AG Münsingen, Az.: 2 C 158/17, Urteil vom 16.05.2018
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 831,93 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegen den Beklagten einen Anspruch auf Vergütung aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrag geltend, den der Beklagte nach Auffassung der Klägerin gekündigt hat.
Die Klägerin betreibt gewerbsmäßig die Dachbeschichtung. Der Beklagte ist Eigentümer der Doppelhaushälfte G in Z.
Mit Vertrag vom 05.04.2017 schlossen die Parteien durch einen Vertreter der Klägerin, welcher den Beklagten auf dessen Anwesen besuchte, einen Vertrag (Anlage K1, Bl. 25f. d. A.), dem die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin beigefügt waren, die eine Widerrufsbelehrung mit unter anderem folgenden Ausführungen beinhalteten:
„Folgen des Widerrufs: Wenn Sie diesen Vertrag widerrufen, haben wir ihnen alle Zahlungen, die wir von Ihnen erhalten haben, einschließlich der Lieferkosten (mit Ausnahme der zusätzlichen Kosten, die sich daraus ergeben haben, dass Sie eine andere Art der Lieferung als die von uns angebotene, günstige Standartlieferung gewählt haben) unverzüglich und spätestens binnen 14 Tagen ab dem Zugang zurückzuzahlen, an dem die Mitteilung über Ihren Widerruf dieses Vertrags bei uns eingegangen ist. Für diese Rückzahlung verwenden wir dasselbe Zahlungsmittel, das Sie bei der ursprünglichen Transaktion eingesetzt haben, es sei denn, mit Ihnen wurde ausdrücklich etwas anderes vereinbart. In keinem Fall werden Ihnen wegen dieser Rückzahlung Entgelte berechnet.
Wir holen die Waren auf unsere Kosten ab. Sie müssen für einen etwaigen Wertverlust der Waren nur aufkommen, wenn dieser Wertverlust auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Ware nicht notwendigen Umfang durch Sie zurückzuführen ist.“
Sodann folgt auf der gleichen Seite ein Musterwiderrufsformular, welches abgetrennt, ausgefüllt und an die Klägerin zurückgeschickt werden kann.
Am 21.04.2017 übersandte der Beklagte das Musterwiderrufsformular ausgefüllt aber auf den 15.04.2017 datiert an die Klägerin per Telefax (Anlage K2, Bl. 27 d. A.).
Mit Schreiben vom 03.07.2017 (Anlage K3, Bl. 28 f. d. A.) an den Beklagten erläuterte die Klägerin, dass sie den Widerruf außerhalb der Widerrufsfrist als Kündigung werte und forderte den Beklagten auf, aufgrund eines Anspruchs der Klägerin aus § 649 BGB 33% des vereinbarten Nettowerklohns, also einen Betrag von € 839,93, an die Beklagte bis zum 18.07.2017 zu bezahlen.
Die Klägerin forderte den Beklagten nochmals mit Schreiben vom 24.07.2017 (Anlage K4, Bl. 30 d. A.) und Rechtsanwaltsschreiben vom 29.08.2017 (Anlage K5, Bl. 31f. d. A.) zur Zahlung auf.
Die Klägerin trägt vor, zwischen dem Vertreter der Klägerin und dem Beklagten sei keine Verlängerung der Widerrufsfrist vereinbart gewesen. Hierzu hätte dieser auch keine Vertretungsmacht mehr gehabt.
Vor dem 21.04.2017 sei keine Widerrufserklärung des Beklagten bei ihr zugegangen.
Der Klägerin stehe gemäß § 649 BGB nach Abzug der ersparten Aufwendungen ein Vergütungsanspruch in Höhe von € 831,93 zu. Zu den Einzelheiten der Berechnung wird auf S. 4 bis 8 der Klageschrift Bezug genommen (Bl. 19-23 d. A.).
Die Klägerin meint, der Beklagte habe mit seinem Widerruf erklärt, sich vom Vertrag lösen zu wollen, so dass aufgrund des Ablaufs der Widerrufsfrist seine Erklärung als Kündigung zu werten sei.
