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Gebäuderisse als wesentliche Mängel – Abzug „neu für alt“

OLG Dresden – Az.: 1 U 600/12 – Urteil vom 16.07.2014

1. Das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 09.03.2012, Az.: 2 HKO 1671/11, wird unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Klägerin im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.516,05 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.11.2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz sowie den Kosten des selbständigen Beweisverfahrens – Landgericht Leipzig, Az.2 HK OH 37/07 – haben die Klägerin 91 % und die Beklagte 9 % zu tragen. Von den Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz haben die Klägerin 93 % und die Beklagte 7 % zu tragen. Die Kosten der Nebenintervention in erster Instanz haben die Klägerin zu 91 % und die Streithelferin zu 9 % zu tragen. Die Kosten der Nebenintervention in zweiter Instanz haben die Klägerin zu 93 % und die Streithelferin zu 7 % zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckende vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss: Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird bis 15.06.2014 auf 51.375,99 € und ab 16.06.2014 auf 65.876,99 € festgesetzt.

Gründe

I.

Gebäuderisse als wesentliche Mängel - Abzug "neu für alt"
Symbolfoto: Von mbond77 /Shutterstock.com

Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten Schadenersatzansprüche wegen einer – ihrer Behauptung nach – mangelhaften Werkleistung, die sich in einer Vielzahl von Risserscheinungen an dem von der Beklagten für die Klägerin errichteten Gebäude zeigt, geltend.

Auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.

Die Klägerin ist der Ansicht, das Landgericht habe die Klageanträge zu Unrecht abgewiesen.

Das Landgericht verkenne, dass, auch wenn mit der am 15.05.2002 erfolgten Abnahme grundsätzlich eine Umkehr der Beweislast erfolgte, nach der Symptomtheorie klägerseits nur die Mangelerscheinung und nicht die Ursache für den Mangel darzustellen sei.

Fehlerhaft habe das Landgericht nach dem vorliegenden Sachverständigengutachten des Dr. S. aus dem Verfahren 2 HK OH 37/07 (LG Leipzig) das Jahrhunderthochwasser und Planungsfehler für die Entstehung der vorhandenen Risse als ursächlich angesehen. Dies habe der Sachverständige nicht festgestellt. Er vermute dies lediglich. Baugrunduntersuchungen sind nicht durchgeführt worden. Soweit das Gericht darauf verweise, dass „die eigentliche Ursache der Rissbildung ein bekannt problematischer Baugrund und eine unzureichende Berücksichtigung desselben bei der Tragwerksplanung sei“, verkenne das Landgericht die erfolgte Baugrundverbesserung.

Es sei auch nicht nachzuvollziehen, woraus sich weitere Prüf- und Hinweispflichten des Prüfingenieurs oder Bauüberwachers aufgrund der durchgeführten Baugrundverbesserung ergeben sollten, erst recht vor dem Hintergrund, dass seitens der Beklagten keine Bedenken zur Tragfähigkeit des Baugrundes auch im Rahmen eines Nachtrages zur ausgeführten Baugrundverbesserung angemeldet worden seien.

Ebenso fehlerhaft und am Sachverständigengutachten vorbei seien die Feststellungen des Landgerichts, dass entgegen der Behauptungen der Klägerin die unzureichenden Bewehrung nicht die Ursache der streitgegenständlichen Risse heranzuziehen sei. Hier habe der Sachverständige Dr. S. dargelegt, dass die von der Beklagten bzw. der Streithelferin eingebaute einstäbige Mattenbewehrung besser als die von der Tragwerksplanung vorgesehene doppelstäbige Mattenkorbbewehrung sei. Allerdings liege nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. S. das Problem gleichwohl in einer unzureichenden Bewehrung, nämlich in einem nach seiner Auffassung unzureichend bemessenem Ringanker. Insoweit beachte das Landgericht den Vortrag der Klägerin nicht, dass von der Beklagten kein, jedenfalls kein ordnungsgemäßer Ringanker, eingebaut worden sei.

Der Sachverständigen Dr. S. habe die von der Beklagten vorgenommene Änderung in der Bauausführung und Bewehrung gegenüber der Ursprungsplanung nicht berücksichtigt, insbesondere nicht die Verantwortlichkeit der Beklagten für die mangelhafte Ausführung des Ringankers, obwohl gerade dessen Dimensionierung entscheidend für die Rissbildung sei. Der Sachverständige Dr. S. habe auch nicht an einer Rissstelle überprüft, ob seitens der Beklagten bzw. der Streithelferin eine Bewehrung eingebaut worden sei.

Vielmehr habe die Beklagte den Rohbau unter Verwendung von Fertigbetonteilen (Hohlwandelemente) errichten lassen. Auf hieraus resultierende Probleme, dass entsprechende Risse verstärkt werden könnten, habe die Beklagte nicht hingewiesen. Die Beklagte habe offensichtlich die sich aus den Plänen zum Bauvertrag ergebende Tragwerksplanung in Abstimmung mit ihrer Streithelferin ohne Offenlegung gegenüber der Klägerin geändert, so dass die Haltbarkeit von der Beklagten zu vertreten sei. Wenn entgegen der Planung kein bzw. ein unzureichender Ringanker eingebaut werde, liege die Verantwortung für die Rissbildung bei der Beklagten.

Die Beklagte habe auch für die Mängelbeseitigungskosten bezüglich der Dehnfugen aufzukommen, denn sie sei ihrer Pflicht, als Fachunternehmer auf Fehler in den Plänen hinzuweisen, nicht nachgekommen.

Im Übrigen habe die Beklagte wegen der mangelhaften Ausführung ihrer Leistung auch dadurch entstehende Mangelfolgeschäden im Bereich der Putzleistungen zu tragen.

