen, nicht aus.

Ein unverhältnismäßig hoher Aufwand kann auch ein unverhältnismäßig hoher finanzieller Aufwand sein, weil technische Schwierigkeiten bei der Folgenbeseitigung nicht erforderlich sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 2004 – 7 B 86.04 -, juris, Rn. 7). Als Maßstab der Unzumutbarkeit kann der Rechtsgedanke unverhältnismäßiger Aufwendungen im Sinne des § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (vgl. BVerwG, Urteile vom 14. April 1989 – 4 C 34.88 -, juris, Rn. 21 und vom 26. August 1993 – 4 C 24.91 -, juris, Rn. 59; vgl. auch BGH, Urteil vom 21. Juni 1974 – V ZR 164/72 -, juris, Rn. 5) herangezogen werden, der nun in der Vorschrift des § 275 Abs. 2 BGB verankert ist (vgl. VGH Bayern, Urteil vom 26. April 2022 – 8 B 20.1655 -, juris, Rn. 110; BGH, Urteil vom 30. Mai 2008 – V ZR 184/07 -, juris, Rn. 17; vgl. auch BTDrucks 14/6040, S. 130) und auch für Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung Anwendung findet (vgl. BGH, Urteile vom 30. Mai 2008 – V ZR 184/07 -, juris, Rn. 17, vom 23. Oktober 2009 – V ZR 141/08 -, juris, Rn. 14 und vom 21. Mai 2010 – V ZR 244/09 -, juris, Rn. 9).

Im vorliegenden Fall geht es allein um die wirtschaftliche Zumutbarkeit einer Folgenbeseitigung. Denn nach dem in erster Instanz eingeholten Sachverständigengutachten vom 7. Juni 2019 (Nr. 46/2019) stehen dem Beklagten entgegen seinem Einwand mehrere alternative Möglichkeiten zur anderweitigen Abführung des Abwassers als über die Flurstücke … und … offen. Der Sachverständige zeigt hierzu konkret drei Alternativen auf, von denen zwei in der Verlegung über öffentliche Flächen im Straßengrund bestehen. Danach ist eine andere Leitungsverlegung tatsächlich möglich.

Im Hinblick auf die wirtschaftliche Zumutbarkeit ist mit dem Sachverständigengutachten vom 12. September 2019 (Nr. 46/2019 [1]) davon auszugehen, dass in den zwei von den drei alternativen Möglichkeiten, bei denen private Grundstücke von der Verlegung der Abwasserleitung nicht betroffen wären, die Herstellung einer neuen Abwasserleitung im Straßengrund Bruttokosten von 66.000 Euro in der ersten Variante und 82.000 Euro in der zweiten Variante verursachen, die sich noch um Kosten für die Anpassung der bisher bestehenden Grundstücksanschlüsse erhöhen. Der Unterschied in den beiden Varianten besteht allein in der Länge der Kanalführung, indem unterschiedliche Anschlüsse im nördlichen Bereich gewählt werden können. Der Sachverständige hat allerdings eine Empfehlung zugunsten der längeren Kanalführung ausgesprochen, weil mit ihr die kürzeste Fließzeit des Abwassers – ohne Standzeiten in den Pumpwerken – verbunden ist und so Energiekosten an den Pumpwerken reduziert werden können.

Demgegenüber haben die Kläger ihr wirtschaftliches Interesse mit einem Wertverlust des Grundstückes in Höhe von 50.000 Euro angegeben, der durch den Verlauf der Abwasserleitung ausgelöst wird. Anlass zu einer weitergehenden Sachverhaltsermittlung hierzu gibt der Vortrag der Beteiligten gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO nicht. Konkrete Einwände hat der Beklagte nicht vorgetragen. Das Verwaltungsgericht hat seiner Entscheidung ebenfalls diese Wertminderung zugrunde gelegt, ohne dass die Beteiligten dies im Berufungsverfahren eingehender aufgegriffen haben. Die alternative Mittelwertberechnung, die das Verwaltungsgericht erörtert hat und die allein auf den Wertanteil der konkret vom Verlauf der Abwasserleitung betroffenen Teilflächen des Grundstückes an seinem Gesamtwert abstellt, ist zudem in der Sache nicht angezeigt. Denn die Auswirkungen auf die bauliche Nutzbarkeit des Grundstückes gehen offensichtlich über diesen Flächenanteil hinaus und haben Einfluss auf den Wert des Grundstückes – gerade als Bauland – insgesamt, weil hier schon ein Verlauf der Abwasserleitung fast diagonal durch das Flurstück … und nicht entlang seines Grenzbereiches in Rede steht.

