Übersicht
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Gewährleistungsbürgschaft im Fokus: Rechtliche Wirksamkeit und Risiken verstehen
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- FAQ – Häufige Fragen
- Was ist eine Gewährleistungsbürgschaft im Bauvertrag und welche Funktion hat sie?
- Welche Voraussetzungen müssen für die Wirksamkeit einer Gewährleistungsbürgschaft im Bauvertrag erfüllt sein?
- Welche Risiken bestehen bei der Formulierung einer Sicherungsabrede in Bauverträgen?
- Wie kann man sich gegen die Unwirksamkeit einer Gewährleistungsbürgschaft absichern?
- Welche Konsequenzen hat die Unwirksamkeit einer Sicherungsabrede für die Vertragsparteien?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Die Klägerin verlangte von der Beklagten einen Vorschuss für Mängelbeseitigungskosten aufgrund mangelhafter Bauleistungen.
- Der Fall betrifft eine Gewährleistungsbürgschaft im Kontext eines Bauprojekts, bei dem unterschiedliche Gesellschaften involviert waren.
- Die Schwierigkeiten resultieren aus einer unklaren Vertragsgestaltung und der Frage der Haftung nach einem Gesellschafterwechsel.
- Das Gericht wies die Klage ab und entschied, dass die Klägerin die Kosten des Verfahrens trägt.
- Die Entscheidung basiert auf der Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Bürgschaft nicht erfüllt waren.
- Das Gericht stellte klar, dass die Bürgschaft den rechtlichen Anforderungen nicht entsprach, insbesondere hinsichtlich der Formulierungen und der Bedingungen.
- Die Entscheidung hat zur Folge, dass die Klägerin kein Recht auf den geforderten Vorschuss hat.
- Für zukünftige Verträge wird die Bedeutung einer klaren und eindeutigen Vertragsgestaltung betont, um rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden.
- Das Urteil zeigt auf, wie wichtig es ist, die Anforderungen an Gewährleistungsbürgschaften genau zu beachten, um finanzielle Risiken zu minimieren.
- Unternehmer und Bauherren sollten sich über ihre Verträge im Klaren sein, um mögliche finanzielle Nachteile durch mangelhafte Ausgestaltungen zu verhindern.
Gewährleistungsbürgschaft im Fokus: Rechtliche Wirksamkeit und Risiken verstehen
Die Gewährleistungsbürgschaft ist ein wichtiges Instrument im deutschen Vertragsrecht, das häufig im Bau- und Mietrecht Anwendung findet. Sie dient als Sicherheit für den Gläubiger, falls der Schuldner seinen vertraglichen Pflichten nicht nachkommt. Durch die Bürgschaft verpflichtet sich der Bürge, im Falle eines Ausfalls des Schuldners die geschuldete Leistung zu erbringen. Dies schafft Vertrauen in Vertragsbeziehungen, besonders wenn es um erhebliche finanzielle Transaktionen geht.
Die Wirksamkeit der Sicherungsabrede spielt eine entscheidende Rolle, denn sie bestimmt, unter welchen Bedingungen eine Gewährleistungsbürgschaft rechtlich bindend ist. Ob eine solche Abrede wirksam ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der Formulierung der Bürgschaft, der Transparenz der Vereinbarungen sowie der Ausgestaltung der Sicherheiten. Ein Missverständnis oder eine unklare Regelung kann im schlimmsten Fall zu teuren Rechtsstreitigkeiten führen.
Um die Thematik weiter zu vertiefen, werden im folgenden Abschnitt die Details eines konkreten Falls vorgestellt, in dem die Wirksamkeit einer Gewährleistungsbürgschaft im Mittelpunkt der Diskussion stand.
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Der Fall vor Gericht
Gewährleistungsbürgschaft vor Gericht: Klage auf Vorschuss für Mängelbeseitigung abgewiesen
Die H.-GmbH & Co. KG, vertreten durch ihre Kommanditistin, die J.-AG, erlitt vor dem Landgericht München II eine Niederlage in einem Rechtsstreit um eine Gewährleistungsbürgschaft. Die Klägerin forderte von der beklagten Versicherung einen Vorschuss in Höhe von 17.794,49 Euro für die voraussichtlichen Kosten zur Beseitigung von Mängeln an Balkongeländern einer Eigentumswohnanlage.
Hintergrund des Rechtsstreits
Die H.-GmbH & Co. KG hatte als Bauherrin die R.S. Stahl-Metallbau GmbH mit Schlosserarbeiten für ihr Bauvorhaben „F. Parkvillen“ in B.T. beauftragt. Im Bauvertrag war eine Gewährleistungsbürgschaft vorgesehen, die von der beklagten Versicherung am 28.07.2009 übernommen wurde. Nach der Fertigstellung und dem Verkauf der Wohnungen an Privateigentümer traten Knackgeräusche an den Balkongeländern auf. Die Wohnungseigentümergemeinschaft leitete daraufhin ein selbstständiges Beweisverfahren ein, in dem ein Gutachter die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten auf 55.392,00 Euro netto schätzte.
Kern der richterlichen Entscheidung
Das Gericht wies die Klage vollumfänglich ab. Ausschlaggebend für die Entscheidung war die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede im Bauvertrag zwischen der Klägerin und der Hauptschuldnerin (R.S. Stahl-Metallbau GmbH). Die Richter stützten sich dabei auf die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach eine vom Auftraggeber vorformulierte Sicherungsabrede unwirksam ist, wenn sie den Bürgen unangemessen benachteiligt.
Problematische Vertragsklausel
Im Bauvertrag war formularmäßig vorgegeben, dass die Hauptschuldnerin auf die Einrede der Aufrechnung vollumfänglich verzichten muss – auch für den Fall, dass ihre Gegenforderungen unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind. Das Gericht sah darin eine unangemessene Benachteiligung der Hauptschuldnerin, die zur Unwirksamkeit der gesamten Sicherungsabrede führt.
Auswirkungen der Entscheidung
Durch die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede entstand für die Hauptschuldnerin ein Anspruch auf Rückgabe der Bürgschaftsurkunde. Die Beklagte konnte sich erfolgreich auf diese Einrede berufen, wodurch der Zahlungsanspruch der Klägerin aus der Bürgschaft hinfällig wurde. Das Gericht sah keine Möglichkeit, die Sicherungsabrede teilweise aufrechtzuerhalten oder im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu retten.
