OLG München, Az.: 28 U 3609/15 Bau, Verfügung vom 20.01.2016
Gründe
Hinweis:
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 14.09.2015, Az. 5 O 5430/13 Bau, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
I. Vorbemerkung
Die Klägerin begehrte mit der Klage in der Hauptsache:
1. EUR 12.324,57 aus Materiallieferung nebst Zinsen, wobei die Klage bzgl. des Betrages von EUR 12.324,57 übereinstimmend für erledigt erklärt wurde (Erklärungen der Parteien vom 15.4.2014, Blatt 11 d.A., und 24.4.2014, Blatt 15 d.A.). Insoweit war in der Hauptsache nur noch über die Zinsen zu entscheiden. Die Zinsen hat das Landgericht zugesprochen. Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten ausdrücklich nicht.
2. EUR 2.977,88 nebst Zinsen für den Einbau von der Klägerin gehörenden Balkonabläufen.
Diesen Betrag hat das Landgericht in vollem Umfang zugesprochen.
3. EUR 23.084,40 nebst Zinsen als Werklohn.
Der geltend gemachte Betrag setzt sich zusammen wie folgt (Blatt 42 d.A.): Pauschalvergütung EUR 48.000,00 netto (Zahlungsplan EUR 15.000,00, EUR 20.000,00, EUR 13.000,00) zzgl. MWSt. EUR 9.120,00, abzgl. Abschläge von zusammen EUR 34.035,60, ergibt EUR 23.084,40.
Diesen Anspruch hat das Landgericht in Höhe von EUR 22.844,40 zugesprochen
Das Landgericht führt weiter aus, dass Gegenrechte der Beklagten nicht bestünden und zwar weder aus
a) Vertragsstrafe
b) Schadenspositionen bzgl. der Balkonabläufe oder
c) Ansprüche bzgl. Tiefgaragenabdichtungsarbeiten.
In der Berufungsbegründung werden im Wesentlichen folgende Rügen gegen das landgerichtliche Urteil erhoben:
1. Die Anlieferung der Balkonabläufe sei nicht ohne Rechtsgrund erfolgt.
Vielmehr sei zwischen den Parteien wirksam ein Vertrag über die Durchführung von Abdichtungsarbeiten an den Balkonen sowie weiteren Bauteilen geschlossen worden. Dieser Vertragsschluss sei durch die durchgeführte Beweisaufnahme bewiesen. Außerdem entspreche der Wert der Balkonläufe nicht dem abgerechneten Wert.
2. Das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin Anspruch auf Umsatzsteuer gegenüber der Beklagten habe. Tatsächlich stehe der Klägerin kein Anspruch auf Zahlung von Umsatzsteuer zu.
3. Der Werklohnanspruch der Klägerin sei mangels Abnahme noch nicht fällig.
Eine Abnahme habe nicht stattgefunden. Insoweit liege zudem eine Überraschungsentscheidung des Gerichts vor.
4. Das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Fälligkeit des Restwerklohnanspruchs gegeben sei, weil ein Anspruch der Beklagten auf Gewährleistungsbürgschaft nicht mehr bestehe.
5. Die Beklagte habe Gegenansprüche
a) aus Vertragsstrafe,
b) aus Schadenspositionen im Zusammenhang mit den Balkonabläufen und
c) aus Ersatzvornahmekosten bzgl. der Tiefgaragenabdichtungsarbeiten.
II. Im Einzelnen
1. Balkonabläufe
a) Rechtsgrund
Zur Frage, ob zwischen den Parteien im Hinblick auf die Balkonabläufe ein Vertrag zustande kam, hat das Landgericht Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen O., M. und F.
In seinem Urteil hat das Landgericht das Ergebnis der Beweisaufnahme gewürdigt und kam zu dem Schluss, dass ein Vertragsschluss nicht nachgewiesen sei.
Die Beweiswürdigung lässt im Ergebnis keinen Rechtsfehler erkennen.
Das Landgericht hat u.a. ausgeführt, dass der Zeuge M. ausgesagt habe, dass es keinen Vertrag gegeben habe und dass er insoweit auf der Baustelle eine Absage gemacht habe. Angesichts der widersprüchlichen Aussagen der Zeugen, die für sich genommen glaubhaft gewesen seien, sei es von einem Vertragsschluss nicht überzeugt. Dass das Gericht demgemäß nicht einfach der Aussage des Zeugen O. gefolgt ist, ist nicht zu beanstanden.
