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Bezeichnung „Pfusch am Bau“ durch Sachverständigen

Besorgnis der Befangenheit ist damit nicht begründet

OLG Rostock – Az.: 4 W 30/20 – Beschluss vom 26.08.2020

I. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landgerichts Schwerin vom 06.07.2020 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist ein Ablehnungsgesuch gegen einen Sachverständigen, das von dem Landgericht für unbegründet erklärt worden ist.

Das vorliegende selbständige Beweisverfahren betrifft die von dem Antragsteller geltend gemachte Mangelhaftigkeit einer auf seinem Grundstück verbauten Versickerungsgrube und der als Verbindung zu dem Regenfallrohr an dem aufstehenden Gebäude verlegten Grundleitung; die entsprechenden Arbeiten hatte der Antragsgegner für den Antragsteller erbracht.

Der mit der Erstellung eines Gutachtens hierzu beauftragte Sachverständige führte einen Ortstermin durch, zu welchem für den Antragsgegner niemand erschien. In dem Termin übergab der Antragsteller Unterlagen und Lichtbilder an den Sachverständigen, und übersandte diesem in der Folge noch weiteres Material per E-Mail. In dem schriftlichen Gutachten findet sich unter der Zwischenüberschrift: „1.4 Verwendete Unterlagen“ insofern eine mit [U 2] bis [U 3] bezifferte Auflistung mit dem vorangestellten Satz: „Durch die Klägerseite zum Ortstermin übergebene ergänzende Unterlagen und im Nachgang per E-Mail übersandte Fotos.“ Im Text des Gutachtens hat der Sachverständige dazu außerdem ausgeführt:

„Die durch den Antragsteller übergebenen Fotos aus der Bauzeit zeigen die ‚Hinterlassenschaften‘ des Antragsgegners ([U 2], [U 3]). Bei den vor Ort gemachten Feststellungen und den erhaltenen Informationen konnten nicht alle offenen Fragen aus dem Beweisbeschluss und den Unterlagen der Gerichtsakte [U 1] geklärt werden. [Der Antragsteller] sagte zu, weitere Fotos aus der Zeit mit Beginn des Abrisses des Altgebäudes bis zum Abbruch der Arbeiten durch den Antragsgegner dem Unterzeichner zukommen zu lassen. Diese wurden am 01.04.2019 per E-Mail übersandt [U 3]. Im Kapitel 1.4 sind die insgesamt erhaltenen Unterlagen zusammengestellt. Sie werden mit Abgabe des Sachverständigengutachtens mit an das Gericht übergeben.“

Weiterhin findet sich in dem Gutachten der folgende Passus:

„Ob der Antragsgegner die v. g. Anforderungen erfüllt, dürfte aus Sicht des Unterzeichners mehr als fraglich sein. Aus den gewonnenen Eindrücken durch die örtlichen Feststellungen, zusätzlichen Fotos des Antragsteller über die Abwicklung der Baustelle bleibt nur festzustellen, dass die gesamte handwerkliche Arbeit jegliche Verbindung zu den Regeln der Technik im Erd- und Rohrleitungsbau sowie Bau von Versickerungsanlagen vermissen lässt. Die Arbeiten können mit einer nichttechnischen Begrifflichkeit als Fusch am Bau bezeichnet werden.“

Bezeichnung "Pfusch am Bau" durch Sachverständigen
(Symbolfoto: Von Jat306/Shutterstock.com)

Der Antragsgegner hat den Sachverständigen nach der Übersendung des Gutachtens zur Stellungnahme gemäß §§ 492 Abs. 1, 411 Abs. 4 ZPO wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Sie ergebe sich zum einen daraus, dass der Sachverständige im Rahmen des Ortstermins von dem Antragsteller eine Fotodokumentation sowie weitere Unterlagen angenommen habe, ohne den Antragsgegner hiervon vor Erstattung des schriftlichen Gutachtens zu unterrichten; ferner habe der Sachverständige mit dem Antragsteller bei dem Ortstermin oder danach einseitig Absprachen hinsichtlich der Übersendung weiteren Materials getroffen, das zudem zwar in dem Gutachten unter Ziffer 1.4 aufgelistet, diesem aber nicht vollständig beigefügt sei, sodass der Antragsgegner die Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht einschätzen könne. Zum anderen habe sich der Sachverständige ohne Not abfällig über den Antragsgegner geäußert, indem er ihm die Befähigung zur Ausführung der Arbeiten abgesprochen und diese als „Fusch am Bau“ bezeichnet habe.

Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen. Es hat dazu unter anderem ausgeführt, es sei üblich und sachgerecht, dass der Sachverständige sich die benötigten Daten und Unterlagen von der über sie verfügenden Partei verschaffe; auch wenn keine ausdrückliche Ermächtigung seitens des Gerichts erfolgt sei, könne eine Partei aus einem solchen Vorgehen kein Misstrauen gegen die Neutralität des Sachverständigen ableiten, wenn er sein Verfahren spätestens in dem Gutachten offenlege. Letzteres sei in dem vorliegenden Fall erfolgt, wobei der Sachverständige auf Nachfrage bekräftigt habe, dass es keine weiteren als die in dem Gutachten dargestellten Kontakte zwischen ihm und dem Antragsteller gegeben habe. Ebenso wenig könne eine Besorgnis der Befangenheit angenommen werden wegen der Bezeichnung der Arbeiten durch den Sachverständigen als „Fusch am Bau.“ Betrachte man die beanstandete Formulierung im Kontext der Aussage, stelle sie sich nicht als abfällige und auf Parteilichkeit hindeutende Äußerung, sondern als laienmäßige Zusammenfassung der Ermittlungsergebnisse zur Beantwortung der Beweisfrage dar. Zwar sei der Sachverständige zur Mäßigung und Neutralität gehalten, allerdings auch zur klaren Beantwortung der ihm gestellten Beweisfragen.

Gegen den ihm am 17.02.2020 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit seiner am 21.07.2020 erhobenen sofortigen Beschwerde; er beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit auszuschließen.

Der Antragsgegner macht geltend, der Sachverständige habe sich massiv abfällig und unsachlich über die von dem Antragsgegner erbrachten Leistungen geäußert, indem er diese als „Fusch am Bau“ bezeichnet habe. Der dabei von ihm hergestellte sprachliche Kontext eines untechnischen Ausdrucks ändere überhaupt nichts daran, dass die herabsetzende Wertung bewusst verwendet worden sei und der Sachverständige sie sich zu eigen gemacht habe. Ein auch nur irgendwie gearteter Erkenntnisgewinn ergebe sich daraus sicher nicht. Allein aufgrund dieser entgleisenden Äußerung könne der Antragsgegner nicht mehr der Auffassung sein, dass der Sachverständige ihm unvoreingenommen gegenüberstehe.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses nicht abgeholfen.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet.

1. Gemäß §§ 492 Abs. 1, 406 Abs. 1 Satz 1, 42 Abs. 1, 2. Alt., und Abs. 2 ZPO findet auch in einem selbständigen Beweisverfahren (vgl. BGH, Beschluss vom 23.05.2006, Az.: VI ZB 29/05, – zitiert nach juris -, Rn. 10) die Ablehnung eines Sachverständigen aus denselben Gründen statt, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, also etwa wegen Besorgnis der Befangenheit, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen; dabei kommen solche Gründe in Betracht, die vom Standpunkt des Ablehnenden die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit unparteiisch gegenüber.

2. Derartige Gründe hat das Landgericht zutreffend verneint.

Gutachtenserstellung Lichtbilder und Unterlagen von dem Antragsteller erhalten hat, ohne dass der Antragsgegner gleich davon Kenntnis erlangt hat. Denn gegen die Bewertung des Landgerichts, dass dies ein Misstrauen bezüglich der Neutralität des Sachverständigen jedenfalls dann nicht rechtfertige, wenn er – wie hier geschehen – sein Vorgehen spätestens in dem schriftlichen Gutachten offen lege, ist nichts zu erinnern (vgl. auch OLG Saarbrücken, Beschluss vom 28.07.2004, Az.: 5 W 88/04, Rn. 14; OLG Frankfurt, Beschluss vom 27.07.1997, Az.: 7 W 21/97, Rn. 14, jeweils zitiert nach juris und m. w. N.). Der Antragsgegner geht in seiner Beschwerdebegründung auf diesen Punkt auch selbst bereits gar nicht mehr ein.