Die Klägerin beantragt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 831,93 € zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 19.07.2017 sowie 10,00 € Mahnkosten zu bezahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 124,00 € zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszins seit 13.09.2017 zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, mit dem Vertreter der Klägerin sei vereinbart gewesen, dass dieser am 08.04.2017 wieder komme, um mit den Nachbarn des Klägers in der anderen Hälfte des Doppelhauses zu klären, ob diese ebenfalls eine Dachbeschichtung wünschten, so dass die Widerrufsfrist für beide erst ab diesem Tage zu laufen beginnen sollte.
Der Beklagte habe unter dem 12.04.2017 eine Widerrufserklärung verfasst (Anlage B1, Bl. 42 d. A.), welche er am Osterwochenende 2017 gemeinsam mit einem Bekannten in den Briefkasten der Klägerin eingeworfen habe.
Der Beklagte ist der Auffassung, aufgrund der unterschiedlichen Rechtsfolgen könne der Widerruf nicht als eine Kündigung im Sinne des § 649 BGB gewertet werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Vorbringen der Parteien in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Das Gericht hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 17.01.2018 (Bl. 54-56 d. A.) die Parteien angehört.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet und war daher abzuweisen.
I.
Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht Münsingen ist nach §12, 13 ZPO örtlich zuständig, weil der Wohnort des Beklagten sich im hiesigen Bezirk befindet. Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG, weil der Streitwert € 5.000,00 nicht übersteigt.
II.
Die Klage ist aber unbegründet weswegen sie abzuweisen war.
1.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch aus § 649 BGB in der bis zum 31.12.2017 geltenden, anzuwenden Fassung nicht zu, weil der Beklagte das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien nicht gekündigt hat.
a)
Insbesondere ist die Erklärung Telefax des Beklagten an die Klägerin mittels Telefax vom 21.04.2017 (Anlage K2, Bl. 27 d. A.) nicht als Kündigung auszulegen. Der Beklagte hat nämlich ausdrücklich erklärt, den abgeschlossenen Vertrag widerrufen zu wollen.
aa)
Bei der Kündigung wie beim Widerruf handelt es sich um empfangsbedürftige Willenserklärungen, für deren Auslegung nach § 133, 157 BGB maßgeblich ist, wie diese vom Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben und nach der Verkehrsauffassung verstanden werden musste. Zu berücksichtigen sind daher nur solche Umstände, die dem Empfänger bei Zugang der Willenserklärung erkennbar waren. Aus Umständen, die erst nach Zugang der Erklärung zutage treten, kann mithin nicht der Schluss gezogen werden, dass der Empfänger diese Erklärung in einem anderen als in dem zum Zeitpunkt des Zuganges erkennbaren Sinn verstehen musste. Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Auslegung eines Rechtsgeschäfts auch das nachträgliche Verhalten der Parteien berücksichtigt werden kann, bedeutet dies nur, dass spätere Vorgänge Rückschlüsse auf den tatsächlichen Willen und das tatsächliche Verständnis der an dem Rechtsgeschäft Beteiligten zulassen können. Davon zu unterscheiden ist der objektive Erklärungswert einer Willenserklärung. Der sich aus dem Erklärungswert erschließende – notfalls durch Auslegung zu ermittelnde – Sinn aber ist unabhängig von späteren Ereignissen, denn eine Willenserklärung kann nicht in dem Zeitpunkt, zu dem sie wirksam wird, den einen und später einen anderen Sinn haben (BGH, Urteil vom 24. Juni 1988 – V ZR 49/87 -, NJW 1988, 2878-2879, in juris: Rn. 22 mwN).
bb)
Nach diesen Grundsätzen war die Erklärung des Beklagten von der Klägerin nur als Verbraucherwiderruf zu verstehen. Zunächst war die Erklärung ausdrücklich als Widerruf bezeichnet. Hierauf hat der Beklagte in der Erklärung in unterstrichenen Großbuchstaben handschriftlich sogar nochmals hingewiesen. Zudem war der Klägerin bekannt, dass sich die Widerrufserklärung des Beklagten in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin unterhalb der Belehrung über die Widerrufsfolgen befunden hat, so dass sich die Erklärung des Beklagten nur auf die Herbeiführung dieser Widerrufsfolgen richten konnte. Dafür, dass der Beklagte seiner Erklärung eine andere Bedeutung beimessen wollte, gibt es keinerlei Hinweise.