Bedeutung für die Vertragsgestaltung
Das Urteil unterstreicht die Wichtigkeit einer sorgfältigen und ausgewogenen Vertragsgestaltung, insbesondere bei der Formulierung von Sicherungsabreden in Bauverträgen. Auftraggeber sollten darauf achten, dass Bürgschaftsklauseln nicht zu weitreichend formuliert werden und die Rechte des Hauptschuldners nicht unverhältnismäßig einschränken. Eine genaue Prüfung der Vertragsunterlagen, einschließlich beigefügter Muster, ist unerlässlich, um spätere rechtliche Komplikationen zu vermeiden.
Prozessuale Aspekte
Bemerkenswert ist, dass das Gericht trotz eines Verzichts der Klägerin auf Tatbestand und Entscheidungsgründe ein vollständig begründetes Urteil erstellte. Die Richter betonten, dass ein solcher Verzicht nicht automatisch als Rechtsmittelverzicht ausgelegt werden kann und daher die Urteilsbegründung erforderlich war.
Die Schlüsselerkenntnisse
Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung ausgewogener Vertragsgestaltung bei Sicherungsabreden in Bauverträgen. Ein formularmäßiger, vollumfänglicher Verzicht auf die Einrede der Aufrechnung benachteiligt den Hauptschuldner unangemessen und führt zur Unwirksamkeit der gesamten Sicherungsabrede. Dies hat weitreichende Folgen, da die Unwirksamkeit nicht durch teilweise Aufrechterhaltung oder ergänzende Vertragsauslegung geheilt werden kann. Auftraggeber müssen daher besonders sorgfältig auf eine faire Gestaltung von Bürgschaftsklauseln achten.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie als Bauherr oder Auftragnehmer mit Gewährleistungsbürgschaften zu tun haben, sollten Sie besonders vorsichtig bei der Vertragsgestaltung sein. Das Urteil zeigt, dass zu weitreichende Klauseln, die einen vollständigen Verzicht auf Einreden fordern, die gesamte Sicherungsabrede unwirksam machen können. Für Sie bedeutet das: Achten Sie darauf, dass Bürgschaftsklauseln fair und ausgewogen formuliert sind. Lassen Sie sich im Zweifelsfall rechtlich beraten, um sicherzustellen, dass Ihre Verträge wirksam sind und Sie im Streitfall abgesichert sind. Eine unklare oder zu einseitige Vertragsgestaltung kann dazu führen, dass Sie im Schadensfall leer ausgehen und keinen Anspruch auf die vereinbarte Sicherheitsleistung haben.
FAQ – Häufige Fragen
Willkommen in unserer FAQ-Rubrik, in der wir Ihnen wertvolle Informationen rund um häufige Fragen im Bauvertragsrecht bieten. Besonders im Kontext der Gewährleistungsbürgschaft im Bauvertrag ist es wichtig, alle relevanten Aspekte zu verstehen, um rechtliche Fallstricke zu vermeiden. Hier finden Sie klare Antworten und praxisnahe Erklärungen, die Ihnen helfen, besser informierte Entscheidungen zu treffen.
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Was ist eine Gewährleistungsbürgschaft im Bauvertrag und welche Funktion hat sie?
- Welche Voraussetzungen müssen für die Wirksamkeit einer Gewährleistungsbürgschaft im Bauvertrag erfüllt sein?
- Welche Risiken bestehen bei der Formulierung einer Sicherungsabrede in Bauverträgen?
- Wie kann man sich gegen die Unwirksamkeit einer Gewährleistungsbürgschaft absichern?
- Welche Konsequenzen hat die Unwirksamkeit einer Sicherungsabrede für die Vertragsparteien?
Was ist eine Gewährleistungsbürgschaft im Bauvertrag und welche Funktion hat sie?
Eine Gewährleistungsbürgschaft ist ein wichtiges Sicherungsinstrument im Baurecht. Sie dient dazu, den Auftraggeber eines Bauprojekts finanziell abzusichern, falls nach der Abnahme des Bauwerks Mängel auftreten.
Funktion der Gewährleistungsbürgschaft
Die Hauptfunktion der Gewährleistungsbürgschaft besteht darin, dem Auftraggeber Zugriff auf finanzielle Mittel zur Mängelbeseitigung zu gewähren, auch wenn der Auftragnehmer (z.B. das Bauunternehmen) dazu nicht mehr in der Lage sein sollte. Stellen Sie sich vor, Sie lassen ein Haus bauen und nach zwei Jahren treten erhebliche Risse in den Wänden auf. Wenn das Bauunternehmen inzwischen insolvent ist, können Sie dank der Gewährleistungsbürgschaft trotzdem die Reparatur finanzieren.
Ablauf und Höhe
In der Praxis stellt ein Dritter (meist eine Bank oder Versicherung) diese Bürgschaft aus. Die Höhe der Bürgschaft beträgt üblicherweise 3-5% der Auftragssumme. Ohne eine solche Bürgschaft darf der Auftraggeber diesen Betrag als Sicherheitseinbehalt von der Schlussrechnung abziehen.
Vorteile für beide Vertragsparteien
Für Sie als Bauherr bietet die Gewährleistungsbürgschaft Sicherheit, dass eventuelle Mängel auch Jahre nach der Fertigstellung noch behoben werden können. Für den Auftragnehmer hat sie den Vorteil, dass er die volle Auftragssumme erhält, ohne dass ein Teil als Sicherheit einbehalten wird. Dies verbessert seine Liquidität.
Laufzeit
Die Laufzeit der Gewährleistungsbürgschaft orientiert sich an der gesetzlichen Gewährleistungsfrist. Bei Verträgen nach der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) beträgt diese 4 Jahre, bei Verträgen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) 5 Jahre.
Wenn Sie als Bauherr oder Auftragnehmer einen Bauvertrag abschließen, sollten Sie die Vereinbarung einer Gewährleistungsbürgschaft in Betracht ziehen. Sie bietet beiden Seiten Vorteile und trägt zu einem reibungsloseren Ablauf des Bauprojekts bei.
Welche Voraussetzungen müssen für die Wirksamkeit einer Gewährleistungsbürgschaft im Bauvertrag erfüllt sein?
