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Bauvertrag – Mitverschulden – Freigabe fehlerhafter Pläne

OLG Karlsruhe – Az.: 8 U 174/14 – Urteil vom 12.04.2016

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Schlussurteil des Landgerichts Baden-Baden vom 07.11.2014 (2 O 393/12) im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagten werden wie Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 10.102,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 10.05.2010 zu zahlen, wobei die Haftung der Beklagten zu 2 bis 30 betragsmäßig auf ihren jeweiligen Anteil gemäß Eigentümerliste der Anlage B 1 beschränkt ist.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 41 % und die Beklagten wie Gesamtschuldner mit obiger Maßgabe (I.1.) 59 %.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin 28 % und den Beklagten wie Gesamtschuldnern mit obiger Maßgabe (I.1.) 72 % auferlegt. Die durch die Nebenintervention im Berufungsverfahren verursachten Kosten trägt die Klägerin zu 28 %; im Übrigen behält die Streithelferin der Beklagten ihre Kosten auf sich.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Zwangsvollstreckung kann gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des von ihr zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision der Beklagten wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin macht gegen die Beklagten restlichen Werklohn geltend.

Die Erstbeklagte ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts; die übrigen Beklagten sind deren Gesellschafter. Die Erstbeklagte, vertreten durch ihre damaligen Geschäftsführer, beauftragte die Klägerin gemäß Auftragsschreiben vom 24.04.2008 mit der Erbringung von Heizungsbauarbeiten am Wohngebäude P. Ring … in Baden-Baden. Grundlage des Auftrages waren das Angebot der Klägerin vom 27.03.2008, das Leistungsverzeichnis der Firma AC Ingenieurgesellschaft mbH (fortan: AC) und das Vergabeprotokoll vom 24.03.2008. Die Geltung der VOB/B wurde vereinbart. Ausdrücklich ausgenommen waren die Titel 1.1. und 1.2. des Leistungsverzeichnisses (Anlage K 3/2). Diese Titel wurden von der Erstbeklagten zusammen mit dem Nachtrag Nr. 1 gemäß der schriftlichen Vereinbarung vom 18.11.2008/17.01.2009 der Klägerin in Auftrag gegeben.

Die Erstbeklagte beauftragte die P-Generalplanung GmbH (fortan: P oder P GmbH) mit der Planung und Bauüberwachung. Die P GmbH beauftragte AC mit der Planung und Bauüberwachung der Haustechnik.

Das Leistungsverzeichnis sah vor, dass der Pelletraum mit Schrägböden von 6,2 m x 9,1 m ausgestattet wird. Diese Arbeiten vergab die Klägerin an die Firma KB Holzfeuerungen GmbH (fortan: KB) als Subunternehmerin. Die von AC gefertigte und der Klägerin bzw. KB übergebene Planzeichnung vom 30.07.2008 (K 14 = II/K2; II 65), die die Rohbaumaße richtig wiedergibt, sah Schrägböden in einem Einbauwinkel von 45 Grad und 26,33 Grad vor. Hierdurch hätte sich ein rechnerisches Speichervolumen von ca. 17,72 m³, effektiv aber nur von ca. 15 m³ ergeben. Die Klägerin war verpflichtet, „Montagepläne“ (Werkpläne/Ausführungspläne) zu fertigen und AC zur Prüfung vorzulegen. Sie durfte erst nach Freigabe dieser Pläne mit der Ausführung der geschuldeten Bauleistungen beginnen.

Mit E-Mail-Schreiben vom 30.07.2008 (II 61) an AC meldete KB Bedenken an. Darin heißt es:

„1.

Bei Einlaufschrägen < 45° bleibt Pelletstaub auf der Holzschräge liege. Diese Staubschicht baut sich auf, bis sie stark genug ist und dann doch in die Schnecke rutscht. Dann kann die Schnecke mit Holzstaub gefüllt sein, was zu Verstopfungen führt. Wenn es die Schnecke doch schafft, den Holzstaub in die Feuerung zu befördern, kann es dort zu Verpuffungen kommen. Das ist nicht nur unangenehm, sondern gefährlich für Mensch und Technik.

