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Bauvertrag – Vertragsstrafe bei Behinderungen während Bauausführung

OLG Celle – Az.: 7 U 27/16 – Urteil vom 26.10.2016

1. Die Berufung der Beklagten zu 2 gegen das Urteil des Vorsitzenden der 10. Zivilkammer – 1. Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Hildesheim vom 02.02.2016 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Das angefochtene landgerichtliche Urteil sowie das vorliegende Berufungsurteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

3. Streitwert für das Berufungsverfahren: 41.000,00 €.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt Restwerklohn in Höhe von unstreitig 41.000,00 € aus dem Bauvorhaben „L. P. A. /1. u. 2. BA – Seniorengerechtes Wohnen V. Straße 2, …A. (L.) Nr. 3 a/Rohbauarbeiten“ gem. Bestellschreiben vom 14.12.2012 (Anlage K1 im Leitzordner). Die Geltung der VOB/B war u. a. vereinbart.

Bauherrin war die L. P. GmbH, B.. Diese hatte die Beklagte zu 2 als Generalunternehmerin beauftragt. Diese wiederum beauftragte die Klägerin als Subunternehmerin mit der Ausführung der Rohbauarbeiten. Die drei genannten Gesellschaften werden jeweils von Dipl. Ing. U. M., B., als Geschäftsführer vertreten.

Die Abnahme der Arbeiten der Klägerin erfolgte gem. Abnahmeprotokoll vom 19.12.2013 (Anlage K5) unter Beteiligung von Dipl. Ing. U. M. für die Auftraggeber- bzw. Bauherrenseite. Anschließend kam es zu Unstimmigkeiten bei der Abrechnung über die Höhe des Restwerklohnanspruchs der Klägerin. Dies führte zu der Vergleichsvereinbarung vom 21.05.2015, mit der der Streit beigelegt wurde, bis auf die im vorliegenden Rechtsstreit streitige Vertragsstrafe für den ersten und den zweiten Bauabschnitt wegen Überschreitens des Fertigstellungstermins in Höhe von insgesamt (26.000,00 € + 15.000,00 € =) 41.000,00 € (Anlage K8).

Die vorliegende Restwerklohnklage war zunächst gegen die Beklagte zu 1 gerichtet. Nach Hinweis der Beklagten zu 1, nicht sie, sondern die von demselben Geschäftsführer vertretene Beklagte zu 2 sei Auftraggeberin, hat die Klägerin die Klage auf die Beklagte zu 2 (nachfolgend kurz: die Beklagte) erweitert und hinsichtlich der Beklagten zu 1 wieder zurückgenommen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts sowie der vom Landgericht getroffenen Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen (Bl. 100 ff. d. A.). Das Landgericht hat der Klage in der Hauptsache in vollem Umfang stattgegeben, weil ein Vertragsstrafenanspruch durch die Beklagte nicht hinreichend dargetan worden sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Vertragsstrafenanspruch weiter verfolgt. Im Übrigen bestreitet die Beklagte auch erstmalig die Fälligkeit des Restwerklohnanspruchs, weil die Schlussrechnungen für den 1. und den 2. Bauabschnitt fälschlich nicht an sie, die Beklagte (zu 2), sondern an die aus dem Rechtsstreit ausgeschiedene Beklagte zu 1 gerichtet sei.

Die Beklagte beantragt, das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin legt vorsorglich eine erneute, nunmehr auf die Beklagte (zu 2) ausgestellte Schlussrechnung für den 1. u. den 2. Bauabschnitt vor (Bl. 191 f. d. A.). Im Übrigen wiederholt und vertieft sie ihren erstinstanzlichen Vortrag, wonach sie aufgrund verschiedener Behinderungen bei der Bauausführung sowie mangels Mahnung der Beklagten nicht in Verzug geraten sei.

