LG Gießen – Az.: 4 O 89/12 – Urteil vom 26.07.2019
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 92.582,43 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche wegen angeblicher Durchbohrungen einer Dampfsperre.
Im Verhandlungsprotokoll vom 29.06.2005 vereinbarten die … (Klägerin), aus … und die Beklagte, dort bezeichnet als AG und NU, unter der Ziffer 15 als Gerichtsstand das für den AG (Nidda) zuständige Gericht. Die Klägerin beauftragte die Beklagte am 01.08.2005 nach den Bedingungen des Verhandlungsprotokolls mit der Erbringung von Trockenbauarbeiten am Bauvorhaben des Neubaus der … .
Die Beklagte brachte unter anderem unter der Decke zwischen dem Treppenhaus 1 und 2 eine Trockenbaudecke an. Dazu befestigte die Beklagte Abhänger an der vorhandenen Trapezprofildecke, indem sie das Trapezprofilblech durchbohrte und in die Löcher Dübel einsetzte. Die Beklagte beendete ihre Arbeiten am 15.06.2006.
Mit Schreiben vom 20.04.2011 informierte die Klägerin die Beklagte über ihre Feststellung, dass die Beklagte die Dampfsperre über dem Trapezblech beschädigt habe. Die Klägerin werde einen Fachunternehmer zur Schadensbeseitigung beauftragen. Die Kosten würde die Klägerin der Beklagten aufgeben.
Mit Schreiben vom 25.05.2011 rügt die Beklagte, von der Klägerin keine Gelegenheit zur Begutachtung des Schadens oder zu dessen Behebung erhalten zu haben.
Am 16.06.2011 erstellte der Zeuge … als Mitarbeiter der Klägerin eine Fotodokumentation, auf der Feuchtigkeitsschäden an Trockenbauplatten, Löcher in dem Trapezprofil und Löcher in der Dampfsperre auf dem Dach zu sehen sind.
Nach weiterer Kommunikation der Parteien, wegen der auf die Anlagen K6 bis K8 verwiesen wird, wies der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die klägerische Forderung zurück.
Das Dach der … wurde saniert.
Die Klageschrift vom 22.02.2012 ist der Beklagten am 12.03.2012 zugestellt worden.
Die Klägerin behauptet, dass die Beklagte bei den Durchbohrungen der Trapezbleche die Dampfsperre des Daches ebenfalls an mehreren Stellen durchbohrt habe. Pro Tauperiode habe sich das durch Kondensierung oberhalb der Bohrlöcher entstandene Wasser auf der abgehängten Decke gesammelt und diese durchfeuchtet. Dadurch seien Schäden entstanden, deren Beseitigung Kosten in Höhe von 92.581,90 € netto verursacht habe. Dazu verlangt die Klägerin von der Beklagten noch Allgemeine Geschäftskosten in Höhe von 6,5 %, mithin 5.650,54 € netto, da dies der Kalkulation der Klägerin entspreche. Ihre Ansprüche seien auch nicht verjährt, da die allgemeine Verjährungsfrist ab Kenntniserlangung vom Schaden im Jahr 2011 einschlägig sei. Das Landgericht Gießen sei aufgrund der Gerichtsstandvereinbarung auch zuständig. Die Klägerin habe gemäß dem statuierenden Arbeitsgemeinschaftsvertrag aus September 2014 ihren Sitz in … .