Aus dem Verhältnis zwischen einem Wertverlust von 50.000 Euro einerseits und einem Aufwand von über 66.000 Euro bzw. 82.000 Euro andererseits ist nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalles kein solch grobes Missverhältnis festzustellen, das zur Annahme eines Leistungsverweigerungsrechtes des Beklagten entsprechend § 275 Abs. 2 BGB führt. Vielmehr steht das Verlangen der Kläger nach einem rechtmäßigen Zustand in der Gesamtschau in einem vernünftigen Verhältnis zum damit für den Beklagten verbundenen Aufwand.

a) Bei rechnerischer Betrachtung ist bereits kein grobes Missverhältnis gegeben. Zwar übersteigen die Aufwendungen die damit verbundene Behebung des zurzeit bestehenden Wertverlustes um 32 Prozent bzw. 64 Prozent. Ein „grobes“ oder „krasses“ Missverhältnis (vgl. dazu BGH, Urteil vom 21. April 2010 – VIII ZR 131/09 -, juris, Rn. 25) wird damit jedoch nicht indiziert. Selbst wenn der Wert der in Anspruch genommenen Flächen weitaus geringer ist als die durch die Folgenbeseitigung entstehenden Kosten, hat dies nicht zur Folge, dass die Folgenbeseitigung unzumutbar ist. Denn käme es auf den Verkehrswert der in Anspruch genommenen Fläche an, würde regelmäßig – so auch hier – ein Folgenbeseitigungsanspruch scheitern. Nur im Ausnahmefall dürfte der Quadratmeterpreis einer rechtswidrig in Anspruch genommenen Fläche den Kosten entsprechen, die durch die Beseitigung und Verlegung einer darauf errichteten baulichen Anlage entstehen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. April 2017 – 1 A 10865/16 -, juris, Rn. 34). Der Anspruch auf Beseitigung der Eigentumsstörung als „Regelfall“ würde damit praktisch „leerlaufen“. Wo genau die rechnerische Grenze der Unzumutbarkeit im vorliegenden Fall läge, bedarf hier keiner Entscheidung. Der von dem Sachverständigen angegebene Aufwand von über 66.000 Euro bzw. 82.000 Euro stellt zwar einen erheblichen Betrag dar, steht aber jedenfalls nicht völlig außer Verhältnis an dem Interesse der Kläger an der (baulichen) Nutzung ihres Grundstücks.

Im Übrigen würden auch die in die Abwägung einzustellenden weiteren Gesichtspunkte selbst bei Vorliegen eines groben Missverhältnisses die Annahme einer Unzumutbarkeit nicht tragen. Denn über ein dem Verantwortungsbereich des Beklagten zuzurechnendes Vertretenmüssen am Ausbleiben einer Sicherung seiner früher bestehenden Leitungsrechte hinaus (b) handelt es sich um einen als erheblich anzusehenden Eingriff in das Eigentumsrecht der Kläger und damit um ein gewichtiges Interesse der Kläger an einer Beseitigung der Abwasserleitung (c). Beide Gesichtspunkte stehen schon für sich genommen und erst recht in der Gesamtschau einer Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustandes trotz des damit verbundenen Aufwandes nach Treu und Glauben entgegen.

b) Nach dem Rechtsgedanken des § 275 Abs. 2 Satz 1 BGB hängt das Leistungsverweigerungsrecht gerade auch davon ab, ob der Schuldner – hier der Beklagte als Anspruchsgegner eines Folgenbeseitigungsanspruches – das Leistungshindernis zu vertreten hat. An dem Eintritt des rechtswidrigen Zustandes kommt dem Beklagten ein erheblicher Verantwortungsanteil zu, während die Kläger keine Mitverantwortung entsprechend § 254 BGB trifft.

