OLG München – Az.: 28 U 429/18 Bau – Beschluss vom 18.05.2018
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 23.01.2018, Az. 5 O 15433/11, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
I. Urteil des Landgerichts
Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche aus einem Werkvertrag. Der Kläger macht u.a. Ansprüche auf Vertragsstrafe aus dem ursprünglichen Bauvertrag vom 17.08.2009 (16.000,- EUR) und aus einer späteren gesonderten Vereinbarung vom 16.10.2010 (131.600,- EUR) geltend.
Das Landgericht hat diese Ansprüche auf Vertragsstrafe per Teilurteil insgesamt abgewiesen.
Die Entscheidung durch Teilurteil sei zulässig, weil es um einen selbständigen, abgrenzbaren Teil des Streitstoffs gehe, der vom übrigen Streitstoff von Klage und Widerklage unabhängig sei.
Ein Anspruch auf Vertragsstrafe aus dem ursprünglichen Vertrag bestehe nicht, weil die entsprechende Regelung nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sei. Es handele sich um AGB. Eine unangemessene Benachteiligung liege vor, weil die Regelungen den Empfänger wegen einer Kumulierung von Einzelstrafen bei Überschreitung von Zwischenfristen unangemessen benachteiligen würden.
Auch aus der Vereinbarung vom 16.10.2010 habe der Kläger keinen Anspruch, weil ein Verstoß gegen § 138 BGB vorliege. Auf die Frage nach der wirksamen Vertretung der Beklagten durch die handelnden Personen komme es daher nicht an. AGB lägen hier nicht vor. Es liege aber ein Verstoß gegen die guten Sitten vor, weil ab dem 15.11.2010 jeder noch so kleiner Mangel und jede kleinste noch auszuführende Restarbeit zu einer Verwirkung der Strafe von 1.000,- EUR pro Tag führe. Dieser Betrag sei deutlich überhöht. Es könne eine Situation eintreten, dass wegen nur geringfügiger Mängel Abnahmereife eintrete, gleichwohl aber die Vertragsstrafe von 1.000,- EUR pro Tag verwirkt sei. Hinzu komme, dass sich Ansprüche aus anderen Vereinbarungen kumulieren könnten. Die Regelungen zielten also darauf ab, den Werklohn unangemessen zu reduzieren und nicht darauf, den Auftragnehmer zu einer zügigen Erfüllung anzuhalten.
II. Berufung
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Klageantrag beschränkt auf den Anspruch aus der Vereinbarung vom 16.10.2010, also in Höhe von 131.600,- EUR nebst Zinsen weiter.
Das Landgericht sei zu Unrecht von Sittenwidrigkeit ausgegangen. Ein Sachinteresse des Klägers an der Vertragsstrafenregelung liege vor, es ergebe sich aus dem Mietwert des Anwesens, was der Beklagten bekannt gewesen sei. Die herangezogene Entscheidung des OLG Celle passe nicht auf den hiesigen Fall, da im dort entschiedenen Fall die volle Vertragsstrafe von 15 % der Auftragssumme bereits am ersten Verzugstag verwirkt sein sollte. Die Vereinbarung könne nur so verstanden werden, dass „mangelfreie Gesamtfertigstellung“ Freiheit von wesentlichen Mängeln bedeute. Es handele sich auch nicht um eine verschuldensunabhängige Vertragsstrafe, da Verzug vorausgesetzt werde, der wiederum Verschulden voraussetze. Die 70.000,- EUR Schadensersatz aus der Vereinbarung vom 21.04.2010 seien nicht hinzuzurechnen, da damit nur der bis dahin angefallene Verzugsschaden abgegolten werden sollte.
Das Landgericht habe die Gesamtumstände, die zum Abschluss der Vereinbarung geführt haben, nicht ausreichend gewürdigt. Auf die Auflistung der klägerseits für relevant befundenen Umstände auf S. 6 f. der Berufungsbegründung wird Bezug genommen.