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 92.582,43 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von der außergerichtlich entstandenen Gebührenforderung ihres Prozessbevollmächtigten in Höhe von 3.212,50 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das Landgericht Gießen sei örtlich nicht zuständig, da die Klägerin Auftraggeberin im Sinne der Vereinbarung vom 29.06.2015 sei und ihren Sitz in … habe. Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung, da die Gewährleistungsfrist von fünf Jahren und drei Monaten gem. Ziff. 10 des Verhandlungsprotokolls längst abgelaufen sei. Die Beklagte habe die Dampfsperre nicht durchbohrt. Die Fotodokumentation vom 16.06.2011 würde eine Durchbohrung der Dampfsperre aufgrund der Bohrungen in das Trapezblech nicht belegen. Die fotografierten Löcher in der Untersicke des Trapezbleches würden nicht von der Beklagten stammen. Selbst im Falle einer Durchbohrung der Dampfsperre hätte dies nicht zu einem Schaden geführt, da oberhalb der Dampfsperre noch Dämmung und Dachhaut liegen würden. Der von der Klägerin angezeigte Feuchtigkeitsschaden sei auf eine undichte Dachhaut und nicht auf etwaige Durchbohrungen der Dampfsperre zurückzuführen. Eine komplette Dachsanierung wäre zur Behebung des Schadens nicht notwendig gewesen. Falls eine Dachsanierung erforderlich gewesen sein sollte, wäre fünf Jahre nach der Errichtung des Daches ein Abzug alt für neu vorzunehmen. Die in den von der Klägerin vorgelegten Rechnungen aufgeführten Leistungspositionen stünden in keinem Bezug zu dem Schadensereignis und seien zudem überhöht angesetzt. Allgemeine Geschäftskosten seien nicht angefallen.
Zum weiteren Parteivortrag wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Akten des Landgerichts Hagen, Az.: 10 OH 10/11, sind beigezogen und zum Gegenstand des hiesigen Verfahrens gemacht worden.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Sachverständigengutachten. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Gutachten des Dipl.- Ing. vom 02.09.2013, des Dipl.-Ing. … vom 08.12.2014, vom 30.06.2015 und vom 15.01.2016, des Dachdeckermeisters … vom 20.12.2017 und des Dachdeckermeisters … vom 19.10.2018 nebst der Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 25.01.2017 und vom 26.07.2019 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig.
Insbesondere ist das Landgericht Gießen örtlich zuständig aufgrund der von den Parteien wirksam vereinbarten Gerichtsstandvereinbarung aus dem Verhandlungsprotokoll vom 29.06.2015 (dort Ziffer 15), § 38 Abs. 1 ZPO. Danach vereinbarten die Parteien als Gerichtsstand den Sitz der Auftraggeberin, also der Klägerin. Unabhängig davon, ob in der Klausel hinter der Abkürzung „AG“ in Klammern der Ort … genannt wird, ergibt sich der Sitz einer … als GbR stets aus der vertraglichen Vereinbarung der sich zusammenschließenden Unternehmen. Dieser ist nach dem Arbeitsgemeinschaftsvertrag vom 17.09.2004/ 23.09.2004. Die Vereinbarung eines Gerichtsstandes war auch zulässig, da es sich bei den Parteien um Kaufleute handelt.
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf die Zahlung von Schadensersatz wegen angeblicher Durchbohrungen der bituminösen Dampfsperre an dem Bauvorhaben … zu. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus den §§ 633, 634 Nr. 4, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB. Da die Klägerin keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte hat, besteht auch kein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlich entstandenen Rechtsverfolgungskosten der Klägerin, §§ 280 Abs. 2, 286 BGB.
Unabhängig von der jeweiligen Anspruchsgrundlage besteht keine für den Eintritt der Feuchtigkeit auf die abgehängte Decke kausale schädigende Handlung bzw. Pflichtverletzung.
Denn das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass die Beklagte die Dampfsperre in einem solchen Umfang durchbohrte, dass es kondensationsbedingt zu einer Durchfeuchtung der abgehängten Decke kam.
Nach dem in § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO normierten Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist ein Beweis erbracht, wenn das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme und der sonstigen Wahrnehmungen in der mündlichen Verhandlung von der Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung überzeugt ist. Die danach erforderliche Überzeugung des Richters gebietet keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, es reicht vielmehr ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit aus, der vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet.
Die Darlegungs- und Beweislast für die Behauptung der feuchtigkeitsrelevanten Durchbohrungen der Dampfsperre trägt die Klägerin.