Im Verantwortungsbereich des Beklagten lag es, von der Möglichkeit der Begründung einer Duldungspflicht des jeweiligen Eigentümers der beiden Flurstücke Gebrauch zu machen. Diese Möglichkeit hat er nicht genutzt. Von der Gemeinde A-Stadt hat er mit § 1 Nr. 1 Satz 3 des Beitrittsvertrages vom 4. November 2011 isoliert das Eigentum auch an der über die hier gegenständlichen Flurstücke verlaufenden Abwasserleitung als Teil der übertragenden Anlagen erworben. Zwar mag wegen der Regelungen des Beitrittsvertrages kein Anlass für eine gesondert zu vereinbarende Gestattung der Leitungsführung seitens der Gemeinde A-Stadt bestanden haben. Anlass hätte jedoch für eine vorsorgende Regelung des Falles der Veräußerung von Grundstückflächen durch die Gemeinde A-Stadt, auf denen Anlagenteile verlaufen, bestanden. Soweit tatsächlich die Gemeinde A-Stadt – und nicht der Beklagte – das Eigentum im Jahr 2014 an private Dritte ohne Beteiligung des Beklagten übertragen hat, kann sich der Beklagte entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichtes damit nicht entlasten. Denn die Verantwortlichkeit der Sicherung der Leitungsrechte ist mit der Aufgabenübertragung im Zuge des Beitrittes der Gemeinde A-Stadt auf ihn übergegangen. Eine Sicherung wäre ihm beispielsweise im Wege einer Regelung im Beitrittsvertrag möglich gewesen. Dabei wäre nicht nur die Vereinbarung einer Sicherung, sondern auch eine Regelung möglich gewesen, nach der sich der Grundstückseigentümer zur Sicherung in dem Fall der Veräußerung oder für diesen Fall zumindest zur Aufnahme von Verhandlungen hierüber vor einer Veräußerung verpflichtet. Soweit das Verwaltungsgericht darauf abgestellt hat, dass auch der Beklagte auf den öffentlichen Glauben des Grundbuches habe vertrauen dürfen, ergab sich aus dem Stand der nicht eingetragenen Belastungen gerade der Bedarf an der Begründung dinglich gesicherter Leitungsrechte. Eine Sicherung oder Vorkehrungen für den Veräußerungsfall hat der Beklagte hingegen bis zur dann tatsächlich erfolgten Übertragung des Eigentums an private Dritte unterlassen. Dies ist ihm als fahrlässiges Verhalten anzulasten.

Die Kläger trifft nach dem im Rahmen eines Folgenbeseitigungsanspruches anzuwendenden (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. August 1971 – IV C 23.69 -, juris, Rn. 22 und vom 14. April 1989 – 4 C 34.88 -, juris, Rn. 14) Rechtsgedanken des § 254 BGB hingegen kein Mitverschulden an der fehlenden Sicherung des Leitungsrechtes. Dies oblag weder ihrem noch dem Verantwortungsbereich der privaten Voreigentümer. Im Übrigen hatten die Kläger bei Übertragung des Eigentums an beiden Flurstücken keine Kenntnis von der Existenz der Abwasserleitung. Weder das Grundbuch noch andere Umstände deuteten hierauf hin.

c) Zudem ist zu berücksichtigen, dass das Gewicht des Leistungsinteresses der Kläger in Gestalt der Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustandes im Hinblick auf die bauliche Nutzbarkeit der Flurstücke als erheblich einzuordnen und Kern des den Klägern zukommenden Eigentumsrechtes ist. Dadurch wird der Inhalt des vorliegenden Rechtsverhältnisses – entsprechend dem Inhalt des Schuldverhältnisses im Sinne des § 275 Abs. 2 BGB – geprägt und steht der Annahme einer Unzumutbarkeit für den Beklagten entgegen.

aa) Das Interesse der Kläger an der baulichen Nutzbarkeit der Flurstücke wird nicht von vornherein dadurch geschmälert, dass es den Klägern – worauf das Verwaltungsgericht abgestellt hat – unbenommen bleibe, die aus der anhaltenden Nutzung ihrer Grundstücke zum Zweck der Abwasserbeseitigung resultierende Wertminderung gegenüber dem Beklagten geltend zu machen.

Ein Folgenentschädigungsanspruch kann nicht als Argument für die Unzumutbarkeit der Folgenbeseitigung herangezogen werden, weil ein Folgenentschädigungsanspruch jedenfalls erst entsteht, soweit die die Herstellung eines Zustandes aus tatsächlichen oder aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen ist. Der Entschädigungsanspruch ist daher nur Surrogat für einen nicht mehr zu realisierenden Herstellungsanspruch (vgl. BVerwG, Urteile vom 14. April 1989 – 4 C 34.88 -, juris, Rn. 19 und vom 15. Juni 2011 – 9 C 4.10 -, juris, Rn. 18). Die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands ist hier jedoch möglich.

bb) Das Interesse an einer baulichen Nutzung ist auch nicht außer Acht zu lassen, weil die Kläger keine konkreten Bebauungspläne dargelegt haben, sondern nach ihrem Schriftsatz vom 8. März 2021 nur grundsätzlich beabsichtigen, das Grundstück einer Bebauung zuzuführen oder über eine Veräußerung gerade als Bauland zu entscheiden. Diese Interessen sind als mit dem Eigentumsrecht innewohnenden Möglichkeiten geschützt und schon aufgrund dieses grundrechtlichen Eigentumsschutzes zu berücksichtigen.

