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Nachbarwiderspruch Baugenehmigung

Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung

Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein – Az.: 2 B 57/20 – Beschluss vom 14.12.2020

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des am 20.10.2020 erhobenen Widerspruchs der Antragsteller gegen die der Beigeladenen von dem Antragsgegner erteilte Baugenehmigung vom 28.07.2020 anzuordnen, wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens werden den Antragstellern als Gesamtschuldner auferlegt.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.000,- € festgesetzt.

Gründe

Das vorläufige Rechtsschutzgesuch der Antragsteller bleibt ohne Erfolg.

Der Antrag beurteilt sich nach §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 S. 1, 1. Alt. VwGO. Insoweit ist er statthaft und auch sonst zulässig. Nach § 80 Abs. 5 S. 1, 1. Alt. VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs in den Fällen anordnen, in denen die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 3 VwGO entfällt. Das ist hier der Fall, da dem Widerspruch der Antragsteller gegen die der Beigeladenen im vereinfachten Genehmigungsverfahren iSv § 69 LBO erteilte Baugenehmigung für die Errichtung einer Reihenhaus-Wohnanlage mit fünf Wohneinheiten auf einem Grundstück an der Kapitän-Nissen-Straße in Heiligenhafen, Flurstück 100/79, der Flur 6, Gemarkung Heiligenhafen, nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO iVm § 212 a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung zukommt.

Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das Interesse des beigeladenen Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der ihm erteilten Baugenehmigung einerseits und das Interesse des antragstellenden Nachbarn, von der Vollziehung der Baugenehmigung bis zur Entscheidung in der Hauptsache verschont zu bleiben, andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit oder die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen, allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte. Darüber hinaus ist in die Abwägung einzustellen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens gemäß § 212 a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung haben sollen und der Gesetzgeber damit dem Bauverwirklichungsinteresse grundsätzlich den Vorrang eingeräumt hat. Insofern kann das Gericht die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage nur anordnen, wenn auf Seiten des Antragstellers geltend gemacht werden kann, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit seine Rechtsposition durch den Bau und die Nutzung des genehmigten Vorhabens unerträglich oder in einem nicht wiedergutzumachenden Maße beeinträchtigt bzw. gefährdet wird. Dabei macht der Verweis auf die Rechtsposition des antragstellenden Nachbarn allerdings deutlich, dass bei baurechtlichen Nachbarrechtsbehelfen nicht allein die objektive Rechtswidrigkeit der angefochtenen Baugenehmigung in den Blick zu nehmen ist, sondern dass Rechtsbehelfe dieser Art nur erfolgreich sein können, wenn darüber hinaus gerade der widersprechende bzw. klagende Nachbar in subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten verletzt ist.

Ob die angefochtene Baugenehmigung insgesamt objektiv rechtmäßig ist, ist dagegen nicht maßgeblich. Vielmehr ist die Baugenehmigung allein daraufhin zu untersuchen, ob sie gegen Vorschriften verstößt, die dem Schutz des um Rechtsschutz nachsuchenden Nachbarn dienen. Der Nachbar kann sich nur auf solche Interessen berufen, die das Gesetz im Verhältnis der Grundstücksnachbarn untereinander als schutzwürdig ansieht. Dabei ist für die Beurteilung der Verletzung von öffentlich-rechtlich geschützten Nachbarrechten durch eine Baugenehmigung allein der Regelungsinhalt der Genehmigungsentscheidung maßgeblich. Eine hiervon abweichende Ausführung kann die Aufhebung der Baugenehmigung demgegenüber nicht rechtfertigen.

Nachbarwiderspruch Baugenehmigung
(Symbolfoto: Von Claudio Divizia/Shutterstock.com)

Nach diesem Maßstab überwiegt vorliegend das Interesse der Beigeladenen, die ihr erteilte Baugenehmigung sofort, d. h. ungeachtet des Widerspruchs der Antragsteller ausnutzen zu können. Denn bei der in diesem Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage lässt sich nicht mit hinreichender, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die angefochtene Baugenehmigung des Antragsgegners vom 28.07.2020 Nachbarrechte der Antragsteller verletzt.

