LG Dresden – Az.: 8 O 1039/09 – Urteil vom 22.06.2011
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu zahlen € 72.488,45 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.07.2008 und außergerichtliche Kosten in Höhe von € 1.580,00 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung, das ist der 09.05.2009.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen 1/5 die Klägerin und 4/5 der Beklagte.
3. Das Urteil ist jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss: Der Streitwert wird auf € 89.064,00 festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen Schlechterfüllung von Architekten-/Ingenieurleistungen durch den Beklagten. Die Klägerin ist ein Bauunternehmen, das vorwiegend als Generalunter- oder auch als Generalübernehmer Bauleistungen erbringt. Der Beklagte erstellt Ausschreibungen und Kalkulationen für Baufirmen und führt auch Bauleitungsarbeiten durch. Beide Parteien arbeiteten vor dem streitgegenständlichen Fall häufig und arbeiten auch unvermindert noch seitdem weiterhin zusammen. Da die Haftpflichtversicherung des Beklagten eine Regulierung des von der Klägerin geltend gemachten und vom Beklagten gemeldeten Schadensfalles ablehnte, hat die Klägerin den Klageweg beschritten.
Mit Schreiben vom 06.02.2007 (Anlage K 1) bat die Klägerin den Beklagten um die Abgabe eines Angebots für die Tätigkeit der Erstellung eines Leistungsverzeichnisses. Der Anfrage der Klägerin waren bereits sämtliche Unterlagen der „Funktionalausschreibung für den GU-Vertrag vom 15.12.2006“ für das „BV: Neubau/Erweiterung D. ….. (Hauptverwaltung)“ (Anlage K 3, nach GU-Vertrag v. 03.04.2007, Anlagenband I sowie Anlagenband II, Seite 1 ff), nebst allen Plänen (vgl. Anlagenbände II und III der Klägerin), wie in der Klageschrift, Seite 3 unten aufgelistet (insgesamt 19 Planzeichnungen), beigefügt. Die Klägerin erklärte in ihrer Anfrage vom 06.02.2007, sie selbst erstelle „gerade ein schlüsselfertiges Gesamtangebot“ hierzu.
Mit wechselseitigem Fax vom 08.02.2007 (Anlage K 2) unterbreitete der Beklagte sein Angebot „für die Erstellung des Leistungsverzeichnisses und Aufmaße für die Kalkulation“ zum „BV: Neubau/Erweiterung D. ……. (Hauptverwaltung)“ und bestätigte die Klägerin das Angebot des Beklagten zum einvernehmlich vereinbarten Pauschalpreis von € 5.200,00.
Der Beklagte erstellte das Leistungsverzeichnis (Anlage zum Sachverständigengutachten Gr.) vereinbarungsgemäß. Die Klägerin übernahm das vom Beklagten erstellte Leistungsverzeichnis in ihr internes Gesamtleistungsverzeichnis und unterbreitete auf dieser Grundlage ihr Pauschalangebot dem Bauherrn. Mit Generalunternehmervertrag vom 03.04.2007 (Anl. K3) kam es zum Vertragsschluss zwischen Klägerin und Bauherrn zum Pauschalpreis von € 3,6 Mio. Als Vertragsgegenstand ist unter § 1 vereinbart:
(1) A. …… verpflichtet sich, für den Auftraggeber auf dessen Grundstück (…) folgendes Bauvorhaben auszuführen:
Erweiterung Zentrale D. …….. mit ca. 986 qm überbauter Fläche sowie 1335 qm Außenanlagen.
(2) Inhalt und Umfang der von A. …… zu erbringenden Leistung bestimmen sich nach den in § 15 näher bezeichneten Vertragsgrundlagen.
(Die in § 15 aufgeführten Vertragsgrundlagen – dort Nr. 1, 6 – 24 – entsprechen den Vorgenannten, dem Beklagten zur Verfügung gestellten Unterlagen).
