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Beendigung selbstständigen Beweisverfahren – nicht rechtzeitige Einzahlung des Kostenvorschusses

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 16 W 118/10 – Beschluss vom 28.02.2011

Die Entscheidung, das selbstständige Beweisverfahren abzurechnen und wegzulegen, wird aufgehoben.

Das Verfahren ist in Ausführung des Beschlusses vom 27. November 2009 in der Fassung des Beschlusses vom 4. Januar 2010 durch Einholung ergänzender Stellungnahmen zu 1) bis 4) und Ausführung des Beweisbeschlusses vom 24. September 2008 zu Punkt III. und IV. fortzusetzen. Die insoweit erforderlichen Anordnungen werden dem Landgericht übertragen.

Gründe

Die Beschwerde ist gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, § 569 ZPO. Mit der Entscheidung, das selbstständige Beweisverfahren abzurechnen und wegzulegen, die ausweislich der abschließenden Streitwertfestsetzung vom 26. August 2010 und des Nichtabhilfebeschlusses vom 3. Dezember 2010 von der zuständigen Kammer des Landgerichts getroffen, den Parteien dann aber nur in Form von Verfügungen des Vorsitzenden vom 6. September und 14. September 2010 mitgeteilt worden ist, ist nicht nur die Beendigung des selbstständigen Beweisverfahrens festgestellt worden. In der Sache handelt es sich um die Zurückweisung der Ergänzungsfrage der Antragstellerin, die Gegenstand des ergänzenden Beweisbeschlusses vom 4. Januar 2010 ist, sowie um die Entscheidung, die Beweisaufnahme zu Punkt III. und IV. des Beweisbeschlusses vom 24. September 2008, die Gegenstand des Beweisbeschlusses vom 27. November 2009 ist, nicht durchzuführen. Wenn aber schon die Zurückweisung von Anträgen und Ergänzungsfragen zu einem eingeholten Gutachten beschwerdefähig ist (§§ 492 Abs. 1, 411 Abs. 4 ZPO), dann gilt dies erst Recht für die Entscheidung, eine schon beschlossene Beweisaufnahme gar nicht erst durchzuführen.

Die Beschwerde ist auch begründet. Das selbstständige Beweisverfahren ist noch nicht beendet. Ein selbstständiges Beweisverfahren ist beendet, wenn die Beweissicherung sachlich erledigt ist. Erfolgt die Beweiserhebung durch ein schriftliches Sachverständigengutachten, ist das selbstständige Beweisverfahren mit dessen Übersendung an die Parteien beendet, wenn weder das Gericht nach § 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO eine Frist zur Stellungnahme gesetzt hat noch die Parteien innerhalb eines angemessenen Zeitraums Einwendungen dagegen oder das Gutachten betreffende Anträge oder Ergänzungsfragen mitgeteilt haben. In den letztgenannten Fällen ist das selbstständige Beweisverfahren nach Eingang der Stellungnahmen oder Erledigung der Anträge oder Ergänzungsfragen beendet. Die gem. § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB eingetretene Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens endet dann gem. § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB sechs Monate nach diesem Beendigungszeitpunkt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – VII ZR 172/09 – MDR 2011, 185 = BauR 20111, 287, Rn. 10, 11 bei juris).

Der Senat ist mit dem OLG Frankfurt (Beschluss vom 23. Juli 2004 – 1 W 48/04 – OLGR 2004, 325) der Auffassung, dass der Fall der nicht rechtzeitigen Zahlung des Kostenvorschusses nicht ein Fall der Beendigung des selbstständigen Verfahrens im eben dargestellten Sinn, sondern ein Nichtbetreiben des Verfahrens im Sinne von § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB ist. Nach § 204 Abs. 2 Satz 3 BGB beginnt die Hemmung erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt. Das OLG Frankfurt a. a. O. hat hierzu ausgeführt:

„Einer solchen Handhabung stehen rechtliche Bedenken nicht entgegen. Die oben angeführte Rechtsprechung zur Beendigung des selbstständigen Beweisverfahrens folgt aus dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit für die Frage des Laufs einer Verjährungshemmung. Da für den – hier gegebenen – Fall des Nichtbetreibens des Verfahrens § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB eine spezielle, detaillierte Regelung darüber enthält, an welche tatsächlichen Gegebenheiten in einem derartigen Fall anzuknüpfen ist, ist der Rechtsicherheit Genüge getan, ohne dass es einer Gleichstellung der Nichtzahlung eines Kostenvorschusses mit den dargestellten Beendigungsgesichtspunkten nach Erstattung des Sachverständigengutachtens bedarf… Eine solche Handhabung auf der Grundlage des § 204 Abs. 2 Satz 2 und 3 BGB entspricht auch der Interessenlage der Parteien des selbstständigen Beweisverfahrens. Denn auf diese Weise wird durch eine Ergänzung des bereits vorhandenen Gutachtens zusätzliche Klarheit über das Beweisthema geschaffen, ohne dass es eines neuen selbstständigen Beweisverfahrens oder der weiteren Begutachtung in einem späteren Hauptsacheverfahren bedarf. Inwieweit es mit dem Charakter des selbstständigen Beweisverfahrens als eines auf ein schnelles Ergebnis gerichteten Verfahrens unvereinbar und daher rechtsmissbräuchlich sein könnte, wenn ein selbstständiges Beweisverfahren erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums – etwa durch Zahlung des bereits früher geforderten Vorschusses – weiter betrieben werden soll, kann hier dahinstehen; denn die durch die verspätete Zahlung des weiteren Kostenvorschusses eingetretene zeitliche Verzögerung fiel nicht wesentlich ins Gewicht (wird ausgeführt)“.

Dies vorausgesetzt ist das selbstständige Beweisverfahren fortzuführen, nachdem die Antragstellerin den Kostenvorschuss am 8. September 2010 eingezahlt hat. Grenzen des Rechtsmissbrauchs sind auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des selbstständigen Beweisverfahrens im vorliegenden Verfahren nicht gegeben. Das Landgericht hatte mit dem der Antragstellerin am 2. Dezember 2009 zugestellten Beweisbeschluss vom 27. November 2009 der Antragstellerin aufgegeben, binnen eines Monats einen weiteren Kostenvorschuss in Höhe von 2.000,00 € einzuzahlen, da der Kostenvorschuss durch den Sachverständigen S. mehr als verbraucht sei und derzeit eine Unterdeckung von 522,97 € bestehe. Mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2009 hatte die Antragstellerin sodann beantragt, im Hinblick auf die Ergänzungsfragen der Antragsgegner zu 6) bis 8) (Ziffer 1 – 3 des Beweisbeschlusses vom 27. November 2009) diesen einen Teil des Kostenvorschusses aufzuerlegen. Zu dieser Frage verhielten sich sodann die – insoweit ablehnenden – gerichtlichen Verfügungen vom 9. und 17. Dezember 2009 und der Schriftsatz der Antragstellerin vom 16. Dezember 2009. Nachdem das Landgericht mit Beschluss vom 4. Januar 2010 den Beweisbeschluss vom 27. November 2009 um eine Ergänzungsfrage der Antragstellerin aus dem Schriftsatz vom 8. Dezember 2009 ergänzt hatte, geschah in der Akte nichts mehr bis zu der Verfügung des Vorsitzenden vom 6. Juli 2010, mit der um Mitteilung des Wertes des selbstständigen Beweisverfahrens gem. § 61 GKG gebeten wurde. Insbesondere wurde die Antragstellerin zu keinem Zeitpunkt an die Einzahlung des Vorschusses erinnert. Auf die Verfügung vom 6. Juli 2010 hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 21. Juli 2010 darauf hingewiesen, dass die ergänzende Beweisaufnahme bislang nicht stattgefunden habe und nach Festsetzung des Streitwertes durch Beschluss vom 26. August 2010 mit Schriftsatz vom 3. September 2010 angefragt, wann mit der ergänzenden Beweisaufnahme zu rechnen sei und insofern um Sachstandsmitteilung gebeten. Nach Hinweis des Landgerichts vom 6. September 2010, dass das Verfahren wegen des nicht fristgerecht gezahlten Kostenvorschusses abgerechnet und weggelegt worden sei, hat die Antragstellerin diesen am 8. September 2010 eingezahlt und geltend gemacht, dass sie stets davon ausgegangen sei, dass das Gutachten eingeholt werde, zumal das Landgericht noch am 4. Januar 2010, d. h. am Tag des Ablaufs der Frist für die Einzahlung des Kostenvorschusses, einen ergänzenden Beweisbeschluss erlassen habe.