Für die Wirksamkeit einer Gewährleistungsbürgschaft im Bauvertrag müssen mehrere rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein:
Korrekte Vertragsgestaltung
Die Sicherungsabrede, die die Gewährleistungsbürgschaft regelt, muss eindeutig und transparent im Bauvertrag formuliert sein. Sie sollte klare Angaben zu Höhe, Dauer und Zweck der Bürgschaft enthalten. Wenn Sie einen Bauvertrag abschließen, achten Sie darauf, dass diese Punkte präzise festgelegt sind.
Angemessenheit der Bürgschaftshöhe
Die Höhe der Gewährleistungsbürgschaft muss angemessen sein und darf den Auftragnehmer nicht unangemessen benachteiligen. In der Regel wird ein Betrag von 3 bis 5 % der Auftragssumme als angemessen angesehen. Stellen Sie sich vor, Sie sind Bauunternehmer: Eine Bürgschaft von 10 % oder mehr könnte als unangemessen hoch und damit unwirksam betrachtet werden.
Zeitliche Begrenzung
Die Laufzeit der Bürgschaft muss klar definiert und auf die gesetzliche oder vertraglich vereinbarte Gewährleistungsfrist begrenzt sein. Bei VOB-Verträgen beträgt diese Frist in der Regel 4 Jahre, bei BGB-Verträgen 5 Jahre. Eine unbefristete Bürgschaft könnte als unwirksam angesehen werden.
Keine unangemessene Benachteiligung
Die Klauseln zur Gewährleistungsbürgschaft dürfen den Auftragnehmer nicht unangemessen benachteiligen. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn die Rückgabe der Bürgschaft an unerfüllbare Bedingungen geknüpft wäre. Achten Sie als Auftraggeber darauf, faire Bedingungen zu stellen, um die Wirksamkeit der Bürgschaft nicht zu gefährden.
Formelle Anforderungen
Die Bürgschaftsurkunde muss den formellen Anforderungen entsprechen. Dazu gehört, dass sie schriftlich erteilt wird und alle wesentlichen Informationen wie Bürgschaftssumme, Bürgschaftszweck und Bürgen enthält. Wenn Sie eine Bürgschaft erhalten, prüfen Sie sorgfältig, ob diese Angaben vollständig und korrekt sind.
Einverständnis beider Vertragsparteien
Beide Vertragsparteien müssen der Vereinbarung über die Gewährleistungsbürgschaft zustimmen. Eine einseitig auferlegte Bürgschaft, die nicht Gegenstand der Vertragsverhandlungen war, könnte unwirksam sein. In einem solchen Fall ist es ratsam, die Bürgschaftsvereinbarung gemeinsam zu besprechen und schriftlich festzuhalten.
Beachten Sie, dass die Wirksamkeit einer Gewährleistungsbürgschaft im Einzelfall von einem Gericht überprüft werden kann. Daher ist es wichtig, bei der Vertragsgestaltung sorgfältig vorzugehen und im Zweifelsfall rechtlichen Rat einzuholen.
Welche Risiken bestehen bei der Formulierung einer Sicherungsabrede in Bauverträgen?
Bei der Formulierung einer Sicherungsabrede in Bauverträgen bestehen mehrere Risiken, die sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer betreffen können. Diese Risiken können zu rechtlichen Auseinandersetzungen und finanziellen Nachteilen führen.
Unangemessene Benachteiligung einer Vertragspartei
Ein wesentliches Risiko liegt in der unangemessenen Benachteiligung einer Vertragspartei. Wenn Sie als Auftraggeber beispielsweise eine zu weitreichende Sicherungsabrede formulieren, die den Auftragnehmer unverhältnismäßig belastet, kann diese als unwirksam eingestuft werden. Dies könnte der Fall sein, wenn Sie eine unbefristete Bürgschaft mit Einredeverzicht verlangen, was über das übliche Maß hinausgeht.
Intransparenz der Vereinbarungen
Ein weiteres Risiko besteht in der mangelnden Transparenz der Sicherungsabrede. Wenn die Bedingungen unklar oder mehrdeutig formuliert sind, kann dies zu Missverständnissen und Streitigkeiten führen. Stellen Sie sich vor, Sie verweisen in Ihrem Vertrag auf Formblätter für Bürgschaften, die den Ausschreibungsunterlagen nicht beiliegen. In diesem Fall könnte die Wirksamkeit der gesamten Sicherungsabrede in Frage gestellt werden.
Unzulässige Erweiterung des Sicherungszwecks
Ein besonders kritischer Punkt ist die unzulässige Erweiterung des Sicherungszwecks. Wenn Sie als Bank oder Auftraggeber eine weite Sicherungsabrede formulieren, die über den eigentlichen Zweck der Absicherung hinausgeht, kann dies rechtliche Probleme verursachen. Eine solche Abrede könnte beispielsweise vorsehen, dass die Sicherheit auch für zukünftige, noch nicht bestehende Forderungen gilt.
Vollstreckungsunterwerfung und Mithaftung
Besondere Vorsicht ist geboten bei Klauseln zur Vollstreckungsunterwerfung und Mithaftung. Wenn Sie als Kreditnehmer einer solchen Klausel zustimmen, ermöglichen Sie der Bank im Falle eines Zahlungsverzugs eine direkte Zwangsvollstreckung ohne vorheriges Gerichtsverfahren. Dies kann Ihre rechtliche Position erheblich schwächen.
Um diese Risiken zu minimieren, ist es ratsam, bei der Formulierung von Sicherungsabreden in Bauverträgen besondere Sorgfalt walten zu lassen. Achten Sie darauf, dass die Vereinbarungen ausgewogen, transparent und dem Sicherungszweck angemessen sind. Im Zweifelsfall sollten Sie sich von einem Fachanwalt für Baurecht beraten lassen, um mögliche Fallstricke zu vermeiden und Ihre Interessen optimal zu schützen.
Wie kann man sich gegen die Unwirksamkeit einer Gewährleistungsbürgschaft absichern?
