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Mangelhafte Bauplanung Architekt – Schadensersatz

LG Frankfurt – Az.: 2-32 O 87/14 – Urteil vom 30.05.2018

Der Klageantrag ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt der mangelhaften Bauplanung aus einem zwischen der … und der Beklagten geschlossenen Architektenvertrag vom 30.03.2012.

Die Klägerin schloss mit der … am 24.01.2012 (im Folgenden: …) einen Vertrag über die Konzeptionsentwicklung, Architektenplanung, Planung der technischen Ausrüstung, Statik, Ausschreibung, Projektmanagement und Vermietung des ersten Bauabschnitts des sog. ….., einem Logistikpark in … . Dieser Logistikpark sollte auf dem im Bebauungsplan „…..“ vom 01.12.2003 ausgewiesenen und im Eigentum der Klägerin stehenden Flurstück … in zwei Bauabschnitten errichtet werden.

Bereits vor Abschluss des eingangs erwähnten Architektenvertrags vom 30.03.2012 war die Beklagte in das Projekt insofern eingebunden, als sie eine Vorplanung erstellt hatte. Außerdem wurde von ihrer Seite bereits mit Schreiben vom 04.01.2012 an … die Bitte gerichtet, verschiedene, die weitere Planung erforderliche Grund- und Unterlagen zu beschaffen. So forderte die Beklagte unter anderem Höhenpläne für Gelände, Straßen und Kanäle an. Auf diese Anfrage übersandten die Stadtwerke … – vermittelt über den zusätzlich eingeschalteten Projektsteuerer … – der Beklagten am 17.01.2012 die Planauszüge der Versorgungsnetze für den Baubereich und ferner den Kanalplan der Stadt … . Außerdem wurden durch die Stadtwerke … in einen auf den 12.01.2012 datierenden Lageplan – auf entsprechende Anfrage seitens der Beklagten – die Erschließungstrassen für Medien, Wasser, Strom etc. eingezeichnet. Eine vorhandene, tatsächlich quer über das Baufeld verlaufende Telekommunikationsleitung fand dabei keine Erwähnung.

Bereits im Jahre 2011 war in dem Baugebiet eine Straße nebst Gehweg angelegt, in der Nähe befand sich ein Baumarkt und auch die Grundstücke rechts und links des streitgegenständlichen Baugrundstücks waren bereits bebaut. Das Baugrundstück selbst war ebenfalls bereits erschlossen. Bei einer ersten Begehung des Baugrundstücks am 24.03.2011 seitens der Beklagten war das Grundstück noch landwirtschaftlich genutzt und zu diesem Zeitpunkt frisch eingesät.

Für den ersten Bauabschnitt hatte … die … (im Folgenden: …) als Mieterin akquiriert. Die Klägerin und die … schlossen auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt bereits von … und der Beklagten entwickelten Konzeption am 27.11.2011/18.01.2012 einen Mietvertrag über die noch zu errichtende Immobilie. Als Mietbeginn der insbesondere für Lagerung, Büros und Verkaufsflächen vorgesehenen Gebäudeteile war der 01.03.2013 vorgesehen.

Am 30.03.2012 schlossen … und die Beklagte einen Architektenvertrag, mit welchem sich die Beklagte zu Architektenleistungen in Bezug auf den ersten und zweiten Bauabschnitt für den Neubau des ….. in … verpflichtete. Unter § 1 Nr. 1.1 des Vertrages heißt es u.a.: „Dem Auftragnehmer sind Grundstückslage, Erschließungs- und Verkehrssituation sowie das Baurecht für dieses Projekt bekannt.“ Mit § 2 des Vertrages wurde unter der Überschrift „Leistungen des Architekten und Honorarvereinbarungen“ mit Nr. 1 Folgendes vereinbart: „Dem Architekten werden alle Architektenleistungen in Auftrag gegeben, die zur Erteilung einer Baugenehmigung für die in § 1 genannte Bauaufgabe erforderlich sind. Insbesondere werden dem Architekten die Grund- und Besonderen Leistungen folgender Leistungsphasen nach HOAI § 15 in Auftrag gegeben: 1. GRUNDLAGENERMITTLUNG Ermittlung der Voraussetzungen zur Lösung der Bauaufgabe durch die Planung. 3%“ Nedben der Leistungsphase 1 wurden auch die Leistungsphasen 2 bis 4, mit einem Prozentsatz von insgesamt 27%, sowie mit § 2 Nr. 2 des Vertrages die Leistungsphasen 5 bis 8 mit einem Prozentsatz von insgesamt 15% beauftragt.