Ihre Behauptung der Durchbohrungen der Dampfsperre durch die Beklagte ist bereits unsubstantiiert, da sie das genaue Ausmaß der Perforierungen nicht darlegt. Es ist weder die genaue Anzahl der Durchbohrungen genannt, noch die konkrete Verortung jeder einzelnen Durchbohrung der Dampfsperre auf dem Dach dargelegt. Die von der Klägerin vorgelegte Fotodokumentation zeigt zwar auf der Dampfsperre zumindest zwei Löcher. Die Zuordnung eines Loches in der Dampfsperre zu einer Schraubbefestigung an der Untersicke des darunter befindlichen Trapezbleches gelingt fotografisch nur anhand einer Schraube. Wo genau auf dem Dach dieses Lichtbild angefertigt wurde, stellt die Klägerin wiederum nicht dar. Eine Sichtung der Durchbohrungen durch Inaugenscheinnahme oder durch eine sachverständige Untersuchung ist während des Verfahrens nicht mehr möglich gewesen, da das Dach der … zwischenzeitlich saniert wurde.
Da der Klägerin ebenfalls lediglich die Fotodokumentation vorliegt, um ihren Vortrag zu substantiieren, ist es ihr nicht möglich gewesen, den Vortrag präziser zu gestalten.
Mangels substantiierten Vortrages sah das Gericht letztendlich von einer Vernehmung des Zeugen … zu der Frage der einzelnen Durchbohrungen der Dampfsperre ab.
Es ist nicht die Aufgabe des Zeugenbeweises die Anknüpfungstatsachen für ein Gutachten zu erfragen. Vielmehr müssten sich die konkreten und durch ein Beweismittel ggf. zu bestätigenden Tatsachenbehauptungen bereits konkret aus dem Vortrag der darlegungspflichtigen Partei ergeben. Die Klägerin als diejenige, die die Pflichtverletzung darzulegen und zu beweisen hat, müsste also vorliegend die Anzahl und die Positionen der Durchbohrungen dargelegt haben, bevor diese Darlegung zu beweisen gewesen wäre. Eine solche Darlegung ergibt sich aus der pauschalen Behauptung, die Dampfsperre sei an mehreren Stellen durchbohrt, jedoch gerade nicht.
Auch nach Prüfung der Fotodokumentation durch mehrere Sachverständige kann eine Kausalität zwischen den Durchbohrungen unbekannten Ausmaßes und dem Eindringen von Feuchtigkeit und deren Ablagerung auf der abgehängten Decke nicht zur Überzeugung des Gerichtes festgestellt werden.
Der Sachverständige Dipl.-Ing. … ist grundsätzlich als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für „Schäden an Gebäuden“ qualifiziert, um einen etwaigen Zusammenhang zwischen den Bohrungen für die Aufhängungen an den Trapezblechen und den Löchern in der Dampfsperre sowie etwaigen Feuchtigkeitseintritt herstellen zu können. Doch auch der Sachverständige hat lediglich die Lichtbilder der Klägerin für seine technische Bewertung heranziehen können. Dementsprechend stellt er in seinem Gutachten fest, dass auf den Fotos das Öffnen eines Teilbereiches der Dampfsperre zu erkennen sei, in der sich eine kreisförmige Durchstanzung befinde. Die darunterliegende Schraube sei die Aufhängung der Trockenbau-Decke und stimme in ihrer Position mit der Durchstanzung der Dampfsperre überein. Weitere Durchbohrungen hat der Sachverständige nicht festgestellt. Den Transport von Luftfeuchtigkeit über die unter den Trapezblechen liegende Halle in den Dachaufbau schließe der Sachverständige auch deshalb aus, weil die Bohrungen in die dampfdichten Trapezbleche mit Gummidichtungen verschraubt worden seien. Insgesamt seien die Feuchtigkeitsschäden nicht auf die Durchbohrungen zurückzuführen.
