Verjährungsfrist für vergessene Posten in Bauvertrag-Schlussrechnung
In einem Rechtsstreit um ausstehenden Werklohn für Malerarbeiten am Bauvorhaben einer Messehalle hat das Kammergericht (KG) die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die des Beklagten stattgegeben, wodurch die Klage abgewiesen und die Werklohnforderung der Klägerin aufgrund Verjährung als unbegründet erachtet wurde. Das Gericht entschied, dass die Werklohnforderung bereits mit Ablauf des Jahres 2015 verjährt war und die Zustellung der Klage im Jahr 2019 nicht mehr die Verjährung unterbrechen konnte, da sie nicht „demnächst“ nach Eingang der Klage erfolgte, hauptsächlich bedingt durch die Angabe einer falschen Adresse der Beklagten durch die Klägerin.
Übersicht
- Verjährungsfrist für vergessene Posten in Bauvertrag-Schlussrechnung
- ✔ Das Wichtigste in Kürze
- ➜ Der Fall im Detail
- ✔ Häufige Fragen – FAQ
- Wann beginnt die Verjährungsfrist für Ansprüche aus einem Bauvertrag?
- Was passiert, wenn Rechnungspositionen in der Schlussrechnung vergessen wurden?
- Kann die Zustellung einer Klage die Verjährung von Ansprüchen unterbrechen?
- Welche Rolle spielt die Abnahme des Werks bei der Fälligkeit von Werklohnforderungen?
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- Das vorliegende Urteil
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✔ Das Wichtigste in Kürze
- Die Berufung der Klägerin wurde abgelehnt und die der Beklagten angenommen, wodurch die Klage wegen einer Werklohnforderung abgewiesen wurde.
- Die Verjährung der Werklohnforderung trat mit dem Ende des Jahres 2015 ein; die Zustellung der Klage im Jahr 2019 unterbrach die Verjährung nicht wirksam.
- Die Zustellung der Klage galt nicht als „demnächst“ erfolgt, da die Klägerin eine falsche Adresse der Beklagten angegeben hatte, was eine wesentliche Verzögerung verursachte.
- Das Gericht wies darauf hin, dass die Klägerin hätte prüfen müssen, ob sich die Adresse der Beklagten geändert hatte, insbesondere da der Beklagte eine juristische Person ist und die letzte bekannte Adresse mehrere Jahre zurücklag.
- Revision gegen das Urteil wurde zugelassen aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Entscheidung für die Praxis der „demnächst“ erfolgten Zustellung nach § 167 ZPO.
Vertrauen schafft Rechtssicherheit im Baurecht
Auch nach erfolgter Abnahme eines Bauvorhabens können vergessene Rechnungspositionen zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen. Die rechtlichen Grundlagen regeln hier den Verjährungsbeginn für entsprechende Nachforderungen. Sowohl für Auftraggeber als auch Auftragnehmer ist Klarheit über die Fristenregelungen unabdingbar.
Dabei gilt es, die Verjährungsfristen stets im Auge zu behalten, denn sie geben Rechtssicherheit für beide Seiten. Eine präzise Handhabung dieser Fristen verhindert, dass berechtigte Ansprüche auf Werklohn erlöschen oder Nachzahlungen jahrelang eingefordert werden können. Das Baurecht stellt hier klare Vorgaben auf, deren Kenntnis für eine reibungslose Abwicklung aller Beteiligten von großer Bedeutung ist.
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➜ Der Fall im Detail
Verjährungsfrist bei vergessenen Posten in der Schlussrechnung eines Bauvertrags
In einem aufsehenerregenden Fall vor dem Kammergericht (KG) mit dem Aktenzeichen 21 U 47/22, der am 12. Dezember 2023 entschieden wurde, ging es um die Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. März 2022, bei dem es um die Verjährung von Werklohnforderungen aus einem Bauvertrag betreffend Malerarbeiten an einer Messehalle ging. Die Klägerin, eine Subunternehmerin, die von der beklagten Firma mit Trockenbau- und Fassadenarbeiten beauftragt wurde, hatte zunächst eine Schlussrechnung gestellt, der weitere Forderungen folgten, über die gestritten wurde.
Die Kernpunkte des Rechtsstreits
Der Streit entzündete sich an der Frage, wann die Verjährungsfrist für vergessene Rechnungspositionen in der Schlussrechnung eines Bauvertrags beginnt. Nachdem die Parteien den Vertrag ohne schriftliche Kündigung vorzeitig beendet hatten, legte die Klägerin mehrere Jahre später eine zweite Schlussrechnung vor, die auch nicht erbrachte Leistungen umfasste. Die Beklagte änderte in der Zwischenzeit ihren Geschäftssitz, was zu Zustellungsproblemen führte und die Klägerin veranlasste, rechtliche Schritte einzuleiten.
Entscheidung des Kammergerichts
Das Kammergericht wies die Berufung der Klägerin zurück und gab der Berufung der Beklagten statt, mit der Folge, dass die Klage abgewiesen wurde. Das Gericht stellte fest, dass die Werklohnforderungen bereits mit Ablauf des Jahres 2015 verjährt waren, da die Klägerin die erste Schlussrechnung bereits im September 2015 gestellt hatte und die Parteien eine Zahlungsfrist von 60 Tagen vereinbart hatten.
Die Begründung des Gerichts
Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass mit der Abnahme des Werks und der Vorlage einer prüffähigen Rechnung die gesamte Werklohnforderung fällig und somit einheitlich verjährbar wird. Dies schließt auch irrtümlich vergessene Rechnungspositionen mit ein, es sei denn, diese konnten noch nicht in die erste Schlussrechnung eingestellt werden. Das Gericht wies zudem darauf hin, dass die Zustellung der Klage im Jahr 2019 nicht die Verjährung unterbrechen konnte, da sie nicht „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO nach Eingang der Klage erfolgte. Hauptgrund hierfür war die Angabe einer falschen Adresse der Beklagten durch die Klägerin.
Relevanz für die Praxis
Diese Entscheidung verdeutlicht die Wichtigkeit der korrekten Adressangabe bei Gerichtsverfahren und die komplexen Regelungen zur Verjährung von Forderungen im Baurecht. Das Urteil betont außerdem, dass sämtliche Werklohnforderungen mit der ersten prüffähigen Schlussrechnung fällig werden und unterstreicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung aller Ansprüche vor dem Abschluss der Rechnungsstellung. Mit der Zulassung der Revision durch das Gericht wird deutlich, dass dieser Fall grundsätzliche Bedeutung hat und möglicherweise zu weiterführenden richtungsweisenden Entscheidungen auf höherer Ebene führen könnte.
✔ Häufige Fragen – FAQ
Wann beginnt die Verjährungsfrist für Ansprüche aus einem Bauvertrag?
Für die Frage, wann die Verjährungsfrist für Ansprüche aus einem Bauvertrag beginnt, sind mehrere Aspekte relevant:
Der Beginn der Verjährung setzt nach § 199 BGB mit dem Schluss des Jahres ein, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat.