Selbst für den Fall, dass die Erklärung zu spät, also nach Ablauf der Widerrufsfrist abgegeben worden wäre, was zwischen den Parteien streitig ist, wäre sie nicht als Kündigung des Werkvertrags auszulegen. Soweit sich die Klägerin auf Rechtsprechung beruft (Urteil des AG Böblingen vom 17.06.2014, Az. 4 C 1117/13, Bl. 74-79 d. A; Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 11.03.1998, Az. 1 S 245/97, Bl. 69-73 d. A.), nach der ein Widerruf des Werkbestellers, der nach Ablauf der Widerrufsfrist ergehe, bedeute, dass der Besteller sich von dem Vertrag lösen wolle und deswegen als Kündigung zu verstehen sei, kann dem zumindest für den vorliegenden Fall nicht gefolgt werden. Denn der Beklagte hat nicht nur erklärt, dass er sich von dem Werkvertrag lösen möchte. Er hat vielmehr unmissverständlich erklärt auf welche Weise er sich von dem Vertrag lösen möchte, nämlich durch Verbraucherwiderruf. Diese ausdrückliche Bezeichnung schiebt einer anderen Auslegung den Riegel vor. In diesem Zusammenhang ist nochmals darauf hinzuweisen, dass der Beklagte seine Erklärung unter dem unmittelbaren Eindruck der Belehrung der Klägerin über die Widerrufsfolgen abgegeben haben muss, weil beide in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin unmittelbar nebeneinander abgedruckt waren. Dies war der Klägerin auch bekannt, so dass jedes Missverständnis darüber, was der Beklagte erklären wollte, ausgeschlossen ist.
cc)
Auch das vom Beklagten vorgelegte Schreiben vom 12.04.2017 (Anlage B1, Bl. 42 d. A.), aus welchem die Klägerin herauslesen will, dass der Beklagte sich habe auf jeden Fall vom Vertrag habe lösen wollen, kann nicht als Argument für die Auffassung der Klägerin herangezogen werden. Erstens bestreitet die Klägerin selbst den Zugang des Genannten Schreibens, so dass sie bei der Auslegung des Widerrufs vom 21.04.2017 dessen Inhalt überhaupt gar nicht berücksichtigen konnte. Zweitens weist der Beklagte auch in diesem Schreiben ausdrücklich darauf hin, dass er den Widerruf erklären möchte und er davon ausgeht, dass ihm dadurch keine Kosten entstehen.
dd)
Der unter Bezug auf vorgelegte Rechtsprechung (Beschluss des Landgerichts Neubrandenburg vom 12.02.2007, Az. 1 S 180/06, Bl. 65-68 d. A; Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 11.03.1998, Az. 1 S 245/97, Bl. 69-73 d. A.) vorgetragenen Rechtsauffassung der Klägerin, hier gelte etwas Anderes; die Erklärung des Beklagten sei als Kündigung auszulegen, weil der Beklagte dem Schreiben der Klägerin vom 03.07.2017 (Anlage K3, Bl. 28 f. d. A.) nicht entgegengetreten sei, in welchem die Klägerin darauf hingewiesen habe, dass sie die Widerrufserklärung als Kündigung auslegen wolle, kann nicht gefolgt werden. Die Auslegung von Willenserklärungen erfolgt grundsätzlich nach einem objektiven Maßstab zum Zeitpunkt des Zugangs der Willenserklärung. Danach war die Erklärung des Beklagten als (möglicherweise unwirksamer, weil eventuell verfristeter) Widerruf auszulegen. Die Bedeutung der Erklärung des Beklagten konnte die Klägerin aber nicht eigenständig ohne Zustimmung des Beklagten durch die eigene Erklärung abändern, sie wolle sie als Kündigung verstehen. Das gilt auch dann nicht, wenn der Beklagte auf diese Erklärung der Beklagten geschwiegen hat. Denn das Schweigen gilt im Rechtsverkehr grundsätzlich, von wenigen hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen, als Ablehnung eines Antrags und nicht als Bestätigung.