Der Sachverständige Dipl.-Ing. … weist als Sachverständiger für Wärme-, Kälte-, Schall- und Brandschutz-Isolierhandwerk eine ausreichende fachliche Qualifikation auf, um den Sachverhalt begutachten zu können. Weiterhin erscheint das Gutachten für die Kammer nachvollziehbar. Insbesondere hat sich der Sachverständige entgegen der Auffassung der Klägerin detailliert mit dem klägerischen Privatgutachten der auseinandergesetzt. Der Sachverständige stellte auch mit einer nachvollziehbaren Begründung heraus, dass die zugrundeliegende Fotodokumentation für eine umfassende und zweifelsfreie Begutachtung nicht ausreichen würde. Er stellte in diesem Zusammenhang fest, dass die Lage der außenseitigen Bauteilöffnung in der Dachhaut, der Zustand des Dämmstoffes, die tatsächliche Anzahl der durch die Dampfbremse gehenden Bohrlöcher, die Fugenbreite der Dämmplatten, der Anschluss der Dampfsperre an andere Bauteile, der Zustand der Dachhaut und die räumliche Zuordnung der Bohrlöcher zu den Wasserflecken auf der Unterseite nicht ausreichend dokumentiert seien. Diese Daten seien aber notwendig, um bauphysikalisch die ggf. durch die Durchbohrungen bedingten Luftströme und Kondensationsvorgänge berechnen zu können. Doch auch ohne diese Daten hat der Sachverständige nachvollziehbar erklärt, dass er aufgrund des zutreffend erfassten Flachdachaufbaus nicht von einer Luftströmung ausgehe, die zu einer Kondensation geführt habe. Allenfalls könne die Kondensation durch Diffusion hervorgerufen worden sein. Dadurch bildeten sich aber nur geringe Mengen an Wasser, die für einen Wasserfluss nicht ausreichend wären. Die vorliegenden Feuchtigkeitsschäden seien aufgrund des großen Umfangs nicht auf Diffusionsfeuchtigkeit zurückzuführen.
Dass der Sachverständige in seiner bauphysikalischen Berechnung u.a. die denkbar ungünstigsten, d.h. „feuchtigkeitsanfälligsten“ Bedingungen zugrunde gelegt hat, kann nicht dazu führen, seine Berechnungen insgesamt in ihrer Aussagekraft anzuzweifeln. Denn wenn der Sachverständige selbst im extremsten Fall zu dem Ergebnis gelangt, es könne durch etwaige Löcher in der Dampfbremse gerade nicht zu den entstandenen Feuchtigkeitsschäden gekommen sein, wird dies nach seiner insofern nachvollziehbaren Schlussfolgerung erst recht für jedes andere Szenario gelten.
Außerdem hat der Sachverständige nach Ansicht der Kammer hinreichend deutlich gemacht, dass er seine Berechnungen zutreffend auf einen Flachdachaufbau bezieht.
Das Gutachten des Sachverständigen … war mangelhaft im Sinne des § 412 Abs. 1 ZPO. In seinen allgemeinen Ausführungen hat er die Beweisfrage, welche Kosten wegen des Verdachts einer Durchbohrung der Dampfsperre entstanden wären, nicht nachvollziehbar beantwortet.
Der Sachverständige … stellt fest, dass er den Originalzustand des Daches vor der Instandsetzung hätte einsehen müssen, um beurteilen zu können, ob die Dachdeckergewerke mangelbehaftet gewesen sind.
Deshalb ist es auch unerheblich, welche Kosten für die Beseitigung der Bohrlöcher in der Dampfsperre entstanden sein würden. Denn die Instandsetzung eines ggf. bereits mangelbehafteten Gewerkes obliegt nicht der Beklagten, wenn noch nicht einmal feststellbar ist, ob alternative Ursachen für den Feuchtigkeitseintritt bestehen.
Nach alledem ist festzustellen, dass die Tatsachenbasis zu dünn ist, um auf dieser Grundlage zu einer Überzeugung zu gelangen. Eine Begutachtung des ursprünglichen Schadens wurde durch die Beseitigung vereitelt. Die Klägerin hat den ihr obliegenden Beweis der für die Feuchtigkeitsschäden kausalen Durchbohrungen nicht erbracht, sodass die Klage abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Der Streitwert wurde nach § 3 ZPO bestimmt.