Da die Vereinbarung wirksam sei, komme es sehr wohl auf die Folgefrage an, ob die handelnden Personen R. und S. die Beklagte wirksam vertreten haben. Dies sei der Fall, jedenfalls nach den Grundsätzen der Rechtsscheinsvollmacht. Verzug lag auch vor, wie erstinstanzlich vorgetragen. Die Höhe der Vertragsstrafe sei zutreffend berechnet worden.
Der gesamte erstinstanzliche Tatsachenvortrag nebst Beweisangeboten zu den Umständen und der inneren Einstellung, die zum Abschluss der Vereinbarung führten, sei vom Landgericht übergangen worden, was auch einen Verfahrensfehler darstelle. Auf die Klageschrift vom 19.07.2011 und den Schriftsatz vom 14.08.2012 sei zu verweisen.
Ergänzend wird auf die Berufungsbegründung vom 19.04.2018 Bezug genommen.
III. Auffassung des Senats
Die Berufung kann aus Sicht des Senats im Ergebnis keinen Erfolg haben. Zwar ist der Berufungsbegründung zuzugeben, dass die Argumentation des Landgerichts nicht durchweg überzeugend ist und sich das Landgericht im Urteil nicht mit allen erstinstanzlich vorgebrachten Argumenten der Klägerseite auseinandersetzt, was sicher wünschenswert gewesen wäre. Unter Berücksichtigung des gesamten Sach- und Streitstandes zur in Frage stehenden Vereinbarung vom 16.10.2010 gelangt jedoch auch der Senat zur Auffassung, dass die Vereinbarung nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig und daher das klageabweisende Teilurteil im Ergebnis zutreffend ist.
1. Vorbemerkung
a)
Ebenso wie das Landgericht und die Klägerseite ist der Senat der Auffassung, dass es sich bei der Vereinbarung vom 16.10.2010 um eine Individualvereinbarung handelt. Es kann dabei dahin stehen, ob der Text von der Klägerseite „gestellt“ wurde. In jedem Fall handelt es sich nicht um ein Dokument, das für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Bedingungen enthält (vgl. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB). Es ist zwischen den Parteien unstreitig und ergibt sich letztlich auch aus dem Vertragsdokument selbst, dass die Vereinbarung speziell auf die damals vorliegende Erfüllungssituation in Bezug auf den ursprünglichen Werkvertrag zugeschnitten war und damit individuellen Charakter aufweist. Die Wirksamkeit ist damit nicht an den §§ 305 ff. BGB, sondern allein an § 138 Abs. 1 BGB zu messen.
b)
Die obergerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung hat die Wirksamkeit von Vertragsstrafenregelungen allgemein und auch speziell im Bereich des privaten Baurechts in verschiedenen Entscheidungen behandelt.
aa)
Die meisten Entscheidungen betreffen die Wirksamkeit von Vertragsstrafen, die in AGB enthalten sind. Diese Entscheidungen finden für den hiesigen Fall zwar keine unmittelbare Anwendung, enthalten aber doch auch allgemeine Grundsätze, die z.T. auf eine Beurteilung im Rahmen von § 138 Abs. 1 BGB übertragen werden können.
Ausgangspunkt der Überlegungen für die Frage, ob eine Vertragsstrafenklausel den Vertragspartner unangemessen benachteiligt, ist stets der doppelte Zweck einer Vertragsstrafenregelung: Sie soll zum einen als Druckmittel den Schuldner anhalten, seine Leistung ordnungsgemäß zu erbringen. Zugleich soll sie zum anderen den Gläubiger in den Stand setzen, sich bei Verletzung der sanktionierten Vertragspflichten jedenfalls bis zur Höhe der Vertragsstrafe ohne Einzelnachweis schadlos zu halten (BGH, Urteil vom 20.01.2000, Az. VII ZR 46/98, unter Verweis auf eine entsprechende ständige Rechtsprechung). Dieser Ausgangspunkt wird auch von der Berufungsbegründung so geteilt.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH muss eine Vertragsstrafe eine Begrenzung nach oben aufweisen. Dies gelte auch bei kleineren Bauaufträgen. Eine angemessene Begrenzung nach oben sei schlechterdings unverzichtbar, um der Gefahr vorzubeugen, dass ein von vornherein nicht überschaubarer erheblicher Teil des Werklohns – in welchem Zeitraum auch immer – durch eine etwa verfallene Vertragsstrafe aufgezehrt werden könnte (BGH, Urteil vom 19.01.1989, Az. VII ZR 348/87).