Sie behauptet, als günstigster Bieter den Zuschlag für € 3,6 Mio erhalten zu haben. Da der Beklagte allerdings das von ihm erarbeitete Leistungsverzeichnis mangelhaft erstellt habe (erkennbar notwendige Leistungspositionen wurden übersehen und weggelassen sowie Mengen und Massen zu vorhandenen Positionen wurden falsch ermittelt und berechnet) habe sie insgesamt Positionen zu € 89.094,00 nicht bzw. zu gering in ihrem internen Gesamtleistungsverzeichnis erfasst. Hätte der Beklagte seine Werkleistung (Erstellung des Leistungsverzeichnisses und der Aufmaße für die Kalkulation) mangelfrei erbracht, hätte sie diesen Betrag einkalkuliert und ihrem Pauschalpreisangebot eingepreist. Sie wäre auch dann noch immer die günstigste Bieterin gewesen und hätte auch dann den Zuschlag zu einem um € 89.094,00 höheren Pauschalpreis erhalten. Da die Klägerin, wegen des vereinbarten Pauschalpreises im Rahmen der funktionalen Leistungsbeschreibung verpflichtet gewesen sei, die Arbeiten ohne Preiserhöhung in diesen Positionen durchzuführen, habe sie einen Schaden in Höhe der Kosten, der vom Beklagten übersehenen oder falsch berechneten Mengen erlitten. Ein Mitverschulden sei ihr nicht zuzurechnen, weil sie die Mängel des Leistungsverzeichnisses des Beklagten nicht bei ihrer Bearbeitung desselben durch Einsetzung der Einheitspreise und Einarbeitung in ihr internes Gesamtleistungsverzeichnis hätte erkennen können. Denn dies wäre nur durch eine gründliche Prüfung festzustellen gewesen, die sie aus Kapazitätsgründen aber gerade vermeiden wollte, weshalb sie diese Arbeiten „außer Haus“ an den Beklagten weitergegeben habe.
Nachdem der Beklagte auf die mit Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten des Klägers vom 26.06.2008 verlangte Schadensersatzforderung eine Zahlung – nach Konsultierung seiner Haftpflichtversicherung u.a. mit der Begründung, es handele sich um Sowieso-Kosten – mit Schreiben seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 23.07.2008 abgelehnt hat, beantragt die Klägerin,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin zu zahlen 89.064,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2008 und außergerichtliche Kosten in Höhe von 1.680,10 € nebst Zinsen in Höhe von Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagzustellung.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er behauptet, in der Geschäftsbeziehung der Klägerin habe es auch Fälle gegeben, in denen er vor endgültiger Angebotsabgabe der Klägerin gegenüber dem Bauherrn oder auch noch während der Verhandlungen mit diesem, Nachbesserungen und/oder Ergänzungen zu seinem Leistungsverzeichnis habe machen können. Deshalb sei er auch in diesem Fall von der Möglichkeit ausgegangen, dass er vor der endgültigen Angebotsabgabe durch die Klägerin, die Gelegenheit der Prüfung und Änderung/Ergänzung seines Leistungsverzeichnisses erhalten werde.
Der Beklagte meint, wenn die Klägerin eine solche verbindliche und folgenschwere Leistung von ihm abverlange, so hätte sie ihm eigentlich ein Honorar nach HOAI geschuldet. Nach DIN 276 käme auch bei der hier (eigentlich) vorliegenden „Kostenschätzung“ ein „Toleranzrahmen“ von 5 % zur Anwendung, den er jedenfalls nicht überschritten hätte.
Die dem vom Beklagten erstellten Leistungsverzeichnis beigefügte „Tabelle der Annahmen, Widersprüche und Bemerkungen“ (Anlage B 3) hätte der Klägerin im Übrigen auch Anlass gegeben, die nun gerügten Mängel rechtzeitig zu erkennen und selbst zu korrigieren.