Dabei ist allerdings ein Verstoß der auf der Grundlage des § 69 LBO im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren erteilten Baugenehmigung gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts gemäß § 69 Abs. 1 S. 1 LBO bereits nicht Prüfungsgegenstand des vorliegenden Verfahrens. Denn in einem solchen Verfahren wird außer bei Sonderbauten die Vereinbarkeit der Vorhaben mit den Vorschriften der Landesbauordnung und den Vorschriften aufgrund der Landesbauordnung nicht geprüft; lediglich die §§ 65 Abs. 4, 68 und 70 LBO bleiben unberührt. Bauordnungsrechtliche Verstöße insbesondere des Abstandsflächenrechts sind auch nicht ersichtlich.

Aber auch ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts einschließlich des Gebots der Rücksichtnahme ist nicht auszumachen.

Unabhängig davon, ob das Vorhaben der Beigeladenen im unbeplanten Innenbereich unter Anwendung von § 34 BauGB oder im Außenbereich gem. § 35 BauGB verwirklicht werden soll, ist vorliegend das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt, das sich bei einer Innenbereichslage aus dem Einfügensbegriff in § 34 Abs. 1 BauGB ergibt oder bei einer Außenbereichslage aus dem in § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB, wonach eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange insbesondere vorliegt, wenn das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird, enthaltenen Gebot der Rücksichtnahme.

Soweit die Antragsteller geltend machen, weder die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 BauGB noch des § 35 Abs. 2 BauGB lägen vor, kann dieses Vorbringen ihrem Antrag nicht zum Erfolg verhelfen. Die Privilegierungsvoraussetzungen in § 35 Abs. 1 BauGB und die Nichtbeeinträchtigung der öffentlichen Belange in § 35 Abs. 2 BauGB sollen in erster Linie die innere Zweckbestimmung des Außenbereichs verwirklichen helfen, die darin liegt, für die land- und forstwirtschaftliche sowie die gärtnerische Nutzung und für die in § 35 Abs. 1 BauGB bezeichneten Vorhaben bereitzustehen und daneben der gesamten Bevölkerung als Erholungsgebiet zur Verfügung zu stehen. Sie dienen damit lediglich Interessen der Allgemeinheit und nicht des Einzelnen (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.12.1967, – IV C 94.66 -, juris-Rn 28). Eine schutzwürdige Abwehrposition, die bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen ausschlaggebend sein könnte, erlangt der Nachbar auch nicht allein dadurch, dass die auf seinem Grundstück verwirklichte Nutzung baurechtlich zulässig, das auf dem anderen Grundstück genehmigte Vorhaben dagegen wegen einer Beeinträchtigung öffentlicher Belange, die nicht dem Schutz privater Dritter zu dienen bestimmt sind, nach § 35 Abs. 2 BauGB unzulässig ist (BVerwG, Urt. v. 28.10.1993, – 4 C 3/93 – juris-Rn 19).

Gleiches gilt vorliegend für die von den Antragstellern angeführten angeblichen Verstöße gegen Vorschriften zum Schutz der Natur oder des Waldes, soweit sie – was hier offenkundig der Fall ist – nicht auch dem Schutz Dritter dienen (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 23.06.2014, – 2 A 104/12 – juris-Rn. 8).

Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme stellt, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Es verlangt eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem durch dieses Gebot begünstigten Nachbarn und andererseits dem zur Rücksichtnahme verpflichteten Bauherrn nach Lage der Dinge zuzumuten ist, und ist verletzt, wenn diese Abwägung ergibt, dass das Vorhaben dem Nachbarn gegenüber als rücksichtslos anzusehen ist, weil die mit dem Vorhaben verbundenen Folgen die Grenzen des dem Nachbarn unter den gegebenen Umständen Zumutbaren überschreiten (grundlegend BVerwG, Urt. v. 25.02.1977, – 4 C 22.75 -, juris-Rn. 22). Das ist – an diesen Grundsätzen gemessen – vorliegend nicht der Fall.

