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Bauvertrag – vorbehaltlose Abnahme bei fahrlässiger Unkenntnis des Mangels

OLG München – Az.: 13 U 2928/11 Bau – Beschluss vom 08.02.2012

1. Die Berufung des Beklagten zu 1 gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 20.6.2011, Aktenzeichen 6 O 4404/05, wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte zu 1 hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Traunstein ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte zu 1 kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 81.680,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Traunstein vom 20.6.2011 Bezug genommen.

Mit seiner Berufung greift der Beklagte zu 1 (fortan: der Beklagte) das Ersturteil in vollem Umfang an und trägt vor: Das Landgericht setze sich nicht mit der Frage auseinander, welche Leistung überhaupt zwischen den Parteien vereinbart wurde. Der Beklagte  habe nach Montagebeginn  (29.3.2000) rechtzeitig mit Schreiben vom 1.4.2000 Bedenken angemeldet bezüglich der zwar notwendigen, aber nicht vereinbarten Oberflächenbehandlung. Trotzdem sei er aufgefordert worden, die Fenster weiter zu setzen. Der gerichtliche Sachverständige irre, wenn er feststelle, dass ein Grundanstrich ohne chemischen Holzschutz aufgebracht worden sei. Der Beklagte habe vielmehr die pilzhemmende Grundierung Zowosan bei den Türen verwendet und bei den Fenstern farbloses Basiment aufgebracht. Die Montage der Fenster sei unter Aufsicht des Architekten am 29.4.2000 abgenommen worden. Für das Blindwerden der Fensterscheiben seien nicht Einflüsse von außen, sondern der erhöhte Dampfdruck von innen verantwortlich. Die Haustüren seien mit einem U-Wert von 0,9 geliefert worden. Dieser Wert übertreffe den geforderten Wert um 0,2 Punkte. Die hohe Luftfeuchtigkeit in den Räumen habe entgegen der Auffassung des Erstgerichts sehr wohl Relevanz für die Schäden. In den Räumen fehle eine nutzerunabhängige Lüftung völlig. Wartungsmaßnahmen seien von der Klägerin unstreitig nicht ergriffen worden. Die Klägerin habe den Beklagten trotz den Hinweisen in den Anlagen B 4 und B 5 nicht aufgefordert, den fehlenden Oberflächenauftrag zu liefern. Die Klägerin habe gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen, weil sie nicht bereits in einem frühen Stadium Gegenmaßnahmen ergriffen habe.

Der Beklagte beantragt im Berufungsverfahren zunächst: Unter Abänderung des am 20.6.2011 verkündeten Urteils des Landgerichts Traunstein, Aktenzeichen 6 O 4404/05, die Klage vom 15.11.2005 abzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 31.1.2012 beantragt er zuletzt:

1. Das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 20.6.2011, Az.: 6 O 2404/05 (richtig: 6 O 4404/05) wird aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird an das Landgericht Traunstein zurückverwiesen.

2. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt im Berufungsverfahren: Die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das Ersturteil und trägt unter anderem vor, der Montagebeginn habe vor dem 29.3.2000 gelegen. Die Bedenkenanmeldung vom 1.4.2000 sei zu einem Zeitpunkt gewesen, wo bereits mehr als die Hälfte der Fenster und Türen eingebaut gewesen sei. Der Ko-Sachverständige Prof. Dr. S. habe die Grundierung gerade im Hinblick auf Zowosan untersucht, wobei es sich hier um eine Imprägniergrundierung, nicht um chemischen Holzschutz handele. Eine Behandlung der Fenster mit Basiment sei neuer Vortrag und werde bestritten. Eine Abnahme habe nicht stattgefunden und würde den Beklagten nicht von seiner Gewährleistungspflicht befreien. Im Übrigen habe die Klägerin keinen Architekten gehabt, es habe nur einen solchen der Bauherrin gegeben. Die Mängel an den Haustüren lägen woanders: Nach dem Erstgutachten sei das unterschiedliche Verhalten zwischen Stahl und Holz konstruktiv nicht berücksichtigt worden. Die Mängel an den Fenstern wären auch bei niedrigerer Luftfeuchtigkeit, bei optimaler Lüftung und ordnungsgemäßer Wartung entstanden, so der Sachverständige Schmid. Noch vor Verfassung der Schreiben gemäß Anlagen B 4 und B 5 habe der Beklagte unbestritten die Auffassung vertreten, dass eine Oberflächenveredelung nicht erforderlich sei. Eine Oberflächenbehandlung nach Einbau und Verglasung hätte laut Gutachter nichts geholfen. Die Hinweise des Beklagten hätten sich zudem nicht auf konstruktionsbedingt vorliegende Mängel bezogen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 11.11.2011 Hinweise gemäß § 522 Abs. 2 ZPO erteilt. Hierauf hat der Beklagte – nach Anwaltswechsel – mit Schriftsatz vom 31.1.2012 reagiert und die Ausführungen zum Vertragsinhalt und zum Mangelbegriff vertieft. Weiter wird ausgeführt: Das Landgericht hätte darauf hinwirken müssen, dass sich die Parteien zum Vertragsinhalt erklären. Die Klägerin habe falsch vorgetragen und geltend gemacht, das Merkblatt der Fa. A. (Lieferantin) habe sie zwar erhalten, aber zu spät. Der Beklagte habe sofort nach Anlieferung der Fenster am 29.3.2000 den Zeugen P. von der Klägerin und den Zeugen H. von der Fa. K. darauf hingewiesen, dass die Oberflächenbehandlung möglichst umgehend vorgenommen werden müsse. Zusätzlich habe er sie mit Schreiben vom 1.4.2000 (Anlage B 8) und in den Abschlagsrechnungen vom 8.3.2000 (Anlage B 4), 15.3.2000 (Anlage B 5), 5.4.2000 (Anlage B 7) und 13.4.2000 (Anlage B 7 a) darauf hingewiesen. Die Behauptung der Klägerin, dass am 1.4.2000 schon mehr als die Hälfte der Fenster und Türen eingebaut gewesen sei, treffe ausweislich des mit der Anlage B 22 (erstmals) vorgelegten Bautagebuchs nicht zu. Der Beklagte greift ferner die Sachkunde und Unparteilichkeit des Sachverständigen Sch. an, der als Vorsitzender des Instituts für Fenstertechnik in geschäftlicher Beziehung zur Klägerin  gestanden habe. Der Sachverständige habe grob falsch von einem Einbau der Fenster und Türen im Jahre 2001 statt unstreitig 2000 gesprochen, keine Regelwerke und Normen angegeben und mit Texten von DIN gearbeitet, die bei Vertragsschluss noch gar nicht vorlagen. Außerdem wären gemäß Position 42 des Leistungsverzeichnisses (Anlage K 12) die österreichischen Richtlinien und die österreichischen Verarbeitungsrichtlinien der Erzeuger anzuwenden gewesen.  Eine Abnahme habe ab 10.10.2000 bis 20.12.2000 jeweils vor Übergabe der Wohnungen an die Käufer stattgefunden. Obwohl die fehlende Oberflächenbehandlung bei Fenstern und Wohnungseingangstüren klar erkennbar gewesen sei, habe weder die Klägerin noch die Fa. Kainz diesen Mangel gerügt. Dies zeige, dass die Klägerin der Auffassung gewesen sei, der Beklagte schulde keine Oberflächenbehandlung.

II.

Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein  vom 20.6.2011, Aktenzeichen 6 O 4404/05, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen.

Ergänzend ist zum Schriftsatz  des Beklagten vom 31.1.2012 anzuführen; die Gliederung folgt der des Schriftsatzes:

1. Das Urteil erweist sich auch bei erneuter Überprüfung der Akten als richtig.

2. Soweit der Beklagte die Zeit der Vorbereitung auf den Termin vom 30.5.2011 für zu kurz hielt, wäre es ihm unbenommen gewesen, eine Schriftsatzfrist zu beantragen. Soweit er noch einen gesonderten Gütetermin erwartete, war diese Vorstellung unzutreffend, weil eine Verhandlung zur Güte wie üblich an den Beweistermin angeschlossen worden wäre.

3. Eine Vereinbarung zwischen den Parteien, nach der der Beklagte lediglich verpflichtet gewesen wäre, grundierte Türen, Fenster und Fenstertüren zu liefern, ist nicht zu erkennen. Insbesondere lässt sich eine solche Vereinbarung nicht aus der Anlage K 1 und dem dort als Anlage beigefügten Angebot des Beklagten entnehmen. Dieses Angebot stellt zugleich auszugsweise das Leistungsverzeichnis der Klägerin dar, das der Beklagte ausgefüllt hat, sodass dessen Behauptung nicht zutrifft, die Klägerin wolle zentrale Punkte des Leistungssolls verschleiern. Insgesamt ergibt sich aus der Anlage K 1 nur, dass der Beklagte die Fenster und Türen in den Stückzahlen und Maßen, wie im Leistungsverzeichnis vorgegeben, zu liefern und einzubauen hatte. Daraus folgt, dass der Beklagte auch die – unbestritten notwendige – Oberflächenbehandlung vorzunehmen hatte; unerheblich ist dabei, dass der Beklagte noch im März 2000 unbestritten der falschen Auffassung war, eine Oberflächenbehandlung sei nicht erforderlich. Hätte eine selbstverständliche Leistung vom Vertragsumfang ausgenommen werden sollen, wäre ein Hinweis im Angebot des Beklagten zu erwarten gewesen.