Mit Datum vom 13.07.2012 wurde die Arbeitsgemeinschaft … (im Folgenden: …), bestehend aus der … und der …, von der Klägerin mit der Ausführung schlüsselfertiger Generalunternehmerleistungen für Gebäude, Freiflächen und Haustechnik beauftragt. Bei der seitens der … zwecks Einrichtung eines Baustellentelefons gestellten Anfrage vom 07.08.2012 gegenüber der … informierte diese am 17.08.2012 über eine quer über das Baufeld verlaufende Telekommunikationsleitung und untersagte mit E-Mail vom 21.08.2012 Tiefbauarbeiten auf dem Baufeld.

Diese seit dem Jahre 1997 liegende Telekommunikationsleitung, die damals mit Zustimmung seitens der zuständigen Behörden verlegt worden war, war weder als Baulast im Baulastenregister noch als Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen, weshalb die hierauf bezogene Recherche der Beklagten nicht zum Erkennen dieser Telekomleitung geführt hatte. Ferner waren die Leitungen – anders als sich dies aus einer von der Klägerin beauftragten und dem Planungsbüro … mit Datum vom 19.03.1998 erstellten städtebaulichen Bestandsaufnahme ergibt – nicht im Bebauungsplan des streitgegenständlichen Grundstücks verzeichnet. Im Bebauungsplan heißt es in Bezug auf „Führung von Versorgungsleitungen“ unter Ziff. 5.5 lediglich: „Die Verlegung von Versorgungsleitungen, insbesondere von Telefonleitungen, darf im gesamten Geltungsbereich nur unterirdisch erfolgen.“

mangelhafte Bauplanung Architekt – Schadensersatz
(Symbolfoto: Von Rawpixel.com/Shutterstock.com)

Da die Telekomtrasse wegen ihrer geringen Verlegungstiefe und der Sensibilität der Leitungen nicht überbaut werden konnte, wurde die Leitung schließlich umgelegt. Hätte die Beklagte auf das Vorhandensein der Trasse – nach entsprechender Nachfrage bei der Telekom – hingewiesen, hätte die Verlegung noch vor der geplanten Überbauung stattfinden können. Zu einer Verzögerung des Bauvorhabens wäre es in diesem Fall nicht gekommen. Da die Telekomtrasse jedoch erst im August 2012 entdeckt worden war, konnte das Objekt nicht zu dem mit der … vereinbarten Mietbeginn fertiggestellt werden.

Den sich aus der Verzögerung des Einzugs ergebenden Schaden bezifferte … mit anwaltlichem Schriftsatz vom 01.02.2013 gegenüber der Klägerin auf einen vorläufigen Betrag von 543.250,– Euro. Darüber hinaus unterbreitete die … der Klägerin wegen der infolge der Umverlegung der Telekomtrasse, aber auch wegen weiterer Aspekte, wie beispielsweise der verzögerten Planprüfung und Planfreigabe, eingetretenen Bauverzögerung mit Schreiben vom 06.11.2013 ein Nachtragsangebot über einen Betrag von 654.655,18 Euro.

Die Klägerin verglich sich zur Vermeidung hoher Gerichts- und Sachverständigenkosten sowie Zinszahlungen mit der … auf die Zahlung eines Betrags von 405.000,– Euro und mit … auf die Zahlung eines Betrags von 335.000,– Euro.