Um die Wirksamkeit einer Gewährleistungsbürgschaft sicherzustellen, sollten Sie folgende Punkte beachten:
Sorgfältige Formulierung des Bürgschaftstextes
Achten Sie darauf, dass der Bürgschaftstext präzise und eindeutig formuliert ist. Vermeiden Sie unklare oder mehrdeutige Formulierungen, die später zu Interpretationsproblemen führen könnten. Wenn Sie eine Gewährleistungsbürgschaft stellen, sollten Sie den Text von einem Fachanwalt für Baurecht prüfen lassen.
Einhaltung gesetzlicher Vorgaben
Stellen Sie sicher, dass die Bürgschaft alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt. Dazu gehört insbesondere die Schriftform der Bürgschaftserklärung gemäß § 766 BGB. Achten Sie auch darauf, dass die Bürgschaft nicht gegen das Verbot der Globalbürgschaft verstößt, indem sie zu unbestimmt oder weitreichend formuliert ist.
Klare Festlegung des Sicherungszwecks
Definieren Sie den Sicherungszweck der Bürgschaft eindeutig. Legen Sie fest, welche konkreten Ansprüche durch die Bürgschaft abgesichert werden sollen. Bei einer Gewährleistungsbürgschaft sind dies in der Regel Mängelansprüche nach der Abnahme. Vermeiden Sie Formulierungen, die den Sicherungszweck über die Gewährleistung hinaus ausdehnen könnten.
Angemessene Höhe der Bürgschaftssumme
Vereinbaren Sie eine angemessene Höhe der Bürgschaftssumme. In der Regel beträgt diese bei Gewährleistungsbürgschaften 5% der Auftragssumme. Eine unverhältnismäßig hohe Bürgschaftssumme könnte als unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers gewertet werden und zur Unwirksamkeit führen.
Festlegung der Bürgschaftsdauer
Legen Sie die Laufzeit der Bürgschaft klar fest. Die Dauer sollte sich an der gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Gewährleistungsfrist orientieren. Beachten Sie, dass eine unbefristete Bürgschaft problematisch sein kann und möglicherweise als unwirksam angesehen wird.
Wenn Sie diese Punkte berücksichtigen, minimieren Sie das Risiko, dass Ihre Gewährleistungsbürgschaft später als unwirksam erklärt wird. In komplexen Fällen oder bei Unsicherheiten ist es ratsam, fachkundige juristische Beratung in Anspruch zu nehmen, um die Wirksamkeit der Bürgschaft sicherzustellen.
Welche Konsequenzen hat die Unwirksamkeit einer Sicherungsabrede für die Vertragsparteien?
Die Unwirksamkeit einer Sicherungsabrede kann weitreichende Folgen für die Vertragsparteien haben. Wenn Sie als Auftraggeber oder Auftragnehmer in einem Bauvertrag involviert sind, sollten Sie die möglichen Konsequenzen kennen:
Verlust der Sicherheit für den Auftraggeber
Ist die Sicherungsabrede unwirksam, verliert der Auftraggeber seinen Anspruch auf die vereinbarte Sicherheitsleistung. Das bedeutet, dass er kein Recht mehr hat, vom Auftragnehmer eine Bürgschaft oder einen Einbehalt zu fordern. In der Praxis kann dies dazu führen, dass der Auftraggeber im Falle von Mängeln oder Verzögerungen keine finanzielle Absicherung mehr hat.
Rückgabepflicht bereits gestellter Sicherheiten
Wurde bereits eine Sicherheit geleistet, muss diese in der Regel zurückgegeben werden. Stellen Sie sich vor, Sie haben als Auftragnehmer eine Bürgschaft gestellt. Bei Unwirksamkeit der Sicherungsabrede haben Sie nun einen Anspruch auf Rückgabe dieser Bürgschaft. Der Auftraggeber darf die Sicherheit nicht mehr einbehalten oder verwerten.
Fortbestand des Hauptvertrags
Wichtig zu wissen ist, dass die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede in der Regel nicht den gesamten Vertrag betrifft. Der Hauptvertrag, also beispielsweise der Bauvertrag, bleibt meist bestehen. Dies bedeutet, dass beide Parteien weiterhin ihre vertraglichen Pflichten erfüllen müssen, allerdings ohne die vereinbarte Sicherheit.
Mögliche Schadensersatzansprüche
In einigen Fällen können Schadensersatzansprüche entstehen. Wenn Sie als Auftraggeber auf eine unwirksame Sicherungsabrede vertraut haben und dadurch ein Schaden entstanden ist, könnten Sie unter Umständen Schadensersatz vom Vertragspartner fordern. Die Durchsetzung solcher Ansprüche kann jedoch rechtlich komplex sein.
Neuverhandlung der Sicherheiten
Nach der Feststellung der Unwirksamkeit besteht oft die Notwendigkeit, die Sicherheiten neu zu verhandeln. Beide Parteien sollten in diesem Fall gemeinsam eine rechtskonforme Lösung finden, um ihre Interessen zu schützen. Dies kann bedeuten, dass Sie als Auftraggeber oder Auftragnehmer eine neue, rechtlich einwandfreie Sicherungsabrede treffen müssen.
Auswirkungen auf laufende Rechtsstreitigkeiten
Wenn Sie sich bereits in einem Rechtsstreit befinden, kann die Feststellung der Unwirksamkeit einer Sicherungsabrede den Verlauf des Verfahrens erheblich beeinflussen. Laufende Klagen zur Durchsetzung von Ansprüchen aus der unwirksamen Abrede werden in der Regel abgewiesen. Dies kann zu unerwarteten Prozessverlusten führen.
Die Unwirksamkeit einer Sicherungsabrede kann also erhebliche rechtliche und finanzielle Konsequenzen haben. Es ist daher ratsam, bei der Vertragsgestaltung besondere Sorgfalt walten zu lassen und im Zweifelsfall rechtlichen Rat einzuholen, um solche Situationen zu vermeiden.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Gewährleistungsbürgschaft: Eine Sicherheit, die der Auftragnehmer dem Auftraggeber stellt, um mögliche Mängelansprüche abzusichern. Sie ersetzt oft einen Bareinbehalt und wird von einer Bank oder Versicherung ausgestellt. Im Baurecht dient sie dazu, dem Bauherrn die Durchsetzung von Mängelbeseitigungsansprüchen zu erleichtern. Die Bürgschaft kann in Anspruch genommen werden, wenn der Auftragnehmer seinen Verpflichtungen zur Mängelbeseitigung nicht nachkommt. Sie ist zeitlich begrenzt und deckt üblicherweise 5-10% der Auftragssumme ab.