Das Gericht hat zu der Geschäftspraxis und den Absprachen der Parteien Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen T. und L. . Der Beklagte wurde eingehend gemäß § 141 Abs. 1 ZPO angehört. Die beantragte Parteivernehmung des Beklagten hatte wegen fehlender Zustimmung der Klägerin zu unterbleiben. Zur Behauptung der Klägerin, sie wäre auch bei Einpreisung des streitgegenständlichen Schadensersatzanspruchs noch günstigste Bieterin gewesen, wurde ebenfalls der Zeuge T. vernommen. Zur Existenz der behaupteten Mängel des vom Beklagten erstellten Leistungsverzeichnisses, deren etwaiger Erkennbarkeit bei Durchsicht desselben, auch unter Berücksichtigung der „Tabelle der Annahmen, Widersprüche und Bemerkungen“ (Anlage B 3) und deren behaupteter Auswirkungen auf die Preiskalkulation der Klägerin im Rahmen ihrer internen Gesamtkalkulation wurde Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des für das Sachgebiet Honorare von Architektenleistungen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Dipl.-Ing. M. Gr., nebst dessen ergänzender Anhörung im letzten Termin. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 24.11.2009, 23.06.2010 und 08.06.2011 sowie auf das Sachverständigengutachten vom 17.12.2010, Bl. 102 ff d.A. Bezug genommen.
Zum weiteren Parteivorbringen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten und zur Akte genommenen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist weitgehend begründet.
Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 631, 634 Ziffer 4, 636, 280 Abs. 1, 276, 249, 254 BGB.
Anhaltspunkte für den Abschluss eines Architekten- und/oder Ingenieurvertrages, der den Regelungen der HOAI unterfallen würde, liegen nicht vor.
1.
Die Parteien haben mit wechselseitigem Fax vom 08.02.2007 (Anlage K 2) einen Werkvertrag gemäß § 631 Abs. 1 BGB geschlossen. Der Werkvertrag hatte – nach der vom Beklagten selbst vorgenommenen Bezeichnung – zum Inhalt „… Die Erstellung der Leistungsverzeichnisse und Aufmaße für die Kalkulation zum BV: Neubau/Erweiterung Dänisches Bettenlager (Hauptverwaltung)“. Der Beklagte sagte am Ende seines von der Klägerin angenommenen Angebotes eine „sach- und termingerechte Erarbeitung aller Unterlagen“ zum Pauschalpreis von € 5.200,00 zu.
Nach diesem Werkvertrag bestand, in Ansehung der bereits zum damaligen Zeitpunkt zwischen den Parteien seit längerer Zeit bestehenden Praxis, die Aufgabe des Beklagten darin, den Text des Leistungsverzeichnisses zu den einzelnen Positionen zu verfassen und daneben die Mengen und Massen für die einzelnen Positionen festzustellen und zwar so, wie sie sich für einen fachkundigen, hiermit beauftragten Bauingenieur und/oder Architekten aus den überreichten Unterlagen, insbesondere den Planzeichnungen, bei deren gründlicher und verständiger Lektüre ergeben. Dies steht fest aufgrund der eigenen Angaben des Beklagten in seinen gerichtlichen Anhörungen im Termin vom 25.11.2009 und 23.06.2010 sowie den glaubhaften und glaubwürdigen Bekundungen der Zeugen T. und L..
a) Zur Überzeugung des Gerichts steht nach der durchgeführten Beweisaufnahme aufgrund der gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen Gr…… ferner fest, dass das vom Beklagten erstellte Werk (Leistungsverzeichnis) mangelbehaftet war, allerdings nicht in dem von der Klägerin behaupteten Umfang. Der Sachverständige hatte hierzu die von der Klägerin gerügten Mängel dahingehend zu untersuchen, ob die gerügten Mehrmengen bzw. auch die Höhe der Innentüren aus den dem Beklagten zur Verfügung gestellten Plänen sowie dem Fließtext der Funktionalausschreibung bei sorgfältiger Bearbeitung hätten vermieden werden können und welche Mengen eigentlich herauszulesen und einzusetzen gewesen wären und – ausgehend von den für diese Position eingesetzten Einheitspreisen der Klägerin – welche Mehrkosten sich dann errechnen würden.