Insbesondere ist aufgrund der widersprüchlichen Aussagen nicht bewiesen, dass der Zeuge M., wie behauptet, am Telefon gegenüber dem Zeugen O. den Vertrag abschloss und ihm ausdrücklich bestätigte, dass Mitarbeiter der Klägerin zur Durchführung der Arbeiten erscheinen würden.
Die Zeugin F. ging zwar von einem Vertragsschluss aus („Ich gehe davon aus, dass die Beauftragung auf Basis dieses Angebotes erfolgt ist. Ich habe nichts Gegenteiliges gehört“, Seite 8 des Protokolls vom 15.12.2014, Blatt 80 d.A.), war aber beim vermuteten Vertragsschluss selbst nicht dabei. Zwar besprach sie Dinge mit dem Zeugen M., konnte aber aus eigener Wahrnehmung keinen Vertragsschluss bezeugen („Der Herr M. wusste, dass die Beauftragung kommen würde. […] Ob jetzt aber die Gespräche schon nach der Auftragserteilung erfolgten, daran kann ich mich nicht erinnern“, Seite 8 des Protokolls vom 15.12.2014, Blatt 80 d.A.). Dass die Zeugin von einem Vertrag ausging, dessen Abschluss sie selbst nicht aus eigener Wahrnehmung bestätigen konnte, mag ein Indiz für einen Vertragsschluss sein, ein Beweis ist es nicht.
Für den Umstand, dass Gegenstände vor Ort waren, hatte der Zeuge M. (Protokoll vom 15.12.2014, Seite 11, Blatt 83 d.A.) Erklärungen, die das Landgericht ohne Rechtsfehler jedenfalls als nicht so unplausibel zurückwies, dass es deswegen seine Aussage insgesamt als unglaubhaft gewertet hätte.
Die E-Mail vom 5.10.2013 (Anlage zum Protokoll vom 15.12.2014, nach Blatt 86 d.A.) ist eine E-Mail des Zeugen O. Die E-Mail beweist demnach allenfalls, wie der Zeuge O. die Lage geschildert hat, nicht aber, dass tatsächlich ein Vertragsschluss stattfand. Auch wenn Verhandlungen stattgefunden haben sollten, beweist das keinen Vertragsschluss.
Ob der Zeuge M. die Anlage B3 erhalten hat oder nicht, kann letztlich dahinstehen, da selbst dieser nicht bewiesene Umstand nicht beweisen würde, dass ein Vertragsschluss tatsächlich stattfand.
Eine Unglaubwürdigkeit des Zeugen M. ist auch nicht daraus abzuleiten, dass er an Besprechungen am 8.10.2013 und 15.10.2013 teilgenommen habe. Unabhängig von der Frage, ob eine solche Teilnahme an der Besprechung am 8.10.2013 tatsächlich die Glaubwürdigkeit des Zeugen erschüttern würde, war diesbezüglicher Sachvortrag der Beklagtenseite (Schriftsatz vom 19.1.2015, Blatt 90 d.A.) ausdrücklich bestritten (Schriftsatz der Klägerseite vom 20.3.2015, Blatt 105 d.A.; ebenso bzgl. einer Baubegehung am 30.10.2013, Blatt 106 d.A.). Die Anlage B17 belegt ebensowenig die tatsächliche Teilnahme des Zeugen M. an der Besprechung wie die Anlage B16. Dass die Zeugin F., von welcher die E-Mail aus Anlage B16 stammt, von einem Vertragsschluss ausging, ist, wie bereits erwähnt, kein Beweis für einen tatsächlichen Vertragsschluss, weshalb auch die Anlage B18 keinen ausreichenden Beweis darstellt. Im Übrigen wäre auch die Teilnahme an Besprechungen noch kein ausreichender Beweis dafür, dass gerade die streitgegenständlichen Leistungen beauftragt wurden.
Auch unter Berücksichtigung des sonstigen Vorbringens in der Berufungsbegründung, der Zeugenaussagen und der vorgelegten Anlagen ist der Senat der Auffassung, dass es zwar durchaus Anhaltspunkte für einen möglichen Vertragsschluss gibt, dass jedoch jedenfalls im Ergebnis ein Rechtsfehler des Landgerichts in der Annahme, dass ein Vertragsschluss beweissicher nicht feststeht, nicht vorliegt.
