VG Düsseldorf – Az.: 4 L 1159/11 – Beschluss vom 04.10.2011
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin (4 K 4559/11) gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 18. Juli 2011 wird wiederhergestellt und hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 25.000, Euro festgesetzt.
Gründe
Der am 29. Juli 2011 gestellte Antrag der Antragstellerin,
die aufschiebende Wirkung ihrer Anfechtungsklage 4 K 4559/11 gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 18. Juli 2011 Az.: 63/12OV0335/11 wiederherzustellen und hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung anzuordnen, hat Erfolg.
Nach dem Ergebnis der in den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage spricht Überwiegendes dafür, dass die angefochtene Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 18. Juli 2011 rechtswidrig ist und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt. Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vorzunehmende Interessenabwägung geht daher zu Lasten der Antragsgegnerin aus.
Nach § 61 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW) haben die Bauaufsichtsbehörden unter anderem bei der Nutzung baulicher Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden; sie haben in Wahrnehmung dieser Aufgaben nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Insbesondere können sie eine gegebenenfalls sofort vollziehbare Nutzungsuntersagung aussprechen, wenn eine genehmigungspflichtige Nutzung vorliegt, ohne dass die erforderliche Genehmigung erteilt ist, die Behörde keine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit bei gestelltem Genehmigungsantrag annimmt und auch keine sonstigen Ermessensgründe gegen den Erlass einer derartigen Ordnungsverfügung sprechen, vgl. Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein Westfalen (OVG NRW) vom 18. Januar 2005, 10 B 1565/04, in juris.
Nach Lage der Akten ist die auf diese Vorschrift gestützte Ordnungsverfügung ermessensfehlerhaft. Die Antragsgegnerin hat, indem sie den ihrer Entscheidung zu Grunde gelegten Sachverhalt in wesentlicher Hinsicht nur unvollständig ermittelt hat, von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht, § 114 Satz 1 VwGO.
Soll wie hier eine bestimmte Nutzung einer baulichen Anlage aus formellen Gründen untersagt werden, bedarf es zuerst konkreter Feststellungen dazu, welche Nutzung denn tatsächlich ausgeübt wird. Andernfalls lässt sich nicht sicher beurteilen, ob die Nutzung, die untersagt werden soll, außerhalb der Variationsbreite des möglicherweise Erlaubten liegt, vgl. Beschluss des OVG NRW vom 29. November 2004, 10 B 2076/04, in juris.
Den Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin ist nicht zu entnehmen, inwieweit sie überhaupt ermittelt hat, wie die in dem der Ordnungsverfügung beigefügten Plan rot schraffierte Fläche auf dem Grundstück Xer Straße 12 in E, die im Hafenbecken I des Eer Hafens neu gewonnen wurde, tatsächlich genutzt wird.
Ausweislich des Aktenvermerks vom 10. August 2007 hat die Antragsgegnerin zwar festgestellt, dass damals von der neu gewonnenen Fläche ein geringer Teil zum Abstellen von Leercontainern genutzt wurde. Aufgrund dessen ist sie seinerzeit davon ausgegangen, dass die Fläche als Lagerplatz genutzt wurde. Dem vorgenannten Aktenvermerk lässt sich jedoch auch entnehmen, dass auf der neu gewonnenen Fläche über einen mobilen Kran ein zweimal wöchentlicher Umschlag erfolgte. Dementsprechend hat die Antragsgegnerin auch in ihrer Stellungnahme vom 17. August 2007 vermerkt, dass auf dem neu gewonnenen Land bereits gelagert und umgeschlagen werde. Weitere Feststellungen zur Nutzung der Fläche als Lagerplatz finden sich in den Verwaltungsvorgängen nicht. Einem weiteren Aktenvermerk der Antragsgegnerin vom 12. Januar 2009 lässt sich vielmehr entnehmen, dass die im Streit befindliche Fläche zu dieser Zeit nicht als Lagerfläche genutzt wurde. Im April 2010 entnahm die Antragsgegnerin Presseartikeln, dass eine neu installierte Container-Krananlage im Sommer auf der neu gewonnenen Landfläche im Hafenbecken M I den Betrieb aufnehmen sollte. Ohne diesbezüglich konkrete Feststellungen zur tatsächlichen Nutzung dieser Fläche zu erheben, teilte sie der Antragstellerin mit Schreiben vom 27. Juli 2010 ihre Rechtsauffassung mit, dass die Nutzung weiterer Flächen für den Containerterminal baugenehmigungspflichtig sei. Die Antragstellerin teilte daraufhin die seit dem 1. Juli 2010 aufgenommene Nutzung der weiteren Flächen für den Containerterminal mit. Mit Schreiben vom 17. Januar 2011 vertrat die Antragsgegnerin die Rechtsauffassung, dass die Nutzung der neu gewonnenen Landfläche als Erweiterungsfläche des Containerterminals einer baurechtlichen Genehmigung bedürfe. In einem Aktenvermerk vom 20. April 2011 hat die Antragsgegnerin erstmals wieder erneut die Behauptung aufgestellt, dass die Fläche seit dem 1. Juli 2010 als Lagerfläche genutzt werde. Neue tatsächliche Feststellungen liegen dieser Behauptung, die auf ein Gutachten des Rechtsamtes Bezug nimmt, allerdings nicht zu Grunde. Denn auch in dieser Stellungnahme des Rechtsamtes der Antragsgegnerin vom 31. März 2011 finden sich keinerlei tatsächliche Feststellungen zur Nutzung der Fläche. Dort ist vielmehr ausdrücklich ausgeführt, dass die Frage der wasserrechtlichen oder baurechtlichen Genehmigungspflicht gerade von der Lage und Ausgestaltung der Flächen abhängt. Es wird mithin auch in dieser Stellungnahme zunächst einmal eine hinreichende Ermittlung der Lage und Ausgestaltung der Flächen verlangt. Dementsprechend werden auch nur in rechtlicher Hinsicht alternative Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt, die eben davon abhängen, wie die Fläche genutzt wird. Auf ein entsprechendes Anhörungsschreiben wies die Antragstellerin unter dem 18. Mai 2011 darauf hin, dass es sich bei der neu gewonnenen Landfläche um eine Container-Umschlagstelle handele. Ohne auch nur mit einem Wort auf diese Art der Nutzung einzugehen, untersagte die Antragsgegnerin der Antragstellerin dennoch die Nutzung dieser Fläche als Lagerfläche.
