VG Stuttgart – Az.: 11 K 6228/20 – Beschluss vom 29.06.2021
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 16.09.2019 gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 15.04.2019 für die Errichtung einer Mobilfunksendeanlage auf dem Grundstück mit der Flurstück-Nr. XXX in der B-Straße 19 in S, Ortsteil W. Das Vorhaben befindet sich im Außenbereich (§ 35 BauGB). Unmittelbar westlich und südlich des Vorhabens liegt der S-Bahnhof S-W.
I.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstückes in der W-Straße 2 in S-W. Das Grundstück liegt ca. 390 m vom Standort der Mobilfunksendeanlage entfernt.
Die Beigeladene erhielt erstmalig unter dem 16.10.2007 (Az.: XXX) von der Antragsgegnerin eine Baugenehmigung für die Errichtung einer Mobilfunksendeanlage am Standort B-Straße 19. Die Baugenehmigung erlosch, nachdem von ihr kein Gebrauch gemacht worden war.
Am 11.01.2017 beantragte die Beigeladene bei der Antragsgegnerin erneut die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Mobilfunksendeanlage.
Wegen der Errichtung einer Rampenanlage im Bereich des Bahnhofs S-W verzögerte sich das Baugenehmigungsverfahren zunächst. Im Februar 2019 führte die Antragsgegnerin die Nachbarbeteiligung nach § 55 LBO durch. Dabei wurde die Antragstellerin nicht angehört.
Mit Bescheid vom 15.04.2019 (Az.: XXX) erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung.
Die genehmigten Bauunterlagen enthalten folgenden Lageplan:
………………
Bestandteil der Baugenehmigung ist ferner die der Beigeladenen von der Bundesnetzagentur am 21.12.2016 erteilte Standortbescheinigung (Az.: XXX) für eine Mobilfunksendeanlage mit insgesamt 18 Funkanlagen.
Diese Standortbescheinigung setzt folgenden standortbezogenen Sicherheitsabstand fest:
……………
Weiterhin sind in dieser Standortbescheinigung folgende systembezogene Sicherheitsabstände festgelegt:
……………….
Am 18.09.2019 legte die Antragstellerin Widerspruch gegen die Baugenehmigung ein. Zur Begründung führte sie aus, ihr Widerspruch sei nicht verfristet. Für sie gelte die Jahresfrist nach § 70 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 58 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO, da sie lediglich abstrakt von der Genehmigung Kenntnis erlangt habe. Eine Bekanntgabe an sie sei nicht erfolgt. Das Vorhaben verstoße gegen das Rücksichtnahmegebot. Die Standortbescheinigung vom 21.12.2016 sei mittlerweile erloschen. Ein Vertreter des Beigeladenen habe ihr bei einem Gespräch am 04.07.2019 mitgeteilt, die Anlage sei tatsächlich für einen Betrieb mit dem Mobilfunkstandard 5G vorgesehen. Die Grenzwerte der 26. BImSchV seien nicht geeignet, sie vor der Mobilfunkstrahlung zu schützen, die von der Anlage ausgehen. Die Grenzwerte seien – insbesondere in Hinblick auf den neuen Mobilfunkstandard 5G – wissenschaftlich überholt.
Der Widerspruch der Antragstellerin ist beim Regierungspräsidium Stuttgart unter dem Aktenzeichen XXX anhängig.
Am 25.09.2020 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die Baufreigabe. In Folge errichtete die Beigeladene das Vorhaben.
Am 22.12.2020 hat die Antragsgegnerin den vorliegenden Eilantrag gestellt. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Vorverfahren. Ergänzend trägt sie vor, die Entfernung ihres Grundstücks zum Vorhaben stehe einer Antragsbefugnis nicht entgegen. Sie sei zumindest Einwirkungen der Mobilfunksendeanlage ausgesetzt. Die Beigeladene schreibe selbst auf ihrer Website, mit dem Mobilfunkstandard 5G könnten Flächen von bis zu 8 km erreicht werden.