- Sicherungsabrede: Eine vertragliche Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner über Art und Umfang einer zu stellenden Sicherheit. Im Baurecht regelt sie, wie eine Gewährleistungsbürgschaft ausgestaltet sein muss. Sie legt fest, welche Rechte und Pflichten die Vertragsparteien in Bezug auf die Sicherheit haben. Eine wirksame Sicherungsabrede ist Voraussetzung für die Wirksamkeit der Bürgschaft. Ist sie unwirksam, kann die Bürgschaft nicht in Anspruch genommen werden.
- Einrede der Aufrechnung: Ein Recht des Schuldners, eigene Forderungen gegen die des Gläubigers aufzurechnen und so die Schuld zu tilgen. Im Bürgschaftsrecht kann der Bürge Einreden des Hauptschuldners geltend machen. Ein Verzicht auf die Einrede der Aufrechnung bedeutet, dass der Bürge zahlen muss, auch wenn der Hauptschuldner berechtigte Gegenforderungen hat. Dies kann eine unangemessene Benachteiligung darstellen und zur Unwirksamkeit der Sicherungsabrede führen.
- Unangemessene Benachteiligung: Ein Rechtsbegriff aus dem AGB-Recht. Eine Klausel benachteiligt den Vertragspartner unangemessen, wenn sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren ist oder wesentliche Rechte so einschränkt, dass der Vertragszweck gefährdet ist. Im Bürgschaftsrecht kann ein zu weitgehender Einredenverzicht eine unangemessene Benachteiligung darstellen. Folge ist die Unwirksamkeit der betreffenden Klausel.
- Hauptschuldner: Die Person, die die Hauptschuld schuldet, für die eine Bürgschaft bestellt wurde. Im Baurecht typischerweise der Auftragnehmer/Bauunternehmer. Der Hauptschuldner ist primär zur Leistung verpflichtet. Erst wenn er nicht leistet, kann der Gläubiger auf den Bürgen zurückgreifen. Der Hauptschuldner hat ein Interesse daran, dass die Bürgschaft nicht zu seinen Lasten über das notwendige Maß hinaus ausgestaltet wird.
- Ergänzende Vertragsauslegung: Eine Methode zur Lückenfüllung im Vertragsrecht. Wenn eine Vertragsklausel unwirksam ist, wird versucht, durch Auslegung zu ermitteln, was die Parteien vereinbart hätten, wenn sie die Unwirksamkeit gekannt hätten. Im Bürgschaftsrecht kann sie angewandt werden, um eine unwirksame Sicherungsabrede zu „retten“. Allerdings ist dies nur möglich, wenn der hypothetische Parteiwille eindeutig feststellbar ist.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 311 Abs. 3 BGB (Vertragstypische Pflichten beim Abschluss eines Vertrages): Diese Vorschrift regelt, dass bereits vor dem eigentlichen Vertragsschluss Pflichten entstehen können, wenn dies für den Vertragstyp üblich ist oder eine Partei ein besonderes Vertrauen in Anspruch nimmt. Im vorliegenden Fall könnte dies relevant sein, wenn der Auftraggeber im Bauvertrag bereits vor Vertragsschluss bestimmte Zusicherungen gemacht hat, die für die Wirksamkeit der Bürgschaft von Bedeutung sind.
- § 765 BGB (Bürgschaftsvertrag): Dieser Paragraph definiert den Bürgschaftsvertrag als ein Vertrag, durch den sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger eines Dritten (Hauptschuldner) verpflichtet, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Hauptschuldners einzustehen. Im konkreten Fall geht es darum, ob die Bürgschaft wirksam zustande gekommen ist und ob die Beklagte aufgrund der Bürgschaft zur Zahlung verpflichtet ist.
- § 767 BGB (Einreden des Bürgen): Diese Vorschrift regelt die Einreden, die der Bürge dem Gläubiger entgegenhalten kann, um sich von seiner Verpflichtung zu befreien. Im vorliegenden Fall beruft sich die Beklagte auf die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede im Bauvertrag, was zur Folge hätte, dass die Bürgschaft nicht wirksam zustande gekommen ist und die Beklagte nicht zur Zahlung verpflichtet ist.
- § 307 BGB (Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen): Dieser Paragraph regelt die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Eine Klausel in AGB ist unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligt. Im konkreten Fall geht es darum, ob die Klausel im Bauvertrag, die den Verzicht auf die Einrede der Aufrechnung vorsieht, eine unangemessene Benachteiligung darstellt und somit unwirksam ist.
- § 139 BGB (Teilunwirksamkeit): Dieser Paragraph regelt die Teilunwirksamkeit von Rechtsgeschäften. Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts unwirksam, so ist das ganze Rechtsgeschäft unwirksam, wenn anzunehmen ist, dass es nicht ohne den unwirksamen Teil vorgenommen worden wäre. Im vorliegenden Fall geht es darum, ob die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede zur Unwirksamkeit der gesamten Bürgschaft führt.
Das vorliegende Urteil
LG München II – Az.: 4 HK O 3239/14 – Urteil vom 30.04.2015
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I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits und der Nebenintervention.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Bürgschaftsanspruch wegen behaupteter mangelhafter Bauleistungen der Hauptschuldnerinnen auf Vorschuss auf die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten geltend.
Die H.-GmbH & Co. KG war Bauherrin des Bauvorhabens F. Parkvillen in B.T.. Das Baugrundstück liegt an der B.-Straße und trägt inzwischen die postalische Bezeichnung B.-Straße … und …, B.T.. Das Bauvorhaben betraf die Errichtung einer Eigentumswohnanlage mit Tiefgarage.
Komplementär der H.-GmbH & Co. KG war die H. Verwaltungs GmbH mit Sitz in B.T., einziger Kommanditist der H.-GmbH & Co. KG war die Klägerin. Die H. Verwaltungs GmbH wurde als übertragende Rechtsträgerin aufgrund des Verschmelzungsvertrages vom 27.06.2011 sowie des Beschlusses ihrer Gesellschafterversammlung vom 27.06.2011 mit der J.-AG verschmolzen. Die Verschmelzung wurde am 15.07.2011 in das Register der übernehmenden Gesellschaft AG München, HRB 40617 eingetragen (Anlagen K 7 und K 8).