Einen solchen Beweis hält auch der Senat nicht für erfolgreich geführt. Eine persönliche Gewissheit, welche Zweifeln Einhalt gebietet, ist für den Senat nicht ausreichend gegeben.
b) Wert
Bzgl. des „Wertes des Erlangten“ hat sich das Landgericht orientiert an der Anlage K17, in der die tatsächlichen Kosten für die Balkonabläufe mit EUR 2.977,88 beziffert sind.
Soweit in der Berufungsbegründung gerügt wird, dass in diesem Betrag auch die Arbeitskosten enthalten seien, ist das Landgericht dem Zeugen M. gefolgt, der „glaubhaft und glaubwürdig versichert“ habe, dass für die Preisgestaltung der Einbau keine Rolle gespielt habe und hier der Einkaufspreis weitergegeben worden sei.
Das ist nicht zu beanstanden. Bzgl. des Wertes kann § 287 Abs. 1 und 2 ZPO angewendet werden, wonach, wenn unter den Parteien bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten die Höhe einer Forderung streitig ist, das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung entscheiden kann. Eine Orientierung an der Anlage K17 unter Berücksichtigung der Zeugenaussage M. ist insoweit nicht rechtsfehlerhaft, zumal sich aus der Anlage keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Preise auch Arbeitskosten enthalten.
2. Umsatzsteuer
In der Anlage B1 ist folgende Klausel enthalten: „Zu allen Nettobeträgen wird die zum Rechnungszeitpunkt maßgebliche gesetzliche Mehrwertsteuer hinzugerechnet. Soweit die Umsatzsteuer vom Auftraggeber nach § 13 b UStG gegenüber den Finanzbehörden geschuldet wird, hat der Auftragnehmer keinen Anspruch auf Auszahlung der Umsatzsteuer. Diese ist in diesem Fall vom Auftraggeber direkt an eine zuständige Finanzbehörde abzuführen.“
Das Landgericht hat im Ergebnis der Klägerin den Bruttobetrag zugesprochen. Die Klägerin könne den Werklohn zuzüglich der Umsatzsteuer verlangen.
Das ist nicht zu beanstanden. Nach der vereinbarten Vertragsklausel sollte grundsätzlich der Bruttobetrag geschuldet sein („Zu allen Nettobeträgen wird die zum Rechnungszeitpunkt maßgebliche gesetzliche Mehrwertsteuer hinzugerechnet.“).
Nur unter bestimmten Voraussetzungen sollte dies nicht gelten, nämlich wenn und „soweit die Umsatzsteuer vom Auftraggeber [Anm.: also von der Beklagten] nach § 13b UStG gegenüber den Finanzbehörden geschuldet wird“.
Hier war die Umsatzsteuer aber nicht vom Auftraggeber, also der Beklagten, gegenüber den Finanzbehörden geschuldet.
Dies gilt hier unabhängig von der Frage, ob § 13b UStG nach der früheren Fassung oder der aktuellen Fassung anzuwenden ist.
Nach der aktuellen Fassung (§ 13b UStG in der Fassung vom 2.11.2015) gilt: „Für folgende steuerpflichtige Umsätze entsteht die Steuer mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats […]: Bauleistungen, einschließlich Werklieferungen und sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit Grundstücken, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen. […] In den in Absatz 2 Nummer 4 Satz 1 genannten Fällen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer unabhängig davon, ob er sie für eine von ihm erbrachte Leistung im Sinne des Absatzes 2 Nummer 4 Satz 1 verwendet, wenn er ein Unternehmer ist, der nachhaltig entsprechende Leistungen erbringt; davon ist auszugehen, wenn ihm das zuständige Finanzamt eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige auf längstens drei Jahre befristete Bescheinigung, die nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen werden kann, darüber erteilt hat, dass er ein Unternehmer ist, der entsprechende Leistungen erbringt.“
Das Landgericht hat in seinem Urteil festgestellt, dass weder vorgetragen war, dass die Beklagte als Leistungsempfängerin nachhaltig Bauleistungen in diesem Sinne erbringe, noch dass eine entsprechende Bescheinigung vorliege. Auch in der Berufungsbegründung ist das nicht vorgetragen.
