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Haftung  Tiefbauunternehmer für Beschädigung Telekommunikationskabel

LG Frankfurt (Oder) – Az.: 31 O 15/16 – Urteil vom 15.09.2016

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.841,21 € nebst Zinsen aus 8.801,21 € in Höhe von 4 % für die Zeit vom 07.10.2014 bis zum 20.11.2014 und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Zeit vom 21.11.2014 bis zum 14.04.2016 sowie aus 8.841,21 € fortan zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 8.841,21 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin ist im Gebiet XXX Netzbetreiberin für u.a. für Strom und Telekommunikation. Sie nimmt die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch wegen der Beschädigung einer Telekommunikationsleitung.

Die Beklagte erbrachte im Zeitraum Oktober 2014 Arbeiten zur Verlegung eines Regenwasserkanals im Bereich XXX/XXX und XXX in XXX. In Vorbereitung der Arbeiten holte die Beklagte bei der Klägerin am 29.07.2014 einen Schachtschein ein. Wegen des von der Klägerin ausgereichten Plans, der eine Lage eines Kabels 3,58 m unterhalb der Straße ausweist, wird auf Anlage K 1 (Bl. 10 d.A.) Bezug genommen, ebenso auf das zugehörige Planübergabeprotokoll (Anlage K 5, Bl. 20 d.A.). Das im Plan eingezeichnete Kabel war im Jahr 2004 verlegt worden.

Haftung  Tiefbauunternehmer für Beschädigung Telekommunikationskabel
(Symbolfoto: Another77/Shutterstock.com)

Am 07.10.2014 beschädigten die Mitarbeiter der Beklagten bei ihren Arbeiten an der fraglichen Stelle die dort befindliche Telekommunikationsleitung. Beim Aushub eines Grabens mittels Baggereinsatzes geriet die Baggerschaufel an das Mantelrohr und die Lichtwellenkabel der Telekommunikationslinie.

Zur Schadensermittlung entsandte die Klägerin am Schadenstag einen Monteur zur Schadensstelle, hierfür begehrt sie Ersatz von Kosten für eine Monteurstunde nebst Fahrzeugeinsatz von insgesamt 77,59 €. Auf den Arbeitszeitnachweis des Monteurs Anlage K 7 (Bl. 25 d.A.) wird Bezug genommen.

Die Klägerin beauftragte ein Fremdunternehmen, und zwar die XXX GmbH, mit Maßnahmen der Schadensbehebung. Die XXX GmbH nahm Schachtarbeiten vor an den nächstgelegenen Muffen des Lichtwellenleitungssystems, sie entfernte das beschädigte Kabel aus dem Mantel, blies ein neues Kabel in den Abschnitt ein, stellte die Verbindungen an den Muffen her und reparierte das Mantelrohr. Für ihre Leistungen stellte die XXX GmbH der Klägerin 9.110,22 € in Rechnung. Auf die Rechnung (Anlage K 6, Bl. 21) und das zugehörige Abrechnungsformular (Anlage K 11, Bl. 59 d.A.) wird Bezug genommen. Die Klägerin nimmt auch wegen dieses Betrags die Beklagte in Regreß.

Die Klägerin begehrt als weitere Schadenspositionen Regiekosten, die sie mit 7,5 % der Nettoreparaturkosten der XXX GmbH von 7.655,65 € bemisst, d.h. mit 574,17 €, eine Wertminderung, die sie mit 6 % der Reparaturkosten von 8.229,83 € (Summe aus Nettokosten XXX GmbH und Regiekosten) bemisst, d.h. mit 493,79 €, sowie Zahlung einer Kostenpauschale von 40,00 €.

Mit Schreiben vom 23.10.2014 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung auf.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 8.841,21 € nebst 4 % Zinsen hieraus vom 07.10.2014 bis 20.11.2014 und weiteren Zinsen von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.11.2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie habe begleitend zu den Baggerarbeiten Handschachtungen durchgeführt und hierbei keine Kabel feststellen können.

Sie habe nur Baggerarbeiten bis zu einer Tiefe von 3 m vorgenommen. Angesichts der Eintragung der Verlegetiefe des Kabels in dem ihr von der Klägerin überlassenen Plan habe sie nicht mit dem Vorhandensein des Kabels im Bereich der Grabungsarbeiten rechnen müssen. Ursächlich für die Beschädigung des Kabels sei die Fehlerhaftigkeit des ihr von der Klägerin überlassenen Plans gewesen.