Wegen des wechselseitigen Berufungsvorbringens im Einzelnen wird auf die Berufungsbegründung der Beklagten 04.05.2016 (Bl. 131 ff. d. A.) und ihren weiteren Schriftsatz vom 28.09.2016 (Bl. 203 f. d. A.) sowie auf die Berufungserwiderung der Klägerin vom 12.07.2016 Bezug genommen (Bl. 178 ff. d. A.).

Die Sach- und Rechtslage ist mit den Parteien und ihren Vertretern erörtert und der Geschäftsführer der Beklagten zu 2 persönlich angehört worden. Insoweit auf die Sitzungsniederschrift vom 29.09.2016 Bezug genommen (Bl. 205 f. d. A.).

II.

Die Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg.

Die Beklagte schuldet den – nach Grund und Höhe bereits vorprozessual unstreitig gestellten – Restwerklohn von 41.000,00 €. Dem steht kein Anspruch der Beklagten auf eine Vertragsstrafe in Höhe von 41.000,00 € entgegen. Denn die Vertragsstrafenregelung ist zwar wirksam zustande gekommen. Jedoch hat die Beklagte die tatsächliche Verwirkung der Vertragsstrafe nicht hinreichend dargetan, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Die Aufrechnung mit dem Vertragsstrafenanspruch geht daher ins Leere.

1. Fälligkeit des Restwerklohnanspruchs

Bauvertrag - Vertragsstrafe bei Behinderungen während Bauausführung
(Symbolfoto: Dusan Petkovic/Shutterstock.com)

Die Fälligkeit des Restwerklohnanspruchs scheitert entgegen der Berufungsbegründung der Beklagten nicht an einer fehlenden Erteilung der Schlussrechnung. Denn eine Schlussrechnung ist unstreitig erteilt und auch geprüft worden. Der Einwand der Beklagten ist nur darauf gerichtet, dass die Schlussrechnung nicht auf sie, die Beklagte (Beklagte zu 2), sondern auf die aus dem Rechtsstreit ausgeschiedene Beklagte zu 1 ausgestellt ist. Die Klägerin hat jedoch unter dem 08.07.2016 vorsorglich eine neue, auf die Beklagte (Beklagte zu 2) ausgestellte Schlussrechnungen erteilt (Bl. 191 ff. d. A.), sodass der Einwand der Beklagten ohnehin hinfällig geworden ist.

Hinzu kommt, dass die Beklagte sich auf den Einwand der fehlenden Schlussrechnung sowohl aus materiellrechtlichen wie auch aus prozessualen Gründen nicht würde berufen können. Denn sowohl die aus dem Rechtsstreit ausgeschiedene Beklagte zu 1 wie auch die jetzt noch im Rechtsstreit verbliebene Beklagte (Beklagte zu 2) werden durch denselben Geschäftsführer, Dipl. Ing. U. M., vertreten. Für die Klägerin konnte daher der Eindruck entstehen, sie habe es mit der ausgeschiedenen Beklagten zu 1 als Vertragspartner zu tun. Weiterhin hat die Beklagte trotz der fehlerhaft ausgestellten Rechnung – insoweit unstreitig – mit der Klägerin über den Restwerklohnanspruch tatsächlich verhandelt und dabei auch (unter Ausklammerung der Vertragsstrafenproblematik) unter dem 21.05.2015 eine Vergleichsvereinbarung erzielt (Anlage K 8). Dabei ist die (frühere) Beklagte zu 1 im Rubrum als „AG“, also Auftraggeber aufgeführt, obwohl sie die wahre Auftraggeberin, die Beklagte (Beklagte zu 2), lediglich vertreten hat.

