Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- OLG Düsseldorf Urteil: Mängelrechte & Schadensersatz am Bau auch ohne Abnahme möglich – Unwirksamer Zahlungsplan entscheidend (Az. I-22 U 192/21)
- Streit um Doppelhaushälfte: Bauherr verweigert Zahlung wegen Baumängeln und unvollständiger Leistung
- Zahlungsanspruch des Generalunternehmers vs. Mängelbeseitigungskosten der Bauherren
- Fehlende Abnahme: Wann können Bauherren trotzdem Mängelrechte geltend machen?
- Unwirksame Zahlungsplan-Klausel: Folgen für Abschlagszahlungen und Zurückbehaltungsrecht
- Gericht bestätigt Mängel und Kosten: Vorschuss und Ersatzvornahme trotz fehlender Abnahme
- Weitere Ansprüche der Bauherren: Schadensersatz wegen Verzug, Sachverständigenkosten und Herausgabe von Bauunterlagen
- Urteil des OLG Düsseldorf: Klage des Bauunternehmers abgewiesen, Bauherren erhalten Schadensersatz und Dokumente
- Entscheidende Begründung: Abrechnungsverhältnis ermöglicht Mängelrechte vor Abnahme bei endgültiger Leistungsverweigerung
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wann kann ich als Bauherr Mängelrechte geltend machen, auch wenn keine formelle Abnahme erfolgt ist?
- Was ist ein Generalunternehmervertrag und welche typischen Risiken birgt er für Bauherren?
- Welche Bedeutung hat ein Zahlungsplan im Bauvertrag und was macht einen Zahlungsplan unwirksam?
- Was bedeutet Aufrechnung im Baurecht und wie kann ich als Bauherr meine Ansprüche damit durchsetzen?
- Welche Möglichkeiten habe ich als Bauherr, meine Rechte bei Baumängeln durchzusetzen, und welche Rolle spielt dabei ein Sachverständigengutachten?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: I-22 U 192/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: OLG Düsseldorf
- Datum: 17.06.2022
- Aktenzeichen: I-22 U 192/21
- Rechtsbereiche: Werkvertragsrecht, Allgemeines Vertragsrecht (AGB), Bauordnungsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Bauunternehmer (Generalunternehmer), der auf Zahlung offener Raten klagte.
- Beklagte: Bauherren (Besteller), die die Zahlung wegen Mängeln und unvollständiger Leistungen verweigerten und Gegenansprüche geltend machten.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Die Bauherren beauftragten eine Generalunternehmerin mit dem Bau eines Hauses. Die Unternehmerin forderte Abschlagszahlungen, aber die Bauherren verweigerten die Zahlung, da das Haus Mängel aufwies und nicht fertiggestellt war.
- Kern des Rechtsstreits: Hauptfragen waren, ob die Bauherren trotz fehlender förmlicher Abnahme Mängelrechte geltend machen konnten und welche Auswirkungen die unwirksamen Klauseln im Zahlungsplan auf die Rechte der Parteien hatten.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Klage des Unternehmers auf Zahlung wurde abgewiesen. Die Bauherren erhielten Anspruch auf Zahlung eines Teils ihrer Gegenforderungen (u.a. für Mängel) und auf Herausgabe bestimmter Bauunterlagen.
- Begründung: Das Gericht stellte fest, dass keine Abnahme erfolgt war. Dennoch konnten Mängelrechte und Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden, weil die Bauherren den Vertrag teilweise gekündigt und ein Abrechnungsverhältnis geschaffen hatten oder der Unternehmer in Verzug war. Die vereinbarte Zahlungsplan-Klausel war unwirksam, weshalb die geforderten Raten nicht geschuldet waren.
Der Fall vor Gericht
OLG Düsseldorf Urteil: Mängelrechte & Schadensersatz am Bau auch ohne Abnahme möglich – Unwirksamer Zahlungsplan entscheidend (Az. I-22 U 192/21)
Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf befasst sich mit zentralen Fragen des Baurechts, insbesondere wann Bauherren Mängelrechte geltend machen können, auch wenn das Bauwerk noch nicht formal abgenommen wurde.

Im Fokus standen dabei auch die Konsequenzen unwirksamer Klauseln in einem Generalunternehmervertrag, speziell Regelungen zu Abschlagszahlungen. Das Gericht entschied zugunsten der Bauherren und bestätigte deren Recht auf Kostenerstattung für Mängelbeseitigung und Fertigstellung sowie auf Schadensersatz, obwohl eine Abnahme fehlte.
Streit um Doppelhaushälfte: Bauherr verweigert Zahlung wegen Baumängeln und unvollständiger Leistung
Die Ausgangslage des Rechtsstreits bildete ein Generalunternehmervertrag aus dem Jahr 2017. Die späteren Bauherren beauftragten einen Generalunternehmer mit dem Bau einer unterkellerten Doppelhaushälfte zu einem Pauschalpreis von 260.000 Euro. Teil des Vertrages war ein Zahlungsplan, der Abschlagszahlungen je nach erreichtem Baufortschritt vorsah. Im Juni 2018 stellte der Generalunternehmer zwei Rechnungen über insgesamt 18.200 Euro für bereits ausgeführte Arbeiten an Fassade und Fliesen.
Eine für Mitte Juni 2018 geplante Übergabe des Hauses scheiterte. Einen Monat später, am 11. Juli 2018, fand zwar eine Übergabe der weitgehend fertiggestellten Doppelhaushälfte statt, jedoch waren zu diesem Zeitpunkt wichtige vertraglich geschuldete Leistungen wie die Außenanlagen und eine Garage noch nicht fertiggestellt. Die Bauherren und ein Vertreter des Generalunternehmers unterzeichneten ein sogenanntes „Hausübergabeprotokoll„. Kurz darauf unterzeichneten der Geschäftsführer des Generalunternehmers und die Bauherren eine separate Erklärung. Darin sicherte der Unternehmer zu, alle restlichen Innen- und Außenarbeiten gemäß Werkvertrag erst nach Bezahlung der offenen Rechnungen für Fliesen und Fassade auszuführen.