Der Klägerin sei ein Abzug neu für alt entgegenzuhalten.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist bis auf einen Teil der Zinsforderung begründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz wegen der von Mitarbeitern der Beklagten verursachten Beschädigung der Telekommunikationslinie (Mantel und Lichtwellenkabel) zu gem. §§ 823 Abs. 1, 831 BGB.

Das beschädigte Kabel steht im Eigentum der Klägerin. Gem. § 1006 BGB spricht für die Klägerin die Eigentumsvermutung des Besitzers, § 854 BGB. Als Betreiberin des Netzes, zu dem das betreffende Kabel gehört, ist die Klägerin diejenige, welche das Kabel und die Versorgungsanlagen, zu denen das Kabel gehört, nutzt. Die tatsächliche Nutzung einer Sache gehört zu den Umständen, aus denen nach der Verkehrsauffassung unter Berücksichtigung aller Umstände auf den Besitz geschlossen werden kann. Vorliegend steht der Annahme eines Besitzes der Klägerin an dem Kabel auch nicht entgegen, dass die Grundstücke, in welchen sie verlegt sind, im Eigentum Dritter stehen. Da es sich bei Versorgungsleitungen nämlich regelmäßig um Scheinbestandteile handelt im Sinne von § 95 BGB, nehmen sie an den Rechtsverhältnissen betreffend der Grundstücke, in denen sie verlegt sind, nicht zwingend teil.

Die Beschädigung des Kabels durch die Mitarbeiter der Beklagten erfolgte schuldhaft.

Ein Unternehmen ist, wenn es Tiefbauarbeiten durchführt, verpflichtet, sich vor Durchführung der Arbeiten Gewissheit über die Verlegung von Versorgungsleitungen im Boden zu verschaffen. Gerade bei öffentlichen Verkehrsflächen, die regelmäßig auch zur Verlegung dem öffentlichen Versorgungsauftrag dienender Leitungen dienen, sind wegen der Erfüllung dieser Pflicht hohe Anforderungen zu stellen. Um den unverhältnismäßig großen Gefahren, die durch eine Beschädigung von Strom-, Gas-, Wasser- oder Telefonleitungen hervorgerufen werden können, zu begegnen, ist mit äußerster Vorsicht vor allem bei der Verwendung von Baggern und anderem schweren Arbeitsgerät vorzugehen. So muss sich der betreffende Tiefbauunternehmer regelmäßig bei den zuständigen Versorgungsunternehmen erkundigen, und sich bei verbleibenden Unklarheiten die erforderliche Gewissheit durch andere geeignete Maßnahmen verschaffen, z.B. durch Probebohrungen oder Ausschachtungen von Hand in dem Bereich, den er ausheben will (BGH, Urteil vom 20.12.2005, AZ. VI ZR 33/05).

Gemessen an diesen Anforderungen verletzte die Beklagte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt. Wie der Beklagten aufgrund des von ihr eingeholten Verlegeplans bekannt war, befand sich im Bereich der von ihr ausgeführten Bauarbeiten die Telekommunikationslinie der Klägerin. Dementsprechend wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, die genaue Lage des Kabels z.B. durch Verwendung von Messsystemen zur Kabelortung in Verbindung mit einer Handschachtung zu überprüfen, bevor sie den Bagger für die Erdarbeiten einsetzte.

Es vermöchte die Beklagte auch nicht zu entlasten, wenn – wie sie behauptet – sie nur bis zu einer Tiefe von 3 m gearbeitet hätte, wohingegen die Verlegetiefe des fraglichen Kabels in der Planzeichnung mit 3,58 m vermerkt war; zugleich ergäbe sich aus diesem Umstand auch keine Grundlage für eine Kürzung des Anspruchs der Klägerin wegen eines Mitverschuldens. Mit einer gewissen Ungenauigkeit der Angaben über die Lage von Versorgungskabeln in Verlegeplänen muss gerechnet werden, denn sowohl bei der Verlegung des Kabels als auch bei nachträglichen Veränderungen im Straßenaufbau können gewisse Ungenauigkeiten nicht ausgeschlossen werden. Dementsprechend enthielt das Planübergabeprotokoll, welches die Klägerin der Beklagten überließ, auch den ausdrücklichen – in Fettdruck gehaltenen – Hinweis, dass die in dem Plan eingetragenen Maße nicht verbindlich sein könnten, und dass die Beklagte daher die genaue Tiefe und Lage z.B. durch Suchschlitze festzustellen hätte. Auch handelt es sich bei der hier von der Beklagten beanstandeten Ungenauigkeiten von 58 cm nicht um eine so große Abweichung, als dass die Beklagte mit ihr nicht mehr zu rechnen brauchte, oder der Klägerin wegen einer solchen Abweichung ein Mitverschulden träfe. Eine Abweichung von 58 cm ist angesichts des Einsatzes einer Baggerschaufel für Erdarbeiten keine Größe, bei der nicht eine Beschädigung verlegter Kabel zu besorgen wäre. Auch spricht nichts dafür, dass der Klägerin es hätte bewusst sein müssen, wenn eine Abweichung von 58 cm vorgelegen hätte, und ihr infolgedessen eine entsprechende Hinweispflicht oblegen hätte.