Als dann die Klägerin wegen der von der Restwerklohnforderung in Abzug gebrachten Vertragsstrafe Klage gegen die Beklagte zu 1 erhoben und diese ihre Passivlegitimation bestritten hatte, hat die Klägerin in Befolgung dieses Einwands ihre Klage gegen die Beklagte zu 1 wieder zurückgenommen, unter gleichzeitiger Neuerhebung der Klage gegenüber der Beklagten (Beklagten zu 2). Anschließend haben die Parteien nur noch darüber gestritten, ob der Beklagten der Vertragsstrafenanspruch in Höhe der Restwerklohnforderung zusteht oder nicht. Demgegenüber hat die Beklagte die Ausstellung der Schlussrechnung auf die Beklagte zu 1 nicht moniert. Damit hat sie konkludent auf den Einwand der fehlenden Schlussrechnung verzichtet, was nach den Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben auch nahe lag, weil die Geschäftsführer der Beklagten zu 1 und der Beklagten zu 2 personenidentisch sind und die Schlussrechnung von dem Geschäftsführer M. der Beklagten zu 1 und 2 bereits sachlich geprüft und auf dieser Grundlage die bereits zitierte Vergleichsvereinbarung vom 21.05.2015 geschlossen worden war (Anl. K 15).

Die erstmalig in zweiter Instanz erfolgte Berufung auf die fehlende Schlussrechnungserteilung wäre vor dem dargestellten Hintergrund sowohl materiell rechtlich als Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu werten, als auch gemäß § 531 Abs. 2 ZPO als prozessual unzulässig anzusehen.

Demgegenüber könnte und kann es der Klägerin nicht verwehrt werden, angesichts des erstmalig im Berufungsverfahren erhobenen Einwands der fehlenden Schlussrechnung eine neue, nunmehr auf die Beklagte (zu 2) ausgestellte Schlussrechnung vorzulegen. Im Übrigen wird die prozessuale Zulässigkeit der Vorlage einer neuen Schlussrechnung im laufenden Rechtsstreit von der Rechtsprechung auch allgemein anerkannt (BGH, Urteil vom 06. Oktober 2005 – VII ZR 229/03 –, juris, Rn. 1 ff. und OLG Köln, Urteil vom 10. Februar 2010 – 11 U 55/08 –, juris, Rn. 25).

Der Beklagten ist es dagegen verwehrt, den (pauschalen) Einwand der fehlenden Prüffähigkeit zu erheben, weil zum einen die dafür vorgesehene Frist von höchstens 60 Tagen auch für die neue Rechnung bereits verstrichen wäre (§16 Abs. 3 VOB/B). Zum anderen ist entscheidend, dass der Geschäftsführer der Beklagten die inhaltlich identische, auf die Beklagte zu 1 ausgestellte Rechnung tatsächlich geprüft und wegen der Höhe des Restwerklohns, wie bereits mehrfach dargelegt, unter dem vom 21.05.2015 vergleichsweise eine Einigung mit der Klägerin erzielt hatte (Anl. K 15). Damit sind Einwendungen gegen die sachliche Richtigkeit durch Parteivereinbarung ausgeschlossen worden. Hieran muss sich die Beklagte festhalten lassen. Der demgegenüber von dem Geschäftsführer der Beklagten persönlich im Termin vor dem Senat erhobene Einwand, er habe die Beklagte zu 2 nicht vertreten (Bl. 206 d. A.), erweist sich bei verständiger Würdigung der Vergleichsvereinbarung als sachlich unzutreffend, jedenfalls aber als treuwidrig (§ 242 BGB) und daher unbeachtlich.

2. Anfall der Vertragsstrafe

a) Wirksame Vereinbarung

Die Klägerin hatte in erster Instanz, worauf im Berufungsrechtszug pauschal Bezug genommen wird, die wirksame Vereinbarung einer Vertragsstrafe in Abrede genommen. Insbesondere sei aus dem Verhandlungsprotokoll die Vereinbarung von Pönalen nicht ersichtlich, weil die entsprechenden Textfelder freigelassen worden sind. Auch konkrete Fristen sind, so zutreffend die Klägerin, nicht eingetragen worden. Mithin bleibe unklar, welche Frist Geltung haben solle.