In einer als Abtretungsvereinbarung bezeichneten Vereinbarung vom 17.07./24.08.2014 haben die Klägerin und … u.a. festgehalten, dass … für den Fall, dass sie gegenüber der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet wäre, bei seinen Subunternehmern Regress nehmen würde. Dies vorweg geschickt vereinbarten die Klägerin und …, dass die Klägerin „einen oder mehrere Subunternehmer“ … auf Erstattung des ihr infolge der Telekommunikationsleitung entstandenen Schadens in Anspruch nehmen wird. Unter Bezugnahme auf diese Vereinbarung vom 17.07./24.08.2014 schlossen … und die Klägerin eine erneute Abtretungsvereinbarung unter dem 28.04./07.05.2015, die seitens … von … unterzeichnet ist, während die Annahme der Abtretung von Seiten der Klägerin durch den Bürgermeister, den Dezernenten der Stadtwerke, den Werkleiter und den technischen Leiter gezeichnet wurde. In dieser Vereinbarung trat … „nochmals sämtliche Ansprüche, Rechte und Forderungen – gleich aus welchem Rechtsgrund, die ihr aus dem Architektenvertrag zwischen der … und dem … vom 30.03.2012 entstanden sind, an die Stadt …, vertreten durch den Magistrat, dieser vertreten durch die Werkleitung, … ab.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte zur Abklärung von im Baufeld verlegten Kommunikationsleitungen verpflichtet gewesen sei. Dies ergebe sich nach Auffassung der Klägerin bereits aus § 1 Nr. 1.1 des Vertrages, mit welcher sie zugesichert habe, dass ihr die Grundstückslage, Erschließungs- und Verkehrssituation sowie das Baurecht des Projekts bekannt seien, was als zugesicherte Eigenschaft zu qualifizieren sei. Des Weiteren habe sie gegen ihre aus der Verpflichtung zur Grundlagenermittlung, § 2 Nr. 1 des Vertrags bzw. § 33 Nr. 1 HOAI aF, resultierende Pflicht verstoßen; die Beklagte hätte in dem bebauten Gebiet mit dem Vorhandensein von Kanälen, Leitungen und Kabeln rechnen müssen. Die Frage der Bebaubarkeit des Baugrunds sei eine der wesentlichen Aufgaben des Architekten.

Die Klägerin behauptet, dass es sich bei dem Grundstück auch um eine Wegeparzelle gehandelt habe.

Die Klägerin stellt eine genaue Kenntnis über den Verlauf des hier streitgegenständlichen Telekomkabels in Abrede und ist der Meinung, dass sie diese Kenntnis auch nicht haben musste, da es für diese Fälle keine über 10 Jahre hinausgehenden Aufbewahrungsfristen gebe und die Stadt kein „Kataster“ über diese Leitungen führe, sondern lediglich der jeweilige Versorgungsunternehmer.

Die Klägerin meint, dass die von ihr im Verhältnis zu … und der … beglichenen Zahlungen als Schadenssumme zu qualifizieren sind.

Die Klägerin hat zuletzt aus abgetretenem Recht beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 740.000,– Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Grundlagenermittlung in Leistungsphase 1 fehlerfrei ausgeführt zu haben. Dabei ist sie der Ansicht, dass sie lediglich für Architektenleistungen, die bis „zur Erteilung der Baugenehmigung für die in § 1 genannten Bauaufgabe erforderlich sind“, beauftragt gewesen sei. Sie habe nicht die Verantwortung für die Baudurchführung getragen; diese sei im Wesentlichen dem Projektsteuerer vorbehalten gewesen. Außerdem meint sie, alle erforderlichen Untersuchungen zur Feststellung von Bauhindernissen angestellt zu haben, nämlich durch Recherche im Grundbuch und im Baulastenregister. Ferner verweist sie darauf, dass sich aus den von den Stadtwerken … übersandten Versorgungsleitungen keine Informationen zu einer Telekomleitung ergeben. Des Weiteren führt sie an, dass auch das Gutachten des Geologen … vom 10.02.2012 über die Baugrundbeurteilung und Gründungsberatung – was zutreffend ist – keine Erkenntnisse zu einer Telekomleitung erbracht habe.

Die Beklagte ist darüber hinaus der Meinung, dass es einen gravierenden Fehler im Rechtsfestsetzungsverfahren des Bebauungsplans darstelle, dass die Leitung im Rahmen des Umlegungsverfahrens trotz Kenntnis ihrer Existenz seitens der Klägerin nicht vermerkt und nicht vorab verlegt worden bzw. nachrichtlich in den Bebauungsplan aufgenommen worden sei. Außerdem habe die Klägerin pflichtwidrig – trotz Kenntnis der Existenz der Leitung – trotz Anfrage der Beklagten nach irgendwelchen verlegten Leitungen diese nicht preisgegeben.