Bei Bauverträgen nach BGB beginnt die Verjährung grundsätzlich mit der Abnahme des Bauwerks. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt dann fünf Jahre für Mängelansprüche bei Bauwerken.
Wurde der Bauvertrag auf Basis der VOB/B geschlossen, wird der Werklohnanspruch des Auftragnehmers erst nach Zugang einer prüfbaren Schlussrechnung fällig. Die Verjährung beginnt dann mit dem Schluss des Jahres, in dem die Fälligkeit eintritt, also die Schlussrechnung gestellt wurde.
Voraussetzungen für die Fälligkeit und den Verjährungsbeginn im VOB-Vertrag sind demnach die Abnahme, der Zugang einer prüfbaren Schlussrechnung und der Ablauf der zweimonatigen Prüffrist. Wird die Schlussrechnung nicht innerhalb der Frist als nicht prüfbar gerügt, wird der Werklohnanspruch auch bei einer nicht prüfbaren Rechnung fällig.
Seit der Bauvertragsrechtsreform 2018 ist auch bei BGB-Bauverträgen gemäß § 650g BGB neben der Abnahme die Stellung einer prüfbaren Schlussrechnung Voraussetzung für die Fälligkeit und den Verjährungsbeginn des Werklohnanspruchs.
Zusammengefasst hängt der Verjährungsbeginn bei Bauverträgen somit von der Abnahme des Werks und der Stellung einer prüfbaren Schlussrechnung ab. Bei VOB-Verträgen und BGB-Bauverträgen ab 2018 kann der Auftragnehmer den Verjährungsbeginn durch die Rechnungsstellung beeinflussen.
Was passiert, wenn Rechnungspositionen in der Schlussrechnung vergessen wurden?
Wenn in einer Schlussrechnung einzelne Rechnungspositionen vergessen wurden, hat dies folgende Konsequenzen:
Der Auftragnehmer ist grundsätzlich nicht gehindert, auch nach Stellung der Schlussrechnung solche Forderungen geltend zu machen, die nicht in die Schlussrechnung aufgenommen worden sind, aber in ihr hätten enthalten sein können. Eine Schlussrechnung entfaltet – von den Fällen des § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B abgesehen – keine Bindungswirkung zu Lasten des Auftragnehmers.
Allerdings beginnt mit der Stellung der Schlussrechnung die Verjährungsfrist für die darin enthaltenen Forderungen zu laufen. Für vergessene Positionen, die nachträglich in Rechnung gestellt werden, beginnt die Verjährung erst mit der Stellung dieser Nachtragsrechnung.
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger Kenntnis erlangt hat. Bei Werkverträgen ist dies in der Regel die Abnahme des Werks.
Um eine Verjährung der vergessenen Positionen zu vermeiden, sollte der Auftragnehmer diese zeitnah, möglichst noch im selben Jahr, in einer ergänzenden Rechnung geltend machen. Denn für die nachträglich berechneten Leistungen beginnt die Verjährung neu.
Fazit: Auch wenn eine Schlussrechnung den Auftragnehmer nicht hindert, vergessene Positionen später nachzufordern, ist es ratsam, die Schlussrechnung von vornherein sorgfältig und vollständig zu erstellen. Denn für die ursprüngliche Schlussrechnung und die nachträglich berechneten Leistungen laufen unterschiedliche Verjährungsfristen, was schnell unübersichtlich werden kann.
Kann die Zustellung einer Klage die Verjährung von Ansprüchen unterbrechen?
Ja, die Zustellung einer Klage kann die Verjährung von Ansprüchen hemmen bzw. unterbrechen. Dazu ist Folgendes zu beachten:
Die Erhebung der Klage hemmt die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Die Hemmung tritt dabei bereits mit Einreichung der Klage beim zuständigen Gericht ein, nicht erst mit Zustellung an den Beklagten.
Allerdings muss die Klage dann auch „demnächst“ zugestellt werden. Demnächst bedeutet „ohne schuldhaftes Zögern“. Dies ist in der Regel der Fall, wenn die Klageschrift spätestens einen Monat nach Einreichung zugestellt wird.
Wird die Klage nicht demnächst zugestellt, gilt die Hemmung als nicht erfolgt. Die Verjährung wird dann also nicht durch Einreichung der Klage gehemmt.
Die Hemmung dauert fort bis das Verfahren rechtskräftig entschieden oder anderweitig erledigt ist. Nach Beendigung der Hemmung beginnt die Verjährungsfrist nicht neu, sondern sie läuft nur weiter. Die Zeit von der Einreichung der Klage bis zur Beendigung des Verfahrens wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet.
Wird die Klage rechtskräftig abgewiesen, gilt die Verjährung als nicht gehemmt. Bei einer Klagerücknahme endet die Hemmung mit Zustellung der Rücknahmeerklärung an den Beklagten.
Zusammengefasst kann die Zustellung einer Klage die Verjährung hemmen, wenn die Klage nach Einreichung auch „demnächst“ zugestellt wird. Die Hemmung endet mit rechtskräftiger Entscheidung oder anderweitiger Beendigung des Verfahrens. Die gehemmte Zeit wird dann nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet.
Welche Rolle spielt die Abnahme des Werks bei der Fälligkeit von Werklohnforderungen?
Die Abnahme des Werks spielt eine zentrale Rolle für die Fälligkeit von Werklohnforderungen und den Beginn der Verjährungsfrist:
Bedeutung der Abnahme
– Die Abnahme ist die Billigung des vertragsmäßig hergestellten Werks durch den Besteller. Mit der Abnahme erkennt der Besteller an, dass der Unternehmer die Leistung im Wesentlichen vertragsgerecht erbracht hat.
- Die Abnahme kann ausdrücklich oder konkludent, also durch schlüssiges Verhalten, erfolgen. Eine förmliche Abnahme ist nur erforderlich, wenn dies vertraglich vereinbart wurde.
Fälligkeit des Werklohns
- Grundsätzlich wird die Vergütung mit der Abnahme des Werks fällig (§ 641 Abs. 1 BGB). Der Unternehmer hat also erst nach erfolgter Abnahme einen durchsetzbaren Anspruch auf Zahlung des Werklohns.
- Bei Bauverträgen, die unter Geltung der VOB/B geschlossen wurden, wird der Werklohn abweichend erst mit Zugang einer prüfbaren Schlussrechnung fällig (§ 16 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B). Die Abnahme ist aber auch hier Voraussetzung für die Stellung der Schlussrechnung.
- Seit 2018 gilt dies nach § 650g BGB auch für BGB-Bauverträge. Auch hier wird der Werklohn erst fällig, wenn der Unternehmer eine prüfbare Rechnung erstellt hat und dem Besteller zugegangen ist.
Verjährungsbeginn
- Die Abnahme löst nicht nur die Fälligkeit des Werklohns aus, sondern lässt auch die Verjährungsfrist für Mängelansprüche des Bestellers beginnen.
- Die regelmäßige Verjährungsfrist für Mängelansprüche beträgt 2 Jahre, bei Bauwerken 5 Jahre ab Abnahme (§ 634a BGB).