Der Sachverständige ist zur Feststellung folgender Mängel gelangt (vgl. Gutachten v. 17.12.2010, Bl. 102 ff d.A. sowie Sitzungsprotokoll v. 08.06.2011):
(Jeweils zusätzliche Mengen/Massen)
– Gerüst Treppenhaustürmel: 232,4 m² x 5,46 = 1.268,90 €
– Wiedereinbau Stahlkonstruktion Treppenhaus: 2 Stück x 4.325,32 € = 8.650,64 €
– seitliche Dachüberstände: 260 m² x 109,89 € = 28.571,40 €
– Abdichtungsarbeiten AW: 104,82 m² x 18,34 €/17,96/8,95 = 4.743,11 €
– Abdichtungsarbeiten Sohle: 884,247 m² x 0,30 €/1,20/5,50 (zzgl. Stunden à 34,00 €) = 6.869,73 €
– Sockelabdichtung 53,85 m² (Material: 428,96 €; Lohn: 605,08 €; Zuschlag: 149,94 €) = 1.183,98 €
– gleitender Deckenanschluss: 504,00 m x 11,45 € = 5.770,80 €
– Deckenausbildung F 30: pauschal – 29,088 (11.450,00 €/56,49 €) = 9.806,82 €
– Deckenschürzen in Fluren: 7 Stück à 171,75 = 1.202,25 €
– Position 9.1.100 Innentüren Höhe: 3 Stück à 1.473,61 = 4.420,83 €
Zwischensumme: = 72.488,46 €
– Bauschlussreinigung pauschal = 3.766,00 €
Insgesamt:
= 76.254,46 €
b) Die Feststellung der mangelhaften Werkleistung des Beklagten gilt insbesondere auch für die Position „Deckenausbildung F 30“. Der Sachverständige hat hierzu zwar die dem Beklagten zur Verfügung gestellten Pläne als Ausgangspunkt der Werkleistung des Beklagten als „fehlerhaft“ bewertet, hat diese Bewertung jedoch in seiner mündlichen Erläuterung dahingehend revidiert, dass zwar die Pläne selbst auf die F 30-Voraussetzung des gesamten Dachgeschosses keine Hinweise enthielten, allerdings aus dem dem Beklagten vorliegenden Fließtext der Funktionalausschreibung, dort Seite 10 unter Ziffer 2.1. „Generelle Bemerkungen“ zu entnehmen gewesen war, dass das Leistungsverzeichnis die Erfüllung aller DIN-Voraussetzungen zu berücksichtigen hat. Hieraus hätte sich dann aber die Voraussetzung der gesamten Deckenausbildung in F 30 (feuerhemmend) ergeben. Denn die in der Bauordnung – Schleswig-Holstein – enthaltene Vorgabe (Dachgeschoss feuerhemmend) resultiert aus einer DIN-Vorgabe und wiederholt diese im Ergebnis nur. Eine DIN-Vorgabe ist aber eine allgemein anerkannte Regel der Technik, welche allesamt der Beklagte im Rahmen seiner werkvertraglichen Aufgabenstellung ohnehin zu berücksichtigen hatte.
c) Die Klägerin hätte die Mängel ganz überwiegend (siehe zur Ausnahme nachstehend Ziff. 3) auch nicht ohne Weiteres erkennen können. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts ebenfalls fest aufgrund der überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Gr……, der erklärte, fehlerhafte Mengen und Massen würden selbst bei vergleichbaren Positionen, selbst unmittelbar darüber- oder darunterliegend, nur bei gründlicher Durchsicht auffallen. Eine solche Kontrolle durch die Klägerin als Auftraggeber der Werkleistung war vorliegend jedoch, zur Überzeugung des Gerichts, weder zwischen den Parteien vereinbart noch ergab sich eine solche Praxis aus ihrer bisherigen Geschäftsbeziehung noch folgt dies aus den gesetzlichen Vorschriften zum Werkvertragsrecht oder aus sonstigen Gesichtspunkten.