Durch das Ausscheiden der H. Verwaltungs GmbH ist das Vermögen der H.-GmbH & Co. KG auf den verbleibenden Kommanditisten, die J.-AG, übergegangen.
Die H.-GmbH & Co. KG beauftragte die R.S. Stahl-Metallbau GmbH mit der Ausführung der Schlosserarbeiten für ihr Bauvorhaben F. Parkvillen, B.-Straße, BT. gemäß Bauvertrag vom 23.01./01.02.2008.
Grundlage der Beauftragung der R.S. Stahl-Metallbau GmbH bildeten u. a. deren Angebote vom 14.11.2007, 06.11.2007 und 19.09.2007 sowie das Verhandlungsprotokoll vom 31.10.2007. Die Vertragsparteien haben die Geltung der VOB/B vereinbart.
Im Bauvertrag heißt es unter der Rubrik „13. Sicherheitsleistung“ u. a. wie folgt:
„13.2.
Zur Sicherung der Mängelansprüche des AG einschließlich Schadens- und Aufwendungsersatzansprüche, … dient ein Einbehalt oder an dessen Stelle ein vom AN zu stellende Mängelansprüchebürgschaft (Gewährleistungsbürgschaft) gemäß Muster „Mängelansprüchebürgschaft/Gewährleistungsbürgschaft“ (Anlage 8.2) in Höhe von 5 % der Nettoabrechnungssumme. Im Übrigen wird auf VOB/B § 17 verwiesen. …
13.3.
Wird Sicherheit für Vertragserfüllung und/oder Mängelansprüche durch Bürgschaft geleistet …, sind die in diesem Vertrag beigefügten Muster (Anlagen 8.1, 8.2) zu verwenden. Die Bürgschaften müssen selbstschuldnerisch, unbedingt, unbefristet und unwiderruflich sein, den Verzicht auf die Einreden der Anfechtbarkeit, der Aufrechenbarkeit, soweit nicht die Gegenforderungen bestritten, anerkannt oder rechtskräftig festgestellt ist, sowie den Verzicht auf das Recht zur Befreiung durch Hinterlegung enthalten und von einer europäischen Bank, Sparkasse oder einem sonstigen in der EU als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstitutes oder Kreditversicherers erteilt sein. Gerichtsstand muss, soweit zulässig, der Sitz des AG sein.“
Wegen des weiteren Inhalts des Bauvertrages wird auf die Anlage K 1 verwiesen.
Im Muster gemäß Anlage 8.2 des Bauvertrages heißt es u. a. formularmäßig:
„Auf die Einreden gemäß §§ 770, 771 und 772 BGB wird verzichtet, § 776 BGB kommt nicht zur Anwendung“.
Mit Schreiben vom 23.07.2009 schrieb die R.S. Stahl-Metallbau GmbH an die Beklagte. In diesem Schreiben ist u. a. angekreuzt:
„Bitte benutzen Sie beiliegendes Bürgschaftsformular des Auftraggebers“. Wegen des weiteren Inhalts dieses Schreibens wird auf die Anlage B 1 verwiesen.
Am 28.07.2009 übernahm die Beklagte gegenüber der H.-GmbH & Co. KG für die Bauleistungen der R.S. GmbH Metallbau eine selbstschuldnerische Bürgschaft in Höhe von 17.794,49 € für die Erfüllung sämtlicher Gewährleistungs- und Schadensersatzverpflichtungen der Auftragnehmerin.
In dieser Gewährleistungsbürgschaft heißt es u. a.:
„Auf die Einreden gemäß § 770, 771 und 772 BGB wird verzichtet, § 776 BGB kommt nicht zur Anwendung“.
Wegen des weiteren Inhalts dieser Gewährleistungsbürgschaft wird auf die Anlage K 2 verwiesen.
Die H.-GmbH & Co. KG nahm die von der R.S. Stahl-Metallbau GmbH (Hauptschuldnerin) ausgeführten Bauleistungen am 11. Februar 2009 ab (Abnahmeprotokoll vom 11. Februar 2009, Anlage K 3).
Die von der H.-GmbH & Co. KG verwirklichte Eigentumswohnanlage wurde an individuelle Käufer veräußert.
Im Jahr 2011 leitete die Wohnungseigentümergemeinschaft B.-Straße …, … und …, B.T. beim Landgericht München II ein selbstständiges Beweisverfahren gegen die hiesige Klägerin wegen an den Balkongeländern der Eigentumswohnanlage auftretenden Knackgeräusche ein.
Aufgrund der von der Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber der Klägerin erhobenen Mängelansprüche forderte die H.-GmbH & Co. KG die Hauptschuldnerin mit Schreiben vom 12.10.2011 unter Fristsetzung bis 21.10.2011 zur Beseitigung der Knackgeräusche an den Balkongeländern auf (Anlage K 4).
Mit Schriftsatz vom 15.11.2011 verkündete die Klägerin im selbstständigen Beweisverfahren Landgericht München II – 5 OH 4947/11 Bau der R.S. Stahl- und Metallbau GmbH den Streit (Anlage K 9).
Im selbstständigen Beweisverfahren des Landgerichts München II, 5 OH 4947/11 Bau erstattete der Sachverständige Prof. Dr. H. am 15.01.2013 ein Gutachten. Hinsichtlich dessen Inhalts wird auf die Anlage K 5 verwiesen.
Im Gutachten schätzt der Sachverständige die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten mit 55.392,00 € netto.
Am 31.12.2013 beantragte die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Mahnbescheid auf Zahlung in Höhe von 17.794,49 € aus der Bürgschaft vom 28.07.2009. Am 02.01.2014 wurde antragsgemäß ein Mahnbescheid erlassen, der am 09.01.2014 der Beklagten zugestellt wurde.
Nach Widerspruchseingang am 13.01.2014 mit Schreiben vom 14.01.2014 wurden von der Klägerin die Kosten für die Durchführung des streitigen Verfahrens in Höhe von 797,50 € angefordert.
Mit Schriftsatz vom 10.07.2014, eingegangen per Fax beim Mahngericht am selben Tag, beantragte die Klägerin die Durchführung des streitigen Verfahrens und überwies den Gerichtskostenvorschuss auf das Konto der Landesjustizkasse Bamberg, wo der Zahlungseingang am 11.07.2014 gebucht wurde.