So können sich die Antragsteller nicht mit Erfolg auf einen sog. Gebietserhaltungs- oder Gebietsbewahrungsanspruch berufen. Dieser Anspruch wird durch die Zulassung eines mit der Gebietsart unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil hierdurch eine „Verfremdung“ des Gebiets eingeleitet und damit das nachbarliche Austauschverhältnis gestört wird, das auf dem Gedanken beruht, dass sich jeder Grundstückseigentümer davor schützen können muss, dass er über die durch die Festsetzung einer Gebietsart normierte oder aus einer wie hier faktisch vorhandenen Gebietsart eines allgemeinen oder gar reinen Wohngebietes sich ergebenden Beschränkung seiner Baufreiheit hinaus durch eine nicht zulässige Nut-zung eines anderen Grundstückseigentümers nochmals zusätzlich belastet wird (BVerwG, Urt. 16.9.1993, – 4 C 28.91 -; Urt. v. 23.08.1996, – 4 C 13.94 -; OVG Schleswig, Beschl. v. 07.06.1999, – 1 M 119/98 -). Ein solches seiner Art nach gebietsunverträgliches Vorhaben liegt mit dem den Beigeladenen genehmigten Wohnbauvorhaben jedoch offenkundig nicht vor. Als Nutzungsart kennt die Baunutzungsverordnung nur das „Wohnen“ als solches, ohne dahingehend zu differenzieren, ob diese Nutzung in freistehenden Einfamilien-, Dop-pel- oder Mehrfamilienhäusern erfolgt. Die Errichtung von Mehrfamilienhäusern kann da-her auch nicht von benachbarten Grundstückseigentümern mit der Begründung abgewehrt werden, eine derartige Nutzung passe nicht in ihr Wohngebiet.

Auch wenn das genehmigte Vorhaben der Beigeladenen von der Grundfläche, der Geschossfläche und der Firsthöhe größer ausfallen sollte als das auf dem Grundstück der Antragsteller befindliche Gebäude, begründet dies keinen Verstoß gegen den Gebietserhaltungsanspruch (OVG Schleswig, Beschl. vom 15.01.2013 – 1 MB 46/12 -, Beschluss vom 25.10.2012 – 1 MB 38/12 -). Einen darüber hinausgehenden Gebietsprägungserhaltungsanspruch des Inhalts, dass dieser unabhängig von der Art der Nutzung des geplanten Bauvorhabens einen Abwehranspruch vermittelt, weil das Vorhaben einem für das Baugebiet charakteristischen harmonischen Erscheinungsbild, etwa im Sinne einer vorrangigen Bebauung mit Einzel- oder Doppelhäusern mit geringer Grundflächenzahl, nicht entspricht, erkennt die Kammer in ständiger Rechtsprechung nicht an (z. B. Beschl. v. 17.12.2012, – 2 B 88/12 -; v. 29.01.2014, – 2 B 6/14 -; v. 24.02.2014, – 2 B 12/14 -; v. 04.07.2017, – 2 B 25/17; so auch OVG Lüneburg, Beschl. v. 28.5.2014, – 1 ME 47/14 -; OVG Schleswig, Beschl. v. 21.07.2015, – 1 MB 16/15 -; Beschl. v. 12.05.2020, – 1 MB 9/20 -). Daher kommt es für das vorliegende Verfahren nicht darauf an, ob durch das geplante Bauvorhaben aus Sicht der Antragsteller das Erscheinungsbild der näheren Umgebung, das nach ihren Angaben durch eine aufgelockerte Bebauung mit Einzelhäusern auf jeweils großzügig geschnittenen Grundstücken geprägt ist und keine Reihenhäuser aufweist, beeinträchtigt wird. Dieses behauptete Erscheinungsbild resultiert allein aus Kriterien, die das Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise und die überbaubare Grundstücksfläche betreffen. Bei diesen Kriterien handelt es sich aber nach allgemeiner Auffassung der Verwaltungsgerichte um solche, die nur im überplanten Gebiet und auch nur dann bei Feststellung eines entsprechenden ausdrücklichen planerischen Willens der Gemeinde Drittschutz vermitteln können (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 25.10.2012, – 1 MB 38/12 -; Beschl. v. 12.05.2020, – 1 MB 9/20 -). Abweichungen von den Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung sind nämlich mit Abweichungen über die Art der baulichen Nutzung nicht vergleichbar. Sie lassen in der Regel den Gebietscharakter unberührt und haben nur Auswirkungen auf das Baugrundstück und die unmittelbar anschließenden Nachbargrundstücke. Zum Schutz der Nachbarn ist daher das in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene drittschützende Rücksichtnahmegebot ausreichend, das eine Abwägung der nachbarlichen Interessen ermöglicht und den Nachbarn vor unzumutbaren Beeinträchtigungen schützt. Ein darüberhinausgehender, von einer realen Beeinträchtigung unabhängiger Anspruch des Nachbarn auf Einhaltung der Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung kann dagegen dem Bundesrecht nicht entnommen werden (BVerwG, Beschl. v. 23.06.1995, – 4 B 52/95 -). Im unbeplanten Innenbereich gilt nichts Anderes; insbesondere geht hier der Nachbarschutz nicht weiter als in Plangebieten. Bei Abweichungen vom „einfügsamen“ Maß der Nutzung, wie dies von den Antragstellern gerügt wird, bietet – allein – das drittschützende Rücksichtnahmegebot ausreichenden Schutz (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 25.10.2012, – 1 MB 38/12 -; Beschl. v. 12.05.2020, – 1 MB 9/20 -). Insofern bedarf es im vorliegenden Fall insbesondere keiner Prüfung, ob das genehmigte Vorhaben tatsächlich – wie die Antragsteller meinen – über den in der näheren Umgebung vorgegebenen Rahmen hinsichtlich der vorgenannten Maß-Kriterien hinausgeht und sich deshalb im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB nicht einfügt.