Die Angaben zur tatsächlichen Nutzung erscheinen hier auch zwingend erforderlich. Es ist nämlich nicht erkennbar, ob die streitige Fläche überhaupt als eigenständige Lagerfläche genutzt wird oder ob eine solche Nutzung nicht nur im Zusammenhang mit dem Betrieb als Container-Umschlagstelle beurteilt werden kann, wobei möglichweise auch die (Zwischen)Lagerung von Containern in einem gewissen örtlichen und zeitlichen Umfang mit umfasst ist.
Von einem unvollständig ermittelten Sachverhalt ist die Antragsgegnerin auch insoweit ausgegangen, als sie die tatsächlichen Voraussetzungen für die Freistellung vom Baugenehmigungsverfahren gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 7a BauO NRW nicht hinreichend aufgeklärt hat. In der angefochtenen Ordnungsverfügung stellt die Antragsgegnerin ausdrücklich fest, dass das Vorhaben nach § 65 Abs. 1 Nr. 7a BauO NRW nicht in den Zuständigkeitsbereich der Baugenehmigungsbehörde fällt, sofern es als Anlage an einem Gewässer der wasserrechtlichen Genehmigungspflicht des § 99 Abs. 1 Satz 1 Wassergesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (LWG) unterliegt, weil dann die baurechtlichen Belange mit zu prüfen sind. Nur wenn das Vorhaben keine Auswirkungen auf das Gewässer habe, solle es als bauliche Anlage einer Baugenehmigung bedürfen.
Die zur Beurteilung dieser von ihr selbst aufgestellten Voraussetzungen notwendigen Tatsachen hat die Antragsgegnerin nicht ermittelt. Wie bereits zuvor ausgeführt, hat die Antragsgegnerin nicht einmal ermittelt, wie die streitige Fläche denn überhaupt genutzt wird. Ohne diese Erkenntnis lässt sich aber auch keine Aussage darüber treffen, welches konkrete Vorhaben vorliegend zur Prüfung steht. Ohne Erkenntnis über das konkrete Vorhaben kann wiederum nicht beurteilt werden, ob es sich um eine Anlage an einem Gewässer handelt, welche der wasserrechtlichen Genehmigungspflicht nach § 99 Abs. 1 Satz 1 LWG unterliegt. Da das LWG nach seinem § 1 Abs. 1 Satz 1 nur für solche Anlagen gilt, die sich auf die Gewässer und ihre Nutzungen auswirken oder auswirken können, ist mithin für die Frage, ob die Anlage der wasserrechtlichen Genehmigungspflicht unterliegt, zwingend erforderlich, die Auswirkungen auf das Gewässer und dessen Nutzung festzustellen. Dies hat die Antragsgegnerin in der angefochtenen Ordnungsverfügung auch selbst erkannt, indem sie ausgeführt hat, dass dies nur auf Grundlage einer konkreten Planung beurteilt werden kann. Mit einer solchen konkreten Planung hat sie sich aber nicht beschäftigt.
Da die Antragsgegnerin nach alledem nicht geklärt hat, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass der angegriffenen Ordnungsverfügung genehmigungspflichtige Nutzung überhaupt vorliegen, ist die Entscheidung, dennoch eine Nutzungsuntersagung auszusprechen, ermessensfehlerhaft.
Die Zwangsmittelandrohung in der Ordnungsverfügung dient der Durchsetzung von Anordnungen, die sich wie oben ausgeführt bei summarischer Prüfung allem Anschein nach als rechtswidrig darstellen, sodass die aufschiebende Wirkung der dagegen erhobenen Klage anzuordnen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG. Maßgebend für den Streitwert ist der Jahresnutzwert der Anlage. Da sich dazu weder aus dem Vortrag der Antragstellerin noch sonst Anhaltspunkte ergeben, hat das Gericht ihn mit 50.000,00 Euro geschätzt. Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren wird der Wert auf die Hälfte gemindert.