Soweit das Verwaltungsgericht angenommen hat, die Rechtsprechung, dass Versorgungsleitungen in einer Tiefe zwischen 2 m und 3 m grundsätzlich die Bebaubarkeit eines innerstädtischen Grundstückes berühren, betreffe nicht die Zumutbarkeit der Erfüllung eines Folgenbeseitigungsanspruches, sondern die Duldungspflicht gemäß § 905 Satz 2 BGB, ist zwar im Ausgangspunkt im Hinblick auf das Verhältnis von § 905 BGB zu § 275 Abs. 2 BGB zutreffend. Denn das Vorliegen eines Ausschließungsinteresses im Sinne des § 905 BGB schließt es nicht aus, dass Aufwand zur Beseitigung einer Störung, der außer Verhältnis zum Interesse des Eigentümers an der Beseitigung steht, im Ausnahmefall dazu führen kann, dass ein Beseitigungsanspruch nach den Geboten von Treu und Glauben nicht durchgesetzt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 2009 – V ZR 141/08 -, juris, Rn. 20). Insofern kommt es für das Leistungsverweigerungsrecht nicht auf den Maßstab des § 905 BGB zur Begrenzung des Eigentums im Erdkörper unter der Oberfläche an. Ist jedoch, wie vorstehend bereits dargelegt, das Ausschließungsinteresse der Eigentümer im Sinne des § 905 Satz 2 BGB mit Blick auf eine künftige Bebauung grundsätzlich zu bejahen, verbleibt es für die Folgefrage nach dem Gewicht des Leistungsinteresses, die konkrete Bedeutung der Hindernisse für eine künftige Bebauung zu gewichten. Dies gebietet schon der Umstand, dass die Nutzbarkeit des Eigentums von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Mai 1993 – 1 BvR 345/83 -, juris, Rn. 43) und nicht auf gegenwärtige Nutzungsabsichten beschränkt ist. Zudem müssen die Kläger den Folgenbeseitigungsanspruch innerhalb der – vergleichsweise kurzen – Verjährungsfrist von drei Jahren geltend machen (können), um sich auch längerfristig alle Möglichkeiten für die bauliche Nutzung des Grundstückes zu erhalten, die sich bis zum Ablauf der Verjährungsfrist – beispielsweise aus wirtschaftlichen Gründen – nicht umsetzen lassen. Im Übrigen ist auch die Erhaltung und Sicherung des (künftigen) Verkehrswerts des Grundstücks ein geschütztes Interesse der Eigentümer.

Vorliegend kommt es auch nicht darauf an, ob ein konkretes Vorhaben – wie es der Beklagte als erforderlich ansieht – zu verlangen ist, weil die Leitungen einen erheblichen Nutzen für das Grundstück darstellen (so zur öffentlich-rechtlichen Duldungspflicht des § 176 i. V. m. § 175 NWG in dem Fall einer Niederschlagswasserleitung OVG Niedersachsen, Beschluss vom 15. Dezember 2006 – 9 LA 194/05 -, juris, Rn. 5). Denn entgegen dem durch den Beklagten benannten und vorzitierten Fall kommt den Klägern zum einen kein eigenes Interesse an einer Durchleitung von Abwasser fremder Grundstücke über ihre beiden Flurstücke zu. Zum anderen geht es hier nicht um die Auferlegung einer wasserrechtlichen Duldungspflicht im öffentlichen Interesse, sondern um einen aus einer Eigentumsbeeinträchtigung resultierenden Anspruch auf Folgenbeseitigung.

cc) Im Hinblick auf den konkreten Verlauf der Abwasserleitung über das Grundstück der Kläger ist die Einschränkung für eine künftige bauliche Nutzung erheblich.

Dabei kann dahinstehen, ob und ggf. inwieweit Einschränkungen der baulichen Nutzbarkeit sich vorliegend aus dem Baurecht, aus den „Regeln der Technik“ (z. B. DIN-Normen) oder aus anderen Vorschriften ergeben. Bereits der konkrete Verlauf der Leitung über ihr Grundstück begründet das klägerische Beseitigungsinteresse.

Das Flurstück … ist zwar nur mit einigen Metern in seinem nördlichen Bereich betroffen. Allerdings haben die Kläger trotz der zu unterscheidenden Eigentumsverhältnisse durch die Einfahrt zum Grundstück und seine Umzäunung baulich einen Nutzungszusammenhang zum Flurstück … – und zugleich zum Flurstück … – hergestellt. Für das Gewicht des Beseitigungsinteresses der Kläger ist dieser Zusammenhang zu berücksichtigen. Er prägt die Nutzungssituation.