2.

Bauvertrag - Mitverschulden - Freigabe fehlerhafter Pläne
(Symbolfoto: GEORGII MIRONOV/Shutterstock.com)

Das Füllvolumen beträgt theoretisch 17,7 m³. In der Praxis wird es sich um etwa 15 m³ bewegen. Das sind 9,75 t bzw. 46.800 kWh. Das reicht für etwa 270 Vollbetriebsstunden. Damit muss recht häufig nachgefüllt werden. Das Volumen reicht außerdem nicht, um eine komplette Lkw-Ladung aufzunehmen, was sich negativ auf den Pelletpreis auswirkt.“

Mit E-Mail-Schreiben vom 08.08.2008 (II 63) an AC schloss sich die Klägerin diesen Bedenken an.

Unter dem 14.08.2008 fertigte KB einen bemaßten Ausführungsplan an (K 13, 2. Blatt), den die Klägerin abstempelte und AC mit E-Mail-Schreiben vom 12.11.2008 zur Freigabe übermittelte. In diesem Schreiben (B 16) heißt es:

„Anbei erhalten Sie nochmals die Ca.-Daten, welche wir von der Fa. KB bezüglich des Pelletlagerraumes erhalten haben.

Lagerraumgröße ca.: 26 – 28 m³ bei einer gleichmäßigen Befüllung bis ca. 20 cm unter die Decke ergibt sich eine Brennstoffmenge von ca. 18 to. Pellets.

Bei zu installierendem Pelletkessel mit einer Leistung von 150 KW werden unter Volllast 25-27 kg/h Pellets verbrannt.

Bei einer Laufdauer (unter Volllast) von 16 h/tag bedeutet dies eine Laufzeit von ca. 42 Tagen mit einem, wie zuvor beschrieben, vollgefüllten Pelletsbunker.

(Hierbei sind eventuelle solare Gewinne durch die Solaranlage nicht berücksichtigt!)

Dies zu Ihrer Information und Weitergabe an die Bauherrschaft.“

Mit E-Mail-Schreiben vom 13.11.2008 (K 13) an die Klägerin gab AC den oben genannten Plan zur Ausführung frei. Diesem Schreiben lag der von AC mit einem Freigabevermerk versehene Ausführungsplan bei.

Dieser von KB gefertigte Plan war fehlerhaft. Darin ist die Pelletraumhöhe fälschlich mit 2,95 m statt mit 2,3 m angegeben. Die einzubauenden Schrägböden sollten danach jeweils in einem Winkel von 45 Grad eingebaut werden. Durch die so ausgeführten Arbeiten ergab sich ein Volumen des Pelletlagers von nur ca. 13 m³, was ca. 8,6 t Pellets entspricht.

Die Abnahme der klägerischen Arbeiten fand am 15.09.2009 statt.