Wegen der erforderlich werdenden Kosten zur Nachrüstung und ordnungsgemäßen Herstellung des vorgesehenen Ringankers seien nach Ansicht der Klägerin höhere als vom Sachverständigen angegebene Kosten erforderlich. Die erforderlichen Kosten würden sich auf 14.501,00 € netto belaufen, wegen derer die Klage in der Berufungsinstanz erweitert wird. Die verspätete Geltendmachung habe die Beklagte durch arglistiges Verhalten selbst verursacht. Sie habe den mangelhaft ausgeführten Ringanker, was einen groben Ausführungsfehler darstelle, arglistig verschwiegen. Anders als die Revisionspläne der Beklagten ausweisen, sei nicht entsprechend den Planvorgaben gebaut worden.

Mit ihrer Berufung hat die Klägerin ursprünglich beantragt, das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 09.03.2012, Az.: 2 HKO 1671/11, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 51.375,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen; hilfsweise hat sie beantragt, das Urteil aufzuheben und die Sache zur weitergehenden Behandlung an das Landgericht Chemnitz zurückzuverweisen.

Mit Schriftsatz vom 26.05.2014, der Beklagten am 16.06.2014 zugestellt, beantragt die Klägerin zudem, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 14.501,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen und die Klage insgesamt kostenpflichtig abzuweisen.

Die Streithelferin der Beklagten beantragt wie diese.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die von der Klägerin mit der Berufung erhobenen Einwände nicht geeignet seien, das Urteil des Landgerichts Chemnitz in Frage zu stellen.

Zutreffend gehe das Landgericht davon aus, dass der Auftraggeber nach Abnahme die Beweislast für die behaupteten Mängel trage. Der Klägerin sei es durch die Bezugnahme auf das vorangegangene selbstständige Beweisverfahren nicht gelungen, das Landgericht Chemnitz davon zu überzeugen, dass die behaupteten Rissbildungen auf ein Fehlverhalten der Beklagten zurückzuführen seien. Vielmehr habe der Sachverständige im selbstständigen Beweisverfahren den Gegenbeweis erbracht, indem er ausgeschlossen habe, dass die Ursache der Mangelhaftigkeit in einer fehlerhaften Leistung gelegen habe.

Die Beweiswürdigung des Landgerichts sei im Rahmen des Berufungsverfahrens unangreifbar. Das Landgericht Chemnitz habe zu Recht aus dem Sachverständigengutachten hergeleitet, dass eigentliche Ursache der Rissbildung ein bekannt problematischer Baugrund und dessen unzureichende Berücksichtigung bei der Tragwerksplanung gewesen sei. Zu dieser Einschätzung sei es trotz der behaupteten Baugrundgrundverbesserung gekommen. Die Beklagte habe auch keine Bedenken bezüglich der durchgeführten Baugrundverbesserung anmelden müssen. Dies sei für sie nicht erkennbar gewesen. Zudem habe die Klägerin vertraglich das Baugrundrisiko übernommen. Im Übrigen habe der Sachverständige dargelegt, dass die von der Beklagten bzw. Streithelferin eingebaute einstäbige Mattenbewehrung besser sei als die von der Tragwerksplanung vorgesehene doppelstäbige Mattenkorbbewehrung. Ursache der Rissbildung sei die vom Tragwerksplaner der Klägerin vorgegebene Bemessung des Ringankers.

Soweit die Klägerin nun behauptet, das Gericht habe zu Unrecht unberücksichtigt gelassen, dass ein solcher von der Beklagten überhaupt nicht eingebaut worden sei, so gehe auch dieser Einwand fehl. Der Sachverständige Dr. S. habe in seiner zweiten Stellungnahme vom 10.10.2008 auf Seite 5 ausgeführt, dass ein entsprechender Ringanker vorhanden sei. Dieser sei in die vorgefertigten Elementen integriert.

Ebenso wenig greife der Einwand, dass die Streithelferin der Beklagten die statische Berechnung der eingebauten Betonhohlwandelemente vorgenommen und damit die Bemessung des Ringankers zu vertreten habe, nicht. Der Sachverständige habe ausgeführt, dass die Planung der Betonwandelemente bei dem ausführenden Unternehmen liege, jedoch die Besonderheit des Bauwerks und die hier baugrundspezifische Tragwerksplanung Sache der Klägerin sei. Der Planer der Betonelemente habe nur die Standsicherheit der Elemente selbst, nicht jedoch des gesamten Gebäudes bei seiner Planung zu berücksichtigen.

Die im Verfahren bisher allein streitige Rissproblematik sei auf das Hochwasserereignis zurückzuführen und nicht auf eine Problematik des Ringankers. Es stünde nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr.-Ing. W. fest, dass der Ringanker, auch wenn er nicht den planerischen Vorgaben entspreche, nicht zur Rissproblematik beigetragen habe. Soweit die Klägerin nunmehr Schadensersatzforderungen bezüglich des Ringankers geltend mache, erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung. Die Gewährleistungsfrist sei im Mai 2007 ausgelaufen. Gerügt und geltend gemacht worden seien während der gesamten Gewährleistungszeit nur Risssymptome. Eine nunmehr geltend gemachte Forderung bezüglich des Ringankers stelle eine Klageänderung dar, der sie nicht zustimme.