Hinsichtlich der Schadenshöhe können zunächst die Kosten der Fremdreparatur gem. § 287 ZPO geschätzt werden auf den Betrag, den das mit der Reparatur beauftragt gewesene Drittunternehmen der Klägerin in Rechnung stellte. Lässt ein Geschädigter eine beschädigte Sache reparieren und bezahlt er die ihm dafür gestellte Rechnung, so spricht bereits dies dafür, dass die berechneten Kosten auch tatsächlich für die Schadensbehebung erforderlich waren. Jedenfalls wenn – wie hier vorliegend – sich aus der ihm gestellten Rechnung nichts ergibt, dass über die Reparaturarbeiten hinausgehende Arbeiten abgerechnet worden wären, rechtfertigt schon das Eigeninteresse des Geschädigten, keine höheren Ausgaben zu betreiben als nötig, die Annahme der Erforderlichkeit der Kosten. Überdies lässt sich aus dem Abrechnungsformular, welches die Klägerin als Anlage K 11 vorgelegt hat, noch im Einzelnen entnehmen, welche Arbeitsschritte zur Schadensbehebung erforderlich waren, welches Material Verwendung fand, und welche Monteurstunden für die Arbeiten angesetzt wurden. Tatsachen, weshalb an der Richtigkeit der Eintragungen der Anlage 11 Zweifel gerechtfertigt wären, hat die Beklagte nicht vorgetragen.

Dass der Klägerin Eigenkosten in der von ihr abgerechneten Höhe für den Einsatz von einem Monteur für eine Stunde entstanden, begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Es ist vielmehr naheliegend, wenn ein Unternehmen, dem eine Beschädigung seiner Einrichtungen gemeldet wird, einen Monteur zur Schadensstelle schickt, damit dieser sich den Schaden ansehe. Hierfür ist der Einsatz eines Fahrzeugs, wenn sich die Schadensstelle nicht am Ort des Unternehmens befindet, regelmäßig erforderlich.

Der Ansatz von Regiekosten in Höhe von 7,5 % der Schadenssumme ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Im Baubereich ist das Erfordernis von Aufwendungen für Ingenieurleistungen, die der Bauregie dienen, anerkannt. Dementsprechend können auch hier Regiekosten gem. § 287 ZPO angesetzt werden. Der Höhe nach lassen sich die Regiekosten angesichts der von der Klägerin vorgelegten Vereinbarung zwischen dem Bundesminister für Verkehr und den Verbänden der Versorgungswirtschaft, die sich u.a. über Kosten für Arbeiten an Leitungen der öffentlichen Versorgung verhält, schätzen, denn diese Vereinbarung stellt eine hinreichende tatsächliche Grundlage für die gerichtliche Schadensschätzung dar. Die von der Klägerin begehre Regiekostenpauschale liegt unter dem in der genannten Vereinbarung bestimmten Satz.

Für einen Abzug neu für alt, wie ihn die Beklagte vornehmen will, ist nichts ersichtlich. Aus technischer Sicht ist es vielmehr so, dass das Vorhandensein von Reparaturstellen regelmäßig eher zu einer Erhöhung von Ausfallrisiken führt, damit ist gerade bei Lichtwellenleitern, die unter Verwendung von Muffen repariert werden, zu rechnen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 01.10.2012, 5 U 189/11).

Die Nebenforderung der Klägerin wegen Verzugsschadens in pauschalierter Höhe von 40,00 € ergibt sich aus § 288 Abs. 5 BGB. Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus §§ 849, 286 Abs. 3, 288 Abs. 1 BGB. Danach stehen der Klägerin Zinsen in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von 4 % ab dem Tag der Schadensentstehung (§§ 849, 246 BGB) zu aus dem Schadensersatzbetrag, der aus der Wertminderung der Sache folgt (8.801,21 €), nicht aus dem pauschalen Verzugsschaden des § 288 Abs. 5 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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