Entgegen der Annahme der Antragsteller erweisen sich die genehmigten Wohnhäuser der Beigeladenen aber auch nicht aus anderen Gründen als rücksichtslos, insbesondere nicht hinsichtlich der Wirkungen ihres Standortes und ihrer Ausmaße.

Nach den genehmigten Planunterlagen ist das bauordnungsrechtliche Abstands-flächenrecht, bei dessen Beachtung ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot jedenfalls im Hinblick auf die durch die Abstandsflächenregelung geschützten Nachbarbelange (Belichtung, Belüftung und Besonnung) grundsätzlich ausgeschlossen ist, wenn auch unter zulässigerweise erfolgter Inanspruchnahme der öffentlichen Verkehrsfläche (§ 6 Abs. 2 S. 2 LBO) unstreitig korrekt umgesetzt worden.

Es ist zwar in der Rechtsprechung anerkannt, dass auch bei Einhaltung des Abstandsflächenrechts nachbarliche Belange in unzumutbarer Weise beeinträchtigt sein können, wenn ein Nachbaranwesen durch die Ausmaße eines Bauvorhabens geradezu „erdrückt“, „eingemauert“ oder „abgeriegelt“ würde. Dies wird insbesondere dann angenommen, wenn die baulichen Dimensionen des „erdrückenden Gebäudes“ aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles derart übermächtig sind, dass das „erdrückte“ Gebäude oder Grundstück nur noch überwiegend wie eine von dem herrschenden Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird, oder das Bauvorhaben das Nachbargrundstück regelrecht abriegelt, d.h. dort das Gefühl des Eingemauertseins oder der Gefängnishofsituation hervorruft (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.03.1981, – 4 C 1.78 -, sog. „Hochhaus-Fall“ – 12-geschossiges Hochhaus neben 2-geschossiger Bebauung -; OVG Münster, Urt. v. 09.08.2006, – 8 A 32726/05 -). Dem Grundstück muss gleichsam die Luft zum Atmen genommen werden. Dass das Vorhaben die bislang vorhandene Situation lediglich verändert oder dem Nachbarn unbequem ist, reicht nicht aus. Die in den gewählten Ausdrücken bzw. Bildern („Gefängnishofsituation“, „Eingemauertsein“, „Erdrücken“, „Erschlagen“, „Luft zum Atmen nehmen“) liegende „Dramatik“ ist danach vielmehr ernst zu nehmen (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 15.01.2007, – 1 ME 80/07 – und v. 13.01.2010, – 1 ME 237/09 -; OVG Schleswig, Beschl. v. 18.04.2019, – 1 MB 5/19; s.a. Beschlüsse der Kammer v. 21.02.2011, – 2 B 8/11 -, v. 02.02.2012, – 2 B 1/12 -, v. 26.6.2019, – 2 B 29/19 -). Diese Voraussetzungen erfüllt das genehmigte Wohnbauvorhaben nicht.

Insbesondere kann von der von den Antragstellern beschriebenen abriegelnden Wirkung gegenüber ihrem zweigeschossigen Gebäude mit drei als Ferienwohnung zur Vermietung angebotenen Eigentumswohnungen keine Rede sein.