Diese Einwände der Klägerin greifen aber nicht durch. Denn die Beklagte hat in ihrem sog. Bestellschreiben vom 14.12.2012 zwar zu den Vertragsunterlagen unter Ziffer 2. auch das Verhandlungsprotokoll vom 26.09.2012 unter Bezug genommen, in welchem, wie dargelegt, die entsprechenden Textfelder offen geblieben sind. In dem Bestellschreiben selbst, als Vertragsgrundlage Nr. 1, heißt es jedoch unmissverständlich, es gelte die Vertragsstrafenregelung gemäß Ziffer 4.5 der ZVB, wobei 0,15 % je Werktag anstelle 0,3 % je Kalendertag vereinbart seien. Weiter heißt es in dem vorhergehenden Punkt „II. Termine“, der Ausführungszeitraum für die Arbeiten betrage ab Januar 2013 27 Wochen und sei bis zum 12.07.2013 abgeschlossen. Mithin liegt eine klare und unmissverständliche und vollständige Vereinbarung vor, sodass mit dem Landgericht davon auszugehen ist, dass die Vertragsstrafe mit diesem Inhalt wirksam vereinbart wurde. Danach sollte die Überschreitung des Fertigstellungstermins 12.07.2013, nach Tagen bemessen, für jeden Werktag mit 0,15 % der Auftragssumme strafbewehrt sein. Warum diese Vereinbarung mit diesem Inhalt nicht wirksam getroffen worden sein soll, ist nicht nachvollziehbar.

b) Vorbehalt der Vertragsstrafe im Abnahmeprotokoll

An dem nach § 11 Abs. 4 VOB/B erforderlichen Vorbehalt der Vertragsstrafe im Abnahmeprotokoll würde es ebenfalls nicht fehlen. Zwar heißt es hier in den Allgemeinen Vertragsbedingungen ZBV, dass es eines solchen Vorbehalts nicht bedürfe. Nach der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass die Verpflichtung zum Vorbehalt einer Vertragsstrafe nur durch Individualvereinbarung, nicht aber durch Allgemeine Geschäftsbedingungen vollständig abdingbar ist (Werner/Pastor, a. a. O., Rdnr. 2576 m. w. N.).

Nach alledem bedurfte es hier eines Vorbehalts. Dieser ist im Abnahmeprotokoll allerdings (Anlage K 4) erklärt worden. Diese Erklärung ist als wirksam anzusehen. Zwar heißt es in dem Protokoll, der Vorbehalt erfolge zugunsten des Bauherrn. Da der Dipl. Ing. M. in seiner jeweiligen Eigenschaft als Geschäftsführer sowohl die Bauherrin (L. P. GmbH), ferner die Architektin (frühere Beklagte zu 1) wie auch die Generalunternehmerin (jetzige Beklagte zu 2) vertreten hat und vertritt, ist diese Erklärung für die jetzige Beklagte (Beklagte zu 2) abgeben worden, ebenso wie die Erklärung der Abnahme als solche. Dies ergibt sich bei verständiger Würdigung, auch wenn Bauherrin und Auftraggeberin der Beklagten (zu 2) die L. P. GmbH gewesen ist, zumal Dipl. Ing. M. auch das gesamte Abnahmeprotokoll unter der Bezeichnung als Bauherr statt als Generalunternehmer unterzeichnet hat.

c) Verwirkung der Vertragsstrafe

Mit dem Landgericht ist jedoch eine Verwirkung der Vertragsstrafe zu verneinen. Obwohl die Rohbauarbeiten der Klägerin unstreitig nicht bis zu dem vertraglich festgeschriebenen Termin am 12.07.2013 abgeschlossen waren, ist damit nicht automatisch Verzug eingetreten. Denn nach der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung ist für den Fall, dass es zu Behinderungen während der Bauausführung und/oder zu umfangreichen Nachtragsaufträgen kommt, anerkannt, dass entweder die gesamte Vertragsstrafenregelung hinfällig wird oder zumindest die Fälligkeit entsprechend nach hinten hinausgeschoben wird, mit der Folge, dass Verzug nicht ohne Mahnung des Auftraggebers eintritt. Insoweit ist aber unstreitig, dass der für den 07.01.2013 vorgesehene Beginn der Fundamentierungsarbeiten durch die Klägerin bis zum 21.02. bzw. 27.02.2013 (Bauabschnitt 1 und 2) hinausgeschoben worden ist. Denn die Pfahlgründungsarbeiten durch einen Drittunternehmer waren erst zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen. Dabei ist zwischen den Parteien auch unstreitig, dass die Fundamentierungsarbeiten der Klägerin vor Fertigstellung der Pfahlgründungsarbeiten nicht ausgeführt werden konnten (vgl. Behinderungsanzeige der Klägerin, Bl. 196 d. A.).