- Für den Werklohnanspruch des Unternehmers beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, also in der Regel im Jahr der Abnahme (§ 195 BGB).
Zusammenfassend ist die Abnahme des Werks sowohl Voraussetzung für die Fälligkeit des Werklohnanspruchs als auch für den Beginn der Verjährungsfristen. Ohne Abnahme kann der Unternehmer den Werklohn nicht beanspruchen. Zugleich markiert die Abnahme den Startpunkt für die Verjährung etwaiger Mängelansprüche des Bestellers.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 195 BGB – Regelmäßige Verjährungsfrist: Dieser Paragraph regelt die allgemeine Verjährungsfrist von drei Jahren für zivilrechtliche Ansprüche. Er ist relevant, um zu verstehen, wann Ansprüche aus einem Bauvertrag verjähren können.
- § 199 Abs. 1 BGB – Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist: Erklärt den Beginn der Verjährungsfrist, die mit dem Ende des Jahres startet, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen sowie der Person des Schuldners erlangt hat. Dies ist wichtig für die Bestimmung des Verjährungsbeginns bei vergessenen Rechnungspositionen.
- § 641 Abs. 1 S. 1 BGB – Fälligkeit der Vergütung: Legt fest, dass der Werklohn nach Abnahme des Werks fällig wird. Dieser Paragraph unterstreicht die Bedeutung der Abnahme für die Fälligkeit und damit indirekt für den Beginn der Verjährungsfrist von Werklohnforderungen.
- § 167 ZPO – Hemmung der Verjährung durch Zustellung: Bestimmt, dass die Verjährung bereits mit dem Eingang der Klage bei Gericht gehemmt wird, sofern die Zustellung „demnächst“ erfolgt. Dies ist zentral für das Verständnis, warum im vorliegenden Fall die Zustellungsverzögerung kritisch war.
- VOB/B – Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil B: Regelt die Abwicklung von Bauverträgen, insbesondere hinsichtlich Abnahme und Fälligkeit von Werklohnforderungen. Die VOB/B ist insbesondere für die Klärung der vertraglichen Grundlagen und der daraus resultierenden Rechte und Pflichten der Parteien wesentlich.
- § 8 Abs. 3 VOB/B – Außerordentliche Kündigung: Erläutert die Voraussetzungen, unter denen eine Vertragspartei den Bauvertrag außerordentlich kündigen kann. Relevant für die Diskussion, ob die Beklagte zur Kündigung berechtigt war.
Das vorliegende Urteil
KG – Az.: 21 U 47/22 – Urteil vom 12.12.2023
1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 23.03.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin vom 23.03.2022, 101 O 53/19, wird zurückgewiesen.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das vorgenannte Urteil des Landgerichts Berlin abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages nebst 10% abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10% leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf Euro 193.756,66 festgesetzt. Hiervon entfallen auf die Berufung der Klägerin Euro 182.518,69 und auf die Berufung der Beklagten Euro 11.237,97. Die Hilfsaufrechnung wirkt sich nicht streitwerterhöhend aus, da über sie nicht entschieden wurde, § 45 Abs. 3 GKG.
Gründe:
I.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten restlichen Werklohn aus einem VOB/B-Auftrag Uber Malerarbeiten am Bauvorhaben xx Messehalle xx. Die Klägerin war Subunternehmerin der Beklagten, die von der Messe xx mit Trockenbau- und Fassadenarbeiten beauftragt war.
Die Beklagte erbrachte von Januar bis Juni 2014 Leistungen. Der Vertrag wurde anschließend ohne schriftliche Kündigung vorzeitig beendet, wobei die Parteien darüber streiten, ob der Beklagten ein außerordentlicher Kündigungsgrund zur Seite stand.
Am 11.09.2015 legte die Klägerin eine erste Schlussrechnung über Euro 83.872,86, in der sie lediglich erbrachte Leistungen abrechnete. Am 15.01.2016 begründete die Klägerin ihren Widerspruch gegen die Prüfung der Schlussrechnung durch die Beklagte. Am 22.11.2018 folgte eine weitere Schlussrechnung über Euro 197.946,46, mit der die Klägerin auch nicht erbrachte Leistungen abrechnete. Der Zeitpunkt des Zugangs dieser Rechnung ist streitig, insbesondere die Frage, ob die Rechnung als unzustellbar an die Klägerin zurückgelangt ist oder nicht.
Die Beklagte verlegte ihren Geschäftssitz im Januar 2016. Die neue Anschrift ist seit dem 05.01.2016 im Handelsregister eingetragen und auch aus dem Internet ersichtlich.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen und des Parteivorbringens erster Instanz wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.
Das Landgericht hat der Klage durch am 23.03.2022 verkündetes Urteil lediglich in Höhe von Euro 11.237,97 nebst Zinsen stattgegeben. Im Übrigen hat es sie abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Hiergegen wenden sich beide Parteien mit ihrer Berufung.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass das Landgericht ihr einen zu geringen Werklohn für die erbrachten Leistungen zu Titel 3 der Schlussrechnung vom 22.11.2018 zugesprochen habe. Sie rügt die unzureichende Würdigung der Zeugenvernehmung. Insbesondere hält sie die Aussage des Zeugen S. hinsichtlich der Position 03.03.00.13 auch im Hinblick auf die Bekundungen der Zeugin U. für widersprüchlich. Wegen weiterer Einzelheiten hierzu wird auf die Seiten 4 bis 6 der Berufungsbegründung verwiesen. Außerdem habe das Landgericht unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ein Sachverständigengutachten nicht eingeholt (Seiten 6 bis 8 der Berufungsbegründung). Hinsichtlich der unter Titel 5 zuerkannten Vergütung für Stundenlohnarbeiten hätten zwei Stunden zu Position 05.01.01.01 mehr berücksichtigt werden müssen. Außerdem seien Materialkosten, Position 05.01.01.02, in Höhe von 18% in Ansatz zu bringen gewesen (Seiten 9 bis 10 der Berufungsbegründung).
Das Landgericht habe ihr überdies den Werklohn für nicht erbrachte Leistungen zu Unrecht nicht zugesprochen. Die Beklagte sei nicht gem. § 8 Abs. 3 VOB/B zur fristlosen Kündigung berechtigt gewesen. Der Einsatz von Leiharbeitern sei in den zusätzlichen Vereinbarungen zum Verhandlungsprotokoll nicht ausgeschlossen worden und außerdem seien die Parteien sich einig gewesen, dass lediglich Subunternehmer nicht hätten eingesetzt werden sollen. Die Beklagte habe den Einsatz von Leiharbeitern hingegen gekannt und geduldet, wie bereits in erster Instanz unter Beweisantritt vorgetragen worden sei. Zu weiteren Einzelheiten wird auf die Seiten 14 bis 23 der Berufungsbegründung verwiesen.
Schließlich habe das Landgericht nicht darauf hingewiesen, dass es die Vergütung der nicht erbrachten Leistungen für nicht nachvollziehbar hält.
Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in den Schriftsätzen vom 09.09.2022 und vom 30.10.2023, auf deren Inhalt verwiesen wird, entgegen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23.03.2022, 101 O 53/19, teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus weitere Euro 182.518,69 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.02.2019 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen sowie das am 23.03.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin, 101 O 53/19, aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt weiter, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beruft sich unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiterhin auf Verjährung. Die am 31.12.2018 eingetretene Verjährung sei nicht durch die am 12.02.2019 erfolgte Zustellung gehemmt worden, da diese nicht demnächst im Sinne des § 167 ZPO erfolgt sei. Die Klägerin habe binnen drei Wochen nach Einreichung der Klageschrift beim Landgericht, spätestens am 19.12.2018 die Gerichtskosten erfragen müssen. Zudem habe die Klägerin sich vor Erhebung der Klage nach der aktuellen Adresse der Beklagten erkundigen müssen, da die Beklagte bereits 2016 ihren Geschäftssitz gewechselt hat, ein solcher Wechsel nicht unüblich sei, nach dem letzten Kontakt der Parteien knapp drei Jahre vergangen seien und die zweite Schlussrechnung nicht an die alte Adresse der Beklagten zugestellt werden konnte, weshalb sie als unzustellbar an die Klägerin zurückgelangt sei. Auch die fehlerhafte Zustellung durch die P. AG sei der Klägerin zuzurechnen, weil sie schuldhaft die Ursache für die Verzögerung gesetzt habe. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin von der unverzüglichen Ermittlung der aktuellen Adresse durch das Landgericht profitiert habe.
Schließlich meint die Beklagte, die Klägerin habe ihre Rechte, die Forderung geltend zu machen, verwirkt.
Lediglich hilfsweise ist die Beklagte der Auffassung, die Werklohnforderung sei mangels Prüffähigkeit nicht fällig (Seiten 9 bis 13 der Berufungsbegründung); ein Anspruch auf Vergütung in Höhe von Euro 58.342,83 bestehe nicht (Seiten 12 bis 21 der Berufungsberündung) und vertraglich vereinbarte Abzüge für den Sicherheitseinbehalt sowie die Vertragsstrafe in Höhe von jeweils Euro 12.241, 78 seien nicht berücksichtigt (Seiten 21 bis 24 der Berufungsbegründung). Außerdem stünden ihr hilfsweise aufgerechnete Gegenansprüche in Höhe von Euro 10.258,35 zu (Seiten 24 bis 28 der Berufungsbegründung). Äußerst hilfsweise beruft sie sich auf ein Zurückbehaltungsrecht, weil die Klägerin ihrer Verpflichtung gegenüber den Sozialversicherungsträgern nicht nachgekommen sei (Seiten 28 bis 29 der Berufungsbegründung).
Die Klägerin hingegen hält den Anspruch für nicht verjährt. Die Dreiwochenfrist hinsichtlich des Gerichtskostenvorschusses habe vom Zeitpunkt der Verjährung an berechnet werden müssen, weshalb auf den 21.01.2019 und nicht auf den 19.12.2018 abzustellen sei. Sie sei zudem nicht verpflichtet gewesen, die aktuelle Adresse der Beklagten zu recherchieren. Die Beklagte habe sie trotz ihres Schreibens vom 15.01.2016 auch nicht auf den Wechsel ihres Geschäftssitzes hingewiesen. Die Schlussrechnung sei nicht als unzustellbar an sie zurückgelangt. Außerdem sei die aufgrund einer schweren Pflichtverletzung erfolgte fehlerhafte Zustellung der P. AG nicht der Klägerin anzulasten.
Wegen des weiteren Vortrags der Klägerin zu den hilfsweise geltend gemachten Einwendungen der Beklagten wird auf die Seiten 8 bis 20 des Schriftsatzes vom 31.08.2022 verwiesen.
Die Klägerin hat nach Schluss der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 21.11.2023 ergänzend vorgetragen. Danach meint sie weiterhin, ohne konkrete Anhaltspunkte nicht verpflichtet gewesen zu sein, die Anschrift der Beklagten zu überprüfen. Die hierzu ergangene Rechtsprechung sei auch auf juristische Personen anwendbar. Im Übrigen sei inzwischen unstreitig, dass die Klägerin einen Rückläufer der Schlussrechnung vom 22.11.2018 nicht erhalten habe, weil die Beklagte insoweit beweisfällig geblieben sei.
Eine der Klägerin zuzurechnende Verzögerung der Zustellung von mehr als vierzehn Tagen liege zudem nicht vor. Die fehlerhafte Zustellung durch P. AG könne ihr nicht zugerechnet werden. Hierzu verweist sie ein Urteil des OLG Düsseldorf vom 11.07.2018 und des Bundesgerichtshofs vom 21.07.2023. Zudem sei aufgrund ihres Vortrags erster Instanz unstreitig, dass der Rückläufer am 24.01.2019 beim Landgericht eingegangen wäre. Dann hätte das Landgericht die Zustellung am 25.01.2019 unter der korrekten Anschrift veranlasst und die Klage wäre spätestens am 01.02.2019 zugestellt worden.
Am 29.11.2018 ist die mit der alten Geschäftsanschrift der Beklagten versehene Klage bei Gericht eingegangen. Die Gerichtskostenrechnung datiert vom 27.12.2018. Die Klägerin hat behauptet, diese sei ihr erst am 07.01.2019 zugegangen. Der am 10.01.2019 angewiesene Vorschuss ist am 1 1.01.2019 gutgeschrieben worden. Der Zusteller der P. AG hat die Klage am 23.01.2019 in den Briefkasten der xx GmbH eingelegt. Diese hat den ihr zugestellten Brief mit dem Bemerken, die Beklagte sei dort nicht bekannt, an das Landgericht zurückgesandt, wo er am 04.02.2019 eingegangen ist. Der bearbeitende Vorsitzende Richter hat am 05.02.2019 anhand des Handelsregisterauszugs die korrekte Adresse der Beklagten ermittelt und die Zustellung der Klage verfügt. Diese ist am 12.02.2019 an die Beklagte zugestellt worden.
II.
Die statthaften Berufungen beider Parteien sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO). Die Berufung der Klägerin ist unbegründet, diejenige der Beklagten begründet.
1. Die Werklohnforderung der Klägerin aus der Schlussrechnung vom 22.1 1.2018 ist verjährt. Damit ist die Berufung der Beklagten begründet und diejenige der Klägerin unbegründet.
Werklohnansprüche verjähren gem. § 195 BGB in drei Jahren. Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, § 199 Abs. 1 BGB.
Der Anspruch, der beiden Schlussrechnungen zugrunde liegt, ist vor Ablauf des Jahres 2015 entstanden.
Die Klägerin hat die erste – offenkundig prüffähige, da tatsächlich geprüfte – Schlussrechnung am 1 1.09.2015 gelegt.