b. Nichts anderes gilt aber im Weiteren hinsichtlich der Bezeichnung der Arbeiten des Antragsgegners durch den Sachverständigen als „[P]Fusch am Bau.“

aa. Einerseits stellt unsachliches Verhalten eines Sachverständigen einen Befangenheitsgrund dar, wenn es den Schluss auf die mangelnde Unvoreingenommenheit gegenüber einer Partei nahe legt; grobe Fehlgriffe in der Wortwahl, Unsachlichkeiten und abfällige, herabwürdigende oder gar beleidigende Äußerungen des Sachverständigen können daher die Besorgnis der Befangenheit begründen. Ein salopper Tonfall oder die Verwendung umgangssprachlicher Redewendungen reichen andererseits jedoch für sich allein genommen noch nicht aus, wobei entsprechende Bemerkungen darüber hinaus stets im Gesamtzusammenhang zu betrachten sind und es maßgeblich darauf ankommt, ob die Äußerungen noch sachbezogen und aufgrund des Verhaltens der Beteiligten verständlich oder statt dessen Ausdruck bloßen Unmuts sind, und ob mögliche Missverständnisse sogleich ausgeräumt werden. Nicht jede umgangssprachliche, bildhafte Wendung ist danach als Herabsetzung zu werten (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.06.1998, Az.: 11 W 13/98, – zitiert nach juris -, Rn. 2). Vielmehr rechtfertigen selbst abwertende Äußerungen allein die Besorgnis der Befangenheit schon deshalb noch nicht, weil sie teilweise schon vom Gesetz vorgegeben und dann noch kein Grund für die Annahme von Befangenheit sein können, wie etwa der Begriff „mutwillig“ in § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Auch sonst ist eine drastische Ausdrucksweise hinzunehmen, wenn sie nicht in dem Sinne unangebracht ist, dass sie auf den Adressaten unsachlich oder verletzend wirkt. Die Möglichkeit einer zurückhaltenderen Ausdrucksweise reicht zur Beanstandung nicht aus, weil die Sprache, mit der eine sachverständige Wertung ausgedrückt wird, mit dieser eng verbunden ist und in gewissen Grenzen weder durch die Beteiligten noch durch andere, namentlich über Befangenheitsgesuche entscheidende Richter vorgegeben werden kann. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass das Vorgehen des Sachverständigen auf einer unsachlichen Einstellung gegenüber der ablehnenden Partei oder auf Willkür beruht (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 07.08.2008, Az.: 5 W 151/08, – zitiert nach juris -, Rn. 20 m. w. N.).

bb. Nach diesen Maßstäben lässt sich ein Ablehnungsgrund gegen den Sachverständigen hier nicht daraus ableiten, dass er im Rahmen seines insoweit bezogen auf die Beantwortung der Beweisfragen über acht Seiten ausführlich begründeten Gutachtens und der danach festzustellenden Mängel die Arbeiten des Antragsgegners lediglich noch zusammenfassend und unter ausdrücklichem Verweis auf die Verwendung eines untechnischen Begriffes als „[P]Fusch am Bau“ bezeichnet hat. Zwar werden die Arbeiten damit negativ beurteilt; da sich die Äußerung jedoch nur auf deren Qualität bezog und nicht gegen den Antragsgegner als Person richtete, begründet sie für einen objektiven Betrachter nicht die Besorgnis der Befangenheit. Ein (gerade) die Person des Antragsgegners herabsetzender oder gar verunglimpfender Charakter ist der Formulierung nicht zu entnehmen (vgl. so auch LG Bochum, Beschluss vom 24.06.1993, Az.: 10 S 7/93, – zitiert nach juris -, im Falle der Bewertung von einer Partei durchgeführter Schönheitsreparaturen als „Ferienarbeit von Laien, die Wohnraum verunziere“).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 33. Aufl., 2020, § 46 Rn. 22 m. w. N.).

 

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