Da die Bauherren Zweifel an der Qualität der erbrachten Leistungen hatten, beauftragten sie einen Sachverständigen. Dessen Gutachten listete eine erhebliche Anzahl von Mängeln und Restarbeiten auf – insgesamt 38 Punkte. Die Bauherren bezifferten die voraussichtlichen Kosten für die Mängelbeseitigung und die noch ausstehenden Arbeiten auf 45.524,37 Euro netto.
Zahlungsanspruch des Generalunternehmers vs. Mängelbeseitigungskosten der Bauherren
Der Generalunternehmer zog vor Gericht und verklagte die Bauherren auf Zahlung der offenen 18.200 Euro nebst Zinsen. Die Bauherren verteidigten sich gegen diese Forderung und erklärten die Aufrechnung. Sie rechneten ihre Ansprüche auf Erstattung der Kosten für Mängelbeseitigung und Fertigstellung (vom Landgericht später mit insgesamt 36.650,68 Euro anerkannt, bestehend aus 22.489,68 Euro Ersatzvornahmekosten und 14.161,00 Euro Vorschuss) gegen den gesamten noch offenen Restwerklohnanspruch des Generalunternehmers auf, den sie selbst auf rund 31.200 Euro bezifferten (da er auch die letzte Rate umfasse).
Darüber hinaus machten die Bauherren im Wege der Widerklage weitere Forderungen geltend: den die Aufrechnung übersteigenden Betrag, die Kosten für das von ihnen beauftragte Sachverständigengutachten, Schadensersatz wegen verspäteter Übergabe des Hauses und die Erstattung ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Außerdem verlangten sie die Herausgabe der sogenannten „Rohbauabnahmebescheinigung„.
Das Landgericht Krefeld folgte in erster Instanz weitgehend der Argumentation der Bauherren. Es wies die Klage des Generalunternehmers ab, da die Aufrechnung der Bauherren mit den Kosten für Mängelbeseitigung und Restarbeiten erfolgreich war. Zudem sprach das Landgericht den Bauherren im Rahmen der Widerklage die Sachverständigenkosten, Schadensersatz wegen Verzugs, Anwaltskosten und die Herausgabe der Rohbauabnahmebescheinigung zu.
Gegen dieses Urteil legte der Generalunternehmer Berufung beim OLG Düsseldorf ein. Er argumentierte hauptsächlich, dass den Bauherren mangels formaler Abnahme des Bauwerks keine Mängelansprüche nach § 634 BGB zustünden. Er bestritt zudem das Vorliegen einzelner Mängel sowie die Notwendigkeit und Angemessenheit der von den Bauherren geltend gemachten Kosten. Auch die Ansprüche auf Sachverständigenkosten, Verzugsschadensersatz und Herausgabe der Bescheinigung wurden bestritten. Die Bauherren beantragten die Zurückweisung der Berufung und erweiterten ihrerseits im Wege der Anschlussberufung ihren Herausgabeantrag auf spezifische „bauamtliche Abnahmebescheinigungen“ (Standsicherheit, Schall-, Wärme- und Feuersicherheit).
Fehlende Abnahme: Wann können Bauherren trotzdem Mängelrechte geltend machen?
Das OLG Düsseldorf stellte zunächst klar, dass auf den Vertrag das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in der Fassung vor dem 01.01.2018 anzuwenden war, da der Vertrag davor geschlossen wurde. Die oft im Bauwesen verwendete VOB/B fand keine Anwendung, da sie den Bauherren nicht wirksam in den Vertrag einbezogen wurde (fehlende Übergabe gemäß § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB).
Ein zentraler Punkt war die Frage der Abnahme. Das Gericht stellte fest: Eine Abnahme des Werks durch die Bauherren ist nicht erfolgt. Das unterzeichnete „Hausübergabeprotokoll“ wertete das Gericht nicht als formelle Abnahmeerklärung. Auch eine stillschweigende (konkludente) Abnahme kam nicht in Betracht, da wesentliche Teile der vereinbarten Leistung – namentlich die Außenanlagen und die Garage – zum Zeitpunkt der Übergabe noch fehlten.
Grundsätzlich gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), dass Mängelansprüche nach § 634 BGB (wie Nacherfüllung, Selbstvornahme, Minderung, Schadensersatz) die Abnahme des Werkes voraussetzen. Das OLG betonte jedoch, dass Bauherren vor der Abnahme nicht schutzlos gestellt sind. Sie können stattdessen Rechte aus dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht geltend machen (§§ 280 ff. BGB).
Für die unvollständigen Leistungen (fehlende Außenanlagen und Garage) bedeutete dies: Die Bauherren hatten einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 280 Abs. 1 BGB, da der Generalunternehmer mit der Fertigstellung dieser Teile in Verzug geraten war. Dieser Anspruch setzt keine Abnahme voraus.
Für die mangelhaften Leistungen (die festgestellten Defekte am Bau) war die Rechtslage komplexer. Ein Vorschussanspruch zur Mängelbeseitigung (§§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB) setzt normalerweise die Abnahme voraus. Das OLG sah hier jedoch eine Ausnahme als gegeben an: Es war ein sogenanntes Abrechnungsverhältnis zwischen den Parteien entstanden. Die Bauherren hatten im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens unmissverständlich erklärt, dass sie Schadensersatz statt der gesamten Leistung verlangen und den noch nicht erfüllten Teil des Vertrages kündigen. Damit brachten sie klar zum Ausdruck, keine weitere Erfüllung durch den ursprünglichen Generalunternehmer mehr zu wünschen. In einem solchen Abrechnungsverhältnis können Mängelrechte, einschließlich des Vorschussanspruchs, auch schon vor der Abnahme geltend gemacht werden.
Unwirksame Zahlungsplan-Klausel: Folgen für Abschlagszahlungen und Zurückbehaltungsrecht
Ein weiterer entscheidender Punkt war die vertragliche Regelung des Zahlungsplans. Das OLG erklärte die entsprechende Klausel im Generalunternehmervertrag, die Abschlagszahlungen nach Baufortschritt vorsah und das Recht der Bauherren zur Zurückhaltung von Zahlungen bei Mängeln einschränkte, für unwirksam gemäß § 307 BGB (Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen – AGB).
Die Unwirksamkeit hatte zwei Hauptgründe:
- Die Klausel wich zum Nachteil der Bauherren vom gesetzlichen Leitbild des § 632a BGB (alte Fassung) ab. Sie beschränkte das Recht der Bauherren, bei wesentlichen Mängeln die Zahlung der gesamten Rate zurückzuhalten, unzulässig.