Die Parteien haben eine Zahlungsfrist von 60 Tagen vereinbart, Ziff. 7 Abs. 2 der Niederschrift zur Auftragsverhandlung (Anlage K 3). Diese ist noch im November 2015 abgelaufen. Der Werklohnanspruch entsteht zudem erst mit der Abnahme des Werks, § 641 Abs. 1 S. 1 BGB. Diese ist unstreitig – konkludent – erfolgt, bevor die Schlussrechnung erteilt wurde. Die Parteien haben inzident auf die in Ziff. 9 der Niederschrift zur Auftragsverhandlung geregelte förmliche Abnahme nach § 12 Abs. 4 VOB/B verzichtet. Die Schlussrechnung vom 1 1.09.2015 war mithin vor Ablauf des Jahres 2015 fällig. Die Verjährung ist mit Ablauf des 31.12.2018 eingetreten.
Dies betrifft auch die weitergehenden Vergütungsansprüche, die die Klägerin mit der zweiten Schlussrechnung vom 22.11.2018 abgerechnet hat. Mit Abnahme und Vorlage einer prüffähigen Rechnung wird die gesamte Werklohnforderung fällig und verjährt einheitlich. Somit beginnt auch für eine irrtümlich vergessene unselbständige Rechnungsposition oder Teilforderung die Verjährung zu laufen, auch wenn sie nicht Gegenstand der Schlussrechnung war (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 1 1.03.2016, 22 U 176/14, BeckRS 2016, 131960, NZB zurückgewiesen: BGH, Beschluss vom 07.02.2018, VII ZR 66/16, BeckRS 2018, 26043; OLG Hamm Urteil vom 21.02.2012, I-21 U 93/11, BeckRS 2012, 5605, NZB zurückgewiesen: BGH, Beschluss vom 21.03.2013, VII ZR 78/12). Eine Ausnahme gilt nur für solche Rechnungsposten und Teilforderungen, die noch nicht in die erste Schlussrechnung eingestellt werden konnten (vgl. Locher in Ingenstau/Korbion, VOB, 21. Auflage, S. 16 Abs. 3 VOB/B Rn. 13). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Der Klägerin waren sämtliche Tatsachen bekannt, auf die sie ihre Klageforderung insgesamt stützt. Damit ist die Fälligkeit der gesamten Werklohnforderung am 31.12.2018 eingetreten.
2. § 167 ZPO
Die Zustellung der Klage am 12.02.2019 wirkt nicht gem. § 167 ZPO auf den Zeitpunkt der Anhängigkeit am 29.11.2018 zurück. Nach dieser Vorschrift tritt die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB bereits mit Eingang der Klage bei Gericht ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Dabei wird nach ständiger Rechtsprechung eine der Partei zuzurechnende Zustellungsverzögerung von bis zu vierzehn Tagen regelmäßig hingenommen (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 10.07.2015, V ZR 154/14, NJW 2015, 2666 Rn. 5).
Eine Zustellung „demnächst“ nach Eingang des Antrags oder der Erklärung bedeutet eine Zustellung innerhalb einer nach den Umständen angemessenen, selbst längeren Frist, wenn die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan haben. Die Zustellung ist dagegen nicht mehr „demnächst“ erfolgt, wenn die Partei, der die Fristwahrung obliegt, oder ihr Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges – auch leicht fahrlässiges – Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen haben. Hat der Veranlasser die Zustellung nicht vorwerfbar verzögert oder fällt ihm nur eine geringfügige Verzögerung zur Last, überwiegen regelmäßig seine Interessen gegenüber den Belangen des Zustellungsadressaten. Bei der Bemessung einer Verzögerung ist auf die Zeitspanne abzustellen, um die sich der ohnehin erforderliche Zeitraum für die Zustellung der Klage als Folge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert (vgl. BGH, Urteil vom 26.02.2016, V ZR 131/15, NZM 2016, 473 Rn. 12).
Die der Klägerin zuzurechnenden Verzögerungen überschreiten die Grenze von vierzehn Tagen.
2.1 Vorschuss
Die Klägerin hat zunächst eine erhebliche Verzögerung der Zustellung nicht dadurch bewirkt, dass sie nicht rechtzeitig nach der Gerichtskostenrechnung gefragt hat.
Zwar obliegt es der Klägerin, spätestens nach sechs Wochen nachzufragen, wenn die Gerichtskostenrechnung ausbleibt (vgl. BGH, Beschluss vom 05.11.2014, III ZR 559/13, NJW-RR 201 5, 125 Rn. 16). Diese Frist ist hier jedoch gewahrt. Die Klage ist am 29.11.2018 eingegangen. Die Gerichtskostenrechnung datiert ausweislich der Akte vom 27.12.2018 und nicht, wie die Beklagte annimmt, vom 19.12.2018. Bis zu diesem Zeitpunkt waren vier Wochen verstrichen. Allerdings kommt es auf diesen Zeitraum nicht an, da eine im Rahmen des § 167 ZPO relevante Verzögerung der Zustellung nur für den Zeitraum nach dem Ablauf der Verjährungsfrist am 31.12.2018, also ab dem 01.01.2019 von Bedeutung ist (vgl. BGH, Urteil vom 17.05.2019, V ZR 34/18, NJW-RR 2019, 976 Rn. 14).
Bis zum behaupteten Zugang der Gerichtskostenrechnung am 07.01.2019 (Anlage K 1) hat die Klägerin eine Verzögerung nicht verursacht. Ab dem Zugang der Aufforderung, den Gerichtskostenvorschuss einzuzahlen, steht der Klägerin eine Erledigungsfrist von drei Tagen bis zu einer Woche zur Bereitstellung und Einzahlung des angeforderten Gerichtskostenvorschusses zu, jedenfalls, wenn es sich nicht um einen überaus hohen Vorschuss handelt. Danach beginnt die Vierzehntagesfrist zu laufen, innerhalb derer eine Verzögerung unschädlich ist (vgl. BGH, Teilversäumnis- und Teilendurteil vom 25.10.2016, Il ZR 230/15, NJW 2017, 1467 Rn. 24, 25; BGH, Urteil vom 17.05.2019, V ZR 34/18, NJW-RR 2019, 976 Rn. 9, 10).
Die Dreitagesfrist bei Zugang am 07.01.2019 lief am 10.01.2019 ab. Der Vorschuss ist rechtzeitig am 10.01.2019 eingezahlt worden (Anlage K 12) und am 11.01.2019 bei Gericht eingegangen, nicht, wie die Beklagte meint, am 14.01.2019. Auch dies ergibt sich aus der Akte. Sollte die Anforderung bereits früher bei der Klägerin eingegangen sein, was die Beklagte lediglich vermutet, ergibt sich nichts anderes. Der 01.01.2019 war kein Bankarbeitstag. Die Klägerin hatte also Zeit, den Vorschuss bis zum 04.01.2019 bzw. bei Annahme einer Wochenfrist, bis zum 08.01.2019 bereitzustellen und einzuzahlen. Unter Berücksichtigung eines Bankarbeitstages für den Eingang auf dem Empfängerkonto wäre eine Verzögerung von höchstens zwei bis sechs Tagen entstanden.
