Oberlandesgericht Naumburg – Az.: 8 U 21/17 – Urteil vom 18.07.2019
Die Berufung der Klägerin gegen das am 25.10.2017 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg (Az. 11 O 213/15) wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das angefochtene Urteil des Landgerichts und dieses Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Land darf die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils des Landgerichts vom 12.04.2018 sowie dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Klägerin darf die Vollstreckung des beklagten Landes durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils des Landgerichts vom 12.04.2018 sowie dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf einen Betrag in der Gebührenstufe bis zu 80.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt das beklagte Land auf Zahlung von weiterem Werklohn (im Wesentlichen unter dem Gesichtspunkt einer Preisanpassung) in Anspruch.
Die Klägerin betreibt ein Bauunternehmen.
Im Ergebnis einer öffentlichen Ausschreibung schlossen die Parteien am 13.03.2012 einen Bauvertrag unter Einbeziehung der VOB/B, Fassung 2009. Gegenstand waren von der Klägerin durchzuführende Erdarbeiten im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben „Neubau einer Bibliothek des Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Zentrums (GSZ) der Universität H. „. Die Klägerin hatte hier den Oberbodenabtrag vorzunehmen und den Boden für die Baugrube profilgerecht zu lösen, abzufahren und zu entsorgen. Die Vergütung der Klägerin sollte auf der Grundlage von Einheitspreisen berechnet werden und ein Volumen von insgesamt 58.731,20 € umfassen.
Wegen des Inhalts des Vertrags im Einzelnen wird auf Band. I d. A., Bl. 11 ff. (einschließlich Leistungsverzeichnis [LV] Band I d. A., Bl. 15 ff.) Bezug genommen.
Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien sind u. a. die folgenden streitigen Positionen aus dem LV:
– Nr. 1.3.40: Boden Baugrube, Auffüllung, Abfuhr, Menge 1.450 m³
– Nr. 1.3.50: Boden Baugrube lösen bis 3,00 m, Abfuhr, BKL 3-5, Menge 3.500 m³
– Nr. 1.3.100: Zulage Bodenaushub, Entsorgung Z (= Zuordnungsebene) 1.1 bzw. Z 1.2
– Nr. 1.3.110: Leistung wie zuvor, jedoch Z 2, Menge 100 m³
– Nr. 1.3.120: Leistung wie zuvor, jedoch Z 3
In der Ausschreibung des beklagten Landes wurde auf ein beiliegendes Bodengutachten (vom 11.05.2010) verwiesen (Band I d. A., Bl. 15: „Alle Bodenklassen für den Aushub sind diesem Gutachten zu entnehmen.“); bei dem erwähnten Gutachten handelt es sich um die Anlage B 1 aus dem Anlagenband „(B)“. Mit der vorstehend zitierten Formulierung wird offensichtlich auf Tabelle 2 auf Seite 10 des Gutachtens („Klassifizierung der Baugrundschichten“) Bezug genommen Das Gutachten enthält allerdings keine Ausführungen zu (Schadstoff-)Belastungsklassen, sondern es gibt eine rein geotechnische Baugrundbeurteilung wieder. Entsprechend ist der Bericht vom 11.05.2010 auch überschrieben.
Weiter wird im Gutachten vom 11.05.2010 unter 6.2.5 (Seite 16) zum Thema Schadstoffbelastung lediglich ausgeführt:
„Im Rahmen der Detailerkundung, Baubereich 1, wurden keine organoleptischen Auffälligkeiten innerhalb der Auffüllungen aus überwiegend Mutterboden festgestellt. Der Fremdmaterialbestandteil lag bei deutlich < 10 %, so dass zunächst auf eine Deklaration verzichtet wurde.
Sofern sich im Rahmen der Baugrubenerschließung Indizien auf eine Kontamination zeigen, sind die entsprechenden Bodenaushubmengen für eine nachfolgende Deklaration auf Haufwerken zu separieren.“
Dementsprechend enthält das Leistungsverzeichnis (vgl. Band. I d. A., Bl. 16) einen Punkt
„4. Aushubkontrolle

Gemäß Bauschein ist der Aushub auf Kontamination hin zu überprüfen. Der AN (= Klägerin) hat die Überprüfung in seinen Arbeitsablauf einzubinden. Verzögerungen berechtigen nicht zu Mehrkosten. Die Kontrolle erfolgt durch ein vom AG (= beklagtes Land) bestelltes unabhängiges Gutachterbüro. Dies ist in die EP (= Einheitspreise) einzukalkulieren. Belastungen des Bodens sind im Bodengutachten angegeben.“
Das Bauanlaufprotokoll vom 27.03.2012 (Band. I d. A., Bl. 33 f.) sieht für den Bauaushub einen Zeitraum vom 12.04.2012 bis 03.05.2012 und die Probenentnahme für den 02.04.2012 vor. Für die Dauer der Bearbeitung der Probe(n) ist ein Zeitraum von ca. einer Woche veranschlagt worden (Band I d. A., Bl. 34).