aa)
Die Zeugen T. und L. haben glaubhaft und glaubwürdig bekundet, zwar in einer Vielzahl von Fällen auch in der Weise miteinander zusammengearbeitet zu haben, wie dies der Beklagte behauptet, also dass ihm vor Abgabe eines Preisangebots der Klägerin oder auch noch im Rahmen der Preisverhandlungen noch eine weitere Prüfung der Pläne auf Massen- und Mengengenauigkeit möglich gewesen sei. Allerdings bekundeten die Zeugen genauso glaubhaft und glaubwürdig weiter, dass sie eben auch eine Vielzahl von Fällen, wie dem vorliegenden, in der Weise abgewickelt haben, dass eine solche nochmalige Kontrolle des Beklagten vor Abgabe des verbindlichen Preisangebotes der Klägerin nicht mehr möglich gewesen sei. Entscheidender Unterschied sei immer, ob der Ausschreibung eine funktionale Baubeschreibung zugrunde lag, wonach die Klägerin dem Bauherrn einen bestimmten Erfolg zu einem bestimmten Preis zu versprechen hatte. Auch sei eine versehentliche Vermischung der Fallkonstellationen durch den Beklagten ausgeschlossen, da er eben als Fachmann, mit dem die Klägerin lange und vertrauensvoll zusammengearbeitet hat und noch weiter zusammenarbeitet, aufgrund der Bezeichnung als „funktionale Bauausschreibung“ genau gewusst habe, dass in einem solchen Fall eine nochmalige Kontrolle ausgeschlossen ist.
Entgegen der Behauptung des Beklagten habe man im vorliegenden Fall auch nicht ausnahmsweise im Einzelfall etwas anderes vereinbart. Der Beklagte habe hierauf auch nicht mündlich hingewiesen.
Das Gericht ist von der Glaubhaftigkeit der Bekundungen der Zeugen T. und L. überzeugt. Sie haben unbefangen ihre Kenntnisse über den Sachverhalt und ihre Sicht der Dinge dargelegt. Der bei dieser Vernehmung anwesende Beklagte hatte ersichtlich den Ausführungen der Zeugen T. und L. auch nichts entgegenzusetzen (vgl. Sitzungsprotokoll v. 23.06.2010, Bl. 66 ff d.A.).
bb)
Eine sofortige Untersuchungs- und Rügepflicht der Klägerin bestand damit nach den Vereinbarungen der Parteien nicht und ergibt sich auch nicht aus den gesetzlichen Regelungen. Ein Werklieferungsvertrag (§ 651 BGB), für den gemäß §§ 381 Abs. 2, 377 HGB eine sofortige Untersuchungs- und Rügepflicht (aber auch nur für erkennbare Mängel) gegolten hätte, lag nicht vor. Auch die durch die beanstandungslose Entgegennahme des Leistungsverzeichnisses und dessen Weiterverwendung erfolgte Abnahme der Werkleistung des Beklagten (§ 640 BGB) durch die Klägerin steht einer späteren Mängelrüge nicht entgegen – selbst bei einem erkannten Mangel (weil § 634 Nr. 4 BGB in § 640 Abs. 2 BGB nicht genannt ist, vgl. Palandt, 70. Aufl., § 636 RN 12). Der Besteller hat in diesem Fall daher nur – wie vorliegend die Klägerin – die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Mängel zu tragen.
d) Die im Werkvertragsrecht übliche Nachbesserungsmöglichkeit des Auftragnehmers auf Aufforderung des Bestellers (oder auch die Ersatzvornahme nach § 646 Nr. 1 und 2 BGB) konnte vorliegend wegen Zeitablaufs nicht zum Zuge kommen, da eine Heilungsmöglichkeit der Mängel, nach Zuschlag und Abschluss des Bauvertrages zwischen Klägerin und Bauherrn, nicht mehr möglich gewesen wäre. Der Mangel war bereits in dem Werk verkörpert. Demgemäß war auch eine Fristsetzung zur Mängelbeseitigung nach §§ 634, 636 BGB entbehrlich, weil die Nacherfüllung für die Klägerin unzumutbar, weil wertlos gewesen wäre.
2.
Der Klägerin steht damit ein Schadensersatzanspruch nach §§ 631 Abs. 1, 634 Abs. 4, 636, 280 Abs. 1, 276 Abs. 1 BGB zu, allerdings nur in Höhe von € 72.488,45 (vgl. hierzu vorstehend Ziffer 1.a).
a) Die Anwendbarkeit der §§ 280 ff BGB ist auch beim Werkvertrag über § 634 Nr. 4 BGB eröffnet. Die Pflichtverletzung des Auftragnehmers liegt beim Werkvertrag in der Verschaffung des mangelhaften Werkes (Palandt, 70. Aufl., § 280 Rz. 17, 19). Von § 280 Abs. 1 BGB erfasst werden damit alle Schäden, die der Besteller an seinen Rechtsgütern außerhalb des Werkes, insbesondere auch entgangener Gewinn oder auch die Belastung mit einer Schadensersatzpflicht aus dem Weiterverkauf der Sache erleidet (vgl. Palandt, a.a.O., § 280 Rz. 18).