2.2 Falsche Adresse
Eine nicht nur geringfügige Verzögerung der Zustellung beruht allerdings darauf, dass die Klägerin in der Klageschrift eine unzutreffende Anschrift der Beklagten angegeben hat.
Vorwerfbar sind Verzögerungen, die auf Mängeln der Klageschrift beruhen, wie die fehlende Benennung eines gesetzlichen Vertreters oder die Angabe einer falschen oder unzureichenden Anschrift des Beklagten, soweit nicht der Kläger auf die Richtigkeit der genannten Anschrift vertrauen durfte. Unabdingbare Voraussetzung für den Eintritt der Verjährungshemmung ist es, dass der Gläubiger die richtige ladungsfähige Anschrift des Schuldners angegeben hat. Eine unrichtig adressierte Sendung, die vom beauftragten Postdienstleistungsunternehmen zurückgegeben wird, kann den Schuldner von vornherein nicht erreichen. Der Schuldner wird nicht gewarnt. Ungeschriebene Voraussetzung eines Hemmungstatbestands des § 204 Abs. 1 BGB muss daher sein, dass die gerichtliche Verfügung im Grundsatz geeignet ist, die Bekanntgabe des Antrags zu bewirken. Das ist nicht der Fall, wenn im Antrag eine unrichtige Anschrift des Beklagten angegeben ist, also nicht erwartet werden kann, dass er diesen überhaupt erreicht (vgl. BGH, Urteil vom 10.09.2015, IX ZR 255/14, NJW 2016, 151 Rn. 11).
2.2.1
Hier hätte die Klägerin die eingetretene Verzögerung vermeiden können, indem sie die Klage mit der zutreffenden Anschrift der Beklagten versah.
Zwar lässt die Angabe einer unrichtigen Anschrift allein den Schluss auf ein fahrlässiges Verhalten des Gläubigers nicht zu. Fahrlässigkeit kann erst dann bejaht werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Wohnungswechsel des Schuldners bestehen. Ohne jedes konkrete Anzeichen eines Wohnungswechsels des Anspruchsgegners ist der Gläubiger nicht verpflichtet, vor Einreichung der Klage beim zuständigen Einwohnermeldeamt die ihm bekannte Anschrift des Anspruchsgegners überprüfen zu lassen (vgl. zu einem PKH-Antrag: BGH, Urteil vom 10.09.2015, IX ZR 255/14, NJW 2016, 151 Rn. 18).
Zwar ist der Rücklauf der Schlussrechnung vom 22.11.2018 streitig, weshalb entgegen der Auffassung der insoweit darlegungspflichtigen, aber beweisfällig gebliebenen Beklagten nicht darauf abgestellt werden kann, dass der Klägerin die geänderte Anschrift der Beklagten bekannt gewesen sei. Hierauf kommt es aber auch nicht an. Denn insbesondere die Beklagte ist keine Privatperson sondern juristische Person. Es bedarf folglich keiner kostenpflichtigen und unter Umständen mehrere Wochen andauernden Anfrage beim Einwohnermeldeamt, um Veränderungen der Vertretungsverhältnisse oder des Sitzes zu erfragen. Nach einem Zeitablauf von mehr als zwei Jahren und zehn Monaten seit dem letzten Kontakt zwischen den Parteien am 15.01.2016 und der Einreichung der Klageschrift am 28.11.2018 musste die Klägerin eine Änderung des Sitzes oder auch der Vertretungsverhältnisse z.B. zumindest für möglich halten. Es ist nicht ungewöhnlich, dass eine juristische Person ihren Geschäftssitz verlegt. Die neue Anschrift ließ sich für jedermann leicht dem Internet entnehmen und war im Übrigen auch seit dem 05.01.2016 im ebenfalls von der Klägerin selbst einzusehenden Handelsregister eingetragen.
Hinzu kommt, dass die Klägerin eine besondere Sorgfaltspflicht hinsichtlich der korrekten Anschrift der Beklagten traf und sie sich nicht auf die ihr bekannte Anschrift verlassen durfte, weil der Beklagten die neue Schlussrechnung vom 22.11.2018 jedenfalls bis zu diesem Tag nicht bekannt war und die Klägerin sie bereits eine Woche nach deren Erstellung am 28.1 1.2018 eingeklagt hat. Insofern wäre es aufgrund des Kooperationsgebots bzw. aufgrund der Vereinbarung in Ziff. 6 Abs. 1 der Niederschrift zur Auftragsverhandlung, wonach Rechnungen kumuliert zu stellen sind, angezeigt gewesen, mit der Beklagten hinsichtlich des Irrtums über die Unvollständigkeit der ersten Schlussrechnung zu korrespondieren und auch den Zugang der Rechnung zu überprüfen. Dies auch im Hinblick darauf, dass die Klägerin um den Ablauf der Verjährung wusste und damit rechnen musste, die Beklagte mit der neuerlichen mehr als doppelt so hohen Rechnung zu überraschen. Die Frist von 60 Tagen, binnen derer die Beklagte die Rechnung hätte prüfen und bezahlen müssen, wäre erst nach Verjährung der Ansprüche abgelaufen, so dass zumindest hinsichtlich der erbrachten Leistungen auch eine Forderung gegenüber der Auftraggeberin der Beklagten, der Messe xx voraussichtlich nicht mehr durchzusetzen gewesen wäre. Hier hat die Beklagte die Rechnung überhaupt erst nach Ablauf der Verjährung, mit der sie rechnen konnte, mit Zustellung der Klage am 12.02.2019 erhalten. Einen früheren Zugang hat die Klägerin jedenfalls nicht dargelegt und bewiesen.
Zur Frage der Kenntnis nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass sich die Wohnanschrift eines Bürgen wegen eines unter Umständen langen Zeitablaufs seit Vertragsschluss geändert haben kann, ohne dass der Bürgschaftsgläubiger davon Kenntnis erlangt hat. Eine entsprechende Benachrichtigungspflicht des Bürgen bestünde nicht. Auf Grund dessen treffe die Bank im eigenen Interesse die Obliegenheit, sich im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Entstehung des Bürgschaftsanspruchs zu vergewissern, ob die ihr bekannte Wohnanschrift des Bürgen noch aktuell ist, und sich gegebenenfalls nach der neuen Adresse des Bürgen zu erkundigen, sofern ihr diese nicht z.B. aus einer anderen mit dem Bürgen bestehenden Geschäftsverbindung ohnehin bekannt ist (vgl. BGH, Urteil vom 23.09.2008, XI ZR 395/07, NJW 2009, 587). Dieser Fall unterscheidet sich zwar vom vorliegenden insofern, als die Beklagte nicht wie ein Bürge Dritter gegenüber den Vertragsparteien ist. Der Rechtsgedanke, dass sich die Anschrift auch des Vertragspartners nach einem längeren Zeitablauf geändert haben kann und der Gläubiger als juristische Person dies überprüfen muss, ist jedoch auf den hiesigen Fall übertragbar.