ee)
Auch soweit die Klägerin sich (in nicht nachgelassenen Schriftsätzen) darauf beruft, der Beklagte habe bei einem Telefonat am 19.07.2017 geäußert, er wolle an seiner Kündigung festhalten, was zwischen den Parteien streitig ist, und der Beklagte habe in der mündlichen Verhandlung geäußert, er wolle den Vertrag nicht durchgeführt wissen, führt dies zu keinem abweichenden Ergebnis, so dass über die Zulassung des Vorbringens nicht zu entscheiden war und, soweit das Vorbringen streitig ist, darüber kein Beweis zu erheben war. Im Rahmen der Auslegung des Widerrufs vom 21.04.2017 sind diese Umstände nicht zu berücksichtigen, weil sie der Klägerin bei dem Zugang der Erklärung nicht bekannt gewesen sein können.
Sie stellten auch nicht etwa selbst eine neue Kündigung des Vertrags dar, weil der Beklagte insoweit objektiv und auch für die Klägerin ohne Weiteres erkennbar ohne Rechtsfolgewillen gehandelt hätte, so dass sein Verhalten schon mangels Erklärungshandlung keine Willenserklärung darstellen würde. Die Erklärungshandlung ist die Äußerung des Geschäftswillens. Erforderlich ist ein äußeres Verhalten, das den Willen zum Ausdruck bringt, eine bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen (Arnold in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, Vorbemerkung vor § 116, Rn. 2-6). In beiden der genannten Situationen hätte der Beklagte, wenn das klägerische Vorbringen zutreffend und zu berücksichtigen wäre, aber klar zum Ausdruck gebracht, dass er davon ausgehe, dass das Vertragsverhältnis aufgrund seines Widerrufs bereits beendet sei und er diesen Zustand nicht verändern wolle. Hinsichtlich des Telefonats vom 19.07.2017 ergibt sich dies auch daraus, dass der Beklagte nach dem Vortrag der Klägerin ausdrücklich gesagt hat, er wolle an der Kündigung „festhalten“. Dass er dabei das Wort Kündigung genannt hat ist unbeachtlich, weil dies nach den oben erläuterten Grundsätzen nicht im Nachhinein einer bereits zugegangenen Willenserklärung eine andere Bedeutung geben kann. Es kommt vielmehr darauf an, dass der Beklagte durch das Wort „festhalten“ unmissverständlich klar gemacht hat, an der Rechtslage, wie er sie sehe, keine Veränderung vornehmen zu wollen.
Für die Erklärung des Beklagten im Rahmen der Vergleichsverhandlungen, er wolle den Vertrag nicht durchführen lassen, gilt das gleiche. Durch das Vorbringen des Beklagten im Rechtsstreit war zuvor klar zum Ausdruck gebracht worden, dass er den Vertrag zwischen den Parteien aufgrund seines Widerrufs für beendet betrachte. Einem bloßen Bestehen auf die im Prozess bereits zuvor geäußerte Rechtsauffassung fehlt ganz offensichtlich und für jedermann erkennbar der Wille, etwas an dieser Rechtslage zu verändern.
b)
Schließlich gälte die Widerrufserklärung vom 21.04.2017 auch nicht, wenn sie verfristet und daher unwirksam, wäre, was daher offen bleiben kann, aufgrund einer Umdeutung gemäß § 140 BGB als Kündigung, weil nicht anzunehmen ist, dass bei Kenntnis der Nichtigkeit des Widerrufs die Kündigung gewollt sein würde.
aa)
Sinn und Zweck des § 140 BGB ist es, die Absicht der handelnden Person, einen bestimmten wirtschaftlichen Erfolg zu erreichen, auch dann zu verwirklichen, wenn das von ihr gewählte rechtliche Mittel unzulässig ist, ein anderes zulässiges Mittel jedoch, das ihrem hypothetischen Willen entspricht, den angestrebten wirtschaftlichen Erfolg herbeizuführen vermag (BGH, Beschluss vom 03. November 2014 – IV ZR 230/14 – RuS 2015, 458-459, in juris: Rn. 11).
