Abweichungen vom erforderlichen Brandschutz
VG Ansbach – Az.: AN 17 K 17.00172 – Urteil vom 05.03.2020
1. Die Baugenehmigung vom 15. Dezember 2016 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
3. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen eine von der Beklagten dem Beigeladenen erteilte bauaufsichtlichen Genehmigung vom 15. Dezember 2016 zum Zwecke des Gebäudeumbaus und einer Nutzungsänderung hin zu einer Wohnnutzung.
Streitgegenständlich ist ein zwei- bis dreigeschossiges Fabrikgebäude der Gebäudeklasse 3 auf dem Grundstück Flurnummer … der Gemarkung … mit der Adresse …, …. Das Gebäude wurde in seiner Geschichte unterschiedlich genutzt, früher als Druckerei, Mitte 1970 bis 1982 durch das Arbeitsamt … und das Fernmeldeamt … sowie als Fitnessstudio und zuletzt befristet bis Ende August 2002 als Asylbewerberunterkunft. Nunmehr sollen durch den Beigeladenen als Bauherrn in das Gebäude fünf Wohnungen eingebaut und Teile des Erdgeschosses als Lagerräume genutzt werden. Die Kläger sind (Mit-)Eigentümer bzw. Nießbraucher der unmittelbar angrenzenden Grundstücke Flurnummer … (östlich) und … (nordwestlich) der Gemarkung …. Das Gebäude des Beigeladenen auf der Flurnummer … und das klägerische Gebäude auf der Flurnummer … stoßen in einem Winkel von etwa 90 Grad aufeinander.
Der Beigeladene beantragte mittels eines ausgefüllten Formblattes und angehängten Unterlagen vom 23. September 2016 eine Baugenehmigung zum Gebäudeumbau und für eine Nutzungsänderung mit künftig fünf Wohnungen im Erd-, Ober- und Dachgeschoss und Lagerräumen im Erdgeschoss. Mit einem weiteren Formular vom 23. September 2016 beantragte er allseitige Abweichungen von den Abstandsflächen unter Vorlage einer Abstandsflächenübernahmeerklärung des südwestlich angrenzenden Nachbargrundstücks mit der Flurnummer …. Der Brandschutznachweis des Architekturbüros … vom 7. März 2016, der dem Antrag auf Baugenehmigung beigefügt war, enthielt zudem Abweichungsanträge von brandschutzrechtlichen Anforderungen. In dessen Nr. 26.1 wurde beantragt, von der Vorschrift des Art. 28 Abs. 6 BayBO abzuweichen und die geplante abweichende Ausführung beschrieben: „Brandwand im Bereich der 90°-Innenecke auf eine Länge von 5,0m hinaus verlängert, im Obergeschoss (NE 4) sind in diesem Bereich Fenster (Kinderzimmer, Schlafzimmer) vorhanden“. In der beigefügten zeichnerischen Anlage zum Brandschutz befanden sich die Fenster des Kinder- und des Schlafzimmers im Obergeschoss an der nördlichsten Position der nordöstlichen, zum Grundstück mit der Flurnummer … ausgerichteten Außenwand, die wiederum in einem Winkel von etwa 90 Grad auf die Außenwand des klägerischen Gebäudes auf der Flurnummer … trifft. Zur Begründung der Abweichung wurde ausgeführt, dass es sich bei dem Gebäude um ein Bestandsgebäude handele, so dass hier eine Art „Bestandsschutz“ angesetzt werden könne. Es sei bereits eine Fensteröffnung in diesem Bereich vorhanden gewesen, außerdem würden die betroffenen Räume als Aufenthaltsräume genutzt. Als Kompensationsmaßnahme sei zusätzlich in den Treppenräumen und den dazugehörigen Nutzungseinheiten jeweils ein funkvernetzter Rauchmelder einzubauen, so dass eine großflächige Detektierung ermöglicht werde.