- Die Klausel verstieß gegen § 632a Abs. 3 BGB (alte Fassung). Bei einem Verbraucherbauvertrag über die Errichtung eines Hauses hätte sie darauf hinweisen müssen, dass der Unternehmer bei der ersten Abschlagszahlung eine Sicherheit in Höhe von 5 % des gesamten Vergütungsanspruchs leisten muss. Das Fehlen dieses Hinweises führte zur Gesamtunwirksamkeit der Abschlagszahlungsregelung.
Die Folgen dieser Unwirksamkeit waren erheblich: Der Generalunternehmer hatte keinen Anspruch auf Zahlung der eingeklagten Raten in Höhe von 18.200 Euro auf Basis des unwirksamen Zahlungsplans. Ein Anspruch nach der gesetzlichen Regelung (§ 632a BGB) bestand ebenfalls nicht, da das Werk wesentliche Mängel aufwies (angesichts der Mängelbeseitigungskosten von rund 14.000 Euro und der Vielzahl der Mängel) und der Unternehmer keine prüffähige Aufstellung seiner Leistungen vorgelegt hatte.
Das Gericht wertete die Verwendung der unwirksamen Klausel durch den Generalunternehmer sogar als Vertragspflichtverletzung. Deshalb konnte sich der Unternehmer auch nicht auf die separate Vereinbarung vom 11. Juli 2018 berufen, wonach er die Restarbeiten von der Bezahlung der offenen Raten abhängig machte. Da er keinen Anspruch auf diese Raten hatte, stand ihm auch kein Zurückbehaltungsrecht bezüglich der Fertigstellung zu.
Gericht bestätigt Mängel und Kosten: Vorschuss und Ersatzvornahme trotz fehlender Abnahme
Das OLG bestätigte die Entscheidung des Landgerichts bezüglich der von den Bauherren geltend gemachten Kosten für Ersatzvornahme und den Vorschussanspruch im Grundsatz und auch weitgehend in der Höhe.
Das Bestreiten der Notwendigkeit und Angemessenheit dieser Kosten durch den Generalunternehmer in der Berufungsinstanz ließ das Gericht nicht zu. Das Landgericht hatte die Kosten als unstreitig festgestellt (§ 314 ZPO), und ein verspätetes Bestreiten in der Berufung war nicht zulässig (§ 531 ZPO). Unabhängig davon schätzte das OLG den Schaden anhand der vorgelegten Rechnungen gemäß § 287 Abs. 1 ZPO und sah keine Anhaltspunkte dafür, dass die Bauherren überhöhte Kosten verursacht hätten.
Das Gericht bestätigte auch das Vorliegen und die Kosten für diverse vom Landgericht berücksichtigte Mängel, wie Probleme bei der Türschwellenkonstruktion, dem Plattenbelag, den Außenanlagen, der Terrasse und der Garage. Hinsichtlich der Garage stellte das OLG klar, dass der Unternehmer die in der Baugenehmigung und Baubeschreibung dargestellte Größe inklusive Abstellraum schuldete, da die Baugenehmigung laut Vertrag vorrangiger Bestandteil war.
Auch die spezifisch in der Berufung vom Generalunternehmer bestrittenen Mängel wurden vom OLG bestätigt:
- Beschädigte Kellerinnentür: Der Schaden fiel in den Verantwortungsbereich des Unternehmers, da die Gefahr bis zur Abnahme bei ihm liegt und er nicht beweisen konnte, dass die Bauherren den Schaden verursacht hatten.
- Zu niedrig montierte Toilettenbecken: Eine Abweichung von der üblichen Montagehöhe (ca. 42 cm laut Richtlinien) stellt einen Mangel dar, da Bauherren eine übliche Beschaffenheit erwarten dürfen (§ 633 Abs. 2 Nr. 2 BGB).
- Kratzer im Fensterglas: Ein vom Sachverständigen bestätigter Kratzer ist ein Mangel, da eine kratzerfreie Oberfläche geschuldet war.
- Unebenheiten im Putz: Optisch störende Unebenheiten wurden als Mangel anerkannt.
- Fehlende Handläufe an der Treppe: Diese gehören zur funktionsfähigen und sicheren Nutzung einer Treppe und waren somit auch ohne explizite Erwähnung in der Baubeschreibung geschuldet (§ 4.1 GU-Vertrag).
Weitere Ansprüche der Bauherren: Schadensersatz wegen Verzug, Sachverständigenkosten und Herausgabe von Bauunterlagen
Das OLG bestätigte auch die weiteren von den Bauherren geltend gemachten Ansprüche:
- Die Kosten für das Sachverständigengutachten zur Mängelfeststellung waren als erstattungsfähiger Schaden anzusehen.
- Der Anspruch auf Schadensersatz wegen Verzugs in Höhe von 1.500 Euro für die verspätete Fertigstellung wurde ebenfalls bestätigt. Der durch den verzögerten Einzug entstandene Schaden (z.B. durch länger zu zahlende Miete) sei nach § 287 Abs. 1 ZPO schätzbar und durch die Mietzahlungen der Bauherren belegt.
- Die Kosten für die Gebäudeeinmessung (790,16 EUR) musste der Generalunternehmer tragen, da diese Leistung laut Vertrag (§ 4.4.4 GU-Vertrag) und Baurecht (§ 83 Abs. 3 BauO NRW) zu seinen Pflichten gehörte und die entsprechenden Nachweise bei Abnahme hätten übergeben werden müssen.
Bezüglich der Herausgabe von Unterlagen gab das OLG dem erweiterten Antrag der Bauherren teilweise statt. Der Vertrag verpflichtete den Unternehmer zur Übergabe von „Abnahmebescheinigungen bzw. Unterlagen“. Das Gericht legte dies so aus, dass auch für die Nutzung des Gebäudes erforderliche bauamtliche Nachweise darunterfallen. Gemäß § 84 BauO NRW sind Bauzustandsbesichtigungen vorgesehen, bei denen Standsicherheit, Brand- und Schallschutz geprüft werden. Daher wurden dem Generalunternehmer die Übergabe entsprechender bauamtlicher Bescheinigungen zur Standsicherheit, zum Schallschutz und zur Feuersicherheit auferlegt. Eine explizite bauamtliche Bescheinigung zum Wärmeschutz sei in § 84 BauO NRW jedoch nicht vorgesehen, weshalb dieser Teil des Antrags abgewiesen wurde.