Selbst wenn man die alte Rechtslage zugrunde legen würde, ändert dies vorliegend nichts. Zur alten Rechtslage hat der BFH (Urteil vom 22.8.2013 – V R 37/10) festgestellt (Orientierungssatz nach juris): „Im Hinblick auf das Erfordernis, dass der Leistungsempfänger selbst eine bauwerksbezogene Werklieferung oder sonstige Leistung erbringt, ist u.a. danach zu unterscheiden, ob der Leistungsempfänger ein Generalunternehmer oder Bauträger ist. Im Hinblick auf das Erfordernis der Bearbeitung oder Verarbeitung einer fremden Sache erbringt nur der ein fremdes Grundstück bebauende Generalunternehmer, nicht aber der ein eigenes Grundstück bebauende Bauträger eine bauwerksbezogene Werklieferung, die zur Anwendung von § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG führt“. Steuerschuldner im Hinblick auf die Umsatzsteuer auf Leistungen von Subunternehmern ist damit nicht der Bauträger als Leistungsempfänger, sondern der Subunternehmer.
Zwar heißt es in einem Schreiben des BMF vom 8.5.2014 (Gz.: IV D 3 – S 7279/11/10002-03): „Neufassung der Nichtbeanstandungsregelung (Seite 4 im BMF-Schreiben vom 5. Februar 2014, BStBl I S. 233), Absatz 5 des BMF-Schreibens vom 5. Februar 2014 – IV D 3 – S 7279/11/10002 (2014/0120973), BStBl I S. 233, wird wie folgt gefasst: ‚Haben leistender Unternehmer und Leistungsempfänger die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers für eine Bauleistung, die vor dem 15. Februar 2014 ausgeführt worden ist, einvernehmlich unter Berücksichtigung der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Verwaltungsanweisungen in Abschnitt 13b.3 und 13b.8 UStAE angewendet, wird es nicht beanstandet, wenn sie nach dem 14. Februar 2014 ebenso einvernehmlich entscheiden, an der seinerzeitigen Entscheidung festzuhalten, auch wenn in Anwendung des o. a. BFH-Urteils vom 22. August 2013 der leistende Unternehmer Steuerschuldner wäre. Die Notwendigkeit von Rechnungsberichtigungen besteht nicht. Gleiches gilt für Bauleistungen, mit deren Ausführung vor dem 15. Februar 2014 begonnen worden ist, soweit dies einvernehmlich unter Berücksichtigung der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Verwaltungsanweisungen in Abschnitt 13b.3 und 13b.8 UStAE erfolgt ist.'“ Hierzu hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass die Steuerschuldnerschaft nicht zur Disposition der Parteien steht. Auch das Schreiben des BMF ändert daran nichts. Der Umstand, dass eine bestimmte Handhabung „nicht beanstandet“ wird, ändert nichts an der Frage, wer rechtlich Steuerschuldner ist und wer nicht.
Ob und inwieweit die Situation anders wäre, wenn Klägerin und Beklagte im Vertrag eine klare und eindeutige Regelung zur Steuerschuld getroffen hätten (z.B. „Steuerschuldner der Umsatzsteuer ist die Beklagte“) in Verkennung der tatsächlichen Rechtslage und insoweit dieser Irrtum später Auswirkungen auf den Vertrag gehabt hätte, kann dahinstehen. Das haben sie gerade nicht getan. Vielmehr haben sie die Regelung zur Vergütung gerade offen formuliert, nämlich je nachdem, wer tatsächlich Steuerschuldner ist. (Wären sie bei Vertragsschluss übereinstimmend davon ausgegangen, dass die Beklagte Steuerschuldnerin ist, hätte von vorneherein eine klare Regelung zur Umsatzsteuertragung getroffen werden können. Der Umstand, dass dies nicht erfolgt ist, sondern eine offene Regelung getroffen wurde [„Soweit“], zeigt, dass eine abschließende Einigkeit gerade nicht vorlag.)
Nachdem Steuerschuldnerin tatsächlich nicht die Beklagte war, greift nicht Teil 2 der Regelung ein („Soweit die Umsatzsteuer vom Auftraggeber nach § 13 b UStG gegenüber den Finanzbehörden geschuldet wird, hat der Auftragnehmer keinen Anspruch auf Auszahlung der Umsatzsteuer.“), sondern Teil 1 („Zu allen Nettobeträgen wird die zum Rechnungszeitpunkt maßgebliche gesetzliche Mehrwertsteuer hinzugerechnet.“).