Die Beklagte wendet insoweit lediglich ein, gemäß des Bestellschreibens, dort unter „II. Termine“, sei vereinbart worden, dass in der 51. KW 2012 mit den Vermessungsarbeiten und dem Herrichten der Baustelle begonnen werden sollte, um die Leistungen ab Januar 2013 fortzusetzen. Durch die fehlenden Pfahlgründungsarbeiten sei die Klägerin nicht gehindert gewesen, mit diesen Vorbereitungsarbeiten wie vorgesehen in der 51. KW 2012 zu beginnen. Es ist jedoch unstreitig, dass die Klägerin mit der Ausführung der eigentlichen Arbeiten, also mit den Fundamentierungsarbeiten, am 7. Januar 2013 hätte beginnen können müssen, um bis zu dem Fertigstellungstermin am 12.07.2013 (28. KW 2013) einen Zeitraum von 27 Wochen, wie vertraglich vorgesehen, zur Verfügung zu haben. Hätte die Klägerin unter Einhaltung des Zeitplans vorher die Baustelleneinrichtung vorgenommen, hätte ihr dafür also nur die 51. und 52. Kalenderwoche 2012 sowie die 1. Kalenderwoche 2013 zur Verfügung gestanden. Unter Berücksichtigung des Weihnachtsfestes und des Jahreswechsels wären davon effektiv nur 2 Wochen übrig geblieben. Durch die Verzögerung der Pfahlgründungsarbeiten, nämlich der Fertigstellung noch nicht zum 7. Januar, sondern erst zu Ende Februar 2013 (Bl. 11 unten/12 oben d. A.: 21.02.2013 für 1. BA und 27.02.2013 für 2. BA; Bl. 40, vorl. Abs. d. A.), ist es aber insgesamt zu einer ca. sechswöchigen Verzögerung gekommen. Wenn man hiervon die zweiwöchige Verzögerung abzieht, die die Klägerin selbst durch die zum Ende des Jahres 2012 noch nicht erfolgte Einrichtung der Baustelle verursacht hatte, bleibt jedenfalls eine Verzögerung von ca. 4 Wochen übrig, welche die Klägerin nicht zu vertreten haben kann.

Weiter hat die Klägerin – unwidersprochen – geltend gemacht, es habe im März 2013 einen späten Wintereinbruch gegeben, sodass die Fortsetzung von ihr geschuldeter Betonierungsarbeiten vom 07. bis zum 31.03.2013 nicht möglich gewesen sei (Bl. 85 d. A.). Auch hierdurch hat sich die Bauzeit entsprechend verlängert. Zwar sollte der Unternehmer normale witterungsbedingte Behinderungen von vornherein mit einkalkulieren, mit einem dreiwöchigen Stillstand durch einen späten Wintereinbruch musste die Klägerin aber nicht rechnen.