In Nr. 26.2 wurde beantragt, von der Vorschrift des Art. 28 Abs. 8 BayBO abzuweichen und die geplante abweichende Ausführung beschrieben: „In den Brandwänden, die als Gebäudeabschlusswände direkt an den Grundstücksgrenzen bzw. in einem Abstand ≤ 2,50 m zu den Grundstücksgrenzen Fl.Nr. … und … liegen, sind Fensteröffnungen und Dachgauben vorhanden. Die Fensteröffnungen sind ohne Feuerwiderstandsfähigkeit ausgeführt“. In der beigefügten zeichnerischen Anlage zum Brandschutznachweis hinsichtlich des Erdgeschosses waren auch die Öffnungen des südlichen Windfangs als beantragte Abweichung nach Nr. 26.2 markiert. Zur Begründung wurde hinsichtlich der Brandwände ausgeführt, dass es sich um bestehende Fensteröffnungen im Bestandsgebäude handele und keine Änderungen gegenüber dem baurechtlich genehmigten Zustand aufträten. Als Kompensationsmaßnahme wurde entsprechend dem Abweichungsantrag in Nr. 26.1 die zusätzliche Anbringung funkvernetzter Rauchmelder vorgeschlagen.
Mit Bescheid vom 15. Dezember 2016 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen die Baugenehmigung für das streitgegenständliche Vorhaben (I. des Tenors). Unter II. des Tenors gewährte die Beklagte Abweichungen hinsichtlich des Brandschutzes von den Vorschriften des Art. 28 Abs. 8 BayBO und des Art. 32 Abs. 4 BayBO. Der Brandschutznachweis des Architekturbüros … vom 7. März 2016 wurde zum Bestandteil des Bescheids erklärt (IV. Nr. 4 des Tenors). Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass es sich bei dem Vorhaben um ein solches im Innenbereich handele, die Umgebungsbebauung entspreche einem Mischgebiet. Es liege kein Sonderbau vor, weshalb das Bauvorhaben im vereinfachten Genehmigungsverfahren behandelt worden sei. Aus heutiger Sicht sei davon auszugehen, dass die früheren Genehmigungen für diverse gewerbliche Zwecke und die Entscheidungen über die Nutzung als Asylbewerberunterkunft keinen Bestand mehr hätten. Hinsichtlich des Brandschutzes bezögen sich alle beantragten Abweichungen auf die Bewertung des tatsächlichen baulichen Bestandes auf der Grundlage der heutigen brandschutzrechtlichen Anforderungen der Bayerischen Bauordnung. Die geplanten baulichen Maßnahmen lösten keine neuen Abweichungen aus und führten allenfalls zu Verbesserungen der Brandschutzsituation im Vergleich zum augenblicklichen Bestand. Bezüglich der beantragten Abweichung von Art. 28 Abs. 6 BayBO betreffend das am nördlichsten liegende Fenster im Obergeschoss an der nordöstlichen Wand sei bereits in einem früheren Verfahren, als das Gebäude als Asylbewerberunterkunft genutzt worden sei, eine brandschutzrechtliche Auflage gemacht worden. Die Regierung … habe 1988 zur Auflage gemacht, dass das genannte Fenster in Brandwandqualität zu schließen sei. Insofern und wegen der Vorgabe, die Bedachung des erdgeschossigen Vorbaus auf der Nordostseite feuerbeständig auszuführen, dürfe unterstellt werden, dass bezüglich dieses Gebäudeteils bereits eine brandschutzkonforme Anpassung des Gebäudes erfolgt sei. Weitergehende Anforderungen würden nicht für erforderlich gehalten und somit seien auch keine zusätzlichen Abweichungen zu erteilen gewesen.
Hinsichtlich der beantragten Abweichungen von Art. 28 Abs. 8 BayBO führt die Beklagte aus, dass im südlichen Abschnitt der Nordostwand bislang vorhandene Fensteröffnungen des Lagerraums im Erdgeschoss im Zuge der Baumaßnahmen komplett geschlossen würden, so dass in diesem Bereich eine wesentliche Verbesserung erreicht werde. Der innere Durchgang vom Windfang zum Lager liege circa 3,50 m von der Nachbargrenze entfernt. Die Fensteröffnungen in den oberen Geschossen blieben unverändert erhalten, was nach brandschutzrechtlichen Aspekten hinnehmbar sei. Auf dem Nachbargrundstück mit der Fl.Nr. … könne bauordnungsrechtlich zulässig nur ein eingeschossiges Bauwerk mit wegen des Abstandsflächenrechts nur niedrigen Außenwänden errichtet werden, weswegen keine gegenüberliegenden Öffnungen in der Ebene des Obergeschosses zu befürchten seien.