Zur Zustellung demnächst nach § 167 ZPO hat der Bundesgerichtshof es überdies für erforderlich gehalten, dass ein Kläger sich bei sorgfältiger Prozessführung selbstständig aus den maßgeblichen amtlichen Mitteilungsblättern über die richtige Vertretungsbehörde einer öffentlich-rechtlichen Beklagten hätte informieren müssen, obwohl die in die Klage fälschlich aufgenommene Behörde im Rubrum des angefochtenen Entschädigungsfestsetzungsbeschlusses des Regierungspräsidiums als Vertretungsbehörde der Beklagten aufgeführt war (vgl. BGH, Urteil vom 01.12.2005, III ZR 43/05, NJW-RR 2006, 789 Rn. 6, 7). Auch dieser Fall ist mit vorliegenden vergleichbar.
Die Klägerin kann sich auch nicht damit entlasten, dass die Beklagte ihr die neue Anschrift nicht mitgeteilt hat, nachdem ihr der Widerspruch zur Rechnungsprüfung am 15.01.2016 noch unter der alten Adresse zugegangen ist. Das Vertragsverhältnis war beendet und aus Sicht der Beklagten schlussabgerechnet. Sie hatte kein Anliegen mehr gegenüber der Klägerin. Somit war es Aufgabe der Klägerin, nahezu drei Jahre später die Anschrift der Beklagten zu prüfen.
2.2.2
2.2.2.1
Die Klägerin kann sich nicht damit entlasten, dass die P. AG die Klageschrift fehlerhaft in den Briefkasten der xx GmbH eingelegt hat, anstelle sie als unzustellbar an das Landgericht zurückzusenden. Hierfür spricht, dass die Klägerin die fehlerhafte Zustellung durch die P. AG aufgrund der Angabe einer falschen Anschrift veranlasst hat. Die Klägerin trägt grundsätzlich die Verantwortung dafür, dass von ihrer Seite aus alles Erforderliche getan wurde, um eine ordnungsgemäße Zustellung der Klageschrift – unter der zutreffenden Bezeichnung und an der richtigen Anschrift des Beklagten – zu gewährleisten (vgl. BGH, Urteil vom 08.06.1988, IVb ZR 92/87, BeckRS 1988, 31091526 zu einem etwas anders gelagerten Fall). Die Regelung des § 167 ZPO soll nur vor solchen Nachteilen schützen, die gänzlich außerhalb der Einflusssphäre des Antragstellers liegen. Eine Zustellungsverzögerung kann ihm nur dann nicht angelastet werden, wenn diese ausschließlich auf dem Geschäftsablauf bei Gericht beruht und weder er selbst noch sein Verfahrensbevollmächtigter durch eigenes – wenn auch nur leicht fahrlässiges – Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen haben (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 05.07.2021, 9 UF 6/21, BeckRS 2021, 21435).
Etwas anderes besagt auch die von der Klägerin zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21.07.2023 nicht, wonach allein die Verzögerungen im Zustellungsverfahren, die durch eine fehlerhafte Sachbehandlung des Gerichts verursacht sind, dem Zustellungsbetreiber nicht zuzurechnen sind, auch wenn der fehlerhaften Sachbehandlung des Gerichts eine der Partei zuzurechnende Verzögerung in Form einer fehlerhaften Angabe der Zustellanschrift vorausgegangen ist (vgl. BGH, Urteil vom 21.07.2023, V ZR 215/21, NJW 2023, 2945 Rn. 6). Aus dem Zeitraum herauszurechnen ist danach allein die gerichtlich verursachte Verzögerung.
Das von der Beklagten zitierte Urteil des OLG Düsseldorf passt ebenfalls nicht. Es befasst sich mit der Haftung des ausführenden Frachtführers für ein verloren gegangenes Paket (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.07.2018, I-18 U 69/17, RdTW 2020, 188 Rn. 16). Hier geht es aber nicht darum, ob die P. AG ggf. gegenüber der Klägerin haftet. Hieraus ergibt sich eher ein Argument zu Lasten der Klägerin, da sie ggf. einen Schadensersatzanspruch gegen die P. AG hat, wenn diese grob fahrlässig oder gar vorsätzlich ihre Pflichten verletzt hat (vgl. hierzu: OLG Hamm, Urteil vom 18.6.2014, 1 1 U 98/13, NVwZ-RR 2014, 914).
Außerdem ist nicht ersichtlich aus welchem Grund die fehlerhafte Zustellung letztlich allein zu Lasten der Beklagten gehen soll. Zwar kommt zur falschen Angabe der Anschrift durch die Klägerin ein eigenständiges Handeln des Zustellers hinzu, das letztlich zu einer weiteren Verzögerung führt. Dies ist der Klägerin allerdings noch zuzurechnen, da die erste Ursache Auslöser der zweiten war, wenn sie auch zu einer weiteren Verzögerung geführt hat. Anders ist dies bei Verzögerungen durch das Gericht, gegen das im Übrigen ein Schadensersatzanspruch wegen Zustellungsverzögerungen nur schwer durchsetzbar sein dürfte. Denn die zögerliche Bearbeitung ist keine Folge der fehlerhaften Angabe der Anschrift, sondern eine eigene, durch das Gericht gesetzte Ursache der Verzögerung. In dem vom Bundesgerichtshof am 21.07.2023 entschiedenen Fall z.B. hat die Geschäftsstelle die Verfügung des Abteilungsrichters vom 24.11.2020 erst am 09.12.2020 ausgeführt. Diese Verzögerung weist keinen Kausalzusammenhang mit der falschen Anschrift aus. Sie wäre bei korrekter Adresse auch eingetreten.
2.2.2.2
Dem Zustellungsveranlasser gereichen Versäumnisse, die dem Gericht zuzurechnen sind, nur insoweit zum Nachteil, wie sich feststellen lässt, dass die geforderte Handlung den Verfahrensgang verkürzt hätte, das Versäumnis also kausal für die Verzögerung der Zustellung geworden ist. Bei Berechnung der Dauer der zurechenbaren Verzögerung ist grundsätzlich auf die Zeitspanne abzustellen, um die sich die Zustellung als Folge der Nachlässigkeit der Partei verzögert (vgl. Häublein/Müller in MüK0ZPO, 6. Auflage 2020, S. 167 Rn. 13, 17; vgl. BGH, Urteil vom 10.07.2015, V ZR 154/14, NJW 2015, 2666 Rn. 6).
Beruht die Verzögerung auf der fehlerhaften Angabe der Zustellanschrift durch den Zustellungsbetreiber, berechnet sie sich ab dem Zeitpunkt des gescheiterten Zustellungsversuchs. Wie bereits ausgeführt sind Verzögerungen im Zustellungsverfahren, die durch eine fehlerhafte Sachbehandlung des Gerichts verursacht sind, dem Zustellungsbetreiber dagegen nicht zuzurechnen. Dies zugrunde gelegt, ist für die Berechnung der auf der fehlerhaften Angabe der Zustellanschrift beruhenden Verzögerung der Zeitpunkt des gescheiterten Zustellungsversuchs von Bedeutung (vgl. BGH, Urteil vom 21.07.2023, V ZR 215/21, NJW 2023, 2945 Rn. 7, 8; BGH, Urteil vom 12.09.2019, IX ZR 262/18, NZG 2020, 70 Rn. 23).