Schließlich meint sie, dass sich ihr bei einem Feldweg, bei dem es sich nicht um eine öffentliche Straße handele, nicht das Vorhandensein von Versorgungsleitungen hätte aufdrängen müssen. Außerdem weist sie darauf hin, dass die Telekom nach der Freigabe des Markts für die Verlegung von öffentlichen Telefonleitungen nur einer der am Markt auftretenden Marktteilnehmer sei.

Die Beklagte wirft der Klägerin einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vor, weil sie einen verbindlichen Übergabetermin der Mietsache mit .. vereinbart habe. Ferner rügt die Beklagte, dass erst drei Monate nach Kenntnis des Problems die Entscheidung getroffen worden sei, die Leitung in vorhandene Leerrohre zu verlegen, was etwas mehr als drei Wochen gedauert hätte. Die Zeit von drei Monaten – so die Beklagte weiter – hätte eingespart werden können, so dass es nicht zu einer Verzögerung gekommen wäre.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Das Gericht hat gemäß Beschluss vom 09.12.2015 (Bl. 319 ff. d. A.) durch Vernehmung der Zeugin … und gemäß Anordnung vom 11.03.2016 (Bl. 416 ff. d. A.) durch Vernehmung der Zeugen … und … Beweis erhoben. Des Weiteren hat das Gericht gemäß Beschluss vom 26.04.206 (Bl. 437 ff. d. A.) durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis erhoben; auf das Gutachten der Sachverständigen … vom 18.07.2017 wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist – nachdem der Wechsel des Anspruchsgrunds als sachdienliche Klageänderung gemäß § 263 ZPO zu qualifizieren ist – zulässig und dem Grunde nach begründet. Da der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nach Grund und Höhe streitig ist und bei alledem ein Anspruch in irgendeiner Höhe infolge der spät erkannten Notwendigkeit der Verlegung der Telekomtrasse zumindest hinreichend wahrscheinlich und jedenfalls in Bezug auf die gegenüber … beglichenen Schadensersatzleistung substantiiert dargelegt ist (vgl. Zöller/Feskorn, ZPO, 32. Auflage, § 304 Rn. 7), ist der Erlass eines Grundurteils gemäß § 304 Abs. 1 ZPO gerechtfertigt.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte, die als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (teil-)rechtsfähig ist und damit taugliche Anspruchsgegnerin sein kann, aus abgetretenem Recht dem Grunde nach wegen der Verletzung einer aus dem mit … abgeschlossenen Architektenvertrag resultierenden Pflicht einen Anspruch aus §§ 634 Nr. 4, 281 Abs. 1 und Abs. 2 BGB.

I. Die Klägerin hat aufgrund der Abtretungsvereinbarung vom 28.04./07.05.2015 iVm. der dort in Bezug genommenen Abtretungsvereinbarung vom 17.07./24.08.2014 den im Verhältnis zwischen … und der Beklagten bestehenden Schadensersatzanspruch aufgrund der hier streitgegenständlichen Verletzung einer Vertragspflicht wirksam erworben.

Die Abtretung des Anspruchs durch …, die aufgrund des Schadensersatzanspruchs der Klägerin ihrerseits mit einer Verbindlichkeit belastet waren, war wirksam, insbesondere ist die Abtretungserklärung spätestens mit der in der Vereinbarung vom 28.04./07.05.2015 gewählten Formulierung, wonach „sämtliche Ansprüche, Rechte und Forderungen“ im Verhältnis zu der Beklagten, gleich aus welchem Rechtsgrund, hinreichend bestimmt. Keinen Bedenken begegnet schließlich die Wirksamkeit der Annahme der Abtretung, zumal die Klägerin jedenfalls durch die Unterzeichnung der drei Betriebsleiter (Stadtrat, Werkleiter und technischer Leiter) gemäß § 3 Abs. 1 Eigenbetriebsgesetz Hessen iVm. §§ 3, 5 Abs. 1 der Eigenbetriebssatzung für die Stadtwerke … vom 12.05.1998 ordnungsgemäß vertreten war.