Die Klägerin hatte ihrer Kalkulation den Aushub von je 100 m³ Boden der Zuordnungsebenen Z 1.1/Z 1.2 bzw. Z 2 bzw. Z 3 zugrunde gelegt. Darüber hinaus sieht die Kalkulation der Klägerin die Weiterverwendung unbelasteten Aushubs gemäß Positionen 1.3.40 LV und 1.3.50 LV für ein Bauvorhaben in Q. und weiterer 100 m³ der Zuordnungsebene 2 gemäß Position 1.3.110 LV für ein Bauvorhaben in R. vor. Deshalb hat die Klägerin bezüglich der Positionen 1.3.40 LV und 1.3.50 LV Rückvergütungen in ihre Kalkulation eingestellt.
Tatsächlich ist – im Ergebnis des Gutachtens des Dipl.-Ing. S. vom 10.04.2012 – kein unbelasteter Aushub angefallen, sondern insgesamt 5.613,69 m³ kontaminiertes Erdreich, davon 4.351,75 m³ in der Zuordnungsebene 1 und 1.261,94 m³ in der Zuordnungsebene 2. Dies veranlasste die Klägerin zur Abfassung ihres Nachtragsangebots 1 vom 10.05.2012 für zusätzliche Leistungen über 103.495,70 € brutto (Band I d. A., Bl. 55 ff.). Unter dem 24.05.2012 erstellte die Klägerin eine weitere Nachtragsvereinbarung, nunmehr über eine Gesamtvergütungsforderung von 135.714,14 €.
Auf die Schlussrechnung der Klägerin vom 12.11.2012 (über 217.514,27 € brutto abzgl. einer Korrektur in Höhe von 16.600,49 € = 200.913,78 €) zahlte das beklagte Land 118.124,48 €. Die Parteien streiten nicht darum, dass damit der im Bauvertrag der Parteien festgelegte Vergütungsanspruch bereits erfüllt ist. Der nach den tatsächlich erbrachten Mengen vereinbarte Einheitspreis wurde mithin gezahlt. Die Klägerin macht jedoch weitere Vergütungsansprüche auf der Grundlage eines Nachtragsangebots unter dem Gesichtspunkt einer Preisanpassung geltend.
Der Differenzbetrag zwischen Schlussrechnungssumme und Zahlung des beklagten Landes in Höhe von 82.789,30 € stellt die Klageforderung im ersten Rechtszug dar, die das Landgericht mit dem am 25.10.2017 verkündeten Urteil, auf dessen Inhalt zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, nach Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens (vgl. Gutachtenband) nur in Höhe von 4.413,04 € zugesprochen hat. Bei der zugesprochenen Position handelt es sich um die (weitere) Vergütung für die von der Klägerin durchgeführte Bodenbeprobung gemäß Nr. 2.1.10, 2.1.20 und 2.1.30 der Anlage zur Schlussrechnung (Band I d. A., Bl. 53).
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie die Zahlung weiterer 77.007,47 € vom beklagten Land begehrt.
Dieser Betrag setzt sich aus folgenden Positionen des Nachtragsangebots vom 10.05.2012 (Band I d. A., Bl. 55 ff.) zusammen:
– 2.1.40 (Standzeit Bagger): 3.690,95 €
– 2.1.50 (Entfallene Rückvergütung für Boden Z 0 aus 1.3.40): 20.367,70 €
– 2.1.60 (Entfallene Rückvergütung für Boden Z 0 aus 1.3.50): 21.381,46 €
– 2.1.90 (Mehrmenge über 110 % aus Position 1.3.110): 19.271,45 €
Nettosumme 64.711,56 € zzgl. 19 % Umsatzsteuer 12.999,91 € insgesamt: 77.006,76 €
Zur Begründung führt die Klägerin aus, unter Berücksichtigung des Bodengutachtens vom 11.05.2010 (Anlage B 1, Anlagenband „(B)“) und der ausgeschriebenen Mengen für kontaminierte Bodenanteile habe sie damit rechnen dürfen, dass bis auf geringfügige Teilmengen der Bodenaushub im Wesentlichen schadstofffrei sein werde. Aus diesem Grunde habe sie auch damit kalkulieren dürfen, dass der schadstofffreie Boden bei einem anderen Bauvorhaben als Verfüllmaterial werde Verwendung finden können. Dass dies nicht der Fall gewesen sei, begründe ihr Preisanpassungsverlangen. Das Landgericht habe dies verkannt.