Hinsichtlich der vom Sachverständigen ermittelten Netto-Mangelbeseitungskosten für den Ringanker in Höhe von 7.532,50 € habe der Sachverständige zugleich ausgeführt, dass eine nachträgliche Ausbildung des Ringankers im Bereich der Dehnfugen erforderlich sei, diese aber in der Planung nicht vorgesehen gewesen. Vielmehr habe die Planung eine Unterbrechung des Ringankers an den Bewegungsfugen vorgesehen. Gemäß Statik und planerischer Vorgabe an den streitgegenständlichen Stellen seien keine Dehnfugen gefordert und von der klägerisch beauftragten Statikerin auch nicht geplant oder vorgesehen gewesen. Die Statik und die Ausführungspläne seien von einem Prüfstatiker und der Planerin geprüft und freigegeben worden. Die Beklagte habe die Leistungen gemäß der Ausführungsplanung der Kläger erbracht. Planungsmängel seien nicht der Beklagten zuzurechnen. Hierauf beruhende Kosten müsse die Beklagte nicht tragen.

Die Beklagte habe auch keine Putzleistungen oder Mörtelarbeiten erbracht, auch solche Kosten könnten ihr nicht zugerechnet werden.

Auch die Streithelferin der Beklagten verteidigt das angefochtene Urteil. Die streitgegenständlichen Risserscheinungen seien nicht auf Ausführungsfehler der Beklagten zurückzuführen.

Entgegen der Behauptung der Klägerin fehle es nicht an der Ausführung der geplanten Bewehrung, insbesondere nicht an der Ausführung eines Ringankers. Der Ringanker sei vorhanden.

Im Übrigen habe die statische Bemessung nicht der Beklagten und nicht der Streithelferin, sondern der Tragwerksplanung der Klägerin oblegen. Die hier vorliegenden erhöhten Anforderungen habe der Tragwerksplaner zu beachten.

Die Beklagte habe die Fugen zwischen den Betonhohlwandteilen nicht mit zu gering dimensionierten Stahlmatten errichtet. Der Sachverständige Dr. S. habe vielmehr die ausgeführte Verbindungs- und Mattenbewehrung in den Montagefugen als besser bewertet als die geplante und daher das Fazit gezogen, dass das eingetretene Schadensbild seine Ursachen nicht in der gegenüber der Planung verändert ausgeführten Verbindungsbewehrung für die Vertikalfugen habe.

Auch eine andere Ausführung des Ringankers hätte das Entstehen der Risse nicht verhindert, weil ein solcher gegen eine außerplanmäßige Einwirkung von Hochwasser keinen Widerstand leiste.

Die Ursache der Rissbildung liege im Hochwasser. Dies hätten nunmehr zwei Sachverständige unabhängig voneinander bestätigt. Die Klägerin überspanne die Anforderung an die Kenntnis eines Fachunternehmens, wenn sie meine, die Beklagte und deren Streithelfer müssten es besser wissen als der von der Klägerin eigens eingeschaltete Statiker.

Die Klageerweiterung sei unzulässig, weil die Klägerin schon in der ersten Instanz diese Ansprüche hätte geltend machen können. Der Anspruch sei zudem verjährt. Er wäre auch dann verjährt, wenn ein arglistiges Verhalten vorliegen würde, da die Höchstfrist von 10 Jahren bereits im Jahre 2012 abgelaufen sei.

Im Übrigen fehle es auch daran, dass die Beklagte ergebnislos zur Mangelbeseitigung aufgefordert worden sei.

Die Streithelferin hat mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 9.7.2014 in Frage gestellt, ob die Risse Nr. 31 und BR 1 – BR 3 überhaupt streitgegenständlich waren. Da die Risse ihrer Ansicht nach nicht Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens gewesen seien, erhebt sie gegen diesbezügliche Ansprüche die Einrede der Verjährung.

Die ursprüngliche Klage wurde der Beklagten am 07.11.2011 zugestellt. Die Klageerweiterung wurde der Beklagten am 16.06.2014 zugestellt.

Der Senat hat ein ergänzendes Gutachten des Sachverständigen Dr. Ing. J. W. eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dr.-Ing. J. W. sowie auf seine Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 27.06.2014 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 4.516,05 € gemäß § 13 Nr. 7 VOB/B (Ausgabe 2000). Ein darüber hinausgehender Schadenersatzanspruch besteht nicht.

1.

Die Klageerweiterung ist zulässig.

Gemäß § 533 ZPO ist eine Klageänderung in der Berufungsinstanz nur zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht das für sachdienlich hält und diese auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat.

a)

Die Zulassung der Klageerweiterung ist sachdienlich. Die Sachdienlichkeit ist nur ausnahmsweise zu verneinen, insbesondere wenn die Bejahung zur Beurteilung eines völlig neuen Streitstoffes nötigen würde, ohne dass dafür das Ergebnis der bisherigen Prozessführung verwertet werden könnte. Maßgeblicher Gesichtspunkt ist der Gedanke der Prozesswirtschaftlichkeit, wobei es allein darauf ankommt, ob und inwieweit die Zulassung geeignet ist, den Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits auszuräumen und weiteren Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen. Unerheblich ist, ob noch Erklärungen der Parteien und Beweiserhebungen notwendig sind, ob die Zulassung also verzögern würde oder ob die Parteien eine Tatsacheninstanz verlieren (Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 533 Rn. 6 m.w.N.). Die Zulassung der Klageerweiterung verzögert den Rechtsstreit nicht. Die für die Entscheidung heranzuziehenden Tatsachen sind bereits im vorliegenden Verfahren geklärt worden. Die Zulassung der Klageerweiterung dient auch dazu, weiteren Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen.

Mithin kam es darauf, dass die Beklagte die Zustimmung zur Klageerweiterung nicht erteilt hat, nicht an.

b)

Nach Vorstehendem hat der Senat seine Verhandlung und Entscheidung auch nur auf die Tatsachen zu stützen, die er im Rahmen der Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hatte.