Mit am 26. Januar 2017 eingegangenem Schriftsatz haben die Kläger durch ihren Prozessbevollmächtigten Klage gegen diesen Bescheid erhoben. Zur Begründung tragen sie hinsichtlich des Brandschutzes vor, dass durch die Erteilung von Abweichungen von den Brandschutzvorschriften diese vollumfänglich Gegenstand des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens geworden seien. Die erteilten Abweichungen seien nicht hinreichend bestimmt. Eine Baugenehmigung müsse nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG hinreichend bestimmt und die dort getroffene Regelung für die Beteiligten eindeutig erkennbar sein. Die Nachbarn müssten zweifelsfrei feststellen können, ob und in welchem Umfang sie betroffen seien, ansonsten sei die Baugenehmigung aufzuheben. Die bewilligten Abweichungen bezüglich der Fensteröffnungen hin zum klägerischen Grundstück mit der Flurnummer … würden lediglich mit dem Umstand begründet, dass die Fensteröffnungen bereits im Bestandsgebäude vorhanden seien.
Die Kläger beantragen, den Baugenehmigungsbescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2016 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt sie mit Bezug zum Brandschutz aus, dass die Ausgangssituation durch diverse bauliche Maßnahmen deutlich verbessert worden sei. Insoweit werde nochmals auf die Begründung der Baugenehmigung verwiesen.
Der Beigeladene stellte keinen Antrag und trug nichts vor.
Mit Beschluss vom 31. Januar 2019 (AN 17 S 18.02454) hat das Verwaltungsgericht Ansbach den Antrag der Kläger auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 26. Januar 2017 als unbegründet abgelehnt. Die angefochtene Baugenehmigung sei nach summarischer Prüfung rechtmäßig. Hinsichtlich des Brandschutzes seien die erteilten Abweichungen rechtens, da eine die Erteilung von Abweichungen rechtfertigende, atypische Bausituation vorläge. Ein Leerstandsgebäude sei auch mit Blick auf den Brandschutz nicht weniger gefährlich als ein bewohntes. Es komme zu keiner negativen Veränderung für die Kläger, ein Ermessensfehler sei nicht zu erkennen. Gegen diesen Beschluss haben die Kläger mit Schriftsatz vom 14. Februar 2019 Beschwerde zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingelegt. Dieser hat mit Beschluss vom 16. Juli 2019 (…) unter Aufhebung der Nummern I. und II. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 31. Januar 2019 die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage vom 26. Januar 2017 angeordnet. Nach summarischer Prüfung würden die Anfechtungsklagen Erfolg haben. Die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung verletze die Kläger voraussichtlich in ihren Rechten, weil sie bezüglich der dort enthaltenen Brandschutzvorgaben in nachbarrechtsrelevanter Weise zu unbestimmt sei. Im Übrigen würfen auch die zu Art. 28 Abs. 8 BayBO erteilten Abweichungen Fragen auf.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt, der Prozessbevollmächtigte der Kläger mit Schriftsatz vom 14. November 2019, die Beklagte mit Schriftsatz vom 21. Februar 2020 und der Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen mit Schriftsatz vom 12. Februar 2020.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (Heftung Bauaufsichtliche Überprüfung …; Bau-Planmappen …, …; 16 Heftungen …) und die Gerichtsakten (AN 17 S 18.02454, AN 9 K 15.01371, AN 9 S 15.01649) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 14. November 2019, die Beklagte mit Schriftsatz vom 21. Februar 2020 und der Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen mit Schriftsatz vom 12. Februar 2020 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben.
Die von den Klägern erhobene Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) ist zulässig und begründet.
1.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO gegeben. Der Kläger zu 2) ist Eigentümer bzw. Miteigentümer der Grundstücke mit der Flurnummer … (nordwestlich angrenzend an das Beigeladenengrundstück mit der Flurnummer …) und … (östlich angrenzend an das Beigeladenengrundstück). Die Klägerin zu 1) hat ein Nießbrauchsrecht (§§ 1030 ff. BGB) an den Eigentumsanteilen des Klägers zu 2) inne, was als eigentumsähnliches Recht für die Bejahung der Nachbareigenschaft ausreicht (Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, 135. EL Dezember 2019, Art. 66 Rn. 85 f.). Eine Verletzung der nachbarschützenden Vorschrift des Art. 28 BayBO zu den Brandwänden erscheint wenigstens möglich.
2.