Der Höhe nach sind nach aktueller Rechtsprechung 0,2 % oder 0,3 % der Auftragssummer je Werktag zulässig. 0,5 % sind bereits zu hoch (BGH, Urteil vom 20.01.2000, Az. VII ZR 46/98). Zulässig sind insgesamt höchstens 5 % der Auftragssumme (BGH, Urteil vom 23.01.2003, Az. VII ZR 210/01).
bb)
Im Bereich des § 138 Abs. 1 BGB gibt es deutlich weniger Rechtsprechung im Kontext mit Vertragsstrafenregelungen. Anerkannt ist, dass allein die Höhe einer Vertragsstrafe noch nicht Sittenwidrigkeit begründen kann und dass vielmehr besondere Umstände bezüglich Beweggrund oder Zweck der Abrede hinzukommen müssen (vgl. Palandt/Grüneberg, 77. Auflage, § 339 BGB, Rz. 12, m.w.N.). Der Senat zieht hieraus die Erkenntnis, dass jedenfalls die konturscharfe Rechtsprechung aus dem AGB-Bereich zu bestimmten Prozentsätzen pro Tag oder insgesamt bei der Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB nicht ohne weiteres, sondern allenfalls als Anhaltspunkt herangezogen werden kann.
Keinen Unterschied zwischen § 138 Abs. 1 BGB und einer AGB-Kontrolle sieht der Senat allerdings beim grundsätzlichen Ausgangspunkt der Prüfung, nämlich der doppelten Zielsetzung einer Vertragsstrafenregelung (s.o., Druckmittel und Schadloshaltung). Denn diese Gesichtspunkte konkretisieren die im Rahmen von § 138 Abs. 1 BGB stets vorzunehmende Prüfung des Inhalts oder des Gesamtcharakters des Geschäfts anhand der Wertungen der Rechts- und Sittenordnung bzw. des Inhalts, Beweggrundes und Zwecks des Geschäfts. Insoweit hat das Landgericht auch zutreffend die Entscheidung des OLG Celle (Urteil vom 22.03.2001, Az. 13 U 213/00) zitiert, die ebenfalls diesen Ausgangspunkt wählt, auch wenn die weitere Fallgestaltung mit dem Anfall der Vertragsstrafe in voller Höhe ab dem ersten Verzugstag mit dem hier zu entscheidenden Fall nicht ohne weiteres zu vergleichen ist. Auch der BGH stellt bei seiner Beurteilung im Rahmen von § 138 Abs. 1 BGB auf den Zweck der Vertragsstrafe ab (BGH, Urteil vom 08.10.1992, Az. IX ZR 98/91, in einem nicht das Baurecht betreffenden Fall).
Zu übertragen auf den Bereich des § 138 Abs. 1 BGB ist nach Auffassung des Senats auch der Gedanke, dass den Zwecken der Vertragsstrafe – insbesondere dem Zweck der Druckausübung – nur dann angemessen nachgekommen werden kann, wenn für die Vertragsstrafe eine absolute Obergrenze festgelegt wird. Der BGH hat den Umstand, dass eine Klausel keine Begrenzung enthält, im Urteil vom 08.10.1992 als Argument dafür herangezogen, dass der Zweck der Druckausübung allenfalls in ganz eingeschränktem Umfang erreicht werden könne. Hieraus ist zu folgern, dass der BGH auch im Bereich des § 138 Abs. 1 BGB der Bestimmung einer Obergrenze maßgebliche Bedeutung zumisst.