Ob die Parteien bei der Vertragsabwicklung vorübergehend tatsächlich übereinstimmend davon ausgingen, dass die Beklagte Steuerschuldnerin war (z.B. im Hinblick auf das Stellen der Rechnungen), ist dabei nicht entscheidend. Entscheidend ist, wer tatsächlich Steuerschuldner war. Selbst wenn die Klägerin in Verkennung der Rechtslage zunächst davon ausgegangen sein sollte, dass die Beklagte Steuerschuldnerin ist, hindert sie das nicht, später den zutreffenden Betrag zu fordern.
Damit ist die Annahme des Landgerichts, dass hier die Bruttobeträge geschuldet sind, nicht zu beanstanden.
3. Abnahme
Das Landgericht hat die Abnahme als für die Fälligkeit des Werklohns entbehrlich angesehen, weil sich der zwischen den Parteien bestehende Werkvertrag unstreitig bereits in einem Abrechnungsstadium befinde.
Soweit in der Berufungsbegründung ausgeführt ist, dass die Abnahmewirkungen nicht durch die Schlussrechnung fingiert werden könnten, ist darauf hinzuweisen, dass das Landgericht die Fälligkeit auch nicht auf eine solche Fiktion gestützt hat. Das Landgericht hat keine Abnahmefiktion herangezogen, sondern eine Abnahme für entbehrlich gehalten.
Dies ist rechtlich unter bestimmten Bedingungen möglich. Vgl. dazu z.B. Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl., 2012, § 641, Rdn. 27, 28: „Neben der Sonderregelung des § 641 Abs. 2 gilt für eine Reihe weiterer Fälle, dass die Fälligkeit der Vergütung unabhängig von einer Abnahme der Unternehmerleistung eintritt. […] Zum anderen ist die Abnahme ausgeschlossen, wenn der (modifizierte) Erfüllungsanspruch des Bestellers vor Herstellung des Werkes entfällt: So werden etwaige verbleibende Ansprüche des Unternehmers gegen den Besteller auch ohne Abnahme fällig, wenn der Unternehmer die Nacherfüllung gem. § 635 Abs. 3 zu Recht verweigert […] oder die Nacherfüllung wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen ist […]. Entsprechendes gilt, wenn der Nacherfüllungsanspruch des Bestellers in Folge des Übergangs auf andere Mängelrechte (zB Schadensersatz statt der Leistung, Minderung) erlischt […], wenn der Besteller die Werkleistung des Unternehmers im Wege der Ersatzvornahme beseitigt und neu ausführt oder der Besteller die Erfüllung des Werkvertrages nicht mehr verlangt. Eine Abnahme ist insoweit überflüssig. Es findet vielmehr eine Abrechnung der beiderseitigen Ansprüche statt.“
Das Landgericht hat ausgeführt, dass unstreitig sei, dass sich der Werkvertrag bereits in einem Abrechnungsstadium befinde und dass die Beklagte von der Klägerin keinerlei Leistungen mehr erwarte (Urteil Seite 16).
Diese Feststellung ist als solche nicht angegriffen. Die Berufungsbegründung stellt nur in Zweifel, dass das Stadium des Abrechnungsverhältnisses eine Abnahme entbehrlich mache. Die Rechtsansicht des Landgerichts ist aber zutreffend (vgl. dazu bereits oben Münchener Kommentar zum BGB a.a.O., ebenso z.B. OLG Brandenburg, Urteil vom 9.8.2006 – 4 U 15/06, Leitsatz 1 nach beck-online: „Bei vorzeitiger Beendigung eines Bauvertrags ist die Schlussrechnung auch ohne Abnahme fällig, wenn die Erfüllung des Werkvertrags von dem Auftraggeber nicht mehr verlangt wird.“; ebenso z.B. Ganten/Jansen/Voit, Beck’scher VOB-Kommentar, Teil B, 3. Aufl., 2013, § 16, Rdn. 30 ff: „Weitere Fälligkeitsvoraussetzung ist die Abnahme der Werkleistung im Sinne des § 12 VOB/B […]. Entbehrlich ist die Abnahme […] insbesondere dann, wenn […] der Auftraggeber nicht mehr Erfüllung verlangt, sondern reine Geldzahlungsansprüche verfolgt“.)
