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Bauvertrag – mündlicher Bedenkenhinweis

OLG Brandenburg – Az.: 12 U 230/20 – Urteil vom 29.07.2021

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 13.10.2020 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer – Einzelrichter – des Landgerichts Potsdam, Az. 13 O 249/18, einschließlich des ihm zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden nicht erhoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin, ein Spezialbauunternehmen im Bereich Bodenbeschichtungen, Hoch- und Tiefbau, macht gegen den Beklagten, einen Unternehmer im Bereich Garten- und Landschaftsbau, Ansprüche auf Kostenvorschuss sowie Kostenerstattung für die Beseitigung geltend gemachter Mängel an dem Bauvorhaben Parkdeck des Wohn- und Geschäftszentrums in der ###-Straße ### in ###. geltend. Der Beklagte war von der Klägerin als Subunternehmer mit der Ausführung von Demontage- und Abbrucharbeiten des Parkplatzbelages, der Wiederherstellung und dem Einbau einer Rinnenkonstruktion zur Entwässerung und Erneuerung des Parkdecks sowie dem Wiederaufbau der Pflanztröge inklusive der Begrünung und der Wiederherstellung der Rinnenkonstruktion und des Pflasterbelages im Gehwegbereich des Parkdecks beauftragt worden. Die Parteien streiten über die Verantwortlichkeit des Beklagten für von der Klägerin gerügte Mängel einer unvollständigen Fugenverfüllung des Pflasterbelages sowie eines fehlenden fachgerechten Einbaus der Entwässerungsrinnen. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 28.469,15 Euro nebst Zinsen sowie Rechtsanwaltskosten in Höhe von 533,20 Euro netto nebst Zinsen zu zahlen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Klägerin habe gegen den Beklagten gemäß § 637 Abs. 3 BGB Anspruch auf einen Kostenvorschuss für Mängelbeseitigungsarbeiten in Höhe von 23.500,00 Euro netto sowie gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B Anspruch auf Ausgleich von Ersatzvornahmekosten in Höhe von 4.969,15 Euro. Die Leistung des Beklagten sei mangelhaft. Der Sachverständige ### habe im selbständigen Beweisverfahren Fugenverschiebungen an der Pflasterfläche festgestellt. Für diesen Mangel habe der Beklagte einzustehen. Er sei den Feststellungen des gerichtlichen Gutachters nicht substantiiert entgegengetreten. Soweit der Beklage weitergehende Ausführungen zur Ursächlichkeit einer zu geringen Aufbauhöhe getätigt habe, sei er mit diesen Einwendungen präkludiert. Die vom Beklagten vorgelegten Bedenkenanzeigen seien inhaltlich nicht ausreichend gewesen. Der Beklagte könne sich auch nicht damit entlasten, dass eine teilweise fehlende bzw. unzureichende Verfüllung des Pflasterverbundes auf einer fehlenden oder unzureichenden Wartung seitens der Klägerin beruhe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe nicht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass der Beklagte die Klägerin in ausreichendem Maße auf die Notwendigkeit einer Wartung hingewiesen habe. Der Klägerin stehe bezüglich der Entwässerungsrinne ein Kostenvorschussanspruch gemäß § 637 Abs. 3 BGB zu. Der Klägerin stehe ferner ein Anspruch auf Ersatzvornahmekosten in Höhe von 4.969,15 Euro zu. Der Zeuge ### habe in der mündlichen Verhandlung die erforderlichen Arbeiten wegen Unfallgefahr bestätigt. Die Hilfsaufrechnung des Beklagten habe keinen Erfolg. Es fehle an nachvollziehbaren Ausführungen des Beklagten, wie sich die noch offene Werklohnforderung in Höhe von 11.108,28 Euro errechnen solle. Wegen der weiteren Einzelheiten zur Begründung wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe verwiesen.

Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 19.10.2020 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit einem am 03.11.2020 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangen Schriftsatz Berufung eingelegt und das Rechtsmittel nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 21.02.2021 mit einem am 19.02.2021 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte seinen erstinstanzlichen Antrag auf Klageabweisung weiter. Er rügt einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör. Das Landgericht habe verfahrensfehlerhaft gehandelt, indem es seinen weiteren Beweisangeboten nicht nachgegangen sei. Es hätte zumindest eine ergänzende Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen zu den vom Gericht selbst in seinem Hinweisbeschluss vom 08.07.2019 aufgelisteten Fragen durchführen müssen. Der Vorwurf des Landgerichts in Bezug auf eine Präklusion mit etwaigen Ergänzungsfragen sei ungerechtfertigt, da die entscheidungserheblichen Fragen vom Gutachten im selbständigen Beweisverfahren nicht ausreichend beantwortet worden seien. Der Beklagte rügt die Auffassung des Landgerichts, die schriftlichen Bedenkenanzeigen zur unzureichenden Aufbauhöhe seien inhaltlich nicht ausreichend gewesen, als unzutreffend. Da es sich bei der Klägerin um ein Spezialbauunternehmen mit hoher technischer und planerischer Kompetenz handele, seien seine schriftlichen Bedenkenanzeigen für die Klägerin klar und verständlich gewesen und von der Klägerin auch nicht zurückgewiesen worden. Auch hinsichtlich der Wartungshinweise habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass es sich bei der Klägerin um ein Spezialbauunternehmen handele. Insoweit seien die an ihn zu stellenden Anforderungen seitens des Landgerichts überspannt worden. Dass die Untätigkeit der Klägerin aufgrund der fehlenden Wartung und Nachsandung zu einer Vertiefung des Schadens geführt habe, habe der gerichtliche Sachverständige ausgeführt. Zu den beschädigten Entwässerungsrinnen sei das Landgericht allein den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen gefolgt, ohne seine, des Beklagten, Ausführungen und das zu den Gerichtsakten gereichte Privatgutachten zu berücksichtigen. Auch insoweit rügt der Beklagte eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Schließlich habe das Landgericht auch zu Unrecht die Ersatzvornahmekosten in voller Höhe zugesprochen; insoweit sei die Beweiswürdigung des Landgerichts ebenfalls zu beanstanden.

Hinsichtlich der noch offenen Werklohnforderung aus der Schlussrechnung vom 14.06.2013 seien die Ausführungen des Landgerichts nicht nachzuvollziehen. Mit der Schlussrechnung habe sich das Landgericht erstinstanzlich nicht auseinandergesetzt. Die Schlussrechnung habe den formalen Anforderungen gemäß § 14 Zif. 1 VOB/B entsprochen. Den unberechtigten Rechnungskürzungen der Klägerin sei im Einzelnen substantiiert entgegengetreten worden. Zudem sei erstinstanzlich hinreichend Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten worden. Weitere Hinweise habe das Landgericht nicht mehr erteilt. Vorsorglich werde das der Klägerin übermittelte Aufmaß als Anlage zur Berufungsbegründung nachgereicht. Die geltend gemachte Forderung in Höhe von 11.108,28 Euro ergebe sich daraus, dass die Klägerin auf den Rechnungsbetrag von 33.188,91 Euro unstreitig noch 22.029,46 Euro gezahlt habe, sowie seinem Schreiben vom 15.07.2013.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 13.10.2020, Az.: 13 O 249/18, abzuändern und die Klage vollständig abzuweisen; hilfsweise das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 13.10.2020, Az.: 13 O 249/18, aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung an das Landgericht Potsdam zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt mit weiteren Ausführungen das angefochtene Urteil, das sie für rechtsfehlerfrei hält, unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Die Akten des Landgerichts Düsseldorf zum Az.: 6 OH 8/15 lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß den §§ 517 ff. ZPO eingelegte Berufung des Beklagten hat vorläufig Erfolg und führt auf den Hilfsantrag zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht gemäß § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO.

1. Dem Landgericht sind mehrere wesentliche Verfahrensfehler unterlaufen, indem es entscheidungserheblichen Vortrag des Beklagten nicht zur Kenntnis genommen bzw. zu Unrecht nicht berücksichtigt hat und damit den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör gemäß Artikel 103 GG verletzt hat.

a) Hinsichtlich der zwischen den Parteien unstreitigen Mangelerscheinung der Pflasterverschiebungen hat das Landgericht die Einwendungen des Beklagten aus dem Schriftsatz vom 25.06.2019 verfahrensfehlerhaft als verspätet zurückgewiesen.