2. Anwendung auf den hier vorliegenden Fall
Die Vereinbarung vom 16.10.2010 (Anlag K 15) verstößt nach Auffassung des Senats schon allein deshalb gegen § 138 Abs. 1 BGB mit der Folge der Nichtigkeit, weil sie keine absolute Obergrenze für die Vertragsstrafe normiert. Eine Obergrenze von 1.000,- EUR wird zwar für jeden einzelnen Tag der verspäteten Fertigstellung festgelegt, eine absolute Obergrenze für den Gesamtbetrag der Vertragsstrafe fehlt jedoch.
a)
Wie oben dargelegt, ist das Erfordernis einer Gesamt-Obergrenze für eine Vertragsstrafe auch im Rahmen einer Prüfung des § 138 Abs. 1 BGB zu fordern und auch vom BGH bereits gefordert worden. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass eine Vertragsstrafe, die zeitlich unbegrenzt immer weiter anwachsen kann, letztlich dem Grundzweck der Druckausübung auf den Schuldner nicht gerecht wird, sondern andere, sachfremde Zwecke verfolgt.
Vordergründig mag diese Ansicht überraschen, weil argumentiert werden könnte, dass je höher die Summe werde, desto höher auch der Druck sei. Die Problematik ist jedoch darin zu sehen, dass je höher die Vertragsstrafe anwächst, desto schlechter wird das Verhältnis zum (Rest-)Werklohn und desto geringer ist das Interesse des Schuldners an der Erbringung seiner Leistung. Vor diesem Hintergrund hat der BGH in seinem Urteil vom 19.01.1989 (s.o.) auf die Gefahr der Aufzehrung des gesamten Werklohns durch die Vertragsstrafe hingewiesen und eine obere Begrenzung gefordert.
Je länger der Zeitraum des Verzugs ist (und damit auch je höher die Vertragsstrafe anwächst), desto wahrscheinlicher ist es, dass der Auftragnehmer deshalb nicht leistet, weil er hierzu schlichtweg nicht mehr in der Lage ist. In diesem Fall schlägt eine nicht nach oben begrenzte Vertragsstrafe um in eine bloße Generierung zusätzlicher Ansprüche für den Auftraggeber, weil faktisch auf den Auftragnehmer gar kein Druck mehr ausgeübt werden kann. Dies wird weiter dadurch verschärft, dass es allein in der Hand des Auftraggebers liegt, den Verzug, damit das Ende des Vertragsstrafenzeitraums (z.B. wie hier durch Kündigung) und damit auch die Gesamthöhe der Vertragsstrafe zu bestimmen.
Einer Entscheidung, wo im konkreten Fall eine zulässige Höhenbegrenzung der Vertragsstrafe liegen würde, bedarf es nicht, da die Wirksamkeit der Vertragsstrafenregelung bereits am vollständigen Fehlen einer solchen Höhenbegrenzung scheitert. Ebenfalls keiner Entscheidung bedarf die Frage, ob die hier geltend gemachte Summe von 131.600,- EUR im Verhältnis zum vereinbarten Werklohn von 320.000,- EUR unter Würdigung des konkreten Einzelfalls zulässig sein kann, denn zu untersuchen im Lichte des § 138 Abs. 1 BGB ist die abstrakte Regelung in der Vereinbarung vom 16.10.2010 aus dem Blickwinkel genau dieses Tages und nicht die anschließende tatsächliche Entwicklung.
b)
Angesichts der dargelegten Argumentation des Senats kann dahinstehen, ob die im Urteil des Landgerichts aufgeführten und in der Berufungsbegründung angegriffenen weiteren Argumente durchgreifen oder nicht. Der Gesichtspunkt der fehlenden Obergrenze stellt auch dann einen die Rechtsfolge des § 138 Abs. 1 BGB auslösenden Umstand dar, wenn unterstellt wird, dass (1) die Vertragsstrafe nur durch wesentliche, eine Abnahme ausschließende Mängel oder fehlende Leistungen ausgelöst wird, dass (2) die Vertragsstrafe nur durch schuldhaftes Verhalten der Beklagten verwirkt wird und dass (3) die vom Landgericht angenommene Kumulation mit der Vereinbarung vom 21.04.2010 und mit dem ursprünglichen Bauvertrag außer Betracht zu bleiben hat. Ob diese vom Landgericht herangezogenen Gesichtspunkte allein oder in einer Gesamtschau tragend sind, bedarf daher keiner Entscheidung.
c)
Ebenfalls nicht entscheidungserheblich ist die Frage, ob sich das Sachinteresse des Klägers wegen der verhinderten Vermietbarkeit des Anwesens auf 30.000,- EUR beläuft und ob vor diesem Hintergrund die Vertragsstrafe gerechtfertigt sein könnte. Dieser Gesichtspunkt betrifft allein die zweite Zielsetzung einer Vertragsstrafe, nämlich die Schadloshaltung. Wie oben dargelegt, betrifft das vom Senat beanstandete Fehlen einer Obergrenze aber allein die andere Zielsetzung, nämlich die Druckausübung. Damit spielen Fragen rund um die Schadloshaltung keine entscheidungserhebliche Rolle.