Die Ausführungen in der Berufungsbegründung zu einem Verstoß gegen die richterliche Hinweispflicht des Landgerichts greifen nicht durch, weil nicht vorgetragen ist, was die Beklagte bei einem entsprechenden Hinweis vorgetragen hätte und wie sich das dann konkret auf die Entscheidung des Landgerichts ausgewirkt hätte (vgl. z.B. Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 139, Rdn. 20).
Auch aus dem Vortrag in der Berufungsbegründung ergibt sich nicht, dass die Abnahme nicht entbehrlich war.
4. Gewährleistungsbürgschaft
Zur Vereinbarung der Parteien, dass die Schlussrate erst nach Übergabe einer Gewährleistungsbürgschaft fällig ist, hat das Landgericht ausgeführt, dass die Klägerin eine solche Bürgschaft nicht vorgelegt habe. Jedoch sei die Beklagte zur Auszahlung des einbehaltenen Betrages verpflichtet, da sie den einbehaltenen Betrag nicht rechtzeitig auf ein Sperrkonto einbezahlt habe und eine entsprechende Nachfrist der Klägerin habe verstreichen lassen. Damit sei der Gesamtbetrag fällig geworden.
In der Berufungsbegründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass die Gewährleistungsbürgschaft eine Doppelfunktion gehabt habe, nämlich zum einen eine Sicherheit zu bieten, zum anderen eine Fälligkeitsvoraussetzung für die Schlusszahlung zu sein.
Wie das Landgericht ist auch der Senat der Auffassung, dass dieser Einwand im vorliegenden Fall nicht durchgreift.
In der Anlage B1 heißt es: „Zahlungsplan: […] 03. Schlusszahlung nach Fertigstellung aller Vertragsleistungen und erfolgter Abnahme, Zug-um-Zug gegen Übergabe der Gewährleistungsbürgschaft (Vertragsmuster i.d. Anlage)“.
In der Muster-Bürgschaftsurkunde (in Anlage B12 enthalten) heißt es: „Nach den Bedingungen dieses Vertrages hat der Auftragnehmer als Sicherheit für die Mängelansprüche nach VOB, Teil B, § 13, für bereits fertiggestellte und ohne Beanstandung und Auflagen abgenommene Arbeiten […] eine Bürgschaft in Höhe von 5% der Nettoauftragssumme […] zu stellen“.
Daraus ergibt sich nach Auffassung des Senats, dass Zweck der Bürgschaft war, eine Sicherheit für etwaige Mängelansprüche zu bieten.
Dass und warum die Fälligkeit der Vergütung daneben und unabhängig von diesem Sicherungszweck von der Stellung einer Bürgschaft abhängig sein sollte, ist nicht ersichtlich. (Vielmehr handelt es sich um einen Zweck. Damit der Auftraggeber bzgl. Mängelansprüchen abgesichert ist, soll er vor Zahlung der Vergütung eine Bürgschaft erhalten. Die Regelungen bilden eine Einheit. Wenn der Anspruch auf Bürgschaft wegfällt, fällt auch diese Fälligkeitsvoraussetzung weg.)
Das Landgericht hat § 17 Abs. 6 Nr. 3 VOB/B angewendet.
Dort heißt es: „Zahlt der Auftraggeber den einbehaltenen Betrag nicht rechtzeitig ein, so kann ihm der Auftragnehmer hierfür eine angemessene Nachfrist setzen. Lässt der Auftraggeber auch diese verstreichen, so kann der Auftragnehmer die sofortige Auszahlung des einbehaltenen Betrags verlangen und braucht dann keine Sicherheit mehr zu leisten.“
Da die Voraussetzungen des § 17 Abs. 6 Nr. 3 VOB/B vorlagen, musste die Klägerin daher keine Sicherheitsleistung mehr leisten.
Da keine Verpflichtung zur Sicherheitsleistung mehr bestand, war aber auch die Vergütung (trotz „Zahlungsplan“ mit der Klausel „Zug-um-Zug gegen Übergabe der Gewährleistungsbürgschaft“) nicht mehr von der Stellung einer (nicht mehr geschuldeten) Bürgschaft abhängig.