II. Mit dem zur Abtretung gelangten Anspruch im Verhältnis … und der Beklagten kann die Klägerin gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch aufgrund der Verletzung einer (Haupt-)Pflicht aus dem (nach damaligen Recht) als Werkvertrag zu qualifizierenden Architektenvertrag gemäß §§ 634 Nr. 4, 281 Abs. 1 und Abs. 2 BGB aF geltend machen.

1.) Die von der Beklagten zu vertretende Pflichtverletzung besteht darin, das Vorhandensein von (nicht überbaubaren) Telekommunikationsleitungen nicht abgeklärt zu haben.

a) Die Pflicht zur Prüfung der Geeignetheit des Baugrunds bei der Objektplanung von Gebäuden stellt sich als Hauptpflicht der Grundlagenermittlung (Leistungsphase 1), mit welcher die Beklagte ausweislich der unter § 2 Nr. 1 des Vertrags getroffenen Honorarvereinbarung, die insofern zur Auslegung des Vertragsinhalts herangezogen wird, beauftragt war, dar (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil v. 05.04.2000 – Aktenzeichen: 13 U 46/98, BeckRS 2000, 30470002). Nicht zu überzeugen vermag insoweit der Einwand der Beklagten, wonach sie – was sich aus § 2 Nr. 1 des Vertrages ergebe – nur für Architektenleistungen hafte, die bis „zur Erteilung einer Baugenehmigung“ beauftragt gewesen seien. Wie sich aus dem Gesamtkontext der Honorarregelung ergibt, dient diese Formulierung im Einleitungssatz unter § 2 Nr. 1 lediglich der Abgrenzung zu den unter § 2 Nr. 2 genannten Leistungsphasen 5 bis 8, die an die Erteilung der Baugenehmigung anschließen. Die Annahme, dass allein mit dieser Formulierung die explizit unter § 2 Nr. 1 formulierte Aufgabe des „Ermittelns der Voraussetzungen zur Lösung der Bauaufgabe durch die Planung“, womit die Klärung der Bebaubarkeit in aller Deutlichkeit umschrieben ist, relativiert werden sollte, ist fernliegend.

Ergibt sich demnach die Verpflichtung zur Klärung des Vorhandenseins von nicht überbaubaren Leitungen bereits aus § 2 Nr. 1 des Architektenvertrags, kommt es nicht darauf an, mit welchen weiteren Leistungen die Beklagte beauftragt war, weshalb die weitere Argumentation der Beklagten, dass nicht ihr, sondern dem Projektsteurer die Verantwortung für die Baudurchführung „im Wesentlichen“ oblegen habe, von vornherein ins Leere geht.

b) Das Gericht verkennt nicht, dass es – wie die Sachverständige … in ihrem schriftlichen Gutachten vom 18.07.2017 aufzeigt (S. 10 des Gutachtens) – Aspekte bei der Frage der Bebaubarkeit des Baugrunds gibt, die generell überprüft werden müssen, dies aber angesichts der Vielzahl der in Betracht kommenden Sachverhalte nicht für sämtliche Gesichtspunkte gilt. Wenngleich eine generelle Prüfungspflicht in Bezug auf die Frage des Vorhandenseins von Telekommunikationsleitungen nicht bejaht werden kann, so gab es gleichwohl konkrete Anhaltspunkte, die die Beklagte zur Abklärung hätte veranlassen müssen.

aa) Eine solche Anlassbezogenheit zur Abklärung des Vorhandenseins von Telekommunikationsleitungen im Baugrund ergibt sich vorliegend – entgegen der Auffassung der Klägerin – zwar weder aus der Tatsache, dass das Grundstück in einem bereits bebauten Gebiet lag noch aus den Hinweisen im Bebauungsplan, dass die Leitungen nur unterirdisch verlegt werden dürfen.