Die Antragstellerin beantragt – sachdienlich gefasst -, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 18.09.2019 gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 15.04.2019 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung trägt sie vor, es treffe zwar zu, dass die Beigeladene einen Netzbetrieb mit 5G anbieten wolle. Dies sei jedoch nicht zu beanstanden. Die Beigeladene habe der Baurechtsbehörde am 12.01.2021 eine aktuelle Standortbescheinigung der Bundesnetzagentur (vom 22.10.2020) vorgelegt. Das Anbringen neuer Funkanlagen an bestehenden baulichen Anlagen sei nach Ziffer 5c der Anlage zu § 50 LBO baurechtlich auch verfahrensfrei. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot liege nicht vor. In Anbetracht der Entfernung des Mobilfunkmastes zur Wohnbevölkerung und der einzuhaltenden Schutzabstände, die in der Standortbescheinigung errechnet wurden, seien Hinweise, dass durch das Vorhaben Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse nicht Rechnung getragen werde, nicht erkennbar.
Die Beigeladene beantragt, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führt sie aus, der Antrag der Antragstellerin sei schon unzulässig, da sie schon keine Nachbarin im Sinne des Baurechts sei. Sie wohne von der Anlage zu weit entfernt. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme liege nicht vor. Der in der Standortbescheinigung vom 22.10.2020 ausgewiesene Sicherheitsabstand sei im Verhältnis zum Grundstück der Antragstellerin mehrfach eingehalten. Die in der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte seien nach wie vor geeignet, um die Bevölkerung ausreichend vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Mobilfunkstrahlung zu schützen.
Die der Beigeladenen von der Bundesnetzagentur am 22.10.2020 erteilte Standortbescheinigung (Az.: XXX) für eine Mobilfunksendeanlage mit insgesamt 24 Funkanlagen setzt folgenden standortbezogenen Sicherheitsabstand fest:
…………..
Weiterhin sind in der Standortbescheinigung folgende systembezogenen Sicherheitsabstände festgelegt:
…………….
Mit Beschluss vom 29.06.2021 (11 K 1585/21) hat das Verwaltungsgericht Stuttgart den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage 11 K 1069/21 gegen die Standortbescheinigung vom 22.10.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.02.2021 abgelehnt.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Antragsgegnerin, des Regierungspräsidiums Stuttgart und der Bundesnetzagentur verwiesen. Dem Gericht lagen auch die Gerichtakten in den Verfahren 11 K 1069/21 und 11 K 1585/21 vor.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg, da er bereits unzulässig ist.
1. Der Antrag der Antragstellerin ist nicht als Antrag nach § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 212a BauGB statthaft. Ein Antrag nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO ist nur dann statthaft, wenn ein belastender Verwaltungsakt vorliegt, der bekannt gegeben (vgl. § 41 LVwVfG), nicht unanfechtbar (vgl. § 80b VwGO) und nicht erledigt (vgl. § 43 Abs. 2 LVwVfG) ist (vgl. Gersdorf, in: BeckOK VwGO, Posser/Wolf, 57. Edition, Stand: 01.10.2019, § 80 Rn. 147; Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 80 Rn. 139). Dies ist hier nicht der Fall.
Die Baugenehmigung vom 15.04.2019, gegen die sich die Antragstellerin mit dem Widerspruch vom 18.09.2019 wendet, hat sich mittlerweile „auf andere Weise“
erledigt (vgl. § 43 Abs. 2 LVwVfG a.E.) mit der Folge, dass das Widerspruchsverfahren einzustellen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.01.1989 – 8 C 30/97 -, juris). Eine Baugenehmigung erlischt, ohne, dass von ihr im Rechtsinn Gebrauch gemacht worden wäre, wenn bei der Ausführung hinsichtlich der Identität des Bauvorhabens und seiner Wesensmerkmale so wesentlich von der Baugenehmigung abgewichen wird, dass nicht das genehmigte, sondern ein anderes Bauvorhaben, nämlich ein „aliud“ erstellt wird (vgl. VGH Bayern, Beschl. v. 14.12.2020 – 1 ZB 18.1164 -, juris Rn. 7 m.w.N.). So liegt der Fall hier.