Der Verlauf der Abwasserleitung über das Flurstück … misst hingegen rund 30 m und durchschneidet das Flurstück von Südosten nach Nordwesten ungefähr in einer leicht nach Süden versetzten Diagonalen von der Mitte der zur T-Straße gelegenen südöstlichen Seite bis kurz vor der südwestlichen Ecke des Flurstückes. Die Abwasserleitung liegt dort nicht im Randbereich, sondern eher in seiner Mitte. Mit der in einer Tiefe von 2,4 m bzw. 2,5 m unter der Erdoberfläche verlaufenden Abwasserleitung gerät daher eine Wohnhausbebauung wegen der Tiefe von möglichen Kellergeschossen im Sinne von § 2 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 BauO LSA und wegen des sich dem Kellergeschoss anschließenden Fundamentes in Konflikt. Denn eine Ausrichtung der Bebauung gerade in Richtung der Grenze zur T-Straße als straßenseitiger Zugang zum Flurstück, wie dies auch auf den Flurstücken … und … erfolgt ist, ist in die Betrachtung als eine – zudem nicht fernliegende – Möglichkeit einzubeziehen.

Entgegen dem Einwand des Beklagten ist nicht ersichtlich, dass eine Wohnhausbebauung mit Kellergeschoss im Bereich des Verlaufes der Abwasserleitung von vornherein baurechtlich unzulässig und deswegen das klägerische Interesse an einer Beseitigung der Abwasserleitung geringer zu gewichten ist. In bauplanungsrechtlicher Hinsicht sieht im hier betroffenen unbeplanten Innenbereich der Flächennutzungsplan in der Fassung seiner 1. Änderung für beide Flurstücke die allgemeine Art der baulichen Nutzung mit Wohnbauflächen im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 BauNVO vor. Auf den Einwand des Beklagten zum Bauordnungsrecht, dass es bei der vorherrschenden Bebauung nur zulässig sei, wenn beide Abstandsflächen eines neu zu errichtenden Wohnhauses und des bereits errichteten Wohnhauses der Flurstücke … und … auf dem Flurstück … liegen und es daher auf das Baulastenverzeichnis ankomme, ist keine weitere Aufklärung des Sachverhaltes mit Blick auf eine Einhaltbarkeit von Abstandsflächen gemäß § 6 Abs. 4 BauO LSA geboten. Zum einen benennt der Beklagte gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO schon keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass im Zuge eines bisher nicht konkretisierten künftigen Bauantrages der Kläger ein Abweichen von – in ihrem eigenen Interesse einzuhaltende – Abstandsflächen nicht konsentierbar sein wird. Zum anderen hängt das Maß der einzuhaltenden Abstandsflächen nicht nur von der konkreten Wand- und Dachhöhe des zu errichtenden Wohnhauses ab. Vielmehr ist aufgrund des von den Klägern bereits im Entscheidungszeitpunkt baulich hergestellten Nutzungszusammenhanges zwischen den Flurstücken …, … und … auch eine einheitliche bauliche Nutzung als Ausdruck ihrer Dispositionsbefugnis nicht ausgeschlossen. Die Nutzung kann im Wege eines erweiterten oder neuen einheitlichen Wohngebäudes über das Flurstück … hinaus erfolgen. Die Einhaltung der Abstandsflächen schließt deswegen die Zulässigkeit der baulichen Nutzung mit einem Wohnhaus nicht von vornherein aus.

4. Rechtshindernde Einwendungen gegen den Folgenbeseitigungsanspruch der Kläger greifen nicht durch.

a) Der Anspruch ist entgegen der durch den Beklagten erhobenen Einrede nicht verjährt.

aa) Für öffentlich-rechtliche Ansprüche bestimmen, wenn – wie hier – keine besonderen gesetzlichen Bestimmungen eingreifen, die Grundsätze der Verjährung nach den Vorschriften der §§ 194 ff. BGB im Wege der Analogie nach dem Gesamtzusammenhang der für den jeweiligen Anspruch maßgebenden Rechtsvorschriften und der Interessenlage, welche Verjährungsregelung darunter als die „sachnächste“ heranzuziehen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 2017 – 10 C 3.16 -, juris, Rn. 18). Diese Maßstäbe zur entsprechenden Anwendung der Verjährungsvorschriften bürgerlichen Rechtes gelten auch für Folgenbeseitigungsansprüche (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13. Mai 2019 – 2 L 10/17 -, juris, Rn. 17).

Für den Anspruch auf Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes an einem Grundstück ist die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 195 BGB als sachnächste Regelung heranzuziehen. Denn diese Verjährungsvorschrift greift auch für dazu vergleichbare privatrechtliche Beseitigungsansprüche gemäß § 1004 BGB (vgl. BTDrucks 14/6040, S. 106 l. Sp.), weil die Sondervorschrift zu Verjährungsfristen bei Rechten an einem Grundstück gemäß § 196 BGB auf die Begründung, Übertragung oder Aufhebung solcher Rechte sowie die Änderung ihres Inhaltes und die Vorschrift des § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf Herausgabeansprüche beschränkt sind.

bb) Der Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist konnte durch die Erhebung der Klage beim Landgericht Stendal im Jahr 2018 entsprechend § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB i. V. m. § 253 Abs. 1 und § 261 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 17b Abs. 1 Satz 2 GVG gehemmt werden. Denn zu diesem Zeitpunkt war die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen.

Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis erlangen musste.

(1) Ein Folgenbeseitigungsanspruch konnte erst im Jahr 2014 entstehen, so dass die Verjährung nicht vor Ablauf des 31. Dezember 2014 begonnen hat.

Erst mit der Veräußerung des Grundstückes an private Dritte durch die Gemeinde A-Stadt im Jahr 2014 ist der rechtswidrige Zustand eingetreten, der Voraussetzung für die Entstehung eines Folgenbeseitigungsanspruches ist. Entgegen dem Einwand des Beklagten ist der Anspruch nicht bereits mit der Errichtung der Abwasserleitung im Jahr 1998 unter Geltung des alten und überzuleitenden Verjährungsrechtes entstanden. Denn die Gemeinde A-Stadt war einerseits vor Übertragung der Aufgabe der Abwasserbeseitigung auf den Beklagten im Jahr 2012, wie bereits dargelegt, selbst Eigentümerin nicht nur des Grundstückes, sondern auch der Abwasserleitung. Andererseits war sie nach der Aufgabenübertragung schon auf der Grundlage der selbständigen Übertragung des Eigentums an der Abwasserleitung als Teil der Abwasseranlagen durch den Beitragsvertrag verpflichtet, den Verlauf der Abwasserleitung über ihr Grundstück und deren Nutzung durch den Beklagten zu dulden. Denn § 1 Nr. 1 Satz 4 des Beitrittsvertrages sieht die Pflicht der Gemeinde A-Stadt vor, dem Beklagten jedenfalls wirtschaftliches Eigentum an den Anlagen einzuräumen, was die Duldung des Bestandes und der Nutzung der Abwasserleitungen einschließt. Zwar gilt diese Vertragsbestimmung ausdrücklich nur bei Fehlen der rechtlichen Möglichkeit einer Übertragung des Eigentums, die hier tatsächlich gegeben war. Nach ihrem Sinn und Zweck greift diese Regelung im Wege der Auslegung des Vertrages aber erst recht für übertragene Anlagenteile ein. Denn die Vertragsparteien wollten mit ihren Vereinbarungen den Beklagten gerade in die Lage versetzen, die Bestandsanlagen zur Aufgabenerfüllung zu nutzen. Damit konnte der Beklagte erst mit der Übertragung des Grundstückes an private Dritte diesen gegenüber eine Duldung nicht mehr mit Erfolg geltend machen, weil keine auf dem Grundstück liegende Last in Gestalt eines Leitungsrechtes bestand.

(2) Die Kläger haben nach ihren durch den Beklagten nicht angegriffenen Angaben erst im Jahr 2017 im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Bebauung der Flurstücke Kenntnis davon erhalten, dass die Abwasserleitung im Boden der beiden Flurstücke verläuft. Unter Anwendung des § 199 Abs. 1 BGB begann die Verjährung daher erst mit Ablauf des 31. Dezember 2017 und endete nicht vor Ablauf des 31. Dezember 2020.