Die Anfechtungsklage ist begründet, weil die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 15. Dezember 2016 rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die objektive Verletzung einer Rechtsnorm genügt für den Erfolg einer Nachbarklage nicht. Die Rechtswidrigkeit muss sich vielmehr aus der Verletzung einer Norm ergeben, die dem Schutze des Nachbarn dient (sog. Schutznormtheorie, vgl. etwa BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20). Zudem ist nur eine Rechtsverletzung maßgeblich, die zum Prüfungsumfang im bauaufsichtlichen Verfahren gehört, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist derjenige des Erlasses der angefochtenen Baugenehmigung (W.-R. Schenke/R.P. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 113 Rn. 46).
a)
Rechtsgrundlage für die Baugenehmigung ist Art. 68 BayBO. Als Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG muss die Baugenehmigung dem Bestimmtheitserfordernis des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG genügen, also inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Die Baugenehmigung muss Inhalt, Reichweite und Umfang der genehmigten Nutzung sowie zugelassener Abweichungen gemäß Art. 63 BayBO eindeutig erkennen lassen, so dass die mit dem Bescheid getroffene Regelung für die Beteiligten des Verfahrens nachvollziehbar ist. Ein Nachbar muss zweifelsfrei erkennen können, ob und in welchem Umfang er betroffen ist. Nachbarschützend ist Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG jedoch nur insoweit, als die Unbestimmtheit ein nachbarrechtlich relevantes Merkmal betrifft (vgl. BayVGH, B.v. 31.10.2016 – 15 B 16.1001 – juris Rn. 4 m.w.N.; s.a. BayVGH, B.v. 6.2.2019 – 15 CS 18.2459 – juris Rn. 29). Ein unbestimmter Verwaltungsakt ist grundsätzlich rechtswidrig (Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 37 Rn. 40 ff.).
Diesen Anforderungen genügt die angegriffene Baugenehmigung vom 15. Dezember 2016 hinsichtlich des bauordnungsrechtlichen Erfordernisses einer Brandwand aus Art. 28 BayBO nicht. Für die Kläger ist nicht eindeutig erkennbar, ob der Vorschrift des Art. 28 BayBO hinsichtlich der beiden am nördlichsten liegenden Fensteröffnungen (Schlafzimmer, Kinderzimmer), insbesondere des Schlafzimmerfensters, im ersten Obergeschoss auf der Nordostseite in Richtung des klägerischen Grundstücks mit der Flurnummer … Genüge getan wurde.
Die Vorschriften zur Brandwand als Gebäudeabschlusswand dienen dem Nachbarschutz, weil diese, wie aus Art. 28 Abs. 1 Alt. 1 BayBO ersichtlich wird, die Brandausbreitung auf andere Gebäude, also auch Nachbargebäude, verhindern helfen sollen. Gleiches gilt für Wände, die gemäß Art. 28 Abs. 3 Satz 2 BayBO an die Stelle einer Brandwand treten dürfen (vgl. Art. 28 Abs. 11 BayBO). Maßgeblich ist die Schutzrichtung der Brand- oder der zulässigerweise an ihre Stelle tretenden Wand nach außen hin und gegen die Ausbreitung von Feuer und Rauch in der Umgebung, was bei Gebäudeabschlusswänden – anders als bei inneren Brandwänden – der Fall ist (vgl. BayVGH, B.v. 8.3.2018 – 15 CE 17.2599 – juris Rn. 58 f.; Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, 135. EL Dezember 2019, Art. 66 Rn. 279).
Brandwände sind gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayBO als Gebäudeabschlusswand erforderlich, wenn diese an oder mit einem Abstand von weniger als 2,50 Metern gegenüber der Grundstücksgrenze errichtet werden, es sei denn, dass ein Abstand von mindestens fünf Metern zu bestehenden oder nach den baurechtlichen Vorschriften zulässigen künftigen Gebäuden gesichert ist. Bei einem Gebäude der Gebäudeklasse 3 sind an Stelle einer Brandwand nach Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und 3 BayBO auch hochfeuerhemmende Wände oder als Gebäudeabschlusswände solche zulässig, die von innen nach außen die Feuerwiderstandsfähigkeit der tragenden und aussteifenden Teil des Gebäudes, mindestens jedoch feuerhemmende Bauteile, haben. Brandwände sind nach Art. 28 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 8 BayBO grundsätzlich durchgehend und öffnungslos zu errichten. Stoßen Gebäude, wie hier das des Beigeladenen (Flurnummer …) und das der Kläger (Flurnummer …, nordwestlich an das Beigeladenengebäude angrenzend), über Eck zusammen und müssen sie wie hier wegen des direkten Anschlusses durch eine Brandwand getrennt werden, so muss der Abstand der Brandwand von der inneren Ecke, d.h. dort, wo sich die Linien der Außenwände kreuzen, gemäß Art. 28 Abs. 6 Halbs. 1 BayBO grundsätzlich mindestens fünf Meter betragen. Dies gilt allerdings nach Art. 28 Abs. 6 Halbs. 2 BayBO nicht, wenn bei Gebäuden der Gebäudeklassen 1 bis 4 mindestens eine Außenwand auf fünf Metern Länge als öffnungslose hochfeuerhemmende Wand ausgebildet ist.