Am 14.07.2014 wurde das Verfahren an das Landgericht München II abgegeben. Mit Klage vom 23. Januar 2015, eingegangen per Fax beim Landgericht München II am selben Tag, machte die Klägerin gegenüber der Beklagten den streitgegenständlichen Anspruch in Höhe von 17.794,49 € beim Landgericht München II geltend.
In diesem Rechtsstreit verkündete die Beklagte mit Schriftsatz vom 24. Februar 2005 der Fa. R.S. Stahl und Metallbau GmbH den Streit (Bl. 21/26).
Diese trat dem Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 16.03.2015 (Bl. 31/32), eingegangen per Fax beim Landgericht München II am 16. März 2015, bei (Bl. 31/32 d. A.).
Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Bürgschaftsanspruch nicht verjährt sei. Auch sei die im Bauvertrag zwischen der Klägerin und der Streitverkündeten enthaltene Sicherungsabrede nicht insgesamt unwirksam. Ziffer 13.3 des Bauvertrages treffe eine abschließende Regelung, wie die Gewährleistungssicherheit auszugestalten sei. Ein etwaiges davon abweichendes Muster sei insoweit ohne Bedeutung.
Die Klägerin beantragt zu erkennen:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 17.794,49 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09.01.2014 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, der Mustertext der Bürgschaftsurkunde sei mit dem als Anlage B 1 überreichten Bürgschaftsauftrag an die Beklagte mitübersandt worden. Dieses Bürgschaftsmuster sei von der zuständigen Sachbearbeiterin im Hause der Beklagten auf R+V-Papier einkopiert und dann ausgefüllt worden.
Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.
Sie ist der Ansicht, dass die zwischen der Klägerin und der Streitverkündeten getroffene Sicherungsabrede aus mehreren Gründen unwirksam sei, zum einen wegen des formularmäßigen Ausschlusses der Einrede der Anfechtbarkeit aus § 770 Abs. 1 BGB sowie wegen des formularmäßigen Ausschlusses der Einrede der Aufrechenbarkeit. Die Unwirksamkeit der insoweit im Bauvertrag enthaltenen Klausel führe zur Unwirksamkeit der gesamten Sicherungsabrede, so dass für das Behaltendürfen der Bürgschaft ein Rechtsgrund fehle.
Die Streitverkündete beantragt ebenfalls, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die Streitverkündete für die von der Klägerin behaupteten Mängel nicht verantwortlich sei.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Beweis wurde nicht erhoben.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
I. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegenüber der Beklagten aus der Gewährleistungsbürgschaft vom 28.07.2009 i. V. m § 765 BGB.
Denn die Beklagte kann sich gemäß § 768 Abs. 1 S. 1 BGB auf die dem Hauptschuldner (= Streitverkündete) zustehende Einrede berufen, dass die den Bürgschaften zugrunde liegende Sicherungsabrede insgesamt unwirksam ist.
1.
Zwar ist das Gericht insoweit nicht der Auffassung, dass bereits der formularmäßige Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit zur Unwirksamkeit der Sicherungsabrede führt. Denn nach herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung, der sich das Gericht anschließt, ist ein formularmäßiger Verzicht auf die Anfechtbarkeitseinrede des § 770 Abs. 1 BGB wirksam (vgl. Münchner Kommentar, BGB, Schuldrecht, Besonderer Teil III, 5. Auflage, § 770, Rn. 3, Fn. 8).
2.
Die Sicherungsabrede ist deshalb aber insgesamt unwirksam, weil im Bauvertrag zwischen der Klägerin und der Streitverkündeten in der Sicherungsabrede formularmäßig vorgegeben wurde, dass die Streitverkündete auf die Einrede der Aufrechnung in vollem Umfang verzichtet, auch soweit die Gegenforderungen unbestritten, anerkannt oder rechtskräftig festgestellt sind.
a) Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine vom Auftraggeber vorformulierte Sicherungsabrede, wonach der Auftragnehmer den Gewährleistungseinbehalt durch eine Bürgschaft ablösen kann, in der der Bürge auf die Einrede der Aufrechenbarkeit vollumfänglich verzichten muss, unwirksam, weil sie den Bürgen unangemessen benachteiligt, wenn der Ausschluss auch für den Fall gilt, dass die Gegenforderung des Hauptschuldners unbestritten oder rechtskräftig festgestellt ist (vgl. BGH, Urteil vom 16.01.2003, Az. IX ZR 171/00, a.A. die frühere Rechtsprechung des BGH, u. a. BGH, Urteil vom 19.09.1985, Az. III ZR 214/83).
Im vorliegenden Fall ergibt die Auslegung des Bauvertrages zwischen der Klägerin und der Streitverkündeten, dass die Streitverkündete in der Sicherungsabrede auf die Einrede der Aufrechenbarkeit insgesamt verzichtet hat.
Denn in Ziffer 13.2 des Bauvertrages ist die im vorliegenden Fall anzuwendende Mängelansprüchebürgschaft (Gewährleistungsbürgschaft) ausdrücklich geregelt und auf ein Muster „Mängelansprüchebürgschaft/Gewährleistungsbürgschaft“ gemäß Anlage 8.2 verwiesen.
Durch diese Formulierung gehört das dem Bauvertrag beigefügte Muster gemäß Anlage 8.2, in der auf die Einrede der Aufrechenbarkeit umfassend verzichtet wurde, zum Inhalt der Sicherungsvereinbarung (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 23.04.2014, 12 U 97/14, Tz 21, BGH, Urteil vom 28.07.2011, Az. VII ZR 207/09, Tz 12).
Der vorliegende Sachverhalt ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht mit demjenigen vergleichbar, der mit Urteil des BGH vom 26. Februar 2004, VII ZR 247/02 entschieden wurde.
Denn dort war die Bürgschaft in der Klausel selbst als unbefristete, unwiderrufliche, selbstschuldnerische Bürgschaft beschrieben und damit die Bürgschaft abschließend geregelt. Durch das dort nur beiläufig Erwähnte „gemäß Muster des Auftraggebers“ war im dortigen Fall nur zum Ausdruck gebracht worden, dass in Anlehnung an § 17 Nr. 4 S. 2 VOB/B die Bürgschaften nach Vorschrift des Auftraggebers auszustellen sind.