Urteil des OLG Düsseldorf: Klage des Bauunternehmers abgewiesen, Bauherren erhalten Schadensersatz und Dokumente
Im Ergebnis änderte das OLG Düsseldorf das Urteil des Landgerichts Krefeld nur geringfügig ab. Die Klage des Generalunternehmers auf Zahlung der 18.200 Euro wurde endgültig abgewiesen, da die zugrundeliegende Zahlungsplan-Klausel unwirksam war.
Die Aufrechnung und Widerklage der Bauherren hatten jedoch weitgehend Erfolg. Ihre berechtigten Gegenansprüche (Kosten für Mängelbeseitigung/Fertigstellung, Sachverständigenkosten, Verzugsschaden, Vermessungskosten) überstiegen den noch offenen, aber aufgrund der Mängel und der fehlenden Abnahme bzw. des Abrechnungsverhältnisses nicht fälligen Werklohnanspruch des Generalunternehmers. Nach Verrechnung aller gegenseitigen Ansprüche verurteilte das OLG den Generalunternehmer zur Zahlung von 7.791,92 Euro an die Bauherren. Zusätzlich musste der Unternehmer die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Bauherren tragen und die zugesprochenen bauamtlichen Abnahmebescheinigungen herausgeben.
Die Kosten des Rechtsstreits wurden überwiegend dem Generalunternehmer auferlegt (80 % für die erste Instanz, 100 % für die Berufungsinstanz). Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Eine Revision zum Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen.
Entscheidende Begründung: Abrechnungsverhältnis ermöglicht Mängelrechte vor Abnahme bei endgültiger Leistungsverweigerung
Das Urteil des OLG Düsseldorf verdeutlicht wichtige Grundsätze im Baurecht: Auch vor der formalen Abnahme können Bauherren unter bestimmten Umständen umfangreiche Rechte wegen Mängeln und unvollständiger Leistung geltend machen. Entscheidend war hier die Feststellung eines Abrechnungsverhältnisses, das entstand, weil die Bauherren aufgrund der gravierenden Probleme endgültig keine weitere Leistung vom ursprünglichen Unternehmer mehr wollten und stattdessen Schadensersatz forderten. In diesem Stadium konnten sie Vorschuss und Ersatzvornahmekosten verlangen. Zudem unterstreicht das Urteil die gravierenden Folgen unwirksamer Klauseln in AGB, insbesondere bei Zahlungsplänen, die das gesetzliche Zurückbehaltungsrecht des Bauherrn unzulässig beschneiden oder Informationspflichten (wie zur Sicherheitsleistung) verletzen. Solche Klauseln können zur Unwirksamkeit des gesamten Zahlungsplans führen und den Werklohnanspruch des Unternehmers vorerst undurchsetzbar machen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf zeigt, dass Bauherren auch ohne formale Abnahme Mängelrechte und Schadensersatzansprüche gegen Bauunternehmer durchsetzen können, insbesondere wenn ein Abrechnungsverhältnis entstanden ist. Der Fall unterstreicht die weitreichenden Konsequenzen unwirksamer Klauseln in Bauverträgen, speziell bei Zahlungsplänen, die gegen gesetzliche Vorgaben verstoßen und dadurch vollständig unwirksam werden können. Für Bauherren ist besonders relevant, dass sie bei mangelhaften und unvollständigen Bauleistungen nicht schutzlos sind und sowohl die Kosten für Mängelbeseitigung als auch entstandene Folgeschäden ersetzt verlangen können.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wann kann ich als Bauherr Mängelrechte geltend machen, auch wenn keine formelle Abnahme erfolgt ist?
Grundsätzlich beginnen Ihre Rechte als Bauherr, Mängel am Bauwerk geltend zu machen, erst mit der sogenannten Abnahme des Werks. Die Abnahme ist im Bauwesen ein wichtiger Schritt: Sie bestätigen damit, dass das Bauwerk im Wesentlichen vertragsgerecht fertiggestellt ist und Sie die Leistung des Bauunternehmers anerkennen. Erst ab diesem Zeitpunkt beginnt in der Regel die gesetzliche Frist für die Verjährung von Mängelansprüchen zu laufen.
Allerdings gibt es Situationen, in denen Sie Mängelrechte auch ohne eine formelle Abnahme geltend machen können. Dies soll verhindern, dass Bauherren bei Problemen hilflos sind, nur weil noch kein Abnahmetermin stattgefunden hat oder die Abnahme verweigert wurde.
Eine wichtige Möglichkeit besteht, wenn Sie die Abnahme wegen wesentlicher Mängel verweigern. Ein Mangel gilt als wesentlich, wenn er so schwerwiegend ist, dass er die Nutzung des Bauwerks erheblich beeinträchtigt oder die Annahme der Arbeit für Sie schlichtweg unzumutbar macht. Stellen Sie sich vor, die Heizung funktioniert nicht im ganzen Haus oder das Dach ist undicht – das wären oft wesentliche Mängel. In solchen Fällen können Sie die Abnahme berechtigt ablehnen und vom Bauunternehmer verlangen, diese gravierenden Mängel zu beseitigen. Ihre Mängelrechte sind hier also nicht von einer vorherigen Abnahme abhängig.
Eine weitere Situation, in der Mängelrechte ohne formelle Abnahme bestehen können oder eine Abnahme sogar als erfolgt gilt, ist die sogenannte fiktive Abnahme oder Abnahme durch schlüssiges Verhalten. Das bedeutet, dass das Gesetz unter bestimmten Umständen annimmt, dass die Abnahme stattgefunden hat, auch wenn kein offizielles Protokoll unterschrieben wurde. Dies kann passieren, wenn Sie das fertiggestellte Bauwerk beispielsweise ohne wesentliche Beanstandungen in Gebrauch nehmen und eine angemessene Zeit verstreicht. Ihr Verhalten zeigt dann, dass Sie das Werk als im Wesentlichen vertragsgemäß akzeptieren.