Die Antragstellerin hat somit entweder schon mit dem Hinweis vom 21. Juli 2010 auf den noch nicht durchgeführten Beweisbeschluss, jedenfalls aber mit der Einzahlung des Kostenvorschusses vom 8. September 2010 das selbstständige Beweisverfahren weiter betrieben. Das ist zwar kein zeitlich überschaubarer Zusammenhang mit dem Ablauf der Fristsetzung für die Zahlung des Vorschusses mehr, wie er der Entscheidung des OLG Frankfurt zugrunde lag; es ist aber nach den Umständen des Einzelfalls jedenfalls noch kein Weiterbetreiben des Verfahrens, das rechtsmissbräuchlich wäre. Nachdem der Sachverständige S. in seinem Gutachten vom 8. Juli 2009 Mängel im Sinne der Antragstellerin festgestellt, zur Beweisfrage III. aber darauf hingewiesen hatte, dass die Frage der geeigneten Mängelbeseitigungsmaßnahmen nicht in seinen Fachbereich falle, war für alle Verfahrensbeteiligten offensichtlich, dass die Antragstellerin ein Interesse an der Fortsetzung der Beweisaufnahme hinsichtlich Punkt III. und IV. des Beweisbeschlusses vom 24. September 2008 hatte. Die übrigen Verfahrensbeteiligten haben sich entsprechend abwartend verhalten, niemand hat, z. B. um Kosten abrechnen zu können, die Beendigung des selbstständigen Verfahrens geltend gemacht, Streitwertfestsetzung beantragt oder einen Antrag nach § 494 a ZPO gestellt. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB sechs Monate nach der letzten Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle endet. Stellt man als letzte Verfahrenshandlung auf den am 7. Januar 2010 zugestellten Beweisbeschluss vom 4. Januar 2010 ab, so liegt der Hinweis der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 21. Juli 2010 auf die Anfrage des Landgerichts vom 6. Juli 2010 zur Streitwertfestsetzung nur wenig nach Ablauf dieser Frist. Hinzukommt ferner, dass Gegenstand des Beweisbeschlusses vom 27. November 2009 auch Ergänzungsfragen der Antragsgegner zu 6) – 8) waren, für die, wie aus dem Schriftwechsel der Antragstellerin mit dem Landgericht folgt, das Landgericht einen weiteren Vorschuss gerade nicht für erforderlich hielt. Aus Sicht der Antragstellerin war deshalb durchaus möglich, dass das Landgericht diesen Teil der Beweisaufnahme vorzog mit der Folge, dass man der Antragstellerin auch nicht vorwerfen kann, sich nicht vorher nach dem Fortgang des Verfahrens erkundigt zu haben. Umgekehrt hätte es ebenso nahegelegen, dass das Landgericht gerade angesichts des Schriftwechsels über den weiter angeordneten Vorschuss die Antragstellerin zumindest einmal an dessen Zahlung erinnert hätte. Interessen der Antragsgegner stehen der Fortsetzung der Beweisaufnahme nicht entgegen. Insbesondere lässt sich Klarheit über die Verjährung auch aufgrund der Regelung in § 204 Abs. 2 Satz 2 und 3 BGB gewinnen und war angesichts der erkennbaren Interessenlage der Antragstellerin bei Beendigung dieses Beweisverfahrens mit einem neuen Antrag zu rechnen.

Das Landgericht wird nunmehr die Beweisaufnahme aus dem Beweisbeschluss vom 27. November 2009 i. d. F. des Beschlusses vom 4. Januar 2010 und aus dem Beschluss vom 24. September 2008 fortzuführen haben. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass nach Aktenlage dieselben Verfahrenbevollmächtigten einerseits die Streithelferin zu 2.) der Antragstellerin und zugleich die Antragsgegner zu 2.) – 5.) vertreten

Einer Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil die Beschwerde erfolgreich ist (Zöller-Herget, ZPO, 28. Aufl., § 490 Rn.5).

 

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