2.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch in Höhe von 4.516,05 € gemäß § 13 Nr. 7 VOB/B (Ausgabe 2000).

Auf das Schuldverhältnis sind die bis zum 31.12.2001 geltenden Vorschriften anzuwenden (Art. 229 § 5 EGBGB).

Die Parteien haben die Allgemeinen Vertragsbedingungen für Bauleistungen (VOB/B) in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 22.03.2001 gültigen Fassung (hier VOB 2000) wirksam in den Vertrag einbezogen.

Ein Schadenersatzanspruch setzt neben einer erfolglosen Fristsetzung zur Mangelbeseitigung (§ 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B) nach § 13 Nr. 7 VOB/B setzt voraus, dass gem. § 13 Nr.1 VOB/B ein wesentlicher Mangel, der die Gebrauchsfähigkeit erheblich beeinträchtigt und auf ein Verschulden des Auftragnehmers oder seiner Erfüllungsgehilfen zurückzuführen ist, vorliegt.

Diese Voraussetzungen sind für einen Teil der aufgetretenen Risse, namentlich den Riss Nr. 31 am Vollbetonfertigteil im Obergeschoss und bei den Rissen an den Brüstungselementen Risse Nr. BR1 bis BR3 (Bezeichnung gemäß Gutachten des Sachverständigen Dr.-Ing. J. W. vom 15.03.2014) erfüllt. Für die übrigen Risse am Bauwerk sind sie dagegen nicht erfüllt.

Soweit die Voraussetzungen des § 13 Nr.7 VOB/B bezüglich der mangelhaften Ausführung des Ringankers erfüllt wären, steht der Durchsetzung diesbezüglicher Schadenersatzansprüche die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen.

2.1.

Der Klägerin steht ein Schadenersatzanspruch für die Risse Nr. 31 und BR 1- BR 3 zu.

a)

Bei dem Riss Nr. 31 als auch bei den Rissen BR1 bis BR3 handelt es sich um wesentliche Mängel, die die Gebrauchsfähigkeit des Bauwerkes erheblich beeinträchtigen.

Der wesentliche Mangel hat zwei Merkmale, ein objektives und ein subjektives. Das objektive Merkmal ist die allgemeine Verkehrsauffassung darüber, ob der vorliegende Mangel unter Zurundelegung des Vertragszweckes als empfindlich und deswegen als beachtlich anzusehen ist. Die Abgrenzung dazu ist eine nur unbedeutende Abweichung von dem vertraglichen Leistungsziel. Bei dem subjektiven Merkmal ist das spezielle Interesse des Auftraggebers einer vertragsgerechten Leistung in Betracht zu ziehen (Ingenstau/Korbion/Wirth, Kommentar zur VOB, 16. Aufl., Teil B, § 13 Nr. 7 Rn. 61).

Die vorliegenden Risse sind nicht nur lediglich optisch relevante Haarrisse. Die Gebrauchsfähigkeit der Bauleistung ist vielmehr beeinträchtigt, weil Merkmale vorliegen, die nach § 13 Nr. 1 VOB/B den Wert oder die Tauglichkeit der Leistung zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern (vgl. Ingenstau/Korbion/Wirth, a.a.O., § 13 Nr. 7 Rn. 66). Ohne eine Sanierung der Risse ist die Gebrauchstauglichkeit des Werkes der Beklagten gemindert.

b)

Die Beklagte hat die Risse auch zu vertreten. Ihre Arbeiten waren ursächlich für die Ausbildung der Risse.

Davon ist der Senat aufgrund des sorgfältig erstellten Gutachtens des Sachverständigen Dr. -Ing. J. W., der unter Auswertung der offengelegten Anknüpfungstatsachen sein Ergebnis schlüssig dargelegt und in der mündlichen Verhandlung auf Nachfragen nachhaltig begründet hat, überzeugt. Der Sachverständige hat bei seinen gutachterlichen Betrachtungen insbesondere auch die örtlichen Gegebenheiten beachtet und entsprechend eingestellt.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr.-Ing. J. W., der dem Senat, der als Bausenat tätig ist, aus diversen Verfahren als besonders zuverlässig und sachkundig bekannt ist, beruhen die Risse BR1 bis BR3 im Brüstungsbereich auf dem Fehlen einer ausreichenden rissbegrenzenden Bewehrung in der Anschlussfuge zwischen Brüstungs- und Wandelement. Hierbei handelt es sich um einen Ausführungsfehler, da in der Planung eine Bewehrung vorgesehen war, mithin entgegen der Planung gebaut wurde.

Ebenso überzeugend hat der Sachverständige Dr.-Ing. W. ausgeführt, dass der Riss Nr. 31 im Bereich des Sturzauflages im Obergeschoss auf eine fehlerhafte Ausbildung des Auflagers des Fertigteilsturzes zurückzuführen ist. Die Beklagte hat auch hier anders als in der Planung vorgesehen gebaut. In der durch das elastische Auflager des Sturzes definierten Lasteneintragungszone wurde der tragende Querschnitt von einer Elektrounterputzdose unzulässig geschwächt, der Restquerschnitt des Pfeilerauflagers vermochte die konzentriert eingetragenen Lasten nicht schadlos aufzunehmen und riss. Darüber hinaus hätte es, da keine rissbegrenzende Bewehrung in der senkrechten Fuge vorhanden war, einer Entkopplung des Putzes im Untergrund bedurft, welche aber nicht ausgeführt worden ist. Im konkreten Fall hätte hier nach Angaben des Sachverständigen auch den Mitarbeitern der Beklagten, einem Hochbauunternehmen, auffallen müssen, dass eine Bewehrung erfolgen muss. Diesen Feststellungen des Sachverständigen schließt sich der Senat an.