In diesem Zusammenhang ist oft auch die Frage wichtig, ob das Werk im Wesentlichen fertiggestellt ist. Dieses Konzept spielt eine Rolle bei der Frage, ob eine Abnahme überhaupt verweigert werden darf (nur bei wesentlichen Mängeln am im Wesentlichen fertigen Werk) oder ob eine fiktive Abnahme eintreten kann. „Im Wesentlichen fertiggestellt“ bedeutet, dass die Hauptleistungen erbracht sind und nur noch kleinere Restarbeiten oder unwesentliche Mängel bestehen, die die Nutzung des Bauwerks nicht grundlegend behindern.
Für Sie als Bauherr bedeutet das: Auch wenn das Bauprojekt noch nicht offiziell abgenommen ist, sind Sie nicht völlig rechtlos, wenn Mängel auftreten, insbesondere wenn diese gravierend sind. Es gibt gesetzliche Regelungen, die es Ihnen ermöglichen, Mängelansprüche geltend zu machen, auch wenn die formelle Abnahme aussteht oder verweigert wurde. Wichtig ist in jedem Fall, dass Sie festgestellte Mängel schriftlich dokumentieren und dem Bauunternehmer mitteilen.
Was ist ein Generalunternehmervertrag und welche typischen Risiken birgt er für Bauherren?
Ein Generalunternehmervertrag ist eine Vereinbarung, bei der Sie als Bauherr die Bauarbeiten nicht einzeln an viele verschiedene Handwerker (wie Maurer, Elektriker, Maler etc.) vergeben, sondern nur einen einzigen Vertragspartner beauftragen: den Generalunternehmer. Dieser Generalunternehmer organisiert und koordiniert dann alle notwendigen Arbeiten und beauftragt seinerseits die einzelnen Handwerksbetriebe, die als Subunternehmer für ihn tätig werden.
Die Rolle des Generalunternehmers ist somit die zentrale Anlaufstelle und der Verantwortliche für das gesamte Bauvorhaben (oder den vertraglich vereinbarten Teil davon). Sie als Bauherr haben nur einen Vertragspartner, der für die komplette Leistung haftet, unabhängig davon, welcher Subunternehmer einen Fehler gemacht hat. Das kann auf den ersten Blick einfacher erscheinen, birgt aber auch spezifische Risiken für Sie als Bauherr.
Typische Risiken bei Generalunternehmerverträgen
Trotz der Vereinfachung durch einen einzigen Ansprechpartner können bei einem Generalunternehmervertrag besondere Schwierigkeiten auftreten:
- Insolvenz des Generalunternehmers: Wenn der Generalunternehmer zahlungsunfähig wird, steht Ihr Bauvorhaben oft still. Ihr Vertragspartner fällt weg, und Sie müssen sich selbst um die Fertigstellung kümmern. Das kann bedeuten, dass Sie neue Handwerker suchen müssen, was zu erheblichen Verzögerungen und unvorhergesehenen Mehrkosten führen kann. Eventuell müssen Sie auch Forderungen von Subunternehmern klären, die vom insolventen Generalunternehmer nicht bezahlt wurden.
- Mängel und deren Behebung: Zwar ist der Generalunternehmer Ihr alleiniger Ansprechpartner bei Mängeln. Die Behebung kann aber schwierig werden, wenn der Generalunternehmer die Verantwortung nicht anerkennt oder die von ihm beauftragten Subunternehmer nicht kooperieren. Sie sind vom Generalunternehmer abhängig, wenn es um die Beseitigung von Baumängeln geht.
- Unklare oder nachteilige Vertragsklauseln: Der Vertrag mit dem Generalunternehmer regelt alle wichtigen Punkte wie Preis, Zahlungsplan, Bauzeit und Gewährleistung. Diese Verträge können sehr komplex sein und für juristische Laien schwer verständliche Klauseln enthalten. Es besteht das Risiko, dass Bestimmungen für Sie als Bauherr nachteilig sind (z.B. bei den Zahlungsbedingungen oder bei der Regelung von Nachträgen) oder dass bestimmte Klauseln rechtlich unwirksam sind, was aber erst im Streitfall relevant wird.
- Mangelnde Transparenz bei Subunternehmern: Sie haben in der Regel keinen direkten Einfluss darauf, welche Subunternehmer der Generalunternehmer beauftragt. Informationen über deren Qualifikation oder die genauen Kosten der einzelnen Teilleistungen erhalten Sie oft nicht. Ihre vertragliche Beziehung besteht nur zum Generalunternehmer, was die direkte Kontrolle oder Kommunikation mit den ausführenden Handwerkern erschwert.
Welche Bedeutung hat ein Zahlungsplan im Bauvertrag und was macht einen Zahlungsplan unwirksam?
Ein Zahlungsplan ist ein wichtiger Teil eines Bauvertrags. Er legt fest, wann und in welcher Höhe der Bauherr (Auftraggeber) den Werklohn an das Bauunternehmen (Auftragnehmer) zahlen muss. Stellen Sie sich den Zahlungsplan wie einen Zeitplan für die Bezahlung vor, der mit dem Fortschritt des Bauprojekts verbunden ist.
Die Bedeutung eines Zahlungsplans liegt darin, dass er für beide Seiten Planbarkeit schafft. Der Bauherr weiß, wann Zahlungen fällig werden, und kann seine Finanzen darauf einstellen. Das Bauunternehmen erhält regelmäßige Zahlungen, um seine Kosten zu decken.
Anforderungen an einen wirksamen Zahlungsplan
Damit ein Zahlungsplan wirksam ist, muss er bestimmten Anforderungen genügen. Besonders wichtig ist, dass die einzelnen Zahlungsraten eng an den tatsächlichen Baufortschritt und den Wert der bereits erbrachten Leistungen geknüpft sind. Das bedeutet: Eine Rate darf nur dann fällig werden, wenn bestimmte Bauabschnitte fertiggestellt sind und der verlangte Betrag dem Wert der bis dahin geleisteten Arbeit entspricht.
Ein wirksamer Zahlungsplan muss außerdem klar und verständlich formuliert sein. Es muss eindeutig erkennbar sein, welche Leistung zu welcher Zahlung führt.
Was macht einen Zahlungsplan unwirksam?
Ein Zahlungsplan ist in der Regel unwirksam, wenn er den Bauherrn unangemessen benachteiligt. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Plan keinen ausreichenden Bezug zum tatsächlichen Baufortschritt hat oder übermäßig hohe Zahlungen verlangt, bevor die entsprechende Leistung erbracht wurde.