Entgegen dem Einwand des Beklagten ist für den Beginn der Verjährung auch auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 BGB abzustellen. Soweit er auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes verweist, dass die Unkenntnis des Grundstückseigentümers für den Beginn der Verjährung eines Anspruches auf Beseitigung – im zitierten Fall von Fernmeldeleitungen – unerheblich ist (vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 1994 – VI ZR 229/92 -, juris, Rn. 21), handelt es sich um die zu § 198 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung ergangene Rechtsprechung. Mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz ist auf Beseitigungsansprüche hingegen die kenntnisabhängige regelmäßige Verjährungsfrist nach Maßgabe von § 195 und § 199 BGB anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2019 – V ZR 136/18 -, juris, Rn. 16; vgl. auch BTDrucks 14/6040, S. 106 l. Sp.). Dieses seit dem 1. Januar 2002 geltende Recht findet im vorliegenden Fall auch Anwendung. Die Übergangsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB, die auch im öffentlichen Recht bei Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Verjährungsbestimmungen zu beachten ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Juni 2006 – 2 C 10.05 -, juris, Rn. 20 und vom 15. Mai 2008 – 5 C 25.07 -, juris, Rn. 27; vgl. auch BTDrucks 14/6060, S. 273 l. Sp.), beschränkt sich zwar nicht ausschließlich auf bereits am 1. Januar 2002 entstandene Ansprüche. Eine Erstreckung auf – wie hier – danach entstandene Ansprüche setzt jedoch zumindest ein bereits vor dem 1. Januar 2002 bestehendes Schuldverhältnis voraus (vgl. BGH, Urteile vom 19. Januar 2005 – VIII ZR 114/04 -, juris, Rn. 17, vom 26. Oktober 2005 – VIII ZR 359/04 -, juris, Rn. 12 und vom 6. Dezember 2007 – III ZR 146/07 -, juris, Rn. 12; vgl. auch BGH, Urteil vom 28. April 1995 – LwZR 9/94 -, juris, Rn. 14 zu Art. 231 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). Hier ist das maßgebende Rechtsverhältnis erst nach dem 31. Dezember 2001 entstanden, weil die Entstehung des öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses als gesetzlichem Schuldverhältnis, aus dem der Folgenbeseitigungsanspruch hervorgeht, mit der Entstehung dieses Anspruches zusammenfällt. Denn beides knüpft an den Eintritt eines rechtswidrigen Zustandes an. Erst dieser Zustand begründet das gesetzliche Schuldverhältnis zwischen Grundstückseigentümer und Beklagten. Bis zur Veräußerung der beiden Flurstücke durch die Gemeinde A-Stadt an private Dritte im Jahr 2014 ist jedoch in Ansehung der Abwasserleitung, wie vorstehend dargelegt, kein rechtswidriger Zustand eingetreten.

(3) Eine den Verjährungsbeginn früher auslösende Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis derjenigen, die nach der Gemeinde A-Stadt und vor den Klägern Eigentümer der beiden Flurstücke gewesen sind, ist zwar im vorliegenden Fall zu berücksichtigen. Denn durch den Eigentumserwerb der Kläger und die Zwischenerwerbe weiterer privater Dritte im Anschluss an den Ersterwerb von der Gemeinde A-Stadt ist keine andere Verjährung in Gang gesetzt worden, da mit den Eigentumsübertragungen kein neuer Anspruch entstanden ist. Die Identität von Beseitigungsansprüchen bei Eigentumswechseln schließt die Annahme eines eigenständigen Verjährungsbeginns für den Beseitigungsanspruch der nachfolgenden Eigentümer aus (vgl. BGH, Urteile vom 23. Februar 1973 – V ZR 109/71 -, juris, Rn. 17 und vom 1. Februar 1994 – VI ZR 229/92 -, juris, Rn. 22).

Im vorliegenden Fall ist eine solche frühere Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der der Gemeinde A-Stadt nachfolgenden Rechtsvorgänger der Kläger aber nicht festzustellen. Weder behaupten dies die Beteiligten noch ergeben sich für eine weitergehende Sachaufklärung tatsächliche Anknüpfungspunkte. Die auf dieser Grundlage zu treffende Beweislastentscheidung geht zu Lasten des Beklagten. Denn ihn trifft die Beweislast für das Bestehen der tatsächlichen Voraussetzungen eines früheren Beginns der Verjährungsfrist, weil er hieraus für sich günstige Rechtsfolgen ableiten würde.

b) Dem Anspruch steht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen.

aa) Der Einwand einer unzulässigen Rechtsausübung kann dem Folgenbeseitigungsanspruch entgegengehalten werden, wenn die Möglichkeit der nachträglichen Legalisierung besteht und die Behörde die alsbaldige Legalisierung beabsichtigt, diese also unmittelbar bevorsteht und der rechtmäßige Zustand sogleich wiederhergestellt werden kann, weil der Rechtsschutz der öffentlichen Hand für spätere Legalisierungen durch die Möglichkeit der Vollstreckungsgegenklage hinreichend gewahrt ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 6. September 1988 – 4 C 26.88 -, juris, Rn. 15 und vom 26. August 1993 – 4 C 24.91 -, juris, Rn. 42).

Ein unmittelbar bevorstehender Abschluss des Verfahrens gemäß § 93 WHG beim Landkreis Jerichower Land durch Entscheidung über den Antrag des Beklagten vom 5. Juli 2019 ist nicht festzustellen. Denn zu diesem Antrag erging der Hinweis, dass die bisher aufgeführten Bestrebungen nicht ausreichend genug seien und umfassender begründet werden müssten. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte für diesen Antrag Weiterungen vorgenommen hat. Vielmehr hat er unter dem 17. November 2022 einen neuen Antrag gestellt. Dieser Antrag betrifft hingegen ohnehin nicht die Duldung des Verlaufes der hier gegenständlichen Abwasserleitung, sondern einen alternativen Verlauf.

bb) Der Einwand des Beklagten, die Forderung nach einer Beseitigung des Sammlers sei rechtsmissbräuchlich, weil die Kläger den Kanal wissentlich überbaut und damit manifestiert hätten, dass sie den Bereich auf Dauer der Überbauung mit einem Gebäude entzogen hätten, führt ebenfalls nicht zur Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung.

