VG München – Az.: M 9 SN 14.3146 – Beschluss vom 16.09.2014
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert wird auf 3.750,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragteller wenden sich gegen die Errichtung einer Sichtschutzwand in einer Höhe von max. 2 m auf einer Länge von 13 m einschließlich der Terrassentrennwand auf dem Nachbargrundstück des Beigeladenen.
Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstück FlNr. 242/94 (Gemarkung …). Der Beigeladene ist Eigentümer des Nachbargrundstücks FlNr. 242/93 (Gemarkung …). Beide Grundstücke sind mit Wohnhäusern bebaut und liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 26 „…“ der Gemeinde … vom 30. Oktober 1997. § 10 Ziffer 7, Festsetzungen im privaten Bereich, Einfriedungen, regelt als textliche Festsetzung, dass Einfriedungen zu den öffentlichen Flächen hin nur als max. 1,10 m hohe Holzzäune mit senkrechter Lattung ausgebildet sein dürfen; die Zäune zwischen den Grundstücken dürfen auch als 1,10 m hohe Maschendrahtzäune ausgebildet werden.
Aufgrund eines Antrags vom 4. Juni 2014 erteilte die Antragsgegnerin dem Beigeladenen für die Errichtung einer Sichtschutzwand für eine Höhe von 2 m und einer Länge von 13 m auf dem Grundstück FlNr. 242/93 eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans, wobei ein Teilstück Ersatz für eine einzelne bereits bestehende Sichtschutzwand sei. Zur Begründung ist u.a. ausgeführt, dass die beantragte isolierte Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB erteilt werden konnte, da nachbarliche Belange nicht beeinträchtigt würden. Auf einem Teilstück der gemeinsamen Grenze bestehe im Anschluss an die gemauerte Terrassentrennwand bereits eine gleich hohe Holzsichtschutzwand, die erneuert und verlängert würde. An der Grenze stehe auf der Antragstellerseite eine durchgängige, geschlossene Heckenpflanzung, die höher sei. Eine Verschattung des klägerischen Grundstücks sei nicht zu befürchten, da es sich um die Nordseite handle und im Übrigen schon die eigene Hecke dort stehe. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den Bescheid vom 20. Juni 2014 Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 17. Juli 2014, am 21. Juli 2014 eingegangen beim Verwaltungsgericht München, erhob der Bevollmächtigte der Antragsteller Klage (M 9 K 14.3145) und beantragte gemäß §§ 80a Abs. 3 i.V.m. 80 Abs. 5 VwGO:
Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 20. Juni 2014.
Die Baumaßnahme stehe unmittelbar bevor. Die Festsetzung der Einfriedungshöhe in § 10 Ziffer 7 des Bebauungsplans sei nachbarschützend. Wegen der Sichtschutzwand an der gemeinsamen Grenze würde das Grundstück der Antragsteller komplett einkaserniert. Aktuell gäbe es dort keine Holz-Sichtschutz-Wand sondern lediglich drei Holzelemente, die kleiner und nicht geschlossen seien. Auch die Hecke der Antragsteller sei nicht geschlossen. Die Antragstellerin zu 1. sitze im Rollstuhl und habe dann keinen Blick mehr in die grüne Landschaft.
Die Bevollmächtigte der Antragsgegnerin beantragte: Antragsablehnung.
Die Festsetzungen unter § 10 Nr. 7, Einfriedungen seien nicht drittschützend sondern sollten nach der Begründung auf Seite 7 unter 8.3 zum Schutze der Tierwelt Freiräume zwischen den Zaununterkanten belassen. Da die Höhe der Wand baurechtlich verfahrensfrei ohne eigene Abstandsflächen zulässig sei, läge unter Berücksichtigung der Grundstücksgröße, der an der Nordseite des Grundstücks der Antragsteller bestehenden Bepflanzung und der Tatsache, dass dort die Häuser der Antragsteller und des Beigeladenen aneinander gebaut seien, keine unzumutbare Beeinträchtigung des Nachbarn nach dem Willen des Gesetzgebers vor.
Der Bevollmächtigte des beigeladenen Bauherrn beantragte: Antragsablehnung.
Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass die isolierte Befreiung beantragt wurde, weil nachbarschaftliche Probleme wegen des Hundes des Beigeladenen bestünden, der angeblich im Garagenhof ohne Leine herumlaufe, belle und knurre und für den der zwischen den Grundstücken befindliche Maschendrahtzaun mit einer Höhe von 1 m nach Ansicht der Antragsteller kein Hindernis sei. Entsprechende Schreiben seit dem Jahr 2011 wurden als Anlage beigefügt.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren durchzuführenden summarischen Prüfung bestehen gegen die mit Bescheid vom 20. Juni 2014 erteilte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 26 „…“ keine rechtlichen Bedenken, da öffentlich-rechtlich geschützte nachbarliche Belange dadurch nicht verletzt werden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den Bescheid vom 20. Juni 2014 Bezug genommen.
Ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass ein drittschützender Charakter der Regelung über die Höhe und Gestaltung der Einfriedungen in § 10 Ziffer 7 der textlichen Festsetzungen des zugrundeliegenden Bebauungsplans mangels eines entsprechenden ausdrücklichen Willens der Gemeinde nicht erkennbar ist. Die Gestaltung von Einfriedungen ist regelmäßig eine gestalterische Vorschrift aus städtebaulichen Gründen. Nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 6a BayBO sind Einfriedungen bis zu einer Höhe von 2 m verfahrensfrei. Daraus folgt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers bei Einfriedungen bis zu dieser Höhe grundsätzlich nachbarliche Belange regelmäßig nicht beeinträchtigt werden. Gleiches ergibt sich aus Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 BayBO, da bis zu 2 m hohe geschlossene Einfriedungen an der Grundstücksgrenze zulässt. Nach § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn u.a. die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Diese Voraussetzung liegt hier vor. Nach den vorgelegten Unterlagen und Fotografien sowie der Vorgeschichte hält die Kammer es in ständiger Rechtsprechung für sachgerecht, erforderlich und zumutbar, einen höheren Sichtschutz zwischen den Grundstücken zu errichten, um den Streit wegen des Hundes zu entschärfen. Unter diesem Gesichtspunkt haben im vorliegenden Fall nachbarliche Belange Vorrang vor dem Zweck der mit den Festsetzungen im Bebauungsplan beabsichtigten Regelung, so dass die Antragsgegnerin ermessensfehlerfrei die beantragte Befreiung erteilen durfte.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzulehnen.
Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren den Antragstellern aufzuerlegen, da diese sich durch eine eigene Antragstellung dem Risiko der Kostentragung ausgesetzt haben, § 154 Abs. 3 VwGO.
Streitwert: § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.