Die Voraussetzung des Art. 28 Abs. 6 BayBO war für das Vorhaben des Beigeladenen im ersten Obergeschoss nicht erfüllt, da dessen Gebäudeabschlusswand zum nordwestlich angrenzenden klägerischen Gebäude auf der Flurnummer … sich nicht fünf Meter entfernt von der inneren Ecke, die beide Gebäude bilden, befindet (Art. 28 Abs. 6 Halbs. 1 BayBO) und die alternative öffnungslose, hochfeuerhemmende Außenwand von fünf Metern (Art. 28 Abs. 6 Halbs. 2 BayBO) durch die zwei am nördlichsten liegenden Fensteröffnungen im ersten Obergeschoss auf der Nordostseite durchbrochen ist.
Die diesbezüglich beantragte Abweichung von Art. 28 Abs. 6 BayBO (in Nr. 26.1 des dem Antrag auf Baugenehmigung beigefügten Brandschutznachweises des Architekturbüros … vom 7. März 2016) wurde im Tenor der angegriffenen Baugenehmigung vom 15. Dezember 2016 nicht behandelt. Unter Ziffer II. der Baugenehmigung wurden, neben Abweichungen von den Abstandsflächen, lediglich die ebenfalls beantragten Abweichungen von Art. 28 Abs. 8 BayBO und Art. 32 Abs. 4 BayBO erteilt. Im Begründungsteil der Baugenehmigung (ab S. 5) wird unter c) zu den beantragten Abweichungen nach Art. 28 Abs. 6 BayBO ausgeführt, dass bereits in einem früheren Genehmigungsverfahren in den Jahren 1988/1989 für eine Nutzung des Gebäudes als Asylbewerberunterkunft für das jeweils am nördlichsten liegende Fenster der nordöstlichen sowie der südwestlichen Außenwand im Erdgeschoss und im Obergeschoss brandschutzrechtliche Auflagen gemacht worden seien, nämlich dass diese in Brandwandqualität zu schließen seien. Insofern sei davon auszugehen, dass bereits eine brandschutzkonforme Anpassung des Gebäudes erfolgt sei. Daher würden weitergehende Anforderungen nicht für erforderlich gehalten und seien keine zusätzlichen Abweichungen erteilt worden. Im Übrigen werde auf die Nebenbestimmungen zum Brandschutz verwiesen, die unter anderem verlangen, dass, sollte die jeweils nördlichste Fensteröffnung noch nicht in Brandwandqualität hergestellt worden sein, dies bis Nutzungsbeginn des Gebäudes nachzuholen ist (S. 3 der Baugenehmigung).
Damit bleibt die beantragte Abweichung in Nr. 26.1 des Brandschutznachweises hinsichtlich eines Teils des Schlafzimmerfensters im ersten Obergeschoss auf der Nordostseite des Vorhabengebäudes, welches sich südlich an das am nördlichsten gelegene Fenster des Kinderzimmers anschließt, in Tenor und Begründung der Baugenehmigung völlig offen. Im mit Genehmigungsvermerk der Beklagten vom 15. Dezember 2016 („Baurechtlich genehmigt“) versehenen Tekturplan mit Grundrissen und einem Gebäudeschnitt, der laut Ziffer IV. 2. der Baugenehmigung vom 15. Dezember 2016 deren Bestandteil ist, sind sowohl das Kinderzimmerfenster als auch das Schlafzimmerfenster als Öffnung eingezeichnet. Insoweit ist die Baugenehmigung unbestimmt und widersprüchlich, weil sie nicht eindeutig erkennen lässt, ob und gegebenenfalls inwieweit das besagte Schlafzimmerfenster als Abweichung von Art. 28 Abs. 6 BayBO zugelassen wird oder nicht und sich überdies der Textteil der Baugenehmigung und der in Bezug genommene Tekturplan teils widersprechen. Für die Kläger ist diesbezüglich nicht erkennbar, ob und inwieweit sie in dem brandschutzrechtlichen Belang einer öffnungslos auszubildenden, hochfeuerhemmenden Wand im Sinne des Art. 28 Abs. 6 Halbs. 2 BayBO betroffen sind. Die Norm dient auch dem Nachbarschutz, weil sie das Überspringen eines Feuers auf den im Winkel angebauten Gebäudeteil verhindern soll (vgl. Kühnel/Gollwitzer in Simon/Busse, BayBO, 135. EL Dezember 2019, Art. 28 Rn. 100). Damit ist die Baugenehmigung hinsichtlich eines nachbarrechtlich relevanten Merkmals entgegen Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG zu unbestimmt, verletzt die Kläger in eigenen Rechten und ist rechtswidrig (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie ist im Ganzen aufzuheben, da sich der unbestimmte Teil nicht derart von der restlichen Baugenehmigung abtrennen lässt, dass eine sinnvolle und vom Beigeladenen auch so gewollte Restgenehmigung verbliebe, schon weil über die von ihm gewünschte Abweichung überhaupt nicht entschieden wurde (vgl. BayVGH, B.v. 7.8.2012 – 15 CS 12.1147 – juris Rn. 14: In aller Regel keine Teilaufhebung bei Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften; s.a. W.-R. Schenke/R.P. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 113 Rn. 16).