Zweifelsohne ist in einem bebauten Gebiet – gleich welcher Art von Bebauung – davon auszugehen, dass Telekommunikationsleitungen, hier ausweislich des Bebauungsplans unterirdisch verlegte, vorhanden sind; dies sagt aber nichts darüber aus, wo die Leitungen verlegt sind.

bb) Entscheidend ist vielmehr, ob es sich bei dem Baugrundstück um eine – zumindest teilweise – öffentliche Fläche handelte. Denn öffentliche Verkehrsflächen werden, was den Mitarbeitern der Architektenleistung anbietenden Beklagten bekannt sein muss, regelmäßig dafür genutzt, die dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag dienenden Leitungen zu verlegen (vgl. BGH r+s 2006, 256). Fehl geht die pauschale Annahme der Beklagten, dass es sich bei einem „Feldweg“ nicht um eine öffentliche Straße handele. Die Einordnung als öffentliche Straße ist in Abgrenzung zum Privateigentum vorzunehmen, wobei nicht entscheidend ist, dass das Grundstück im Eigentum der Klägerin, also der öffentlichen Hand, stand; maßgeblich ist vielmehr die Widmung des Grundstücks bzw. Teile des Grundstücks (vgl. BGH r+s 2006, 256).

Insoweit ist zu konstatieren, dass unstreitig ein Weg über das Grundstück verlief, unter welchem die Telekommunikationsleitung verlief. Ob dieser Weg gemäß § 4 des Hessischen Straßengesetzes als öffentliche Straße gewidmet war, ist nicht bekannt. Ungeachtet dessen ist das Gericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme überzeugt davon, dass an dem Weg ein Verkehrszeichen stand, was zwar nicht zu einer Widmung der Straße führt, jedoch zumindest den Anschein erweckt, dass es sich bei dem Weg – wenn möglicherweise auch mangels Widmung fehlerhaft – um eine sonstige öffentliche Straße im Sinne von § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Hessisches Straßengesetz handelte.

(1) Soweit es das Vorhandensein eines Verkehrsschilds an dem über das Grundstück verlaufenden Weg im Zeitpunkt der Planung betrifft, hat der Zeuge …, der Mitarbeiter der Klägerin und dort mit den im Eigentum der Stadt stehenden Grundstücken beschäftigt ist, unter Bezugnahme auf von der Klägerin vorgelegte Bilder – namentlich Anlage K 35 –, die die Situation im Zeitpunkt der Auftragserteilung an die Beklagte dokumentieren, nicht nur das Vorhandensein des Wegs bestätigt, sondern auch, dass das dort zu erkennende Verkehrsschild den Beginn dieses landwirtschaftlich genutzten Wegs kennzeichnete.

Der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen … steht insbesondere nicht entgegen, dass die Zeugin …, Mitarbeiterin der Beklagten, in ihrer Aussage angegeben hat, im Rahmen ihrer Besichtigung des Grundstücks im Sommer 2011 weder den Weg noch das Verkehrsschild, die auch nicht auf den ihr bekannten Lichtbildern abgebildet waren, gesehen zu haben. Soweit es die seitens der Beklagten vorgelegten Lichtbilder betrifft, liegt die mangelnde Erkennbarkeit daran, dass sämtliche Lichtbilder – nach eigenem Vortrag der Beklagten – von einem einzigen Standort aus aufgenommen wurden, wobei nicht die gesamte Grundstücksfläche von den Bildern abgedeckt wurde. Dass die Zeugin … den Weg und das Verkehrsschild nicht gesehen hat, ist damit zu erklären, dass auch sie nach eigenem Bekunden nur an einem Punkt des Grundstücks („oben links“ auf dem Bild Bl. 423 d. A.) stand und entlang der Grundstücksgrenze weggefahren ist. Wenn sie sich aber selbst keinen eigenen Eindruck von dem gesamten Grundstück verschafft, indem sie etwa das Grundstück ein Mal umrundet hat, kann dies die Bestätigung durch den Zeugen …, wonach der Beginn des – unstreitig vorhandenen Wegs – durch ein Verkehrsschild gekennzeichnet wurde, nicht entkräften.