Diese Annahme und damit die Umdeutung verbietet sich aber grundsätzlich dann, wenn durch die Umdeutung eine andere Rechtsfolge ausgelöst würde als durch die ursprüngliche Erklärung herbeigeführt worden wäre (Arnold in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 140 BGB, Rn. 11). Das gilt insbesondere dann, wenn die geänderte Rechtsfolge für den Erklärenden nachteiliger wäre, als bei Geltung oder Unwirksamkeit der abgegebenen Erklärung und sich nicht aus der Erklärung oder den bei Abgabe der Erklärung für den Erklärungsempfänger erkennbaren Umstanden zweifelsfrei ergibt, dass die andere Erklärung bei Kenntnis der Nichtigkeit vom Erklärenden gewollt wäre. Denn § 140 BGB sieht keine Interessenabwägung zwischen dem Erklärenden und dem Erklärungsempfänger vor, sondern stellt nach seinem Wortlaut eindeutig auf den Willen des Erklärenden ab. Es kommt darauf an, was der Erklärende hätte erklären wollen, wenn er gewusst hätte, dass seine Erklärung nicht wirksam war. Bei der Auslegung ist freilich auf den objektiven Empfängerhorizont abzustellen.
bb)
So hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass aufgrund der verschiedenartigen Rechtsfolgen, insbesondere aufgrund des Schadensersatzanspruchs des Anfechtungsgegners nach § 122 BGB, eine Rücktrittserklärung nicht in eine Anfechtungserklärung umgedeutet werden kann (BGH, Urteil vom 26. April 1965 – VIII ZR 83/63 – = BB 1965, 1083-1083, in juris: Rn. 20). Hinsichtlich einer unwirksamen fristlosen Kündigung eines Mietverhältnisses in eine ordentliche Kündigung hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass diese nur möglich sei, wenn der Wille, den Vertrag auf jeden Fall zu beenden, für den Vertragsteil, für den die Kündigung bestimmt sei, bei Abgabe der Kündigungserklärung zweifelsfrei erkennbar sei. Grundsätzlich müsse sich deshalb aus der Erklärung selbst ergeben, dass die Kündigung hilfsweise als ordentliche gelten solle. Das sei zur Sicherheit des Rechtsverkehrs geboten. Nur wenn sich dem Vertragsteil, für den die Kündigung bestimmt sei, aus Umständen, die aus der Kündigungserklärung nicht ersichtlich seien, bei Abgabe der Erklärung eindeutig ergebe, dass der Kündigende das Vertragsverhältnis auf alle Fälle zur Beendigung bringen wolle, könne auch sonst eine fristlose Kündigung in eine ordentliche umgedeutet werden (BGH, Urteil vom 24. Juli 2013 – XII ZR 104/12 – NJW 2013, 3361-3363, in juris: Rn. 17; BGH, Urteil vom 12. Januar 1981 – VIII ZR 332/79 – NJW 1981, 976-977, in juris: Rn. 41). Die Umdeutung eines (rückwirkenden) Widerrufs einer Kostenausgleichsvereinbarung mit einer Rentenversicherung in eine (ex nunc wirkende) Kündigung hat der Bundesgerichtshof bestätigt, weil es der erkennbare Wille des Erklärenden gewesen sei, sich von seinen Verpflichtungen wenigstens für die Zukunft zu befreien, wenn dies schon nicht auch für die Vergangenheit möglich wäre. Dabei hat die Kündigung anders als hier jedoch keinen Schadensersatzanspruch gegen den Erklärenden ausgelöst (BGH, Beschluss vom 03. November 2014 – IV ZR 230/14 – RuS 2015, 458-459, in juris: Rn. 12). Allerdings hat der Bundesgerichtshof auch entschieden, dass eine außerordentliche Kündigung eines Bauvertrages im Regelfall auch als freie Kündigung des Vertrags mit den Folgen des § 649 BGB zu verstehen ist. Denn der Auftraggeber trage das Risiko eines Anspruchs auf Zahlung der Vergütung nach § 649 BGB in der Regel auch bei einer außerordentlichen Kündigung, weil er die Leistung der Unternehmers im Normalfall unmöglich mache, so dass der Bauherr nach § 326 Abs. 2 BGB hafte, falls der Kündigungsgrund nicht bestehe. Es stehe im Interesse des Bauherrn, eine ordentliche Kündigung anzunehmen, ihm sei grundsätzlich daran gelegen, das Bauvorhaben auf der Grundlage einer sicheren rechtlichen Bewertung fortzuführen. Wolle der Auftraggeber seine Kündigung nicht so verstanden wissen, müsse sich das aus der Erklärung oder den Umständen ergeben (BGH, Versäumnisurteil vom 24. Juli 2003 – VII ZR 218/02 -, BGHZ 156, 82-91= NJW 2003, 3474-3476, in juris: Rn. 23, 26).