4. Ohne Bedeutung ist, dass statt Fichte später Lärche gewählt wurde. Es handelt sich um eine einvernehmliche Abänderung des Vertrages in diesem einen Punkt.

5. Soweit der Beklagte „Bedenken“ anmeldete, handelt es sich nicht um eine Bedenkenanmeldung im üblichen baurechtlichen Sinne, weil, wie die Klägerin zutreffend ausführt, gegen das eigene Gewerk und die eigene Leistungsverpflichtung keine Bedenken erhoben werden können. Vielmehr handelt es sich um eine einseitige und damit unverbindliche Abänderung des Vertrages vom 29.2.2000. Soweit der Beklagte auf die Warnung etwa in der Abschlagsrechnung vom 8.3.2000 (Anlage B 4) hinweist, ist bereits deren Wortlaut zu der Frage missverständlich, wer die Oberflächenbehandlung vorzunehmen hat, der Auftragnehmer oder der Auftraggeber. Auch der Hinweis vom 1.4.2000 (Anlage B 7) ist missverständlich, weil es dort heißt: „Aus unserer Sicht erledigt sich dieses Problem innerhalb kürzester Zeit von selbst, denn wenn auch in Zukunft kein Holzschutz erfolgt, sich die Fassade grau verfärben wird. Oder bei geeignetem Anstrich mit UV Schutz die grauen Schlieren verdeckt werden.“ Außerdem wäre eine Oberflächenbehandlung nach dem Einsetzen des Glases nicht fachgerecht, so der Gutachter, und wären die streitgegenständlichen Schäden nicht vermieden worden.

Für die – erstmals – behaupteten mündlichen Hinweise  an die Bauleitung gilt dasselbe.

Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht könnte allenfalls darin gesehen werden, dass die Klägerin nicht darauf bestand, die Oberflächenbehandlung vom Beklagten durchführen zu lassen. Wenn der Beklagte demgegenüber das Glas einbaut und die Fenster setzt, obwohl vorher die Oberfläche hätte behandelt werden müssen, überwöge das Verschulden des Beklagten das der Klägerin bei weitem. Die Klägerin musste im Ergebnis die Hinweise des Beklagten nicht als unbegründet zurückweisen.

6. Anhaltspunkte für Zweifel an der fachlichen Eignung des Sachverständigen Sch. sind nicht ersichtlich. Insbesondere gibt das offenkundige Versehen bei der Feststellung des Einbaudatums dafür nichts her. Soweit der Beklagte beanstandet, der Sachverständige habe keine Regelwerke und Normen genannt, widerspricht er sich mit der dann folgenden Rüge, die DIN 5108-2 in der Ausgabe 2003 und die DIN 4108-3 in der Ausgabe 2001 hätten bei Vertragsschluss gar nicht vorgelegen. Es müssen auch nicht die bei Vertragsschluss geltenden Texte herangezogen werden, maßgeblich kann jede in offener Gewährleistungsfrist geltende technische Regel sein; anderes könnte gelten, wenn etwa die Verschuldensfrage im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs zu prüfen wäre.

Geschäftliche Beziehungen des Sachverständigen zur Klägerin werden nur vage angedeutet. Eine etwaige Parteilichkeit hätte aber in einem Befangenheitsverfahren in erster Instanz geklärt werden müssen.

Soweit auf die Anwendung österreichischer technischer Regelwerke verwiesen wird, ist nicht ersichtlich, dass die Mängelbeurteilung wesentlich anders ausgefallen wäre, vgl. das Gutachten des österreichischen Sachverständigen St., Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 8.12.2009.

7. Ob das Gewerk des Beklagten abgenommen wurde, ist hier belanglos. Wenn das der Fall war, wäre die Klägerin für das Vorhandensein von Mängeln beweispflichtig. Das Erstgericht hat ohnehin der Klägerin die Beweislast gewissermaßen „zur Hälfte“ auferlegt (Beweisbeschluss vom 30.12.2009), aber die Klägerin hat den vollen Beweis erbracht.

Soweit die Klägerin bei der behaupteten Abnahme keine Mängelrüge erhoben haben soll, weist dies entgegen der Auffassung des Beklagten nicht auf eine Zustimmung zum geänderten Leistungssoll hin. Soweit der Beklagte auf § 640 Abs. 2 BGB abheben will (vorbehaltlose Abnahme), würde eine bloß fahrlässige Kenntnis des Mangels nicht für den Verlust des Gewährleistungsrechts ausreichen.

8. Es ist unstreitig, dass die Feuchtigkeit bei ordnungsgemäßer Oberflächenbehandlung vermieden worden wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung des § 3 ZPO bestimmt.

 

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