Im vorliegenden Fall ist aber in Ziffer 13.2 des Bauvertrages die Bürgschaft, die zu stellen ist, inhaltlich durch das Muster beschrieben.
Die Verwendung des Musters wird in Ziffer 13.3 des Bauvertrages nochmals ausdrücklich aufgeführt.
Damit ist die Sicherungsabrede inhaltlich durch das Vertragsmuster mitbeschrieben.
Soweit in Ziffer 13.3 des Bauvertrages im zweiten Satz die Bürgschaft beschrieben wird und dort auch ausgeführt wird, dass nur ein Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit insoweit erforderlich ist, soweit nicht die Gegenforderungen unbestritten, anerkannt oder rechtskräftig festgestellt sind, widerspricht dies dem beigefügten Muster.
Gemäß § 305 c Abs. 2 BGB gehen aber Zweifel bei der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders.
Dementsprechend sind Ziffer 13.2 und 13.3 des Bauvertrages bei der kundenfeindlichsten Auslegung so auszulegen, dass in der Sicherungsabrede enthalten sein muss, dass in der zu stellenden Bürgschaft auf die Einrede der Aufrechenbarkeit umfassend verzichtet wird (vgl. auch BGH, Urteil vom 16.06.2009, Az. XI ZR 145/08, Tz 21).
b) Die unangemessene Benachteiligung der Hauptschuldnerin (Streitverkündeten) führt dazu, dass die Klausel insgesamt unwirksam ist und ihr ein Anspruch auf Rückgabe der Bürgschaftsurkunde gemäß § 812 Abs. 1 S. 1,1. Alt. BGB zusteht.
Die Sicherungsabrede im Bauvertrag kann nicht in der Weise aufrechterhalten werden, dass die Hauptschuldnerin (Streitverkündete) berechtigt ist, den Sicherungseinbehalt durch eine selbstschuldnerische, unbefristete Bürgschaft ohne den Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit abzulösen.
Diese Folge hat der Bundesgerichtshof für den Fall des Verzichts auf die Einreden des § 768 BGB entschieden, soweit Gewährleistungsbürgschaften betroffen sind (vgl. BGH, Urteil vom 16.06.2009, XI ZR 145/08, Tz. 30 – 39), und sie bei einem umfassenden Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit (§ 770 BGB) offengelassen (vgl. BGH, a.a.O., Tz 40).
Nach der Rechtsprechung des KG Berlin (Urteil vom 06.08.2013, Az. 7 U 210/11, Tz 39) und des OLG Frankfurt (Urteil vom 27.09.2012, Az. 5 U 7/12, Tz 20) gilt für den Fall des vollständigen Verzichtes auf die Einrede der Aufrechenbarkeit nach § 770 Abs. 2 BGB dieselbe Rechtsfolge, nämlich dass die Sicherungsabrede bei einer Gewährleistungsbürgschaft nicht teilbar ist, insbesondere weil nicht ersichtlich ist, wie die Parteien den Sicherheitseinbehalt geregelt hätten, wenn sie von der Unwirksamkeit der Sicherungsabrede Kenntnis gehabt hätten.
Dieser Auffassung schließt sich die Kammer an, so dass sich ergibt, dass die Sicherungsabrede gemäß § 13.2 und § 13.3 des Bauvertrages insgesamt unwirksam ist und auch nicht im Wege ergänzender Vertragsauslegung aufrechtzuerhalten ist.
c) Insgesamt kann also die Beklagte die Einrede geltend machen, dass der Hauptschuldner einen Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB auf Rückgabe der Bürgschaft hat.
d) Die von der Klägerin insoweit zitierte Rechtsprechung ist nicht einschlägig. Insbesondere das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 13.06.2014, Az. 22 U 150/13 betrifft nicht den streitgegenständlichen Fall der Gewährleistungsbürgschaft, sondern eine Vertragserfüllungsbürgschaft, so dass sich für das Gericht für den hier gegebenen Fall der Gewährleistungsbürgschaft keine andere Rechtsfolge, als wie oben ausgeführt, ergibt.
e) Insgesamt kann also die Klägerin von der Beklagten aufgrund der Bürgschaft nicht die Zahlung von 17.794,49 € verlangen.
II.
Da andere Anspruchsgrundlagen nicht ersichtlich sind, war die Klage im Hauptanspruch im vollen Umfang abzuweisen.
III.
Da bereits kein Hauptanspruch besteht, war auch der Zinsanspruch in vollem Umfang abzuweisen.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO.
V.
Ein Verzicht auf die Urteilsgründe kam nicht in Betracht. Zwar liegt eine Verzichtserklärung der Klägerin hinsichtlich Tatbestand und Entscheidungsgründe innerhalb der notwendigen Wochenfrist vor. Gemäß § 313 a II ZPO bedarf es bei einem sogenannten Stuhlurteil aber nur dann keines Tatbestandes und keiner Entscheidungsgründe, wenn entweder beide Parteien oder – was im vorliegenden Fall gemäß § 313 a II 2 ZPO einschlägig wäre – die Partei, für die das Urteil anfechtbar ist, auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichtet. Einen derartigen Rechtsmittelverzicht hat die Klägerin nicht erklärt. Der Verzicht auf Tatbestand und Entscheidungsgründe, auch wenn er mit Verweis auf § 313 a II und § 313 a NI ZPO erfolgt, kann nicht als Rechtsmittelverzicht ausgelegt werden. Denn wegen der weitreichenden Wirkung eines Rechtsmittelverzichts ist bei der Auslegung von Erklärungen in diese Richtung Zurückhaltung geboten (vgl. BGH, Beschluss vom 05.09.20006, VI ZB 65/05 Tz. 8). Ein Rechtsmittelverzicht kann nur angenommen werden, wenn in der Erklärung klar und eindeutig der Wille zum Ausdruck gebracht wird, die Entscheidung endgültig hinzunehmen und nicht anfechten zu wollen. Dies kann bei einem Verzicht auf Tatbestand und Entscheidungsgründen – auch bei Bezugnahme auf § 313 a II und III ZPO – nicht angenommen werden. Demzufolge war das Urteil mit Gründen zu versehen.