Die angefochtene Genehmigung bezeichnet das Vorhaben zwar als Errichtung einer Reihenhauswohnanlage mit 5 Wohneinheit. Es handelt sich aber ersichtlich um zwei voneinander durch einen Abstand von 7,15 m getrennte Baukörper, die im westlichen Verlauf auf dem noch ungeteilten Grundstück ein Einzelhaus im Stil einer aus 3 Scheiben mit jeweils einer Wohnung bestehenden Reihenhauszeile mit einer straßenparallelen Länge von 24 m und ein weiteres Einzelhaus im Stil eines Doppelhauses mit zwei Wohnungen und mit einer straßenparallelen Länge von 16 m umfassen.

Nur der doppelhausartige Baukörper ist überhaupt dem Grundstück der Antragsteller gegenüber liegend geplant, und zwar in nördlicher Richtung und wird mindestens einen Abstand von ca. 16 m zum Haus der Antragsteller aufweisen, während der aus 3 Reihenhausscheiben bestehende, westlich davon geplante Baukörper seinerseits allein schon ca. 13 m entfernt von der Nordwestecke des Grundstücks der Antragsteller errichtet werden soll und einen Abstand von nahezu 40 m zum Haus der Antragsteller aufweisen wird.

Angesichts dieser geplanten Lage des Vorhabens und der gegenüber dem Niveau der Straße Am Ufer im Bereich des Grundstücks der Antragsteller nach Süden „nur“ zweigeschossig in Erscheinung tretenden Gebäude mit einer etwas über 8 m betragenden Firsthöhe fehlen offenkundig jedwede Anhaltspunkte für die Annahme einer gegenüber dem gleichfalls zweigeschossigen und offenbar ähnlich hohem, zur Vermietung von Ferienwohnungen genutzten Gebäude der Antragsteller „erdrückenden“ oder gar „erschlagenden“ Wirkung im oben beschriebenen Sinne, zumal nur die straßenabgewandte südliche Fläche des Grundstücks der Antragsteller hinter ihrem Gebäude gärtnerisch und als Erholungszone genutzt wird.

Die Antragsteller können sich auch nicht auf einen angeblich ungestörten Ausblick von ihrem Haus auf die Ostsee berufen. Der ungeschmälerte Fortbestand einer „schönen Aussicht“ stellt grundsätzlich nur eine Chance dar und unterliegt nicht dem Schutz des Gebots der Rücksichtnahme (OVG Schleswig, Beschl. v. 1.02.2017, – 1 LA 49/16 -; Beschl. v. 11.01.2011, – 1 LA 70/11 -; Urt. v. 22.11.2007, – 1 KN 11/06 -). Nachbarrechtsschutz kann insoweit nur ausnahmsweise beansprucht werden, wenn die Aussicht durch einen bestehenden Bebauungsplan geschützt oder wegen außergewöhnlicher örtlicher Gegebenheiten aus sich heraus besonders schutzwürdig ist und nicht verändert werden kann. Dies trifft bereits auf die Beibehaltung eines ungestörten Meeresblicks nicht zu (OVG Schleswig, Beschl. v. 11.01.2011, – 1 LA 70/11 -; Urt. v. 22.11.2007, – 1 KN 11/06 -). Ohnehin ist angesichts der „Bewaldung“ des Vorhabengrundstücks bereits zweifelhaft, ob von den Wohnräumen oder gar dem rückwärtigen Garten auf dem Grundstück der Antragsteller aus der behauptete und nun angeblich durch das Vorhaben der Beigeladenen verlorengehende Meerblick bislang überhaupt in einem nennenswerten Umfang gegeben war. So geben insbesondere selbst die von Antragstellern eingereichten Fotos nur einen Blick auf die Ostsee in nordöstlicher Richtung über das östliche Nachbargrundstück Am Ufer 10 wieder, der von dem streitbefangenen Vorhaben gar nicht verstellt werden kann.

Das vorläufige Rechtsschutzgesuch der Antragsteller war daher insgesamt mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzulehnen.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nach § 162 Abs. 3 VwGO nicht aus Billigkeit für erstattungsfähig erklärt worden, weil sie keinen eigenen Sachantrag gestellt hat und damit auch kein Risiko eigener Kostenpflicht nach § 154 Abs. 3 VwGO eingegangen ist.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG, wobei der für ein entsprechendes Hauptsacheverfahren anzunehmende Wert von 30.000,- € für das Gebäude mit drei Wohnungen, deren Beeinträchtigung geltend gemacht wird, wegen des nur vorläufigen Regelungscharakters des Eilverfahrens um die Hälfte reduziert worden ist.

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