Schließlich beruft sich die Klägerin – ebenfalls unwidersprochen – darauf, es habe erhebliche Nachträge gegeben, die zu einem zusätzlichen Zeitaufwand geführt hätten. Insoweit rechnet sie vor, es habe in dem ersten Baustellenabschnitt einen Mehraufwand von 6,57 Wochen und im zweiten Bauabschnitt einen Mehraufwand von 2,91 Wochen gegeben (Bl. 87 f. d. A. sowie Anlage K 20). Damit ist eine substantiierte Darstellung und Berechnung vorhanden, der die Beklagte aufgrund ihrer Kenntnis vom Bauvorhaben hätte entgegentreten können. Da die Beklagte diesen Ausführungen aber nicht mit Substanz entgegengetreten ist, sondern nur geltend gemacht hat, der Klägerin werde die nicht rechtzeitige Fertigstellung nicht im Hinblick auf Nachtragsleistungen vorgeworfen (S. 4 letzter Abs. d. Klagewerw. = Bl. 40, d. A.), sind nicht nur die Nachträge als solche, sondern auch die zitierte Berechnung des zeitlichen Mehraufwands als unstreitig anzusehen.

Mithin könnte die Vertragsstrafenregelung, so die Klägerin, insgesamt obsolet geworden sein. Insoweit bezieht sich die Klägerin auf Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Aufl., Rdnr. 2588, wo es auszugsweise heißt:

„Wird der gesamte Zeitplan durch Umstände völlig umgeworfen, die vom Auftragnehmer nicht zu vertreten sind, entfällt ein Anspruch auf die Vertragsstrafe ganz. Insoweit kommen z. B. in Betracht: Umfangreiche Sonderwünsche, … umfangreiche Nachträge, … Behinderungen des Auftragnehmers.“

Selbst wenn man dies aber hier nicht annehmen will, muss zumindest von einer Verlängerung der Fertigstellungsfrist um die Zeiträume der Behinderungen ausgegangen werden. Daher ist jedenfalls der vereinbarte Fertigstellungstermin hinfällig geworden.

Zwar wendet die Beklagte ein, trotz des objektiven Vorliegens von Behinderungstatbeständen verschiebe sich ein festgelegter Fertigstellungstermin nur dann, wenn nach § 6 VOB/B eine ordnungsgemäße Behinderungsanzeige erfolge.

Hier ist die Behinderungsanzeige im Hinblick auf die Pfahlgründungsarbeiten erst zum 01.03.2013 und damit nicht unverzüglich erfolgt. Jedoch sind die objektiven Umstände unstreitig und die Beklagte macht selbst nicht geltend, sie habe von der Verzögerung der Pfahlgründungsarbeiten und/oder der Abhängigkeit des Beginns der Fundamentierungsarbeiten von der vorherigen Fertigstellung der Pfahlgründungsarbeiten nichts gewusst, sondern sie beruft sich allein darauf, dass die Klägerin jedenfalls schon einmal mit der Baustelleneinrichtung und den weiteren Vorbereitungen hätte beginnen können. Wie vorstehend aber bereits dargelegt, bleibt dennoch eine der Klägerin nicht anzulastende Verzögerung von ca. 4 Wochen, also knapp 15 % der Ausführungsfrist von 27 Wochen, übrig. Der Einwand der versäumten Baustelleneinrichtung und -vorbereitung im Zeitraum 51. KW 2012 bis 1. KW 2013 kann nämlich nicht wegen der weiteren Verzögerung von der 2. bis zur 8. KW 2013 erheblich sein. Saldiert man, wie schon oben dargelegt, die von der Klägerin zu vertretende Verzögerung wegen versäumter Baustelleneinrichtung mit der Verzögerung durch die verspäteten Pfahlgründungsarbeiten, verbleibt zu Gunsten der Klägerin und zu Lasten der Beklagten ein Verzögerungszeitraum von ca. 4 Wochen. Jedenfalls hinsichtlich dieser 4 Wochen ist die (ausnahmsweise) Berücksichtigungsfähigkeit nach § 6 Abs. 1 Satz 2 VOB/B anzunehmen. Denn insoweit behauptet die Beklagte, wie bereits dargelegt, nicht, sie habe von der Verzögerung der Pfahlgründungsarbeiten und/oder der Abhängigkeit des Beginns der Fundamentierungsarbeiten von der vorherigen Fertigstellung der Pfahlgründungsarbeiten keine Kenntnis gehabt. Dieser Umstand ist für sie bzw. die ausgeschiedene Beklagte zu 1 als Architektin der Auftraggeberin (Generalunternehmerin = Beklagte zu 2) offensichtlich gewesen. Im Ergebnis muss es daher dabei bleiben, dass sich der ursprüngliche Fertigstellungstermin des 12.07.2013 wegen der Behinderung durch verspätet durchgeführte Pfahlgründungsarbeiten zeitlich um vier Wochen nach hinten verschoben hat.