Mit dem Schriftsatz vom 25.06.2019 hat der Beklagte seine Einwendungen, die aufgetretenen Pflasterverschiebungen beruhten letztlich auf einer zu geringen Aufbauhöhe der Oberbaukonstruktion, weshalb er für diesen Mangel nicht verantwortlich sei, nochmals wiederholt und dies auch durch substantiierten Vortrag unterlegt. Er hat dazu im Einzelnen ausgeführt, dass eine zu geringe Aufbauhöhe der Oberbaukonstruktion auf starken Betondecken mit abschließenden Platten oder Pflasterbelägen als potentiell schadenträchtig zu bewerten sei und aufgrund der Belastungen des Fahrverkehrs erhebliche fahrdynamische Kräfte sowohl horizontal als auch vertikal auf die Deck- und Verschleißschicht der Oberbaukonstruktion einwirkten, und dazu näher ausgeführt. Diesen ergänzenden Vortrag durfte das Landgericht nicht deshalb als präkludiert ansehen, weil der Beklagte diese Einwendungen nicht bereits in dem vor dem Landgericht Düsseldorf geführten selbständigen Beweisverfahren vorgebracht hat. Zwar hat das Landgericht Düsseldorf seinerzeit den Parteien mit Beschluss vom 12.05.2016 eine entsprechende Frist zur Mitteilung von Einwendungen und Ergänzungsfragen gesetzt und auf die Folgen einer Versäumung der Frist hingewiesen. Die von dem Beklagten gestellte Ergänzungsfrage aus dem Schriftsatz vom 28.06.2016, die sich mit der vermeintlich zu geringen Aufbauhöhe der Oberbaukonstruktion befasste, ist von ihm nachfolgend wieder zurückgezogen worden. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Beklagte mit Einwendungen bezüglich eine zu geringe Aufbauhöhe im vorliegenden Hauptsacheverfahren ausgeschlossen ist. Zum einen handelt es sich bei der Frist des § 411 Abs. 4 S. 2 ZPO nicht um eine starre Ausschlussfrist, vielmehr wird § 296 Abs. 1 und Abs. 4 ZPO für entsprechend anwendbar erklärt. Daraus folgt, dass eine Präklusion grundsätzlich nur zulässig ist, wenn durch den verspäteten Vortrag tatsächlich eine Verzögerung des Rechtsstreits eingetreten ist und die Verspätung nicht genügend entschuldigt wird. Zu der Frage einer Verzögerung des Rechtsstreits hat das Landgericht jedoch keine Feststellungen getroffen. Insoweit ist es auch dem Senat verwehrt, eigenständig die Frage einer Verzögerung zu beurteilen. Eine solche Verzögerung drängt sich auch nicht bereits deshalb auf, weil es im Bereich des Möglichen erscheint, dass das Landgericht einer etwaigen Verzögerung durch Ladung des Sachverständigen zu einem Termin zur Erläuterung des Gutachtens hätte vorgreifen können.

Zum anderen sind nach wohl überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur Anträge auf Ergänzung und Erläuterung des Gutachtens oder Einwendungen dagegen im Hauptsacheprozess bereits deshalb nicht ausgeschlossen, weil im selbständigen Beweisverfahren eine Würdigung des Gutachtens durch das Gericht des selbständigen Beweisverfahrens nicht stattfindet, sondern erst durch das erkennende Gericht des Hauptsacheprozesses. Einwendungen gegen das Gutachten des selbständigen Beweisverfahrens sind daher nicht dadurch ausgeschlossen, dass sie schon im selbständigen Beweisverfahren hätten vorgebracht werden können. Eine Anhörung des Sachverständigen im Hauptsacheverfahren ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn das Gutachten im selbständigen Beweisverfahren erstattet wurde und dort schon ein Ergänzungsgutachten eingeholt wurde. Die Bestimmung des § 296 Abs. 1 ZPO ist auf das Verhältnis von Beweis- und Hauptsacheverfahren nicht entsprechend anwendbar. Entscheidend ist ferner, dass das selbständige Beweisverfahren nicht eine Entscheidung des Rechtsstreits zum Ziel hat und damit in diesem Verfahren keine rechtliche Bewertung vorgenommen wird. Auch aus § 493 Abs. 1 ZPO lässt sich keine andere Bewertung herleiten (vgl. dazu im Einzelnen Koeble in Kniffka/Koeble u.a., Kompendium des Baurechts, 5. Auflage, 14. Teil Rn. 200 f.; Frechen in Werner/Pastor, Der Bauprozess, 17. Auflage Rn. 114 jeweils m.w.N. zum Meinungsstand).

b) Die Einwendungen des Beklagten zu der zu geringen Aufbauhöhe sind auch nicht deshalb unerheblich, weil der Beklagte, wie das Landgericht gemeint hat, nicht in ausreichendem Maße auf Bedenken hingewiesen hat.