Über die Verweisung des § 634 Nr. 4 BGB gilt § 280 Abs. 1 BGB auch bei der Verletzung von – wie vorliegend – Hauptleistungspflichten, nämlich der Verletzung der Pflicht zur mangelfreien Erstellung des Werkes selbst.
Durch Schlechterfüllung entstandene Schäden, die nicht durch Nacherfüllung beseitigt werden können, sind gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu ersetzen (Palandt, a.a.O., § 636 RN 9 ff.). Nach den Feststellungen des Sachverständigen steht auch zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte die Mängel auch zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2, 276 BGB), denn bei sorgfältiger Bearbeitung wären die Fehler vermeidbar gewesen.
b) Der hierdurch der Klägerin entstandene Schaden besteht nach Überzeugung des Gerichts darin, dass die Klägerin durch die fehlerhafte Werkleistung es unterlassen hat, die vorstehend vom Sachverständigen ermittelten Kosten der Mehrmengen einzupreisen.
c) Die festgestellten Mängel sind auch kausal für den so ermittelten Schadensbetrag. Denn aufgrund der plausiblen Darlegungen der Klägerin hierzu und der glaubhaften und glaubwürdigen Bekundungen des Zeugen T. , der das Projekt bei der Klägerin kalkuliert hatte, steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sie ihren angebotenen Pauschalpreis, hinsichtlich der vom Beklagten zu bearbeitenden Positionen im Wesentlichen aufgrund des Leistungsverzeichnisses des Beklagten ermittelt hat und sie jedenfalls die Kosten der Mehrmengen nicht unberücksichtigt, sondern eben 1:1 übernommen hätte und sich dies dann auch – entgegen der durch keine Tatsachenbehauptung untersetzte Vermutung des Beklagten – im angebotenen Pauschalpreis 1:1 widergespiegelt hätte. Dieser wäre also entsprechend höher gewesen.
Schließlich steht aufgrund der weiteren, ebenso glaubhaften und glaubwürdigen Bekundungen des Zeugen T. zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin auch bei dieser Einpreisung gleichwohl den Zuschlag zu dem in Höhe dieser Kosten erhöhten Pauschalpreis erhalten hätte.
Der Gegeneinwand des Beklagten, dass auch eine hiervon (mehr oder minder (?)) losgelöste Ermittlung des Pauschalpreises vorliegend in Betracht kommen würde – sozusagen die gesamte interne Kalkulation, und damit auch die Zuarbeit des Beklagten, nur einer „grobe Orientierung“ dienen sollten, der Preis dann aber „frei“ ausgehandelt worden wäre, unter Einfluss auch anderer Faktoren – und damit bereits schon keine Kausalität gegeben wäre, wurde vom Beklagten in keiner Weise weiter dargelegt und auch nicht mit einem Beweisangebot untersetzt. Das Gericht folgt daher der plausiblen Argumentationskette der Klägerin, welche von dem Zeugen T. durch seine glaubhaften und glaubwürdigen Bekundungen im Einzelnen auch bestätigt wurden.
d) Entgegen der Ansicht des Beklagten (und dessen Haftpflichtversicherung) handelt es sich bei den vom Beklagten nicht berücksichtigten und von der Klägerin daher nicht kalkulierten Mehrmengen nicht um sogenannte „Sowieso-Kosten“, die im Rahmen der Vorteilsausgleichung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) vom Bauherrn „sowieso“ zu tragen gewesen wären (und ein Schaden damit bei der Klägerin nicht eingetreten wäre). Denn dies wäre nur dann der Fall, wenn es sich um Kosten solcher Maßnahmen gehandelt hätte, welche die Klägerin nach dem Vertrag gar nicht zu erbringen gehabt hätte (BGH vom 17.05.1984, VII ZR 169/82, RN 20 f., zitiert nach Juris).