Hilfsweise würde es hinsichtlich der objektiven Überschreitung des Fertigstellungstermins am 12.07.2013 um vier Wochen wegen der verspätet abgeschlossenen Pfahlgründungsarbeiten jedenfalls am Verzug fehlen. Denn in der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Auftragnehmer sich – auch bei fehlender Behinderungsanzeige – auf den objektiven Behinderungstatbestand zum Ausschluss seines Verschuldens berufen kann, mit der Folge, dass der Verzug gemäß § 286 Abs. 4 BGB entfällt (OLG Zweibrücken, Urteil vom 03. März 2006 – 1 U 48/04 –, juris; OLG Celle, Urteil vom 21. September 2004 – 16 U 111/04 –, juris, Rn. 35; ) OLG Dresden, Urteil vom 26. Mai 1999 – 8 U 327/99 –, juris, Rn. 61; BGH, Urteil vom 14. Januar 1999 – VII ZR 73/98 –).

Hinzu kommen weiterhin die witterungsbedingten Verzögerungen, unter anderem dokumentiert durch den vorgelegten Zeitungsartikel gemäß Anl. K 19 sowie die Nachtragsaufträge, berechnet in Anlage K 20 (s. o.).

Ist somit hier davon auszugehen, dass sich die Fertigstellungsfrist aufgrund der drei genannten, objektiv vorhanden gewesenen Umstände entsprechend nach hinten verschoben hat, ist es nicht so, dass Verzug automatisch zu dem Zeitpunkt eingetreten ist, der sich aus dem ursprünglichen Fertigstellungstermin zzgl. der Verzögerungszeiträume errechnen bzw. bestimmen ließe. Vielmehr ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass es in einem solchen Fall zusätzlich einer Mahnung bedarf (Werner/Pastor, a. a. O., Rdnr. 2591 a. E.; OLG Brandenburg, Urteil vom 19.06.2013 – 4 U 158/11 -, juris, Rdnr. 64, 68; BGH, Urteil vom 14.01.1999 – VII ZR 73/98 – , juris, Rdnr. 27).

An einer Mahnung der Beklagten fehlt es indes. Zwar beruft sich die Beklagte darauf, sie habe der Klägerin mit Schreiben vom 14.08.2013 eine entsprechende Mahnung erteilt (Anlage B 2 im Leitzordner). Dieses Schreiben lautet auszugsweise:

„. . . die von Ihnen angekündigte Richtfertigkeit . . . zum 12.08.2013 ist bedauerlicherweise weder am 12.08.13 zu erkennen gewesen noch für die nächsten Tage zu erwarten. Die Richtfertigkeit setzt den Abschluss Ihrer wesentlichen Arbeiten . . . voraus. Zu dem von Ihnen genannten Datum 12.08.2013 ist dieser Abschluss ( . . .) nicht erreicht. Darüber hinaus sind sogar in den Bauteilen B1, B2, C und E die darunter liegenden Decken über dem 3. OG noch nicht betoniert: . . .