Seiner Bedenkenhinweispflicht nach § 4 Abs. 3 VOB/B (2012) kommt der Unternehmer nur nach, wenn er die nachteiligen Folgen und die sich daraus ergebenden Gefahren der unzureichenden Vorgaben konkret darlegt, damit dem Besteller die Tragweite der Nichtbefolgung hinreichend verdeutlicht wird (vgl. OLG Düsseldorf BauR 2016, 297; OLG Düsseldorf BauR 2013, 1283; OLG Düsseldorf BauR 2001, 638; Jurgeleit in Kniffka/Koeble u. a., a.a.O. 5. Teil Rn. 69). Diesen Anforderungen genügen die schriftlichen Bedenkenanzeigen des Beklagten mit Schreiben vom 24.03.2013 (Anlage B 1) und vom 11.05.2013 (Anlage B 2) nicht. In dem Schreiben vom 24.03.2013 wird lediglich pauschal mitgeteilt, dass aufgrund der geringen Aufbauhöhe Bedenken angemeldet werden und eine Gewährleistung für die Arbeiten abgelehnt wird. Mit dem Schreiben vom 11.05.2013 wird lediglich diese Bedenkenanzeige wiederholt, ohne dass auf die nachteiligen Folgen und die Möglichkeit einer Fugenverschiebung bei der Ausführung in der vorgegebenen Bauweise hingewiesen wird.

Der Beklagte hat jedoch mit Schriftsatz vom 21.08.2019 ergänzend vorgetragen, dass anlässlich einer Besprechung am 20.03.2013 der Geschäftsführer der Klägerin durch den Vater des Beklagten eingehend, verständlich und technisch präzise über die grundsätzliche Problematik geringer Aufbauhöhen im Fall der Herstellung von Flächenbelegen aus Betonwerksteinpflaster auf Unterbautenflächen unterrichtet und auf mögliche Folgen, insbesondere über die Gefahr der Verschiebung von Fugen, die als Schadensymptomatik aus einschlägigen Fachpublikationen bekannt gewesen sei, hingewiesen worden sei. Dieser Vortrag wurde unter Beweis gestellt durch das Zeugnis des Vaters des Beklagten. Zwar hat nach § 4 Abs. 3 VOB/B (2012) der Bedenkenhinweis grundsätzlich schriftlich zu erfolgen. Das bedeutet jedoch nicht, dass ein mündlicher Hinweis unerheblich ist. Vielmehr reicht ein mündlicher Hinweis aus, wenn dieser eindeutig, inhaltlich klar, vollständig und erschöpfend ist (vgl. OLG Hamm, BauR 1995, 852; OLG Hamm, Urteil v. 10.12.2012 – 17 U 107/11; Jurgeleit a.a.O. 5. Teil Rn. 68). Jedenfalls müsste sich die Klägerin ein Mitverschulden nach § 254 BGB zurechnen lassen, wenn sie Hinweise des Auftragnehmers trotz zuverlässiger mündlicher Belehrung nicht befolgt (vgl. BGH NJW 1975, 1217). Dieses substantiierte und unter Beweis gestellte Vorbringen des Beklagten ist vom Landgericht im angefochtenen Urteil völlig unberücksichtigt gelassen worden, worin erneut eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt.

Diese Verfahrensfehler sind für das angefochtene Urteil auch ursächlich geworden. Bei korrekter Vorgehensweise hätte das Landgericht entweder ein ergänzendes Gutachten des im selbständigen Beweisverfahren tätigen Sachverständigen ### einholen oder den Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens zum Termin laden müssen, zumal sich die Feststellungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten, aus fachlicher Sicht seien bezüglich der geringen Oberbauhöhenkonstruktion keine Einflussnahme oder Einwirkungen auf die Verschiebungen des Betonverbundsteinpflasters erkennbar, auf einen Satz beschränken. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass im Fall einer ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen das Landgericht zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. In diesem Fall hätte es den Vater als Zeugen zu dem behaupteten Gespräch am 20.03.2013 hören und dazu ebenfalls nach § 141 ZPO den Geschäftsführer der Klägerin anhören müssen. Im Ergebnis kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass bei Durchführung dieser ergänzenden Beweisaufnahme das Landgericht zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre.

c) Ein weiterer Verfahrensfehler des Landgerichts liegt darin, dass es das Vorbringen des Beklagten bezüglich die Restwerklohnforderung aus der Schlussrechnung vom 14.06.2013 als unschlüssig zurückgewiesen hat.