Soweit in der Berufungsbegründung gerügt wird, dass die Klagepartei nicht vorgetragen habe, dass die Voraussetzungen des § 17 Abs. 6 Nr. VOB/B für eine Auszahlung gegeben seien, ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerseite im Schriftsatz vom 27.8.2014 (Blatt 55 d.A.) vortrug, dass die Beklagte aufgefordert worden sei, den Gewährleistungseinbehalt unter Nachfristsetzung bis zum 2.9.2014 auf ein Sperrkonto einzuzahlen. Im Schriftsatz vom 13.10.2014 wurde vorgetragen, dass die Beklagte „weder das vermeintliche Muster vorgelegt noch den Betrag der Gewährleistungssicherheit auf ein Sperrkonto eingezahlt hat. Damit hat die Beklagte ohnehin keinen Anspruch mehr auf eine Sicherheit, § 17 Abs. 6 Nr. 3 VOB/B“. Damit waren die Voraussetzungen ausreichend vorgetragen.
Soweit in der Berufungsbegründung gerügt wird, dass die Sicherheit mit 5% vereinbart gewesen sei und dies nur EUR 2.400,00 betreffe, greift dieser Einwand nicht durch. Nachdem kein Anspruch auf Bürgschaft mehr besteht, scheitert die Fälligkeit der gesamten Vergütung nicht am Fehlen einer Bürgschaft.
5. Gegenansprüche
a) Vertragsstrafe,
Das Landgericht hat einen Anspruch aus Vertragsstrafe abgelehnt.
Das ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Im Vertrag (Anlage B1) heißt es: „Beginn der Leistungen: ca. 12.08.2013 (nach Abstimmung mit örtl. Bauleitung); Fertigstellung aller Leistungen 31.08.2013. Bei schuldhafter Überschreitung der Fertigstellungsfirst wird eine Vertragsstrafe […] vereinbart“.
Das Landgericht weist zutreffend darauf hin, dass ein Anspruch auf Vertragsstrafe ganz entfällt, wenn „der gesamte Zeitplan durch Umstände völlig umgeworfen [wird], die vom Auftragnehmer nicht zu vertreten sind“ (Werner/Pastor, Der Bauprozess, 13. Aufl., 2011, Rdn. 2588). Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass das hier der Fall war.
Hierbei ist zum einen zu berücksichtigen, dass es schon beim Vertragsabschluss zu Verzögerungen kam. Die Zeugin F. hat ausgesagt, dass ihr Bauzeitenplan vorsah, dass in der ersten Augusthälfte mit den Arbeiten begonnen werden konnte. „Da aber der Vertrag erst Anfang August an die Firma S. Dachsysteme geschickt wurde, wurde dieser Vertrag auch erst zehn Tage später unterschrieben und damit am 15.08. unterschrieben [sic]. Dann hat natürlich das Bauzeitengefüge so nicht mehr gestimmt.“ (Protokoll vom 20.4.2015, Blatt 108, 109 d.A.). Dazu kamen Verzögerung wegen der Witterung. Die Zeugin hat ausgesagt: „Auch während der Arbeiten war es so, dass Sachen aufgetreten sind, die nicht vorhersehbar waren. Vor allem auch an der Tiefgarage […] gab es bei der Firma S. wegen der Witterung oft Verspätungen. Die Firma SF konnte teilweise die Arbeiten nicht ausführen, da es teilweise z.B. im September eine ganze Woche geregnet hat. Dann haben wir den Termin immer nach hinten verschoben. […] Es war ja auch geplant, dass sie die Balkonabdichtungen auch noch ausführen werden. Hier haben wir ihnen also keine festen Fristen genannt, sondern wie haben es ihnen selbständig überlassen, wann sie welche Arbeiten fertig machen sollten.“
Dass das Landgericht im Ergebnis angenommen hat, dass der Zeitplan völlig umgeworfen war, ist demnach nicht zu beanstanden. Wenn bei einer relativ kurzen Zeitspanne schon eine Verzögerung durch den Vertragsschluss selbst eintritt (wie es die Zeugin ausgeführt hat: das wird auch bestätigt durch die Anlage B1; dort ist als Beginn der Leistungen der 12.08.2013 genannt, wobei ausweislich der Anlage B1 eine der beiden Unterschriften erst am 14.8.2013, also nach dem geplanten Baubeginn erfolgte) und dann auch noch unverschuldete Verzögerungen durch die Witterung eintreten, ist der Zeitplan umgeworfen mit der Folge, dass die Vertragsstrafe ganz entfällt.
b) Schadenspositionen im Zusammenhang mit den Balkonabläufen
Nachdem das Landgericht einen Vertragsschluss bzgl. der Balkonabläufe ohne Rechtsfehler als nicht bewiesen angesehen hat (siehe dazu oben), ist es auch nicht zu beanstanden, dass es vertragliche Schadensersatzansprüche in diesem Zusammenhang abgelehnt hat.
c) Ersatzvornahmekosten bzgl. der Tiefgaragenabdichtungsarbeiten
Das Landgericht hat Ansprüche der Beklagten bzgl. der Tiefgaragenabdichtungsarbeiten abgelehnt, weil die Beklagte jedenfalls die Höhe des Anspruchs nicht habe nachweisen können. Ob ein Anspruchsgrund besteht, hat das Landgericht offen gelassen.