Zu Unrecht seien auch die Stillstandskosten für den Bagger – bezogen auf den Zeitraum vom 12.04.2012 bis 18.04.2012 – nicht zugesprochen worden. Dafür, dass der Bagger fünf Tage nicht habe arbeiten können, weil das beklagte Land sie angewiesen gehabt habe, mit dem Aushub von Boden nicht vor Vorliegen des Ergebnisses einer zweiten Bodenbeprobung zu beginnen, habe sie Beweis bereits in der Klageschrift angeboten.
Das beklagte Land verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 09.02.2018.
II.
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Einen Anspruch auf Mehrvergütung infolge einer Preisanpassung nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B 2009 hat die Klägerin gegen das beklagte Land nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen nicht.
1. Problemfeld „Mehrmengen“
Die relevanten Bodenverhältnisse werden – jedenfalls mit Blick auf die Kontaminationsfrage – im Leistungsverzeichnis (LV) des beklagten Landes nicht im Detail beschrieben. Das Gutachten vom 11.05.2010, auf das im LV Bezug genommen wird, setzt sich weit überwiegend mit bodenphysikalischen Fragen auseinander und enthält lediglich unter 6.2.5 einen Hinweis auf Fremdmaterialbestandteile („deutlich < 10 %“). Ferner wird ausgeführt, im Rahmen der Baugrubenerschließung etwaig auftretende Indizien für eine Kontamination machten es notwendig, die entsprechenden Aushubmengen für eine nachfolgende Deklaration auf Haufwerken zu separieren. Damit hat das beklagte Land gerade keinen (überwiegend) schadstofffreien Boden ausgeschrieben, sodass diesbezüglich zugunsten der Klägerin keine Richtigkeits- und Vollständigkeitsvermutung der Leistungsbeschreibung für sie streitet. Mithin ist der Aushub des jeweils von der Klägerin vorgefundenen Bodens von ihr geschuldet und von der Einheitspreisvereinbarung gedeckt (vgl. BGHZ 192, 172).
Soweit unter Nr. 1.3 LV ausgeführt wird, alle Bodenklassen für den Aushub seien dem Gutachten zu entnehmen, sind dabei offenbar die Klassifizierungen gemäß Tabelle 2 des Gutachtens vom 11.05.2010 gemeint. Schadstoffklassifizierungen sind dort hingegen nicht erwähnt.
Den Parteien war die Möglichkeit, dass Bodenkontaminationen noch vorzufinden sein könnten, auch bewusst, denn andernfalls hätten der Punkt 4 „Aushubkontrolle“ (Band I d. A., Bl. 16) nicht in das Leistungsverzeichnis aufgenommen und die Positionen 1.3.100 ff. nicht – wie geschehen – vom Ergebnis der Analyse des Aushubmaterials abhängig gemacht werden müssen. Soweit es unter Punkt 4 heißt, Belastungen des Bodens seien im Bodengutachten angegeben, kann sich dies schon unter dem Aspekt der systematischen Stellung des entsprechenden Satzes nicht auf das Gutachten vom 11.05.2010, sondern nur auf das Arbeitsergebnis des vom beklagten Land zum Zweck der Aushubanalyse noch zu bestellenden Gutachterbüros beziehen.
Für die Parteien stellt sich im Ergebnis die Leistungsbeschreibung so dar, dass insgesamt ein noch nicht untersuchter Boden entfernt werden sollte, der möglicherweise über den Umfang von 300 m³ hinaus schadstoffbelastet war, und dass die Preise unter Einbeziehung dieser Möglichkeit kalkuliert werden sollten (vgl. BGH aaO).
2. Problemfeld „Baggerstillstand für fünf Tage“
Es kann dahinstehen, ob die Klägerin Ausfallzeiten des von ihr eingesetzten Baggers für die Zeit vom 12.04.2012 bis 18.04.2012 beweisen kann, denn gemäß Nr. 4 LV sollten Verzögerungen im Zusammenhang mit der gutachterlichen Aushubkontrolle (die Klägerin) nicht zu Mehrkosten berechtigen. In diesem Zusammenhang sind aber auch unter Nr. 1.3 LV die „Technischen Vorbemerkungen zu Erdarbeiten“ in den Blick zu nehmen: „Die nachfolgenden Randbedingungen und Forderungen sind in die EP‘ s (Einheitspreise) einzukalkulieren und werden nicht gesondert vergütet:…“.
Außerdem lässt sich aus der von der Klägerin zu Beweiszwecken herangezogenen Kalkulation (Band I d. A., Bl. 24 ff.) ein Kostensatz von 738,19 € je Arbeitstag für einen Bagger nebst Personal nicht herleiten, und die Vernehmung des Herrn A. St. hierzu liefe auf die Erhebung eines Ausforschungsbeweises hinaus.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren hat ihre Grundlage in den §§ 3 ZPO, 47 Abs. 1 S. 1, 48, 63 Abs. 2 S. 1 GKG.