Bei der Mobilfunksendeanlage, die auf dem streitgegenständlichen Grundstück errichteten worden ist, handelt es sich um ein „aliud“, das nicht dem Vorhaben entspricht, das mit Bescheid vom 15.04.2019 genehmigt wurde. Ein planabweichend ausgeführtes Vorhaben (a.) ist allgemein ein aliud, wenn durch die Abweichung Belange, die bei der Baugenehmigung zu berücksichtigen waren (b.), neuerdings oder wesentlich intensiver berührt werden, so dass sich die Frage nach der Genehmigung neu stellt (c.) (vgl. VGH Bayern, Beschl. v. 04.04.2019 – 1 ZB 17.1173 -, juris Rn. 4). Davon ist hier auszugehen.
a. Das Vorhaben wurde planabweichend ausgeführt. Das genehmigte Vorhaben umfasste ursprünglich (nur) 18 Funkantennen. Ausweislich der Baugenehmigungsurkunde ist die Standortbescheinigung der Bundesnetzagentur vom 21.12.2016 Bestandteil der Baugenehmigung (vgl. S. 74 der Behördenakten der Antragsgegnerin). In der Standortbescheinigung vom 21.12.2016 (vgl. das Planheft mit Genehmigungsvermerk) sind nur 18 Antennen verzeichnet. Wie die Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung allerdings mitgeteilt hat, ist die Mobilfunksendeanlage aber nach Maßgabe der Standortbescheinigung vom 22.10.2020 (vgl. S. 109 ff. der Standortakte der Bundesnetzagentur) errichtet worden, also mit 24 statt 18 Antennen. Auch das Funksystem aller Antennen ist ein völlig anderes. Sind in den genehmigten Bauunterlagen noch die Funksysteme AAA, BBB und CCC vorgesehen, so wird die Anlage nun mit dem Funksystem DDD betrieben.
b. Durch die Planabweichung wurden auch Belange berührt, die von der Baurechtsbehörde im Baugenehmigungsverfahren nach § 58 Abs. 1 Satz 1 LBO zu prüfen sind. Wird eine Mobilfunksendeanlage zur Genehmigung gestellt, so hat die Baurechtsbehörde die Bewertung der Mobilfunkstrahlung nach Maßgabe von § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG i.V.m. der 26. BImSchV vorzunehmen. Nach § 22 Abs.1 Satz 1 BImSchG sind nicht genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind (Nr. 1) und nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß zu beschränken (Nr. 2). In der 26. BImSchV sind für die Errichtung und den Betrieb von Hochfrequenzanlagen, Niederfrequenzanlagen und Gleichstromanlagen Anforderungen zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft durch elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder festgelegt (vgl. § 1 Abs. 1 der 26. BImSchV).