Der Zeuge O. konnte in seiner Vernehmung am 15.12.2014 zu den tatsächlichen Beträgen in diesem Zusammenhang keine genauen Angaben machen (Protokoll vom 15.12.2014, Seite 6; Blatt 78 d.A.).
Der Zeuge B. gab bei seiner Vernehmung am 24.7.2015 (Protokoll Seite 2; Blatt 114 d.A.) an, dass für seine „Arbeiten an der Tiefgarage […] insgesamt circa 1.300.- € angefallen“ seien. „Ganz genau weiß ich den Betrag nicht.“ Bei dem Betrag handele es sich um den Nettobetrag. „Die Rechnung wurde noch nicht bezahlt.“
Jedenfalls im Ergebnis ist die Entscheidung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Die Beklagtenseite hat bzgl. der EUR 1.586,27 einen Anspruch auf tatsächlich angefallene Kosten für die Beauftragung eines Drittunternehmens (Firma B. Bedachungen) geltend gemacht. Sie habe insoweit die Firma B. beauftragt; diese habe einen Betrag von EUR 1.586,27 in Rechnung gestellt. „Dieser Betrag wurde an die Firma B. Bedachungen bezahlt.“ (Schriftsatz vom 8.7.2014, Blatt 33 d.A.). Die Klägerseite hat u.a. die Begleichung der Rechnung ausdrücklich bestritten (Schriftsatz vom 22.7.2014, Seite 5, Blatt 91 d.A.). Der Zeuge B. hat die Zahlung nicht nur nicht bestätigt, sondern sogar ausdrücklich ausgeführt, dass eine Zahlung nicht erfolgt sei. Damit ist nicht bewiesen, dass die Ersatzvornahmekosten, wie behauptet, bezahlt wurden. Ein Anspruch auf Ersatz von tatsächlichen Aufwendungen besteht nicht.
Soweit im Schriftsatz vom 5.8.2015 von Beklagtenseite abweichend vom früheren Vortrag behauptet wird, dass die Werklohnforderung der Firma B. Bedachungen durch Aufrechnung erloschen sei, erfolgte dieser Sachvortrag nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 24.7.2015. Der Schluss der mündlichen Verhandlung muss nicht ausdrücklich durch das Gericht verkündet werden. Wenn das Gericht den letzten Termin zur mündlichen Verhandlung beendet, ohne eine Vertagung auszusprechen oder einen neuen Verhandlungstermin anzuberaumen, müssen die Parteien davon ausgehen, dass die mündliche Verhandlung geschlossen ist (Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., 2013, § 296a, Rdn. 4). Dies war hier am 24.7.2015 der Fall. Den Parteivertretern wurde in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit gegeben, zur Beweisaufnahme Stellung zu nehmen. Schriftsatzfristen wurden weder beantragt, noch gewährt. Damit erfolgte die neue konkrete Behauptung, dass die Forderung der Firma Berndt Bedachungen durch Aufrechnung erloschen sei, erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung. Auch nach § 531 ZPO ist eine Zulassung nicht geboten. Der Beklagtenseite wäre es ohne weiteres möglich gewesen, den konkreten Vortrag bzgl. der Aufrechnung schon früher im Verfahren vorzubringen. (Das ergibt sich schon aus dem eigenen Vortrag der Beklagtenseite im Schriftsatz vom 5.8.2015, in dem es heißt, der Zeuge B. habe „vergessen darauf hinzuweisen, dass seine Werklohnforderung durch Aufrechnung erloschen ist“. Wenn der Zeuge das hätte angeben könne, hätte es auch die Beklagtenseite tun können.)
II. Fazit
Damit erweist sich das landgerichtliche Urteil im Ergebnis als richtig.
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
Hierzu bzw. zur Stellungnahme zum Hinweis besteht Gelegenheit bis zum 10.2.2015.