Die Risse Nr. 31 und BR1- BR3 waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 25.06.2014. Sie waren damit auch streitgegenständlich. Im Übrigen hat die Klägerin Risserscheinungen und deren Ursachen im selbständigen Beweisverfahren gerügt. Die Ursachen für die Risse Nr. 31 und BR 1 – BR 3 (mithin die eigentlichen Mängel) waren bei der Abnahme schon angelegt und damit auch Gegenstand des selbständigen Beweisverfahren. Ob die konkreten Mangelerscheinungen schon sichtbar waren, ist damit unabhängig davon, dass dieser neue Vortrag der Streithelferin nach § 296a ZPO, weil er ohne nachgelassen zu sein, erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgebracht wurde, ausgeschlossen ist, unerheblich. Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen, bestand nicht.

c)

Ob, was zwischen den Parteien im Streit steht, die Beklagte von der Klägerin fruchtlos unter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung aufgefordert worden ist (§13 Nr. 5 Abs.2 VOB/B), kann dahinstehen. Eine solche Fristsetzung war jedenfalls deshalb entbehrlich, weil die Beklagte spätestens mit der Klageerwiderung eine Mängelbeseitigung ernsthaft und endgültig abgelehnt hat.

d)

Die Durchsetzung der Mängelansprüche der Klägerin steht nicht die von der Streithelferin erhobene Einrede der Verjährung entgegen.

Bei dieser handelt es sich um eine materiell-rechtliche Einrede, die nur vom Rechtsinhaber selbst, hier der Beklagten, erhoben werden kann. Diese hat die Einrede der Verjährung jedoch nur hinsichtlich der zum Gegenstand der Klageerweiterung in der Berufungsinstanz gemachten Mängel erhoben. Sie wäre auch nach § 296a ZPO präkludiert, weil sie nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgebracht wurde, ohne das neuer Vortrag nachgelassen worden wäre. Es bestand auch kein Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

e)

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadenersatz in Höhe der anfallenden Mangelbeseitigungskosten. Diese belaufen sich auf 4.516,05 €.

Sie setzen sich nach den nachvollziehbaren Angaben des Sachverständigen Dr.-Ing. W., der eine aktualisierte Aufstellung in der mündlichen Verhandlung vom 25.06.2014 übergeben hat, wie folgt zusammen:

aa)

Sanierungskonzeption, statische Nachweise, Detailplanung, Bauvorbereitung, Baukoordination, Bauüberwachung und sonstige Architekten- und Ingenieurleistungen 750,00 €.

bb)

Riss Nr. 31: nachträgliche Ausbildung des Ringankers im Bereich des Sturzabrisses im OG aus verzinktem Stahlprofilen wie beschrieben, Kleinmengenzuschlag und Mehrfachanfahrten 750,00 €.

cc)

Riss Nr. 31: Auflagerbereich des Sturzes im Obergeschoss fachgerecht ausbilden, abgescherten Leibungskeil z.B. durch Vernadelung sichern, komplett inklusive temporärer Abfangung des Sturzes und Mehrgewerkeeinsatz 1.000,00 €.

dd)

Brüstungsrisse BR1 bis BR3: unter Verwendung von Putzträgern fachgerecht beseitigen, abschließend malemäßige Instandsetzung des betroffenen Wandabschnittes 450,00 €.

ee)

Riss Nr. 31: Malerarbeiten, malermäßige Instandsetzung der von den Mangelbeseitigungsarbeiten betroffenen Wandflächen 350,00 €.

ff)

Zulage für Baustelleneinrichtungen, Schutz angrenzender Bauteile, Reinigungsarbeiten sowie sonstige nicht erfasste Leistungen in Höhe von 15 %, 495,00 €.

Summe netto: 3.795,00 €

zuzüglich 19 % Umsatzsteuer: 721,05 €

Summe gesamt in brutto: 4.516,05 €.

Der Senat schließt sich auch hinsichtlich der Höhe der vom Sachverständigen als notwendig erachteten Mangelbeseitigungskosten an, nachdem dieser die erforderlichen Kosten in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage erläutert hat. Sie sind dem Senat eine hinreichend sichere Schätzungsgrundlage nach § 287 ZPO. Die Positionen wurden im Einzelnen von den Parteien auch nicht in Zweifel gezogen.

Anders als die Beklagte und die Streithelferin meinen, ist ein Abzug „Neu für Alt“ im vorliegenden Fall bei den Malerarbeiten nicht vorzunehmen. Nach dem Zweck der Gewährleistungsvorschrift soll dem Besteller zumindest nachträglich zu einem vertragsgemäßen Werk verholfen werden und zwar ohne zusätzliche Kosten und grundsätzlich ohne Rücksicht auf die inzwischen ohne sein Zutun vergangene Zeit. Mit diesem Gesetzeszweck ist die Anrechnung ersparter Instandhaltungsaufwendungen oder einer längeren Lebensdauer nachgebesserter Leistungen nicht zu vereinbaren. Insoweit unterscheidet sich die Interessenlage der Beteiligten grundlegend von den Schadenersatzfällen aus unerlaubter Handlung, bei denen eine entsprechende Vorteilsausgleichung unter dem Gesichtspunkt „Neu für Alt“ anerkannt ist. Der Anspruch des Auftraggebers auf eine neue und mangelfreie Werkleistung darf nicht dadurch geschmälert werden, dass der Auftragnehmer trotz ständiger Mängelrügen seiner Vertragspflicht nicht nachkommt. Ebenso wenig braucht sich der Auftraggeber darauf verweisen lassen, er habe das – wenn auch fehlerhafte – Werk immerhin längere Zeit nutzen können. Dabei handelt es sich um eine unvermeidliche Nutzung, die gerade nicht den vertraglich geschuldeten unbeeinträchtigten Gebrauch ermöglicht und deshalb keinen Abzug rechtfertigt (BGH, Urt. v. 17.05.1984, Az.: VII ZR 169/82, BGHZ 91, 206 m.w.N.). Vorliegend ist mithin für die Malerkosten kein Abzug wegen der verlängerten Lebensdauer vorzunehmen, denn diese beruht auf einer verspäteten Nacherfüllung. Eine verspätete Nacherfüllung die dazu führt, dass das Werk infolgedessen eine längere Lebensdauer aufweist, muss sich der Besteller nicht anrechnen lassen, da er sich auf der anderen Seite während des Ausbleibens der Nacherfüllung mit einem mangelhaften Werk begnügen musste (OLG Köln, Urt. v. 18.09.2013, Az.: 11 U 79/13, MDR 2014, 333 m.w.N.).

Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Klägerin durch die Malerarbeiten keine tatsächlich spürbare Wertsteigerung erlangen wird, da die Malerarbeiten nur für den von den Rissen betroffenen Wandbereich kalkuliert worden sind, die anderen Raumbereiche aber unrenoviert bleiben. Eine Werterhöhung wäre nur bei Aufwertung des Gesamtbildes möglich; sie tritt nicht isoliert für einzelne Wandabschnitte ein.

2.2.

Bezüglich der weiteren Risse sind die Voraussetzungen für einen Schadenersatzanspruch nach § 13 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B a.F. nicht erfüllt.

a)

Zwar liegen auch hier wesentliche Mängel vor, die die Gebrauchsfähigkeit der Bauleistung erheblich beeinträchtigen. Die Sachverständigen Dr. S. und Dr.-Ing. W. haben bestätigt, dass die Risse nicht nur optisch relevante Haarrisse sind. Auch ist das Gebäude bei einer Vielzahl von Rissen ohne Sanierung in der Gebrauchstauglichkeit gemindert.

b)

Der Anspruch scheitert aber, wie vom Landgericht zutreffend angenommen, daran, dass die nach der erfolgten Abnahme darlegungs- und beweispflichtige Klägerin (vgl. BGH, Urt. v. 29.06.1981, Az.: VII ZR 299/80, BauR 1981, 575; Urt. v. 10.10.1996, Az.: VII ZR 250/94, BauR 1997, 157; Urt. v. 11.10.2001, Az.: VII ZR 383/99, BauR 2002, 85; Hanseatisches Oberlandesgericht, Urt. v. 09.03.2005, Az.: 13 U 19/01, Fundstelle juris) nicht den Beweis erbracht hat, dass die Beklagte die Ursachen für die Rissbildung gesetzt oder eine diesbezügliche Hinweispflicht verletzt hat, also für die Rissbildung verantwortlich war.

Anders als die Klägerin meint, führt die Symptomtheorie im vorliegenden Fall auch nicht zu einer Umkehr der Beweislast. Die Symptomtheorie erleichtert nur die Darlegung des Mangels nicht aber die Beweislast. Insbesondere genügt nicht, dass die Klägerin Mängel aufzeigt. Im vorliegenden Fall kann auch die Tatsache, dass die Beklagte die Mattenbewehrung anders als geplant eingebaut hat, nicht zu einer Umkehr der Beweislast führen. Letztlich kommt es auf diese Fragen hier auch nicht streitentscheidend an, weil die Sachverständigen eine Verantwortung der Beklagten für diese Risse ausgeschlossen haben.

Die Beweisaufnahme hat sowohl durch die Einbeziehung des im selbstständigen Beweisverfahren vor dem Landgericht Leipzig, Az.: 6 HK OH 37/07, eingeholten schriftlichen Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dr. S. als auch des Gutachtens des Sachverständigen Dr.-Ing. W. die Behauptung der Klägerin, die weiteren Risse im Gebäude seien auf fehlerhafte Arbeiten der Beklagten zurückzuführen, nicht bestätigt. Die Beweisaufnahme hat vielmehr ergeben, dass aufgrund der besonderen Baugrundsituation, die bei der Tragwerksplanung nicht ausreichend beachtet wurde, und infolge des später eingetretenen Hochwassers und damit auf das Gebäude einwirkenden späten Zwanges die Risse entstanden sind, was der Beklagten nicht zugerechnet werden kann.

Der Senat ist grundsätzlich an die Feststellungen des Landgerichts, dass die Beklagte nicht für diese weiteren Risse verantwortlich ist, gemäß §§ 529 ff. ZPO gebunden. Gegen die Verwertung des im selbstständigen Beweisverfahren eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Dr. S. bestehen keine prozessrechtlichen Bedenken. Es sind auch – mit Ausnahme des Einflusses der Ringankersituation auf die Risse – keine Anhaltspunkte gegeben, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der vom Landgericht erhobenen Feststellungen begründen könnten. Das Landgericht ist mit seinen Feststellungen den gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. gefolgt. Das Sachverständigengutachten ist mit seinen diversen Ergänzungen ausführlich, in sich konsistent und gut nachvollziehbar. Soweit die Ringankersituation aus Sicht des Senates erstinstanzlich nicht ausreichend betrachtet worden ist, war dies in der Berufungsinstanz nachzuholen, bildete jedoch keinen Anlass, mangels entsprechender Vorgabe an den erstinstanzlichen Sachverständigen, Zweifel an den übrigen von ihm getroffenen Feststellungen zu haben. Zweifel waren auch deshalb auszuschließen, weil der Sachverständige Dr.-Ing. W. im Wesentlichen die von dem Sachverständigen Dr. S. getroffenen Feststellungen inhaltlich bestätigt hat. Der Sachverständige Dr.-Ing. W. hat sowohl schriftlich als auch in der mündlichen Verhandlung technisch nachvollziehbar die Ursachen der Rissbildung dargestellt. Die Feststellungen des Sachverständigen beruhen, wie bereits ausgeführt, auf der entsprechenden Beachtung und insbesondere auch Einstellung der örtlichen Gegebenheiten unter Auswertung aller Anknüpfungstatsachen. Er hat die Bewehrung und den Ringanker durch Öffnung der Bauteile in Augenschein genommen. Auf Nachfragen des Senates hat der Sachverständige vertieft die Ursachen der Rissbildung erläutert. Diese wurden im Ergebnis der mündlichen Verhandlung von den Parteien auch nicht mehr in Zweifel gezogen. Der Senat schließt sich auch insoweit den Feststellungen des Sachverständigen Dr.-Ing. W. an.