b)
Im Übrigen ist die Erteilung einer Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO vom Grundsatz der öffnungslosen Brandwand aus Art. 28 Abs. 8 Satz 1 BayBO in Ziffer II. der Baugenehmigung vom 15. Dezember 2016 rechtswidrig.
Beantragte Abweichungen im Sinne des Art. 63 Abs. 1 sind gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO Teil des Prüfungsumfangs auch im hier, mangels Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 BayBO, einschlägigen vereinfachten Baugenehmigungsverfahren. Der Beigeladene hat mit Nr. 26.2 des dem Antrag auf Baugenehmigung beigefügten Brandschutznachweises des Architekturbüros … vom 7. März 2016 u.a. Abweichungen von Art. 28 Abs. 8 BayBO wegen der bestehenden Fensteröffnungen und Dachgauben in Richtung des klägerischen Grundstücks mit der Flurnummer … beantragt.
Nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von den Anforderungen der BayBO zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Satz 1 BayBO vereinbar sind. Die Zulassung steht im pflichtgemäßen Ermessen der Bauaufsichtsbehörde („kann“), Art. 40 BayVwVfG, das bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO ein intendiertes Ermessen ist (BayVGH, B.v. 8.12.2011 – 15 ZB 11.1882 – juris Rn. 15; Dhom/Simon in Simon/Busse, BayBO, 135. EL Dezember 2019, Art. 63 Rn. 39 m.w.N.). Zweck der Anforderung der öffnungslosen Brandwand aus Art. 28 Abs. 8 Satz 1 BayBO ist, wie ein Blick auf Art. 28 Abs. 1 Alt. 1 BayBO zeigt, die Verhinderung des Übergreifens des Feuers auf die Nachbarbebauung. Art. 28 Abs. 8 BayBO gilt gemäß Art. 28 Abs. 11 BayBO auch, soweit wie hier bei einem Gebäude der Gebäudeklasse 3 (hoch)feuerhemmende Wände gemäß Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und 3 BayBO zulässigerweise an die Stelle einer Brandwand treten dürfen.
aa)
Hinsichtlich des Windfangs im südlichen Abschnitt auf der Nordostseite des Beigeladenengebäudes, welcher eine Öffnung Richtung Süden und eine Tür Richtung Nordosten aufweist und der sich als Teil der Gebäudeabschlusswand innerhalb eines Abstandes von weniger als 2,50 Metern zur Grundstücksgrenze zur Flurnummer … befindet, hat die Beklagte die Abweichung von Art. 28 Abs. 8 BayBO damit begründet, dass der innere Durchgang vom Windfang zum Lager 3,50 Meter von der Nachbargrenze entfernt liege und die bislang vorhandenen zum Lagerraum gehörenden beiden Fensteröffnungen am südlichen Rand der nordöstlichen Außenwand zugemauert würden und sich so insgesamt eine wesentliche Verbesserung ergebe.