Vorliegend hatte die Klägerin jedoch gemäß § 1 des Generalunternehmervertrages die „Erweiterung Zentrale D. ………. mit ca. 986 qm überbauter Fläche sowie 1335 qm Außenanlagen“, wobei sich „Inhalt und Umfang der von A. ….. zu erbringenden Leistung sich nach den in § 15 näher bezeichneten Vertragsgrundlagen (bestimmen)“, geschuldet.
Hat der Auftragnehmer aber einen bestimmten Erfolg zu einem bestimmten Preis versprochen, so bleibt er an seine Zusage sogar selbst dann gebunden, wenn sich die beabsichtigte Ausführungsart nachträglich als unzureichend erweist und aufwendigere Maßnahmen erforderlich werden. Auch im Rahmen der Nachbesserung können diese Mehrkosten nicht dem Auftraggeber aus dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung aufgebürdet werden (vgl. BGH vom 17.05.1984, VII ZR 169/82, RN 20 f., zitiert nach Juris; Werner/Pastor, 13. Aufl., Rdn. 1526 f.). Erst recht gilt dies, wenn es sich lediglich um versehentlich nicht kalkulierte Kosten handelt, die sogar bei sorgfältiger Durchsicht der zur Verfügung gestellten Unterlagen erkennbar gewesen wären.
Der Klägerin war es danach versagt, die in der Kalkulation nicht berücksichtigten und ihr daher im Vergleich zur Kalkulation entstandenen Mehrkosten „nachtragsweise“ gegenüber dem Bauherrn zu beanspruchen, genauso wie sie dem Nachbesserungs- und Aufwendungsersatzanspruch des Bauherrn bei Fehlen dieser Leistungen diese nicht als „Sowieso-Kosten“ hätte entgegenhalten können.
3.
Der Klägerin ist allerdings ein Mitverschulden bei der Position „Bauschlussreinigung“ zuzurechnen (§ 254 BGB). Dies ergibt sich bereits aus den Bekundungen des Zeugen T. selbst, der zu dieser Position bekundete, dass sie auch ohne größere Prüfung hätte erkannt werden können.
Dies entspricht auch den Feststellungen des Sachverständigen, der zu dieser im Ganzen weggelassenen, aber bei jeder Kalkulation eines Bauvorhabens zumindest immer zu prüfenden Position „Bauschlussreinigung“ festgestellt hat, dass eine im Ganzen fehlende typische Position auch bei der Prüfung des Leistungsverzeichnisses im Rahmen der Einarbeitung der Einheitspreise und Integration in das interne Gesamtleistungsverzeichnis leicht zu erkennen gewesen wäre.
Im Übrigen aber wären die Mängel nach den plausiblen und nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen, auch unter Berücksichtigung der „Tabelle der Annahmen, Widersprüche und Bemerkungen“ (Anlage B 3), für die Klägerin bei der Prüfung des Leistungsverzeichnisses im Rahmen der Einarbeitung der Einheitspreise und Integration in das interne Gesamtleistungsverzeichnis nicht zu erkennen gewesen.
4.
Die Klägerin hat ferner Anspruch auf die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, allerdings nur berechnet aus dem Gegenstandswert des letztlich zugesprochenen Klagebetrages von € 72.488,45. Die 1,3 Gebühr hierfür beträgt € 1.560,00 zuzüglich der Auslagenpauschale von € 20,00, sind dies somit € 1.580,00 €. Der Anspruch beruht auf dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 284 ff BGB.
Der jeweils zugesprochene Zinsanspruch beruht ebenfalls auf dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß § 284 ff BGB. Allerdings war er hinsichtlich der Hauptforderung erst ab dem 23.07.2008 zuzusprechen, denn nur dieser Zeitpunkt, nicht aber der geltend gemachte 01.04.2008, ist als Zeitpunkt der endgültigen Leistungsverweigerung des Beklagten substantiiert dargelegt.
5.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Abs. 1 und 2 ZPO.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts hat ihre Rechtsgrundlage in § 3 ZPO in Verbindung mit dem Klageantrag.