Dies gilt insbesondere für die Feststellung, dass die aufgetretenen Risse nicht auf die Ausführung des Ringankers zurückzuführen sind. Der nicht ordnungsgemäß ausgeführte Ringanker hatte nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr.-Ing. W., die dieser technisch und logisch nachvollziehbar sowohl in seinem Gutachten als auch in der mündlichen Anhörung geschildert hat, weshalb sich der Senat ihnen anschließt, keine Auswirkungen auf die Risse. Dies liegt bereits daran, dass die Risse weiter als 15 cm bis 20 cm vom Ringanker entfernt aufgetreten sind. Lasteinwirkung als Rissursache kommt nur dann in Betracht, wenn Risse an den Stellen entstehen oder verstärkt worden sind, wo Lasten gewirkt haben. Dies lässt sich für die aufgetretenen Risse aber ausschließen.

Sowohl der Sachverständige Dr. S. als auch der Sachverständige Dr.-Ing. W. haben übereinstimmend angegeben, dass die nicht plangerechte eingebaute Bewehrung in Form der Stahlmatten keinen Einfluss auf die Rissbildung hatten. Der Sachverständige Dr. S. hat u.a. dazu in seiner vierten Stellungnahme vom 17.08.2009 ausgeführt, dass die vorgegebene Lagermatte Q 670 bei der geometrischen Situation als unglücklich bewertet werden muss und eine gebogene Querkraftmatte Typ Q 335 mit Durchmesser 8/100, wie eingebaut, wesentlich wirksamer hinsichtlich der statischen Rissbegrenzung aus baupraktischer bzw. aus einbautechnischer und betontechnologischer Sicht ist, mithin das ausführende Unternehmen es mit der Verwendung der vom Sachverständigen vorgefundenen Matte insoweit richtig gemacht hat, weil die durch die Beklagte gewählte Verbindungs- bzw. Bügelbewehrung in den Montagefugen besser war als die geplante. Ergänzend hat der Sachverständige Dr.-Ing. W. angegeben, dass die Risse auch dann entstanden wären, wenn die geplante Bewehrung eingebaut worden wäre, weil diese nicht für den Lastenfall des späten Zwangs geplant war, sondern nur für den Lastenfall des frühen Zwangs, mithin die gewöhnliche Betontrocknung, nicht aber auf die mit dem späteren Hochwasser eintretende weitere Durchfeuchtung und dem hieraus resultierenden späten Zwang bei der Austrocknung.

Übereinstimmend haben beide Sachverständige angegeben, dass das Problem eines extremen Sonderfalls, wie der Hochwasserflut, statisch nicht ausgebildet worden ist. Risse sind immer Ausdruck von nicht durch Bewehrung abgedeckter Zugbeanspruchung.

Die besonderen Umstände im Zusammenhang mit dem auftretenden späten Zwang durch den Hochwassereinfluss, der sowohl Einfluss auf den Baugrund als auch auf den Beton des Gebäudes selbst hatte, da im Gebäude Wasser gestanden hat, musste die Beklagte als Hochbauunternehmen nicht erkennen. Zum einen war vertraglich das Baugrundrisiko für sie ausgeschlossen, zum anderen durfte sie sich hier bei dieser Spezialfrage auf die fachplanerischen Vorgaben der durch die Klägerin übergebenen Statik verlassen.

Nach alledem sind die vom Landgericht gezogenen Schlussfolgerungen aus den vorliegenden Sachverständigengutachten im selbstständigen Beweisverfahren zum Az.: 6 HK OH 37/07 des Landgerichts Leipzig nicht zu bestanden. Die von der Klägerin aufgeführten Punkte vermögen keine durchgreifenden Zweifel zu begründen. Allein dass sie eine andere Würdigung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. S. anstrebt, genügt hierfür nicht. Nach den übereinstimmenden Aussagen beider Sachverständiger kann davon ausgegangen werden, dass die Bauausführung des Ringankers für das vorhandene Rissbild, sofern überhaupt vorhanden, vernachlässigbar ist.

Es ist auch nicht feststellbar, dass die Risse S1-S4 von der Beklagten zu vertreten sind. Hier ist die Ursache nicht klärbar, weil eine Beprobung nicht möglich war, sodass die Klägerin beweisfällig blieb.

c)

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der Klageanspruch auch nicht mit einer Hinweispflichtverletzung der Beklagten zu begründen. Der Klägerin war vertraglich das Baugrundrisiko belassen worden. Im Übrigen musste weder die Beklagte noch ihre Streithelferin die besondere Baugrund- und Hochwassersituation – auch nicht nach erfolgter Baugrundverbesserung – kennen, schon gar nicht statische Überprüfungen einholen. Die Beklagte bzw. ihre Streithelferin waren nur für die Statik der Wände selbst, also dafür, dass die Wände als solche den statischen Erfordernissen entsprechen, verantwortlich, nicht aber für die sonstigen statischen Vorgaben unter besonderer Berücksichtigung der konkreten geografischen Situation des zu erstellenden Gebäudes. Diese musste sich, wie der Sachverständige Dr.-Ing. W. in seiner Anhörung nachvollziehbar und überzeugend ausführte, ihr auch nicht aufdrängen. Hierfür ist seitens der Klägerin weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich.