Die Prüfpflicht der Baurechtsbehörde in Bezug auf § 22 BImSchG gilt auch dann, wenn für die Mobilfunksendeanlage – wie hier – eine Standortbescheinigung nach § 5 Abs. 2 Satz 1 BEMFV (Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder vom 20.08.2002, BGBl. I S. 3366, zuletzt geändert durch Art. 3 Abs. 3 des Gesetzes vom 27.06.2017, BGBl. I S. 1947) durch die Bundesnetzagentur erteilt worden ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 19.07.2010 – 8 S 77/09 -, juris Rn. 45; VGH Bayern, Beschl. v. 22.04.2021 – 15 CS 21.398 -, juris Rn. 15; VG Freiburg, Urt. v. 12.12.2012 – 1 K 2696/10 -, juris Rn. 23, a.A. wohl Schlotterbeck, in: Hager/Busch/Gammerl, LBO, 8. Aufl. 2020, § 58 Rn. 137, allerdings ohne Begründung). Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BEMFV darf eine ortsfeste Funkanlage mit einer äquivalenten isotropen Strahlungsleistung (EIRP) von 10 Watt oder mehr nur betrieben werden, wenn für diesen Standort eine gültige Standortbescheinigung der Bundesnetzagentur vorliegt. Zwar dürfte bei einer (rechtmäßig) erteilten Standortbescheinigung im Regelfall davon auszugehen sein, dass auch kein Verstoß gegen § 22 BImSchG gegeben ist. Auf Grund des begrenzten Prüfungs- und Regelungsumfangs einer Standortbescheinigung ergänzt die Standortbescheinigung die baurechtliche Prüfung des § 22 BImSchG jedoch nur, macht diese aber nicht obsolet. § 22 BImSchG wird im Standortverfahren von der Bundesnetzagentur nämlich nicht geprüft (vgl. VG Stuttgart, Beschl. v. 29.06.2021 – 11 K 1585/21). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BEMFV ermittelt die Bundesnetzagentur zur Erteilung der Standortbescheinigung (nur) vorzugsweise rechnerisch oder auch messtechnisch nach DIN EN 50413 (Ausgabe August 2009) auf der Grundlage der systembezogenen Sicherheitsabstände den zur Einhaltung der Grenzwerte nach § 3 BEMFV erforderlichen standortbezogenen Sicherheitsabstand. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 BEMFV hat die Bundesnetzagentur eine Standortbescheinigung zu erteilen, wenn der standortbezogene Sicherheitsabstand innerhalb des kontrollierbaren Bereichs liegt.
Der Prüfpflicht der Baurechtsbehörde wird auch nicht dadurch begrenzt, dass die LBOVVO keine ausdrückliche Pflicht des Bauherrn vorsieht, der Baurechtsbehörde eine für den Standort erteilte Standortbescheinigung vorzulegen. Die LBOVVO normiert lediglich Mindestanforderungen für die im Genehmigungsverfahren einzureichenden Bauvorlagen. Eine Beschränkung der von der Baurechtsbehörde zu prüfenden Rechtsvorschriften ist von der LBOVVO nicht intendiert (vgl. § 72 Abs. 2, 4 und 5 LBO).
c. Durch die abweichende Bauausführung wurden die durch die Baurechtsbehörde zu prüfenden Belange auch so erheblich berührt, dass sich die Zulässigkeitsfrage des Bauvorhabens neu stellt. Im vorliegenden Fall kann offenbleiben, ob schon die Umstellung auf den Mobilfunkstandard 5G eine wesentliche Abweichung darstellt. Eine wesentliche Abweichung vom ursprünglichen Bauvorhaben liegt jedenfalls dann vor, wenn eine Mobilfunksendeanlage in Abweichung von der Baugenehmigung mit anderen und zusätzlichen Antennen errichtet wird, die zu einer nicht nur unerheblichen Erhöhung der Mobilfunkstrahlung führen. Die Antennen sind das „Herzstück“ einer Mobilfunksendeanlage und haben einen maßgeblichen Einfluss darauf, inwieweit die Nachbarschaft der Anlage Mobilfunkstrahlung ausgesetzt wird. Im Hinblick auf die staatlichen Schutzpflichten für die Gesundheit der Bevölkerung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) verdienen sie besonderer Beobachtung durch die Baurechtsbehörde. Der Schleuderbetonmast einer Mobilfunksendeanlage berührt nachbarliche Belange hingegen – vom optischen Eindruck abgesehen – in der Regel nachhaltig nicht.