cc)
Nach diesen Grundsätzen konnte die Widerrufserklärung des Beklagten vom 21.04.2017 nicht in eine Kündigung umgedeutet werden. Zunächst sind die Rechtsfolgen der beiden Rechtsgeschäfte Widerruf und Kündigung sehr verschieden. Die Kündigung ist für den Beklagten erheblich nachteilhafter, weil sie einen Schadensersatzanspruch der Klägerin nach § 649 BGB auslöst. Einen anderen Vorteil für den Beklagten, der sich durch die Annahme der Kündigung ergeben könnte, und der daher für die Umdeutung sprechen könnte ist nicht ersichtlich. Insofern besteht eine andere Interessenlage als im oben zitierten Fall der Kündigung des Bauvertrags. Denn der Beklagte führt das Vorhaben der Dachbeschichtung gerade nicht aus, so dass er sich nicht der Gefahr eines Anspruchs der Klägerin aus § 326 Abs. 2 BGB aussetzt. Anders als im Falle eines normalen Bauvertrags der außerordentlich gekündigt wird, bei dem davon auszugehen ist, dass die Kündigung aufgrund von Unstimmigkeiten zwischen den Vertragsparteien erklärt wird und der Baus fortgeführt wird, liegt es im vorliegenden Falle des Widerrufs eines in einer Haustürsituation abgeschlossenen Dachbeschichtungsvertrags auf der Hand, dass dieser erfolgt, weil den Besteller die Beauftragung reut, so dass eine Fortführung gerade nicht naheliegt, so dass auch für die Klägerin erkennbar ist, dass für den Beklagten die Gefahr, sich eines Anspruchs nach § 326 Abs. 2 BGB auszusetzen, nicht besteht. Zudem hat der Beklagte durch den Zusatz in der Widerrufserklärung „DHH-Nachbarn lehnen o.g. ab!“ (Anlage K2, Bl. 27 d. A.) klar zum Ausdruck gebracht, dass diese Arbeiten dann eben nicht ausgeführt würden. Aus dieser bestehenden Situation ergibt sich schließlich, dass der Beklagte für die Klägerin erkennbar besser steht, wenn die Frage der Kündigung in der Schwebe bleibt. Es bleibt ihm dann unverwehrt, im Falle der Unwirksamkeit des Widerrufs mit seinen Nachbarn nochmals über die Dachbeschichtung zu verhandeln, die Leistung ohne Zustimmung der Nachbarn entgegenzunehmen oder die Kündigung noch zu erklären. Schließlich verbleibt es der Klägerin, ihre Leistung dem Beklagten anzubieten, ggf. auf Durchführung des Vertragsverhältnisses zu klagen oder dieses selbst nach § 643 BGB zu kündigen. Darauf, dass diese Rechtsfolgen für die Beklagte weniger vorteilhaft wäre als eine Umdeutung, kommt es nicht an.
Ebensowenig kommt es darauf an, ob der Widerruf wirksam ist.
2.
Mangels Anspruchs in der Hauptsache stehen der Klägerin auch keine Nebenforderungen wie Zinsen und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.