Besondere Umstände, die die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen, können in der von den Klägern dargelegten Errichtung einer Hundezwingeranlage ohne Fundamente oder in der vom Beklagten eingewandten Versiegelung von Flächen zur Nutzung als Stellplatz nicht erkannt werden. Soweit sich der Beklagte mit den von ihm in das Verfahren eingeführten Satellitenaufnahmen auf eine Versiegelung der südwestlichen Hälfte des Flurstückes …, in der die Abwasserleitung verläuft, bezogen hat, stellt die dargelegte Versiegelung schon baulich kein wesentliches Hindernis der Realisierung einer anderweitigen Bebauung dar. Gleiches gilt für einen – zumal ohne Fundament – errichteten Hundezwinger. Denn beide baulichen Nutzungen vermitteln nicht den Eindruck eines dauerhaften Abstandnehmens von einer anderweitigen Bebauung etwa mit einem Wohnhaus, sondern können ersichtlich ohne wesentlichen Aufwand geändert werden. Vor diesem Hintergrund konnte der Beklagte billigerweise nicht darauf vertrauen, dass die Kläger eine alternative bauliche Nutzung – zumal entgegen ihrem Vortrag im vorliegenden Verfahren – in Zukunft ausschließen.

5. Der Folgenbeseitigungsanspruch ist auf die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes gerichtet (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Dezember 2000 – 2 C 39.99 -, juris, Rn. 19 und vom 12. Januar 2023 – 2 C 22.21 -, juris, Rn. 16). Als Rechtsfolge können die Kläger deshalb die Beseitigung der über die Grundstücke in der Gemarkung A-Stadt, Flur …, Flurstücke … und … verlaufenden Abwasserleitung verlangen.

Die Kostentscheidung beruht in Ansehung der Kostentragungspflicht des Beklagten auf § 154 Abs. 1 und 2 VwGO und der Kostentragungspflicht der Kläger auf § 17b Abs. 2 Satz 2 GVG i. V. m. § 159 Satz 2 VwGO. Die gesamtschuldnerische Kostenhaftung der Kläger ist ermessensgerecht auszusprechen, weil ein Fall notwendiger Streitgenossenschaft im Hinblick auf das Flurstück … vorliegt. Denn die Entscheidung über die mit diesem Flurstück verbundenen Ansprüche kann gegenüber Miteigentümern nur einheitlich ergehen. Weiterhin wird zur Klarstellung der vorausgegangene Kostenausspruch mit Urteil des Senats vom 5. Mai 2022, dass die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens 4 L 126/21 außer Ansatz bleiben, wiederholt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10 i. V. m. § 711 Satz 1 und 2 i. V. m. § 709 Satz 2 ZPO. Eine vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Verurteilung des Beklagten in der Hauptsache ist nicht zu erklären. Denn über ihren Wortlaut hinaus schließt es die Regelung in § 167 Abs. 2 VwGO grundsätzlich auch aus, Urteile auf allgemeine Leistungsklagen hin, die nicht auf die Verurteilung zu einer Geldleistung, sondern auf die Unterlassung oder – wie hier – Vornahme schlicht-hoheitlichen Handelns gerichtet sind, neben dem Kostenausspruch für vorläufig vollstreckbar zu erklären (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 3. Februar 2016 – 1 P 8/16 -, juris, Rn. 4; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 3. November 2011 – 6 S 2904/11 -, juris, Rn. 11 ff.; OVG Niedersachsen, Teilurteil vom 30. August 1989 – 12 L 85/89 -, NVwZ 1990, S. 275.)

Die Festsetzung des Streitwertes für das vorliegende Berufungsverfahren beruht auf § 40, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 1 GKG. Für die Bemessung der mit dem Berufungsantrag verbundenen Bedeutung der Sache für die Kläger ist von ihrer Angabe über eine durch den Verlauf der Abwasserleitung verursachte Minderung des Wertes der betroffenen Flurstücke um insgesamt 50.000 Euro auszugehen. Dieser Betrag bildet das klägerische Interesse unmittelbar ab, während die Kosten einer Beseitigung den Aufwand zur Behebung der Wertminderung nur mittelbar und zudem aus Sicht des Beklagten widerspiegeln.

Einer Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG für das Berufungsverfahren 4 L 126/21 bedarf es nicht, weil Gerichtskosten hierfür außer Ansatz zu lassen sind.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.

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