Nur ergänzend möchte der Senat darauf aufmerksam machen, dass der Kläger selbst beim entsprechenden Abschnitt seiner Berufungsbegründung auf S. 3 den BGH zitiert mit den Worten: „Sollte die Höchstgrenze von 5 % … nicht ausreichen, bleibt es den Parteien unbenommen, individuell eine höhere Obergrenze zu vereinbaren.“ Hier wurde aber gar keine Obergrenze vereinbart.
d)
Auch die weiteren Gesichtspunkte, die auf S. 6 f. der Berufungsbegründung aufgeführt sind, führen im Sinne einer Gesamtabwägung nicht zu einer anderen Beurteilung. Damit liegt im Unterlassen einer entsprechenden Abwägung durch das Landgericht bzw. in der Nichtberücksichtigung entsprechenden Sachvortrags des Klägers kein Verfahrensfehler, auf dem das Ersturteil beruht.
Es kann letztlich als wahr unterstellt werden, dass der Abschluss der Vereinbarung vom 16.10.2010 zu einem Zeitpunkt erfolgte, in dem sich die Beklagte bereits in einem vergleichsweise langen und auch schuldhaft verursachten Gesamtverzug befand, auf den die Klägerseite auch immer wieder hingewiesen hatte. Dieser Umstand ist aus Sicht des Senats für die Entscheidung irrelevant. Ein (unterstelltes) besonders gravierendes vertragswidriges Verhalten der anderen Seite mag u.U. Vertragsstrafen durch Individualvereinbarungen rechtfertigen, die über den AGB-rechtlich für zulässig befundenen Grenzen liegen, es ist jedoch nicht ersichtlich, dass dadurch das Erfordernis einer Obergrenze überhaupt entfiele. Auch eine unter den (unterstellten) besonderen Umständen erfolgte Vertragsstrafenregelung muss sich im Lichte des § 138 Abs. 1 an den zulässigen Grundzwecken, hier der Druckausübung im zulässigen Rahmen, orientieren.
Ebenso kann der Vortrag der Klägerseite zum unmittelbaren Zustandekommen der Vereinbarung vom 16.10.2010 als wahr unterstellt werden (im Raum stehende Kündigung, Anstoß von Seiten der Beklagten zum Abschluss, Vorschlag von 1.000,- EUR/Tag und der konkreten Fertigstellungsfristen von Beklagtenseite), ohne dass sich an der Entscheidung etwas ändern würde. Der Vortrag belegt letztlich eine auch für den Kläger erkennbare besondere Drucksituation der Beklagten, die den Vertrag offenbar „um jeden Preis“ vor der Kündigung retten wollte. Dies stellt aus Sicht des Senats eher ein Argument für eine Annahme des § 138 Abs. 1 BGB als dagegen dar, weil die Klägerin damit sogar noch dokumentiert, bewusst in einer deutlich überlegenen Verhandlungsposition gewesen zu sein. Auch unter Druck geschlossene Verträge müssen einer Kontrolle nach § 138 Abs. 1 BGB in vollem Umfang Stand halten, Abstriche sind gerade hier zum Schutz der anderen Partei nicht zuzulassen. Dem Kläger wäre es auch mit einer Obergrenzenregelung möglich gewesen, die Ziele der Druckausübung und Schadloshaltung im zulässigen Umfang zu erreichen.
Vor diesem Hintergrund wird empfohlen, die Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen. Hierzu, hilfsweise zur Stellungnahme zu den Hinweisen des Senats besteht Gelegenheit bis 08.06.2018.