2.3.

Der Durchsetzung der klageerweiternd geltend gemachten Schadenersatzansprüche wegen der nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Ausführung des Ringankers, die der Sachverständige Dr.-Ing. W. festgestellt hat, steht die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung, § 214 BGB, entgegen.

a)

Der Senat kann offenlassen, ob die Voraussetzungen des § 13 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B vorliegen. Die Beklagte ist wohl nie aufgefordert worden, den Ringanker zu korrigieren. Dieser Mangel wurde schon nicht angezeigt. Ein etwaiger Anspruch wäre aber jedenfalls nicht durchsetzbar.

b)

Ein Schadenersatzanspruch ist verjährt. Die Beklagte hat erfolgreich die Einrede der Verjährung erhoben.

aa)

Gewährleistungsansprüche aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag sollten gemäß der in Ziffer 9 des Vertrages getroffenen Regelung in fünf Jahren verjähren. Der Lauf der Verjährung beginnt mit der Abnahme (BGH, Urt. v. 20.02.2014, Az.: VII ZR 26/12, BauR 2014, 1023). Die Abnahme des Bauwerkes ist am 15.05.2002 erfolgt. Etwaige Ansprüche sind damit bei Zustellung der Klageerweiterung am 16.06.2014 verjährt gewesen.

bb)

Die Verjährung des geltend gemachten Anspruchs auf Ersatz der Kosten für die Ertüchtigung des Ringankers wurde nicht durch die Einleitung des selbstständigen Beweisverfahrens und das anschließende Streitverfahren gehemmt, § 207 Nr. 7, 1 BGB.

Der Umfang der Hemmung durch Klage oder selbständiges Beweisverfahren wird durch den Streitgegenstand bestimmt (Palandt/Ellenberger, 73. Aufl., § 204 Rn. 13). Der Streitgegenstand ergibt sich aus dem Klageantrag (der Rechtsfolge) und dem Lebenssachverhalt (dem Klagegrund). Der zur Begründung des Antrags auf Einleitung des selbstständigen Beweisverfahrens/des Klageantrags vorgetragene Lebenssachverhalt waren die Risse, für deren Beseitigung Schadenersatz begehrt wird. Diesbezüglich hat die Klägerin in ihrer Klageschrift auch ausdrücklich auf die vom Sachverständigen Dr. S. vorgeschlagene Sanierung (dort Seite 17 bis 19 des Gutachtens vom 04.02.2008) Bezug genommen, die eine Ringankerertüchtigung nicht umfasst. Damit sind Ansprüche bezüglich des nicht ordnungsgemäß ausgeführten Ringankers nicht gehemmt worden, denn die beanstandeten äußeren Erscheinungen, die Risse, sind keine Mangelsymptome für die fehlerhafte Ausführung des Ringankers. Jener war für die Risse ohne Einfluss.

Soweit die Klägerin nunmehr auch die Ertüchtigung des Ringankers begehrt, trägt sie einen neuen Lebenssachverhalt vor; sie stellt auch einen neuen Antrag.

cc)

Auch die regelmäßige Verjährungsfrist die dann eingreift, wenn der Unternehmer den Mangel arglistig verschwiegen hat oder ihm ein dem gleichzusetzendes Organisationsverschulden zur Last zu legen ist, ist bei Zustellung der Klageerweiterung am 16.06.2014 bereits abgelaufen gewesen. Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 und 4 EGBGB sind vorliegend die Vorschriften des BGB in der ab 01.01.2002 geltenden Fassung anzuwenden. Soweit zunächst altes Verjährungsrecht für den im Jahr 2001 geschlossenen Vertrag und damit nach § 638 a.F. bzw. § 634a Abs. 3 n.F. eine Frist von 30 Jahren nach § 195 BGB a.F. galt, läuft nach der Änderung der Verjährungsvorschriften zum 01.01.2002 auch hier die 10jährige Verjährungsfrist ab dem 01.01.2002 insgesamt neu, Art. 229 § 6 Abs. 1, 4 EGBGB. Die absolute Verjährung tritt kenntnisunabhängig 10 Jahre nach der Entstehung des Anspruchs ein, § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB (OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.01.2014, Az.: 4 U 149/13, NJW 2014, 1308; BGH, Urt. v. 23.01.2007, Az.: XI ZR 44/06, NJW 2007, 1584). Für die Entstehung des Anspruchs ist auf die Abnahme abzustellen (s.o.). Da die Abnahme am 15.05.2002 erfolgte, war die absolute Verjährung von 10 Jahren kenntnisunabhängig mit Ablauf des 31.12.2012 und damit bei Zustellung der Klageerweiterung bereits eingetreten.

3.

Der Anspruch der Klägerin auf die ausgeurteilte Verzinsung des ihr zugesprochenen Schadenersatzbetrages beruht auf §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Die Klage wurde der Beklagten am 07.11.2011 zugestellt. Der rechtshängige Klageanspruch war somit ab dem darauffolgenden Tag zu verzinsen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 ZPO.

Der Gebührenstreitwert war entsprechend dem Berufungs- bzw. Klageantrag gemäß §§ 47, 48 GKG i.V.m. § 3 ZPO festzusetzen.

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