Diese Begründung untergewichtet ermessensfehlerhaft den nachbarschützenden Zweck des Art. 28 Abs. 8 BayBO, indem sie keine herausgehobenen öffentlichen oder privaten Belange des Bauordnungs- und des Bauplanungsrechts anführt, die eine Zurückstellung des drittschützenden Ziels der öffnungslosen Brandwand rechtfertigen könnten (vgl. BayVGH, B.v. 19.7.2016 – 9 CS 15.336 – NVwZ-RR 2017, 87 Rn. 21; Dhom/Simon in Simon/Busse, BayBO, 135. EL Dezember 2019, Art. 63 Rn. 34). Der Schluss der beiden zum Lager gehörenden südlichen Fensteröffnungen ändert nichts daran, dass die Tür des Windfangs eine Öffnung innerhalb der Brandwand bleibt und diese somit im Brandfalle nur eingeschränkt den Übergriff auf das dem Windfang gegenüberliegende Nebengebäude verhindern kann. Insofern ist auch unbeachtlich, dass der innere Durchgang vom Windfang zum Lager 3,50 Meter von der Nachbargrenze entfern liegen mag, weil der innere Durchgang nicht die Gebäudeabschlusswand im Sinne des Art. 28 BayBO ist. Soweit die Beklagte darauf rekurriert, dass das Nebengebäude nach heutigen Anforderungen materiell-rechtlich mit Blick auf Art. 6 BayBO selbst nicht zulässig wäre, wird nicht berücksichtigt, dass die nähere Umgebung (s. die Flurnummern …, …, …, …) durch eine regellose Bebauung hinsichtlich der Abstandsflächen geprägt ist und daher Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO einschlägig sein könnte, der ein Zurücktreten des Abstandsflächenrechts gegenüber dem Bauplanungsrecht vorsieht (vgl. BayVGH, U.v. 25.11.2013 – 9 B 09.952 – juris Rn. 47 noch zu Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO 1998; Schönfeld in Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, 14. Edition 1.11.2019, Art. 6 BayBO Rn. 61). Dies hätte seitens der Beklagten zumindest erwogen werden müssen.
bb)
Hinsichtlich der beiden südlichsten Fensteröffnungen auf der Nordostseite im ersten Obergeschoss, für die – und nicht für die übrigen drei, nördlich davon gelegenen Fenster – ebenfalls eine Abweichung von Art. 28 Abs. 8 BayBO durch den Beigeladenen beantragt war, hat die Beklagte ausgeführt, dass diese unverändert erhalten blieben. Dies sei brandschutzrechtlich hinnehmbar, weil auf dem Nachbargrundstück, Flurnummer …, wegen des Abstandsflächenrechts nur maximal ein eingeschossiges Gebäude mit maximal drei Meter (im Mittel) hohen Wänden errichtet werden könne.
Die Begründung der Zulassung der Abweichung enthält nicht die, wie unter 2. b) aa) ausgeführt, erforderlichen herausgehobenen öffentlichen oder privaten baurechtlichen Belange, die eine Zurückstellung des drittschützenden Ziels der öffnungslosen Brandwand rechtfertigen könnten. Im Übrigen gilt wie oben, dass durch die Beklagte ein mögliches Eingreifen des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO nicht berücksichtigt und demnach fälschlicherweise angenommen wurde, dass den Fensteröffnungen des Beigeladenengebäudes gegenüber liegend auf dem Nachbargrundstück, Flurnummer …, nur ein im Mittel drei Meter hohes Gebäude errichtet werden könne. Davon abgesehen wäre, wenn man die Annahme der Beklagten als richtig unterstellte, dass auf dem Nachbargrundstück ein maximal einstöckiges Gebäude bauordnungsrechtlich zulässig wäre und sich demnach im ersten Obergeschoss keine Öffnungen auf gleicher Höhe gegenüberlägen, der nachbarschützende Umfang des Erfordernisses einer Brandwand nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayBO nicht zutreffend erfasst. Die Regelung macht das Erfordernis einer Brandwand vom Abstand des Gebäudes von der Grundstücksgrenze abhängig (Bau an der oder im Abstand von weniger als 2,50 Meter zur Grundstücksgrenze) und sieht eine Ausnahme vor, wenn ein Abstand von mindestens fünf Metern zu bestehenden oder nach den baurechtlichen Vorschriften zulässigen künftigen Gebäuden gesichert ist. Die jeweilige Gebäudehöhe ist dabei nicht relevant, was sich insofern in den Regelungszweck einpasst, als die Gefahr eines Brandüberschlags nicht automatisch geringer wird, nur weil das Nachbargebäude niedriger ist. Da im Rahmen der Prüfung zur Zulassung einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO der Zweck der Anforderung, von der abgewichen werden soll, und die öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange zu berücksichtigen sind, ist die zutreffende Erfassung von Sinn und Zweck und Reichweite des nachbarschützenden Art. 28 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 8, Abs. 11 BayBO für eine rechtmäßige Abweichungserteilung erforderlich. An dieser fehlt es aber, selbst wenn man die Vorannahme der Beklagten hinsichtlich der zulässigen Gebäudehöhe eines potentiellen Nachbargebäudes als richtig zu Grunde legt.