Beispiele für unwirksame Zahlungspläne können sein:
- Eine sehr hohe erste Rate, die bereits kurz nach Vertragsabschluss fällig wird, ohne dass nennenswerte Bauleistungen erbracht wurden.
- Raten, die allein an bestimmte Daten oder Zeitabschnitte geknüpft sind, unabhängig davon, ob der Bau im Plan liegt oder nicht.
- Ein Plan, der dem Bauunternehmen erlaubt, den Großteil des Geldes zu erhalten, obwohl erst ein kleiner Teil der Arbeit erledigt ist.
Solche Pläne widersprechen dem Grundsatz, dass der Bauherr nicht für Leistungen zahlen soll, die noch gar nicht erbracht wurden.
Folgen eines unwirksamen Zahlungsplans
Ist ein Zahlungsplan unwirksam, hat dies erhebliche Folgen. Der unwirksame Zahlungsplan wird durch die gesetzliche Regelung ersetzt. Nach der gesetzlichen Regelung (§ 641 BGB) wird der Werklohn grundsätzlich erst dann fällig und zahlbar, wenn das Werk vollständig fertiggestellt und vom Bauherrn abgenommen wurde.
Für das Bauunternehmen bedeutet dies eine Vorleistungspflicht: Es muss die gesamte Bauleistung erbringen, bevor es Anspruch auf Bezahlung hat (abgesehen von möglichen Abschlagszahlungen für den Wert der bereits erbrachten und nachgewiesenen Leistung). Dies stellt eine deutliche Benachteiligung für das Unternehmen dar und schützt umgekehrt den Bauherrn, da er nicht in Vorleistung treten muss und die Zahlung von der vollständigen und mangelfreien Fertigstellung abhängig ist.
Für Sie als Bauherr ist es daher wichtig zu wissen, dass ein unwirksamer Zahlungsplan dazu führen kann, dass Sie Zahlungen nicht nach dem Plan leisten müssen, sondern die gesetzliche Regelung gilt, die eine Zahlung erst nach Abnahme vorsieht.
Was bedeutet Aufrechnung im Baurecht und wie kann ich als Bauherr meine Ansprüche damit durchsetzen?
Im Grunde bedeutet Aufrechnung, dass zwei Personen, die sich gegenseitig Geld schulden, ihre Schulden miteinander verrechnen. Stellen Sie sich vor, Sie schulden jemandem 100 Euro, und diese Person schuldet Ihnen ebenfalls 100 Euro. Anstatt Geld hin und her zu schicken, können Sie diese Schulden einfach gegenseitig aufheben. Juristisch nennt man das Aufrechnung.
Im Baurecht spielt die Aufrechnung oft eine Rolle, wenn der Bauherr (Sie als Eigentümer) und der Bauunternehmer Geldvorderungen gegeneinander haben. Der Unternehmer fordert seinen Werklohn (die Bezahlung für die geleistete Arbeit). Sie als Bauherr haben vielleicht Ansprüche gegen den Unternehmer, zum Beispiel wegen Mängeln am Bauwerk.
Voraussetzungen für die Aufrechnung
Damit Sie Ihre Ansprüche mit der Werklohnforderung des Unternehmers verrechnen können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:
- Gleichartigkeit der Forderungen: Beide Forderungen müssen auf Geld gerichtet sein. Das ist im Baurecht typischerweise der Fall: Der Unternehmer will Geld (Werklohn), und Sie wollen Geld (z.B. als Ersatz für Reparaturkosten).
- Gegenseitigkeit: Die Forderungen müssen zwischen denselben Personen bestehen. Sie schulden dem Unternehmer etwas, und der Unternehmer schuldet Ihnen etwas.
- Fälligkeit der Gegenforderung: Die Forderung, mit der Sie aufrechnen wollen (Ihre Forderung gegen den Unternehmer, z.B. auf Mängelbeseitigung oder Schadensersatz), muss fällig sein. Das bedeutet, Sie müssen vom Unternehmer verlangen können, dass er Ihnen dieses Geld jetzt oder zu einem bestimmten Zeitpunkt zahlt. Auch wenn der Unternehmer die Mängel nicht selbst behebt und Sie die Kosten dafür haben, kann dieser Anspruch fällig werden.
- Kein Aufrechnungsverbot: Es darf keine gesetzliche Regelung oder vertragliche Vereinbarung geben, die die Aufrechnung ausschließt.
Anwendung im Baurecht
Für Sie als Bauherr ist die Aufrechnung ein Weg, sich gegen die Zahlung des vollen Werklohns zu wehren, wenn der Unternehmer beispielsweise Mängel nicht beseitigt. Wenn der Unternehmer seinen Werklohn fordert, aber am Bauwerk Mängel vorhanden sind, deren Behebung Geld kostet, können Sie erklären, dass Sie Ihre Forderung auf Erstattung dieser Mängelbeseitigungskosten mit dem Werklohn verrechnen.
Das bedeutet praktisch: Sie erklären dem Unternehmer, dass Sie einen Teil des Werklohns nicht zahlen, weil Sie stattdessen Ihre Kosten für die Mängelbeseitigung oder andere berechtigte Forderungen gegen ihn aufrechnen. Die Aufrechnung bewirkt dann, dass sich die beiden Forderungen in der Höhe, in der sie sich decken, gegenseitig aufheben. Es ist, als hätten Sie dem Unternehmer den Betrag, den er Ihnen schuldet, bereits „bezahlt“, indem Sie ihn von dem abziehen, was Sie ihm schulden.
Das Durchsetzen Ihrer Ansprüche durch Aufrechnung erfolgt, indem Sie dem Bauunternehmer eine klare Erklärung zukommen lassen, dass Sie die Aufrechnung erklären. In dieser Erklärung sollten Sie deutlich machen, welche Forderung Sie gegen welche Forderung des Unternehmers aufrechnen und in welcher Höhe. Die Aufrechnung ist eine einseitige Erklärung; sie wird wirksam, sobald sie dem anderen zugeht, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind.
Welche Möglichkeiten habe ich als Bauherr, meine Rechte bei Baumängeln durchzusetzen, und welche Rolle spielt dabei ein Sachverständigengutachten?