Der von der Klägerin geltend gemachte Vorschussanspruch besteht nur insoweit, als der Besteller sich nicht aus zurückbehaltenem Werklohn befriedigen kann. Der Vorschussanspruch besteht nach Treu und Glauben von vornherein nur insoweit, als der Auftraggeber nicht restlichen Werklohn im Hinblick auf vorhandene Mängel zurückbehalten hat und diesen zur Mängelbeseitigung verwenden kann. In diesem Fall ist der Auftraggeber nach § 242 BGB insoweit auf die Möglichkeit des Zugriffs auf den einbehaltenen Werklohn zu verweisen, ohne dass es einer ausdrücklichen Aufrechnungserklärung des Auftragnehmers bedarf (vgl. OLG Hamm NJW-RR 1998, 885; Jurgeleit in Kniffka/Koeble a.a.O. 5. Teil Rn. 347).

Bauvertrag - mündlicher Bedenkenhinweis
(Symbolfoto: Von Freedomz/Shutterstock.com)

Im Streitfall hat der Beklagte einen fälligen restlichen Werklohnanspruch in Höhe von 11.108,28 Euro substantiiert dargelegt. Auf eine fehlende Prüffähigkeit der Schlussrechnung kann sich die Klägerin schon deshalb nicht mehr mit Erfolg berufen, weil sie selbst die Rechnung geprüft und eine Gegenrechnung aufgemacht hat, in der sie auf einen noch ausstehenden Werklohnanspruch in Höhe von 22.029,46 Euro gekommen ist. Diesen Betrag hat die Klägerin unstreitig an den Beklagten bezahlt. Die Schlussrechnungssumme von 33.188,90 Euro abzüglich der gezahlten 22.029,46 Euro sowie die von dem Beklagten in dem Schriftsatz vom 25.06.2019 akzeptierte Rechnungskürzung bei der Position 5.03 in Höhe von 51,17 Euro ergibt rechnerisch den von dem Beklagten noch geltend gemachten Betrag von 11.108,28 Euro. Die Auffassung des Landgerichts, es sei nicht nachvollziehbar, wie sich der geltend gemachte Betrag errechne, lässt sich daher nicht aufrechterhalten. Vielmehr ist somit in eine Sachprüfung hinsichtlich der Berechtigung der noch geltend gemachten Forderung einzutreten. Soweit die Klägerin hinsichtlich einzelner Positionen die vom Beklagten abgerechneten Mengen bestreitet, ist dieses Bestreiten nicht als unsubstantiiert anzusehen, auch wenn die Klägerin ein eigenes Aufmaß nicht vorgelegt hat. Die Klägerin hat jedoch konkret angegeben, welche Mengen nach ihrer Rechnungsprüfung zutreffend sein sollen. Zum Beweis der Richtigkeit der von dem Beklagten abgerechneten Mengen wird daher die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich werden. Gegebenenfalls ist dazu auch noch der Zeuge ### zu hören.

Indem das Landgericht die Richtigkeit der Schlussrechnung nicht weiter geprüft hat, liegt wiederum ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör des Beklagten vor. Auch dieser Verfahrensfehler ist für das angefochtene Urteil ursächlich geworden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei Durchführung einer Beweisaufnahme über die Richtigkeit der von dem Beklagten abgerechneten Mengen das Landgericht zu einem anderen Ergebnis bis hin zur Abweisung der Klage gekommen wäre.

d) Aufgrund der Verfahrensfehler des Landgerichts wird eine aufwendige und umfangreiche Beweisaufnahme durch ergänzende Anhörung des im selbständigen Beweisverfahren beauftragten Sachverständigen ###, eine ergänzende Zeugenvernehmung sowie Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens erforderlich werden. Aufgrund dieses Umfangs hält der Senat eine eigene Sachentscheidung nicht für angebracht, sondern verweist den Rechtsstreit gemäß § 538 Abs. 2 S. 1 Zif. 1 ZPO zurück an das Landgericht. Insbesondere die Höhe der vom Beklagten geltend gemachten Werklohnforderung ist bislang nicht Gegenstand der landgerichtlichen Beweisaufnahme gewesen, so dass der Senat auch im Hinblick darauf, dass hierzu den Parteien nicht von vornherein eine Instanz genommen werden soll, von einer eigenen Durchführung der Beweisaufnahme absieht.