cc)
Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus Bestandsschutzerwägungen. Die letzte genehmigte Nutzung des streitgegenständlichen Gebäudes erfolgte durch die bauaufsichtliche Genehmigung der Beklagten vom 14. August 2000 als Asylbewerberunterkunft. Da diese bis 31. August 2002 befristet war, kann aus ihr kein Bestandsschutz hinsichtlich der mit der angegriffenen Baugenehmigung vom 15. Dezember 2016 gestatteten Wohnnutzung mit Lagerräumen und den hierzu erforderlichen Umbauten folgen (Decker in Simon/Busse, BayBO, 135. EL Dezember 2019, Art. 76 Rn. 119). Überdies läge bei einem Übergang von einer temporären Nutzung als Asylbewerberunterkunft zu einer dauerhaften Wohnnutzung eine genehmigungspflichtige, den Bestandsschutz durchbrechende Nutzungsänderung vor, nicht zuletzt ist eine Asylbewerberunterkunft keine Wohnung, sondern eine Anlage für soziale Zwecke. Gleiches gilt für die zeitlich früher liegenden, ebenfalls befristeten Zulassungen für eine Nutzung als Asylbewerberunterkunft (Zustimmungsbescheid der Regierung … vom 8. November 1988: Befristung bis 31. August 1991 und vom 16. Februar 1994: Befristung bis 31. August 1996). Hinsichtlich der noch weiter zurückliegenden Nutzungen von 1980-1982 durch das Fernmeldeamt 3 … mit etwa 23 Beschäftigten und von 1974-1979 durch das Arbeitsamt … mit etwa 26 Beschäftigten und bis zum Jahr 1961 durch die Firma … (später …) als Büro, Setzerei und Druckerei kann sich schon wegen der damaligen handwerklichen bzw. gewerblichen und der verwaltungsmäßigen Nutzung kein Bestandsschutz des Gebäudes hin auf eine Wohnnutzung ergeben (s. zum Wegfall des Bestandsschutzes bei Nutzungs- und Funktionsänderungen Engel/Swist, VBlBW 2017, 441, 446 f.).
dd)
Da die erteilte rechtswidrige Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO hier zusammen mit der Baugenehmigung vom 15. Dezember 2016 ergangen ist, zählt sie, obgleich sie wegen ihres eigenständigen Regelungsgehalts (im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren) grundsätzlich als Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG einzuordnen ist, als Teil der Baugenehmigung (Dhom/Simon in Simon/Busse, BayBO, 135. EL Dezember 2019, Art. 63 BayBO Rn. 58; a.A. Weinmann in Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, 14. Edition 1.3.2020, Art. 63 BayBO Rn. 64, 64.1). Insoweit geht mit der Rechtswidrigkeit der zugelassenen Abweichung die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung als Ganzes einher. Die Abweichung lässt sich auch nicht derart von der übrigen Baugenehmigung abgrenzen, dass ohne sie eine sinnvolle und rechtmäßige Restgenehmigung verbliebe.
c)
Nach alldem ist die dem Beigeladenen durch die Beklagte erteilte Baugenehmigung vom 15. Dezember 2016 aus den unter 2. a) und b) ausgeführten Gründen rechtswidrig und verletzt die Kläger in den drittschützenden Rechten aus Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG i.V.m. Art. 28 Abs. 6 BayBO und Art. 28 Abs. 8 BayBO (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. Weitere Kosten können dem Beigeladenen gemäß § 154 Abs. 3 VwGO nicht auferlegt werden, da er keine Anträge gestellt hat.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des aktuellen Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Bei dem streitgegenständlichen Vorhaben handelt es sich einerseits um ein Mehrfamilienhaus – geplant war ein Gebäudeumbau für künftig fünf Wohnungen sowie Lagerräume -, andererseits geht es nicht um einen Neu-, sondern einen Umbau. Angemessen erscheint daher ein Betrag oberhalb der Untergrenze des Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (7.500,00 EUR), aber mit gebührendem Abstand zum Höchstbetrag (15.000,00 EUR). Dass auf Klägerseite zwei Personen stehen, führt nach Nr. 1.1.3 nicht zu einer Erhöhung des Streitwerts, da die Kläger nur eine Maßnahme, die Baugenehmigung, als Rechtsgemeinschaft bekämpfen.