Wenn an Ihrem Bauvorhaben Mängel auftreten, die sich auf die Nutzung oder den Wert auswirken, stehen Ihnen als Bauherr bestimmte Rechte gegenüber dem ausführenden Unternehmen zu. Diese Rechte leiten sich in Deutschland hauptsächlich aus dem Werkvertragsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ab.
Ihre grundlegenden Rechte als Bauherr
Ihr wichtigstes Recht bei einem Mangel ist zunächst die Nacherfüllung. Das bedeutet, Sie können vom Unternehmen verlangen, dass der Mangel behoben wird. Dies kann entweder durch eine Reparatur des vorhandenen Mangels oder, falls das nicht möglich oder sinnvoll ist, durch die Neuerstellung des betroffenen Teils der Leistung geschehen. Sie setzen dem Unternehmen hierfür üblicherweise eine angemessene Frist zur Mangelbeseitigung.
Erst wenn die Nacherfüllung fehlschlägt (das Unternehmen den Mangel also nicht oder nicht erfolgreich innerhalb der Frist behebt) oder vom Unternehmen verweigert wird, stehen Ihnen weitere Rechte zu:
- Minderung des Werklohns: Sie können verlangen, weniger für die Bauleistung zu bezahlen. Die Höhe der Minderung richtet sich danach, wie stark der Mangel den Wert oder die Nutzbarkeit des Werkes beeinträchtigt.
- Schadensersatz: Sie können Ersatz für den Schaden verlangen, der Ihnen durch den Mangel entstanden ist. Dies kann zum Beispiel die Kosten umfassen, die Ihnen entstehen, wenn Sie ein anderes Unternehmen beauftragen müssen, um den Mangel zu beheben, oder auch Schäden an anderen Gebäudeteilen, die durch den ursprünglichen Mangel verursacht wurden.
Beweissicherung ist entscheidend
Um Ihre Rechte effektiv durchzusetzen, ist es unerlässlich, den Mangel genau zu dokumentieren. Halten Sie den Mangel schriftlich fest, machen Sie Fotos oder Videos und beschreiben Sie den Schaden so detailliert wie möglich. Notieren Sie auch, wann der Mangel aufgetreten ist und welche Auswirkungen er hat. Diese Beweissicherung ist wichtig, um später nachweisen zu können, dass ein Mangel vorliegt und wie er beschaffen ist.
Die Rolle des Sachverständigengutachtens
Hier kommt das Sachverständigengutachten ins Spiel. Ein Sachverständiger ist ein unabhängiger Fachmann, der über besonderes technisches Wissen in seinem Bereich verfügt. Er kann den Mangel objektiv begutachten und bewerten.
Ein Gutachten kann Ihnen helfen,
- den Mangel technisch exakt zu beschreiben und seine Ursache festzustellen,
- den notwendigen Umfang der Mängelbeseitigung zu bestimmen,
- die Kosten für die Mängelbeseitigung oder die Minderung des Wertes der Immobilie durch den Mangel zu schätzen.
Das Sachverständigengutachten dient als wichtige Grundlage für Gespräche mit dem Bauunternehmen über die Mängelbeseitigung oder eine Einigung. Im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung ist ein solches Gutachten oft entscheidend, um dem Gericht den technischen Sachverhalt verständlich zu machen und die rechtlichen Ansprüche zu begründen. Es übersetzt die technischen Fakten des Bauens in eine Form, die im juristischen Kontext verwertbar ist.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Bei Baumängeln stehen Ihnen Rechte wie Nacherfüllung, Minderung und Schadensersatz zu. Die genaue Dokumentation des Mangels ist fundamental. Ein Sachverständigengutachten ist oft ein unverzichtbares Werkzeug, um den Mangel fachlich fundiert festzustellen und Ihre Ansprüche belegen zu können.
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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Abrechnungsverhältnis
Ein Abrechnungsverhältnis entsteht, wenn der Bauherr endgültig erklärt, dass er keine weitere Leistung vom Unternehmer mehr wünscht und stattdessen Schadensersatz fordert. In diesem Stadium wird das Vertragsverhältnis praktisch abgerechnet, wobei der Bauherr Kosten, die er zur Mängelbeseitigung aufwendet, und gegebenenfalls Vorschüsse geltend machen kann, auch ohne dass eine formale Abnahme erfolgt ist. Das Abrechnungsverhältnis ist eine Ausnahme von der Regel, dass Mängelansprüche erst nach Abnahme geltend gemacht werden können. Es ermöglicht dem Bauherrn, vor der Abnahme schon bestimmte Mängelrechte wie Vorschussansprüche nach § 637 BGB durchzusetzen.
Beispiel: Wenn der Bauherr den Generalunternehmer wegen schwerwiegender Mängel kündigt und eigenständig die Reparaturen organisiert, entsteht ein Abrechnungsverhältnis, in dem er die entstandenen Kosten gegen den Werklohn verrechnen kann.
Aufrechnung
Die Aufrechnung ist ein rechtliches Mittel, bei dem zwei sich gegenüberstehende Geldforderungen miteinander verrechnet werden. Im Baurecht kann ein Bauherr mit seinen Ansprüchen aus Mängelbeseitigung oder Schadensersatz die Werklohnforderung des Unternehmers mindern oder ganz ausgleichen. Voraussetzung ist, dass die Gegenforderung fällig, durchsetzbar und auf Geld gerichtet ist. Die Aufrechnung muss dem anderen Vertragspartner gegenüber erklärt werden; damit entfällt die gegenseitige Zahlungspflicht zumindest in der Höhe, in der sich die Forderungen decken.
Beispiel: Der Generalunternehmer verlangt 20.000 Euro Werklohn, der Bauherr weist jedoch Mängel nach und verlangt 10.000 Euro Schadensersatz; er kann diese Forderung gegen die Werklohnforderung aufrechnen, so dass er effektiv nur 10.000 Euro zahlen muss.