2. Für das weitere Verfahren weist der Senat noch auf Folgendes hin:

Ein Anspruch der Klägerin aus § 637 Abs. 3 BGB, § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B (2012) auf Kostenvorschuss in Höhe von 23.500,00 Euro hinsichtlich der geltend gemachten Mängel sowie auf Kostenerstattung gemäß § 637 Abs. 1 BGB, § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B hinsichtlich der zur Gefahrenabwehr durchgeführten Mängelbeseitigungsmaßnahmen vom 30.07.2014 und vom 29.05.2017 in Höhe von 4.969,15 Euro ist schlüssig dargelegt. Zwischen den Parteien ist ein Werkvertrag über die Erneuerung des Parkplatzbelages des Parkdecks des Wohn- und Geschäftszentrums in der ###-Straße ### in ### unter wirksamer Einbeziehung der VOB/B in der Fassung von 2012 zustande gekommen. Soweit als erste Voraussetzung für die Anwendbarkeit der §§ 634 ff. BGB eine Abnahme der Leistungen des Beklagten Voraussetzung ist, hat die Klägerin zwar zum Vorliegen einer Abnahme im Verhältnis zum Beklagten nicht ausdrücklich vorgetragen. Aus dem im selbständigen Beweisverfahren vor dem Landgericht Düsseldorf eingeholten Sachverständigengutachten ergibt sich jedoch, dass die Parteien beim Ortstermin übereinstimmend angegeben haben, dass eine Abnahme der Leistungen des Beklagten durch die Klägerin am 08.06.2013 erfolgt ist.

Nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen ### bei seinem Ortstermin am 22.03.2016 hat sich der Pflasterbelag in den Fahrbereichen des Parkdecks bis ca. 8 cm verschoben, was einen gravierenden Mangel nach den einschlägigen Regeln der Technik darstellt. Dieser Mangel ist nach den Feststellungen des Sachverständigen auf fehlendes Fugenverfüllungsmaterial sowie unter Einbeziehung ungeeigneter und nicht abgestimmter Fugenverfüllungs- und Bettungsmaterialien sowie auf die vielfach nicht vollfugig verfüllten Fugen der Betonverbundsteinpflasterung zurückzuführen. Als weiteren Mangel hat der Sachverständige die Lockerung, Anhebung und den Bruch der Entwässerungsrinnen festgestellt. Soweit der Beklagte behauptet, das Fugenverfüllungs- und Bettungsmaterial sei von Seiten der Klägerin vorgegeben worden, ist dieser Vortrag zum einen unkonkret geblieben, zum anderen hat der Beklagte nicht substantiiert vorgetragen, auch insoweit die Klägerin auf Bedenken gegen die Geeignetheit des Materials hingewiesen zu haben. Im Übrigen war in dem ursprünglichen Angebot des Beklagten noch Granitsplitt als Material vorgesehen. Im selbständigen Beweisverfahren hat der Beklagte noch vortragen lassen, die Entscheidung, statt Granitsplitt Basalsplitt zu verwenden, sei aufgrund der aktuelleren Verfügbarkeit von Basalsplitt erfolgt. Von einer Vorgabe durch die Klägerin war damals noch nicht die Rede.

Der Einwand des Beklagten der mangelhaften Wartung der Verkehrsflächen greift hingegen nicht durch. Zwar hat der Sachverständige ### in seinem Ergänzungsgutachten vom 30.11.2016 ausgeführt, dass davon auszugehen sei, dass bei ordnungsgemäßer Wartung und Unterhaltung die aufgetretenen Schäden hätten vermieden werden können. Dies gilt jedoch nur unter der von dem Sachverständigen angenommenen Voraussetzung, dass die zu geringe Aufbauhöhe keinen Einfluss auf das Vorliegen der Pflasterverschiebungen gehabt habe. Ein der Klägerin nach § 254 BGB zuzurechnendes Mitverschulden hat der Beklagte jedoch nicht nachzuweisen vermocht. Ein solches Mitverschulden setzt voraus, dass der Beklagte in Erfüllung seiner Nebenpflicht aus dem Vertrag entsprechende Hinweise zur Wartung der Flächen erteilt hat, was jedoch nach der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme nicht bewiesen ist. Das Landgericht hat einen solchen Nachweis nicht als geführt angesehen, weil der Zeuge M### nicht zu berichten vermocht habe, welchen konkreten Inhalt sein Gespräch mit dem Geschäftsführer der Klägerin im Hinblick auf die Wartung gehabt habe. Zudem habe der Zeuge R### bekundet, dass mit ihm nicht über die Notwendigkeit einer Wartung gesprochen worden sei. Mit dieser Beweiswürdigung hat sich der Beklagte in der Berufungsbegründung nicht weiter auseinandergesetzt.