(2) War nach alledem jedenfalls von einem objektiven Anschein auszugehen, dass es sich um eine öffentliche Straße handelt, hätte die Beklagte, diese Fläche als öffentliche Fläche behandeln, also entsprechende Erkundigungen zum Vorhandensein von Versorgungsleitungen einholen müssen. Diese Pflicht entfällt auch dann nicht, wenn man davon ausgeht, dass seitens der Beklagten das Vorhandensein dieses Wegs auch im Zeitpunkt des Abschluss des Architektenvertrags im Jahr 2012 nicht positiv bekannt war. Denn zumindest wäre es für sie ohne Weiteres erkennbar gewesen, wenn sie sich insgesamt einen Überblick über das Grundstück verschafft hätte, wozu sie jedenfalls aufgrund ihrer eigenen Erklärung unter § 1 Nr. 1.1. des Architektenvertrags, dass ihr unter anderem die Verkehrssituation des Grundstücks bekannt sei, verpflichtet war.

2.) Die Beklagte dringt weder mit ihrem Einwand, ihrer Pflicht durch verschiedene Recherchen genügt zu haben durch noch lässt der Einwand, Fehler in der Sphäre der Klägerin hätten dazu geführt, dass die Telekommunikationsleitungen nicht bekannt geworden seien, eine Pflichtverletzung der Beklagten entfallen.

a) Soweit die Beklagte darauf verweist, die Telekomleitung sei weder als Dienstbarkeit im Grundbuch noch als Baulast im Baulastenregister eingetragen, verkennt sie, dass – wie dies auch die Sachverständige … in ihrem schriftlichen Gutachten (S. 8 des Gutachtens) nachvollziehbar dargelegt hat – eine Pflicht zur Erfassung der Telekomleitungen als Dienstbarkeit oder als Baulast nicht besteht. Dementsprechend durfte seitens der Beklagten, deren Mitarbeitern dies als Architekten bekannt sein muss, aus der fehlenden Eintragung nicht den Schluss ziehen, dass eine Telekommunikationsleitung auch tatsächlich nicht vorhanden ist.

b) Auch der Hinweis auf das an … gerichtete Schreiben vom 04.01.2012, mit welchem die Beklagte … zur Vorlage von verschiedenen Unterlagen aufforderte, vermag die Beklagte nicht zu exkulpieren. Ausweislich dieses als Anlage B4 vorgelegten Schreibens forderte die Beklagte verschiedene Planungsunterlagen, Gutachten an und wünschte Angaben/Unterlagen zu mieterspezifischen Fragen und zu allgemeinen Objektdaten. Angaben zu Telekommunikationsleitungen begehrte die Beklagte nicht und sie konnte aufgrund dieses Schreibens auch nicht erwarten und darauf vertrauen, dass sie über die konkret gestellten Fragen hinaus weitere Informationen enthält, zumal die Erkundigung zu Versorgungsleitungen eine Hauptpflicht der von … beauftragten Architektenleistung darstellt. Dass auch die auf dieses Schreiben hin übermittelte Auskunft der Stadtwerke …, mit welcher sie die Planauszüge der Versorgungsnetze der Stadtwerke und den Kanalplan vorlegte, keinen Rückschluss auf das Fehlen von Telekommunikationsleitungen zulässt, ergibt sich schon daraus, dass jeder Versorger nur Pläne seiner „eigenen“ Leitungen führt, was nicht zuletzt aus dem Wortlaut der als Anlage B5 vorgelegten E-Mail ersichtlich ist, in welcher die Stadtwerke … von den Planauszügen „unserer“ Versorgungsnetze sprachen.

Wenn der Einwand der Beklagten, die Klägerin habe in Kenntnis der Leitungen diese trotz Anfrage nach „irgendwelchen Leitungen“ nicht preisgegeben, zum Ausdruck bringen möchte, über die Anfrage vom 04.01.2012 hinaus noch eine weitere Anfrage bezogen auf Versorgungsleitungen gestellt zu haben, so ist dies bereits unsubstantiiert. Die Beklagte hätte insoweit darlegen müssen, zu welchem Zeitpunkt und unter welchem Gesichtspunkt eine solche Frage an die Klägerin gestellt worden sein soll und welche Antwort die Beklagte hierauf erhalten hat.