Vorschussanspruch zur Mängelbeseitigung (§§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB)
Der Vorschussanspruch erlaubt es dem Bauherrn, vom Unternehmer vor der Abnahme Geld für die Beseitigung von Mängeln zu verlangen, wenn der Unternehmer zur Nacherfüllung verpflichtet ist. Normalerweise setzt dieser Anspruch aber eine formelle Abnahme voraus. Im Urteilsfall erkannte das Gericht eine Ausnahme an, weil ein Abrechnungsverhältnis vorlag und der Unternehmer keine weitere Erfüllung wünschte. So kann der Bauherr bereits vor der Abnahme einen angemessenen Vorschuss für die Reparatur von Mängeln erhalten, wodurch er nicht erst nach vollständiger Abnahme und vollständiger Mängelbeseitigung finanzielle Sicherheit erlangen muss.
Beispiel: Der Bauherr weist erhebliche Baumängel nach und kündigt den Vertrag, der Unternehmer will nicht mehr reparieren; der Bauherr kann dann von ihm vorab Kosten für die beauftragte Reparatur fordern.
Unwirksame AGB-Klausel (§ 307 BGB)
Eine AGB-Klausel ist unwirksam, wenn sie den Vertragspartner unangemessen benachteiligt oder gegen grundlegende Prinzipien des Gesetzes verstößt (§ 307 BGB). Im vorliegenden Fall war die Zahlungsplan-Klausel unwirksam, weil sie das gesetzliche Zurückbehaltungsrecht des Bauherrn unzulässig beschränkte und erforderliche Hinweise auf eine Sicherheitspflicht nach § 632a Abs. 3 BGB bei Verbraucherbaustellen fehlten. Die Folge einer solchen Unwirksamkeit ist, dass die gesetzlichen Regeln gelten und der Unternehmer keinen Anspruch auf Zahlung der Raten aus dieser Klausel hat. Das schützt den Bauherrn davor, schon bei mangelhafter Leistung zahlen zu müssen.
Beispiel: Der Vertrag verlangt, dass der Bauherr trotz schwerwiegender Mängel Abschlagszahlungen leisten muss und kein Geld zurückhalten darf; diese Klausel benachteiligt den Bauherrn zu stark und ist daher unwirksam.
Schadensersatz statt der Leistung (§ 280 Abs. 1 BGB)
Schadensersatz statt der Leistung tritt ein, wenn eine Partei ihre Vertragspflicht nicht erfüllt und dadurch ein Schaden entsteht. Im Baurecht können Bauherren diesen Anspruch geltend machen, wenn der Unternehmer z. B. mit der Fertigstellung von vertraglich geschuldeten Leistungen in Verzug gerät. Dieser Anspruch ist besonders wichtig, weil er keine Abnahme voraussetzt und Bauherren damit auch vor der Abnahme Schadensersatz verlangen können, wenn der Unternehmer die Arbeiten nicht rechtzeitig oder überhaupt nicht ausführt.
Beispiel: Der Generalunternehmer verzögert die Fertigstellung der Außenanlagen trotz vereinbarten Termins; die Bauherren können Schadensersatz für die Verzögerung geltend machen, etwa für Mehrkosten durch längeren Mietaufenthalt.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 634 BGB (Mängelrechte beim Werkvertrag): Regelt die Rechte des Auftraggebers bei mangelhafter Werkleistung, insbesondere Nacherfüllung, Minderung, Rücktritt und Schadensersatz. Diese Ansprüche setzen grundsätzlich die Abnahme des Werkes voraus, um wirksam zu werden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG bestätigte, dass Mängelrechte nach § 634 BGB ohne Abnahme grundsätzlich nicht greifen, es aber Ausnahmen gibt, wenn ein Abrechnungsverhältnis vorliegt und der Bauherr endgültig keine weitere Erfüllung wünscht.
- §§ 280 ff. BGB (Leistungsstörungsrecht – Schadensersatz statt der Leistung): Befähigen die Vertragspartei zum Schadensersatz, wenn der Vertragspartner seine Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbringt, unabhängig vom Vorliegen einer Abnahme. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Hierauf stützte das OLG das Recht der Bauherren auf Schadensersatz für unvollständige Leistungen (wie Außenanlagen und Garage), da der Unternehmer mit der Fertigstellung in Verzug geraten war, ohne dass eine Abnahme erforderlich war.
- § 632a BGB (Abschlagszahlung bei Werkverträgen – alte Fassung): Definiert die Voraussetzungen und Informationspflichten bei Abschlagszahlungen im Bauvertrag, insbesondere Sicherheitsleistungen des Unternehmers. Einschränkungen des Zurückbehaltungsrechts des Bauherrn sind nur in engen Grenzen zulässig. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die vertragliche Klausel zum Zahlungsplan wurde wegen unterbliebenem Hinweis auf die Sicherheitsleistung und unzulässiger Beschränkung des Zurückbehaltungsrechts für unwirksam erklärt, was den Anspruch des Unternehmers auf Abschlagszahlungen ausschloss.
- § 307 BGB (Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen): Schützt Vertragsparteien vor unangemessenen Benachteiligungen durch überraschende, unklare oder unfaire Klauseln in AGB. Klauseln, die zu Lasten des Verbrauchers abweichen und Informationspflichten verletzen, sind unwirksam. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht erklärte die Klausel zu Abschlagszahlungen und deren Einschränkungen für unwirksam, da sie den Bauherren unangemessen benachteiligte und gegen gesetzliche Vorgaben verstieß.
- § 287 ZPO (Beweiserleichterung – Schätzung des Schadens): Ermöglicht dem Gericht bei unklaren oder strittigen Schadenshöhen eine angemessene Schätzung anhand des Sachverhalts. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG nutzte diese Regelung, um die Angemessenheit der von den Bauherren geltend gemachten Kosten für Mängelbeseitigung und Schadensersatz trotz bestrittenem Einzelbeweis durch den Unternehmer zu bestätigen.
- § 84 BauO NRW (Bauordnung – Bauzustandsbesichtigungen und Bescheinigungen): Verpflichtet zur Durchführung der bauaufsichtlichen Überprüfung von Standsicherheit, Brand-, Schall- und Feuerschutz und regelt die Ausstellung zugehöriger Bescheinigungen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG verpflichtete den Generalunternehmer zur Herausgabe bauamtlicher Abnahmebescheinigungen für Standsicherheit, Schallschutz und Feuersicherheit, da diese zur Nutzung des Gebäudes erforderlich sind und vertraglich geschuldet wurden.
Das vorliegende Urteil
OLG Düsseldorf – Az.: I-22 U 192/21 – Urteil vom 17.06.2022
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