Hinsichtlich des vom Sachverständigen ### in seinem Ausgangsgutachten festgestellten Bruchs der Entwässerungsrinnen hat der Beklagte ebenfalls keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen, die gegen seine Verantwortlichkeit für diesen Mangel sprechen. Soweit er vorgetragen hat, die Beschädigung gehe vermutlich auf ein nicht der Belastungsklasse der Parkdeckfläche entsprechendes Schadensereignis zurück, und dazu das Privatgutachten des Sachverständigen (Y) vom 31.12.2013 vorgelegt hat, entspricht dies bereits seinem Vorbringen aus dem selbständigen Beweisverfahren, in dem der Beklagte ebenfalls auf das Privatgutachten (Y) Bezug genommen hat. Es ist daher davon auszugehen, dass der Sachverständige ### dieses Privatgutachten bei Abfassung seines Gutachtens zur Kenntnis genommen hat, so dass der Inhalt dieses Gutachtens keinen neuen, dem Sachverständigen nicht bekannten Sachvortrag darstellt und die entsprechenden Einwendungen insoweit bereits durch das Vorliegen des gerichtlichen Gutachtens widerlegt worden sind. Aus diesem Grunde ist es nicht erheblich, dass das Landgericht im Urteil auch nicht mehr auf das Privatgutachten eingegangen ist.

Da sich die von dem Sachverständigen ### ermittelten Mängelbeseitigungskosten jedoch nicht allein auf den Bruch der Entwässerungsrinnen beziehen, bleibt eine Klärung der Verantwortlichkeit des Beklagten für die aufgetretenen Pflasterverschiebungen weiterhin erforderlich.

Die Mängelerscheinungen sind dem Beklagten unter Fristsetzung zur Mangelbeseitigung mit den Schreiben vom 18.11., 20.11.2013 sowie 18.07.2014 angezeigt worden.

Die geltend gemachten Kosten für die bereits durchgeführten Reparaturarbeiten in Höhe von 4.969,15 Euro sind vom Beklagten nicht substantiiert bestritten worden. Die Notwendigkeit der Durchführung der Arbeiten ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch die Vernehmung des Zeugen R### auch bestätigt worden. Allein dass sich der Zeuge nicht mehr zeitlich an die genaue Durchführung der Arbeiten erinnern konnte, steht der Glaubhaftigkeit seiner Aussage nicht entgegen.

Ein Anspruch auf Verzugszinsen stünde der Klägerin zum einen nur in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu, da es sich bei dem Vorschussanspruch bzw. Kostenerstattungsanspruch nicht um eine Entgeltforderung handelt und im Übrigen § 288 Abs. 2 BGB in seiner jetzigen Fassung erst für nach dem 28.07.2014 entstandene Schuldverhältnisse gilt (vgl. Artikel 229 § 34 EGBGB). Hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruches ist ein Verzugseintritt des Beklagten vor Rechtshängigkeit im Übrigen nicht erkennbar.

III.

Die Entscheidung über die Niederschlagung der Gerichtskosten für das Berufungsverfahren folgt aus § 21 Abs. 1 S. 1 GKG. Im Übrigen bleibt die Entscheidung über die Tragung der außergerichtlichen Kosten dem Landgericht vorbehalten.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Im Hinblick darauf, dass die Entscheidung des Senats einen Einzelfall betrifft, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 28.469,15 Euro festgesetzt. Eine Erhöhung des Streitwertes nach § 45 Abs. 3 GKG ist nicht gegeben, da über die Höhe der Werklohnforderung des Beklagten von Amts wegen im Zuge der Ermittlung der Höhe des geltend gemachten Kostenvorschussanspruchs zu entscheiden ist. Daran ändert auch nichts, dass der Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit der Werklohnforderung erklärt hat.

 

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