c) Des Weiteren ist der von der Beklagten gezogene Rückschluss, wonach sich auch aus dem Gutachten des Nebenintervenienten … vom 10.02.2012 keine Hinweise auf eine Telekomleitung ergeben, verfehlt. Wie die Sachverständige … im Gutachten vom 18.07.2017 (S. 11 des Gutachtens) nachvollziehbar ausgeführt hat, bezieht sich das vom Geologen … erstellte Gutachten zur Baugrundbeurteilung und Gründungsberatung von vornherein nicht auf die Frage, ob im Boden Telekommunikationsleitungen verlaufen.

d) Ferner verfängt der Einwand der Beklagten, die Telekom, welcher die Leitung gehörte, sei nur einer von mehreren Anbietern am Markt und die Verlegung öffentlicher Telefonleitungen sei freigegeben worden, nicht. Ob dies – hierauf zielt die Argumentation der Beklagten ab – tatsächlich zur Unzumutbarkeit führt, bei allen nunmehr in Betracht kommenden Unternehmen anzufragen, kann dahinstehen. Selbst wenn man infolge der Aufgabe der Monopolstellung der Deutschen Bundespost und der Deutschen Telekom AG als deren Rechtsnachfolgerin eine Verpflichtung der öffentlichen Hand sehen möchte, hinsichtlich öffentlicher Straßen nunmehr eine Übersicht über alle verlegten Versorgungsleitungen zu führen, so kann dies indes nicht für die Jahre gelten, in denen es lediglich einen Anbieter am Markt gab. Dies bedeutet, dass ein Architekt, der seiner Pflicht zur Prüfung der Bebaubarkeit des Grundstücks in diesem Punkt genügen möchte, jedenfalls bei der Telekom Nachfrage zu halten hat. Hätte die Beklagte Rücksprache mit der Telekom gehalten, hätte sie frühzeitig von der hier in Rede stehenden Trasse erfahren.

Aber auch dann, wenn man infolge der Aufgabe der Monopolstellung heute eine (grundsätzliche) Pflicht zur Nachfrage bei der Telekom nicht anerkennen möchte, ist eine Pflichtverletzung der Beklagten zu konstatieren. Angesichts der Tatsache, dass seitens der Beklagten bekannt sein musste, dass die Städte keine Register über die Telekommunikationsleitungen führen und sie daher nicht von einer Kenntnis der Klägerin aus anderen Gründen ausgehen durfte (zur Frage des Mitverschuldens der Klägerin siehe sogleich unter 4.), hätte sie bei der Klägerin konkret nach solchen Leitungen nachfragen bzw. auf die selbst in nur eingeschränkten Umfang vorgenommene Prüfung hinweisen müssen.

e) Letztlich steht der Annahme einer Pflichtverletzung seitens der Beklagten nicht der von ihr behauptete Fehler im Festsetzungsverfahren des Bebauungsplans entgegen.

Denn weder bestand eine Verpflichtung für die Klägerin, eine Leitung bereits Jahre im Voraus lediglich aufgrund der Änderung des Bebauungsplans umzulegen noch bestand für sie die Pflicht, unterirdisch verlegte Leitungen im Bebauungsplan – die Kenntnis der Klägerin unterstellt – aufzunehmen, worauf die Sachverständige … in ihrem Gutachten auf S. 9 zu Recht hinwies.

3.) Dem Schadensersatzanspruch steht dem Grunde nach nicht entgegen, dass der Beklagten vor Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs keine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung gemäß § 281 Abs. 1 BGB gesetzt wurde. Dass die Erfüllung des ihr obliegenden Pflichtenprogramms durch die zufällige Entdeckung der Telekommunikationstrasse seitens der … sinnlos wurde, liegt auf der Hand, weshalb gemäß § 281 Abs. 2 BGB von der Entbehrlichkeit der Fristsetzung ausgegangen werden muss.

4.) Ob und inwieweit von einer Kenntnis seitens der Klägerin von dem Vorhandensein der Telekommunikationsleitung auszugehen ist bzw. ob dies die Pflicht zur ungefragten Offenbarung dieser Leitungen nach sich zog, ist eine Frage des Mitverschuldens der Klägerin im Sinne von § 254 Abs. 1 BGB, die dem Betragsverfahren vorbehalten bleibt (vgl. hierzu BGH NJW 1997, 2234 f.). Dasselbe gilt hinsichtlich des seitens der Beklagten gerügten Verstoßes gegen die die Klägerin treffende Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB.

 

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