Die von der Anlage ausgehende Mobilfunkstrahlung hat sich durch die veränderte Bauausführung nicht nur unerheblich erhöht. Die Mobilfunksendeanlage erforderte ursprünglich einen standortbezogenen Sicherheitsabstand von 16,92 m. Nun ist ein standortbezogener Sicherheitsabstand von 20,38 m notwendig. Dies entspricht einer Steigerung um ca. 20,45 %. Die Standortbescheinigung vom 21.12.2016 ist mittlerweile auch erloschen. Mit E-Mail vom 22.10.2020 hat die Beigeladene der Bundesnetzagentur mitteilen lassen, die Standortbescheinigung vom 21.12.2016 könne „storniert“ werden (vgl. S. 142 der Standortakte der Bundesnetzagentur).
Entgegen der Rechtsaufassung der Antragsgegnerin kann Nr. 5c des Anhangs zu § 50 LBO nicht als Beleg dafür herangezogen werden, dass es sich bei der Abweichung nur um eine unwesentliche Änderung handelt. Nach Nr. 5c des Anhangs zu § 50 LBO dürften Antennen einschließlich der Masten bis 10 m Höhe und der zugehörigen Versorgungseinrichtungen bis 10 m3 Brutto-Rauminhalt verfahrensfrei errichtet werden; verfahrensfrei ist weiter, soweit die Antennen in, auf oder an einer bestehenden baulichen Anlage errichtet werden, die damit verbundene Nutzungsänderung oder bauliche Änderung der Anlage; für Mobilfunkantennen gilt dies mit der Maßgabe, dass deren Errichtung mindestens acht Wochen vorher der Gemeinde angezeigt wird. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Nr. 5c des Anhangs zu § 50 LBO liegen nicht vor. Seinem Wortlaut nach ist Nr. 5c Var. 1 des Anhangs zu § 50 LBO nur auf Antennen mit einer Masthöhe bis 10 m Höhe anwendbar. Die streitgegenständliche Mobilfunksendeanlage hat jedoch eine Masthöhe von ca. 35 m. Die Vorschrift des Nr. 5c Var. 2 des Anhangs zu § 50 LBO gilt nicht für Fälle, in denen die Nutzung einer bestehenden (reinen) Mobilfunksendeanlage mit einer Masthöhe von mehr als 10 m intensiviert wird (vgl. Hager, in: Hager/Busch/Schlotterbeck/Gammerl, LBO, 8. Aufl. 2020, Anhang zu § 50 Rn. 33). Entgegen Nr. 5c des Anhangs zu § 50 LBO a.E. hat die Beigeladene die Errichtung von zusätzlichen Antennen der Antragsgegnerin auch nicht acht Wochen vor der Errichtung angezeigt. Vielmehr hat die Antragsgegnerin bei der Beigeladenen nach Stellung des Eilantrages erst nachfragen müssen, um eine aktuelle Standortbescheinigung zu erhalten.
2. Durch das Gericht war keine Umdeutung des Antrags der – anwaltlich vertretenen – Antragstellerin vorzunehmen. Der in der Antragsschrift formulierte Antrag die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 16.09.2019 gegen die Baugenehmigung vom 15.04.2019 anzuordnen ist eindeutig und daher keiner Auslegung zugänglich. Dem Gericht ist es nach dem Grundsatz „ne ultra petita“ auch verwehrt, eine Entscheidung zu treffen, die über das ausdrücklich Beantragte hinausgeht (vgl. Riese, in Schoch/Schneider, VwGO, 39. EL Juli 2020, § 88 Rn. 10). Die Antragstellerin hat in ihrem Antragsschriftsatz auch selbst darauf hingewiesen, dass die Mobilfunksendeanlage nicht nach Maßgabe der Standortbescheinigung vom 21.12.2016 errichtet werden wird.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Der Antragstellerin waren aus Billigkeitsgründen auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese einen Antrag gestellt und damit ein Kostenrisiko auf sich genommen hat.
IV.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 51 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. den Ziffern 9.7.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs 2013.