Die der Klägerin zuzurechnende Zustellungsverzögerung betrug danach zwei Wochen und sechs Tage und kann damit nicht mehr als geringfügig bezeichnet werden. Sie schließt die Annahme einer zur Unterbrechung der Verjährung noch geeigneten „demnächst erfolgten“ Zustellung nach § 167 ZPO aus (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 10.07.2015, V ZR 154/14, NJW 2015, 2666 Rn. 5). Die Klage wurde am 23.01.2019 an die falsche Adresse zugestellt. Die korrekte Zustellung an die Beklagte erfolgte am 12.02.2019. Eine fehlerhafte Sachbehandlung durch das Gericht ist weder bei der ersten – fehlerhaften – noch bei der zweiten Zustellung erfolgt. Danach kommt es nicht mehr darauf an, ob der Klägerin eine weitere Verzögerung von zwei bis sechs Tagen im Hinblick auf den Gerichtskostenvorschuss zuzurechnen ist, s.o. zu 2.1.
Ohne Wirkung zugunsten der Beklagten bleibt hingegen, dass der erstinstanzliche Richter zu Gunsten der Klägerin die richtige Anschrift einem selbst eingeholten Handelsregisterauszug entnommen hat, anstelle eine Ruckbriefnachricht zu veranlassen. Das Überobligatorische Tätigwerden des Richters kompensiert nicht die vorangegangene der Klägerin zuzurechnende Verzögerung (vgl. BGH, Urteil vom 21.07.2023, V ZR 215/21, NJW 2023, 2945 Rn. 8).
2.2.3
Selbst wenn der Klägerin das Verschulden der P. AG nicht zuzurechnen wäre, bleibt es aber dabei, dass zu ihren Lasten diejenige Verzögerung zu berücksichtigen ist, die bei einem ordnungsgemäßen Zustellverhalten der P. AG entstanden wäre. Diese muss sich die Klägerin als Folge ihrer Nachlässigkeit entgegenhalten lassen. Die der Klägerin zuzurechnende Zustellungsverzögerung betrug danach ebenfalls deutlich mehr als vierzehn Tage. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Ohne Berücksichtigung von Fehlern der P. AG gilt: Bei richtiger Zustelladresse in der Klageschrift wäre die Zustellung im Zweifel am 23. Januar 2019 erfolgt – dem Datum, an dem sie in einen falschen Briefkasten unter falscher Anschrift eingeworfen wurde. Da die Zustellung bei der Beklagten am 12. Februar 2019 erfolgte, errechnet sich eine der Klägerin zuzurechnende Verzögerung von 20 Tagen. Diese Verzögerung wäre nur dann als noch „demnächst“ anzusehen, wenn feststünde, dass auf den Falscheinwurf durch die P. AG bei der xx GmbH am 23. Januar 2019 eine Teilverzögerung von sechs Tagen zurückzuführen ist. Denn nur dann reduziert sich die der Klägerin anzulastende Verzögerung auf einen „Nettowert“ von 14 Tagen.
Da die Zustellung, die die Beklagte am 12. Februar 2019 erreichte, am 5. Februar 2019 durch das Gericht veranlasst wurde, müsste somit feststehen, dass bei ordnungsgemäßem Verhalten der P. AG das Gericht sechs Tage vor dem 5. Februar 2019, also am 30. Januar 2019, in der Lage gewesen wäre, die Zustellung an die richtige Anschrift zu veranlassen.
Dazu wiederum müsste feststehen, dass wenn die P. AG am 23. Januar 2019 die Klageschrift nicht in den falschen Briefkasten an der Zustellanschrift eingeworfen, sondern unzugestellt an das Gericht zurückgesandt hätte, der Rückbrief das Gericht so zeitig erreicht hätte, dass am 30. Januar 2019 die erneute Zustellung hätte verfügt werden können.
Zu dieser Feststellung sieht sich der Senat, der laufend Akten zu bearbeiten hat, in denen Zustellungen fehlgeschlagen sind und an das Gericht zurückgeschickt werden, nicht in der Lage. Nach seiner Erfahrung gibt es keine etablierten Erfahrungswerte, nach wie viel Tagen ein unzustellbares Schriftstück wieder bei Gericht eintrifft, tatsächlich dauert dies aber häufig deutlich mehr als drei Tage, nämlich mindestens eine Woche. Zudem kann auch nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass bei einer Rücksendung der unzustellbaren Klageschrift durch die P. AG das Landgericht den erneuten Zustellversuch unter der richtigen Anschrift sofort und ohne Rückfrage bei der Klägerin am nächsten Tag veranlasst hätte. So mag es zwar nach Erhalt der Rücksendung de-GmbH am Landgericht geschehen sein, wenn es aber darum geht, den Beitrag der P. AG an der eingetretenen Gesamtverzögerung herauszurechnen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass es zu diesem für die Klägerin in jeder Hinsicht optimalen Verlauf – noch am selben Tag und ohne vorherige Rückfrage an sie – auch gekommen wäre, wenn der Zustellfehler nicht eingetreten wäre.
Aufgrund dieser Überlegungen kann der Senat nicht feststellen, dass in dem hypothetischen Ablauf ohne den Zustellfehler der P. AG das Gericht die Zustellung an die richtige Anschrift um mehr als sechs Tage früher hätte veranlassen können. Somit ist davon auszugehen, dass auch die um die Auswirkungen des Zustellfehlers bereinigte „Netto-Verzögerung“, die die Klägerin durch die falsche Beklagtenadresse in der Klageschrift veranlasst hat, nicht geringer als 20 Tage gewesen wäre.
In ihrem Schriftsatz vom 21. November 2023 weist die Klägerin darauf hin, sie habe unbestritten vorgetragen, dass ohne den Zustellfehler der P. AG die Klageschrift bereits am 24. Januar 2019 an das Landgericht zurückgelangt wäre. Diese Behauptung vermag der Senat seiner Beurteilung indessen nicht zugrundezulegen, denn sie erfolgt offenkundig ins Blaue hinein und ist ebenso offenkundig unrichtig. Nach der Erfahrung des Senats, der wie bereits erwähnt laufend Akten mit Rückläufern unzustellbarer Schriftstücke zu bearbeiten hat, kommt eine so schnelle Rücksendung praktisch nie vor und kann ausgeschlossen werden. Aus diesem Grund hatte auch die Beklagte erkennbar keinen Anlass, diese Behauptung der Klägerin ausdrücklich zu bestreiten. Selbst wenn die Behauptung der Klägerin Relevanz hätte, könnte der Senat sie deshalb ohne vorherigen Hinweis an die Gegenseite gar nicht als unstreitig unterstellen.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Senat lässt die Revision im Hinblick auf ihre grundsätzliche Bedeutung zu den Annahmen des Senats zu einer demnächst erfolgten Zustellung i.S.v. § 167 ZPO zu, § 543 Abs. 2 ZPO.