Hinsichtlich unserer mit Überschreiten des vertraglich vereinbarten Fertigstellungstermins 12. Juli 2013 auftretenden Ansprüche haben wir Sie bereits ausführlich informiert, so dass wir es an dieser Stelle bei diesem einfachen Hinweis belassen wollen.“

Jedoch ist nicht ersichtlich – abgesehen von dem Wortlaut, der eine Mahnung nicht hinreichend deutlich erkennen lässt -, dass die Fertigstellung der Arbeiten zu diesem Zeitpunkt objektiv schon fällig war. Berücksichtigt man nämlich die vorstehend dargelegten Verzögerungen von ca. 4 Wochen durch die Pfahlgründungsarbeiten, 3 Wochen durch schlechtes Wetter und 6,57 Wochen durch Nachtragsaufträge (Bl. 88 d. A.), so kann die ursprünglich für den 12.07.2013 vorgesehene Fertigstellung einen Monat später, zum 12. bzw. 14.08.2013, noch nicht fällig gewesen sein. Würde man den Inhalt des Schreibens vom 14.08.2013 daher als Mahnung werten wollen, würde es jedenfalls an der Fälligkeit zu diesem Zeitpunkt fehlen. Der Schuldner gerät durch eine Mahnung des Gläubigers aber nur dann in Verzug, wenn diese nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt (§ 286 Abs. 1 Satz 1 BGB). Mithin könnte die Klägerin, unabhängig von der Frage, wann die Arbeiten eigentlich tatsächlich fertiggestellt waren, jedenfalls mangels einer nach Eintritt der Fälligkeit erfolgten Mahnung nicht in Verzug geraten sein.

c) Hilfsweise: Berechnung der Vertragsstrafe

Hilfsweise würde es auch an einer ordnungsgemäßen Berechnung der Vertragsstrafe fehlen. Denn die Beklagte müsste, anstatt an das Datum der Schlussabnahme (19.12.2013) anzuknüpfen, den genauen Zeitpunkt benennen, zu dem die Arbeiten der Klägerin nach ihrer Auffassung fertiggestellt waren. Sodann müsste die Anzahl der Werktage der Fristüberschreitung genannt und vorgerechnet werden. Ausgehend von der Berechnung der Beklagten auf Seite 5 der Klageerwiderung betrug die Bausumme insgesamt (1.106.000,00 € + 606.000,00 € =) 1.712.000,00 €. Je Kalendertag wäre 0,15 % hiervon, mithin 2.568,00 € geschuldet gewesen. Die insgesamt verlangten 41.000,00 € entsprächen mithin ca. 15,97 Kalendertagen. Die Beklagte hätte daher konkret darlegen müssen, dass der (modifizierte) Fertigstellungstermin um mindestens 16 Kalendertage überschritten worden ist.

Erst danach könnte gemäß § 345 BGB die Beweislast der Klägerin für das Gegenteil, nämlich die vertragsgerechte Erfüllung eingreifen. An entsprechendem Vorbringen der Beklagten fehlt es jedoch, sodass sich die Beklagte an der Behauptung der Klägerin festhalten lassen müsste, die Fertigstellung sei bereits im August 2013 mit einer Verzögerung von nur einem Monat erfolgt (Bl. 188 f. d. A.). Unter Berücksichtigung der von der Klägerin insoweit unwidersprochen geltend gemachten Verzögerungstatbestände durch Behinderungen und Nachträge könnte ein Verzug, unabhängig vom Verschulden, schon objektiv nicht eingetreten sein.

d) Verzugszinsen

Die Berufung der Beklagten bleibt auch hinsichtlich der Verzugszinsen ohne Erfolg. An der Berechtigung der zugesprochenen Rechtshängigkeitszinsen fehlt es nicht zum Teil deshalb, weil die (die Beklagte zu 2 betreffende) Schlussrechnung erst unter dem 08.07.2016 erstellt und mit der Berufungserwiderung vom 12.07.2016 vorgelegt worden ist. Denn die Berufung darauf, der Restwerklohnanspruch sei wegen der Ausstellung der Rechnung auf die Beklagte zu 1 nicht fällig geworden, ist unzutreffend, jedenfalls aber treuwidrig und daher unbeachtlich. Die Beklagte muss sich nämlich an der von ihr abgeschlossenen Vergleichsvereinbarung vom 21.05.2015 (Anl. K 8), wie oben dargelegt, festhalten lassen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 Satz 1, 2, § 711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 3 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

 

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