Mit Schreiben vom 30.10.2009 (B 17) rügte die Beklagte zu 1 das zu geringe Lagervolumen. Mit Schreiben vom 25.01.2010 (B 18) setzte AC der Klägerin letzte Nachfrist zur Mängelbeseitigung bis 08.02.2010. Mit Antwortschreiben vom 05.02.2010 (B 19) wies die Klägerin ihre Pflicht zur Mängelbeseitigung zurück. In der Folgezeit ließ die Erstbeklagte im Wege der Ersatzvornahme durch Drittunternehmen das Pelletlagervolumen vergrößern, indem sie die Tieferlegung der Förderschnecke in Auftrag gab. Hierzu musste eine Bodenvertiefung hergestellt werden. Mit den ihr insoweit entstandenen Kosten, die sie mit insgesamt 14.027,99 EUR beziffert, erklärte die Erstbeklagte die Aufrechnung gegen den Restwerklohnanspruch der Klägerin.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin zunächst die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 99.221,65 EUR nebst Zinsen begehrt. In der mündlichen Verhandlung vom 21.10.2014 haben die Parteien einen Teilvergleich geschlossen. Darin haben sie sich geeinigt, dass der Klägerin gegen die Beklagte zu 1 eine Restwerklohnforderung in Höhe von 60.000,00 EUR zusteht, für welche die übrigen Beklagten gesamtschuldnerisch, jedoch betragsmäßig auf ihren jeweiligen Anteil gemäß Eigentümerliste gemäß Anlage B 1 beschränkt haften. Die Erstbeklagte hat sich verpflichtet, auf die Restwerklohnforderung in Höhe von 60.000,00 EUR an die Klägerin 45.972,00 EUR zu zahlen. Mit dem Teilvergleich haben die Parteien sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus der streitgegenständlichen Vertragsbeziehung erledigt mit Ausnahme der nunmehr noch offenen Klageforderung von 14.027,99 EUR. Die Parteien streiten jetzt noch darüber, ob die Erstbeklagte wirksam die Aufrechnung mit „Ersatzvornahmekosten Pelletlager“ in Höhe von geltend gemachten 14.027,99 EUR erklärte.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen des noch streitigen Parteivorbringens im Einzelnen, der erstinstanzlich gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe wird auf das von der Klägerin mit der Berufung angefochtene Urteil des Landgerichts Bezug genommen. Die Klägerin bringt zur Begründung ihres Rechtsmittels im Wesentlichen vor:

Entgegen der Auffassung des Landgerichts hätten die Parteien keine Beschaffenheitsvereinbarung über das Lagervolumen des Pelletsraumes getroffen. Die Firma AC habe gewusst, dass bei der vorgegebenen Raumhöhe und der Einbringung von Schrägböden kein größeres Raumvolumen als 15 m³ zu erreichen gewesen sei. Die Freigabe der Ausführung, verbunden mit der Vorgabe, ein Lagervolumen von 26 bis 28 m³ zu schaffen, sei auf eine unmögliche Leistung gerichtet gewesen. Die Bauherrschaft bzw. die von ihr eingeschalteten Sonderfachleute müssten sich vorwerfen lassen, einen Raum geplant zu haben, welcher von vornherein für die Aufnahme eines derartigen Lagers nicht geeignet gewesen sei. Es handele sich um eine komplette und äußerst schwerwiegende Fehlplanung. Die Klägerin habe kein größeres Raumvolumen erreichen können. Sie sei damit in jeder Hinsicht entlastet. Es sei davon auszugehen, dass AC in vollem Bewusstsein ein falsches Raummaß handschriftlich eingetragen habe, um von eigenen Versäumnissen abzulenken. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass die Klägerin bereits bei Abgabe ihres Angebotes auf die erheblich zu geringe Raumgröße hingewiesen habe. Die Rechnungen der Firmen F GmbH, KB und Schreinerei B stellten Sowiesokosten dar. Die Kosten der Anmietung einer mobilen Heizzentrale seien nicht erstattungsfähig, weil sich auf dem Dach eine ausreichend dimensionierte Solaranlage befinde, die genügend Energie zur Aufbereitung des Warmwassers geliefert hätte.

Die Klägerin beantragt:

Unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung werden die Beklagten gesamtschuldnerisch haftend verurteilt, an die Klägerin weitere 14.027,99 EUR zu bezahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszins seit 10.05.2010, wobei die Haftung der Beklagten Ziffer 2 bis 30 betragsmäßig auf ihren jeweiligen Anteil gemäß Eigentümerliste nach Anlage B 1 beschränkt ist.

Die Beklagten und deren Streithelferin beantragen:

Die Berufung wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Beklagten und deren Streithelferin verteidigen die angefochtene Entscheidung und bringen im Wesentlichen vor:

Die von der Klägerseite angesprochene Verpflichtung des Bauherren, den Baugrund und einen ordnungsgemäßen Plan zur Verfügung zu stellen, betreffe den vorliegenden Fall nicht; denn die zeichnerische Darstellung stamme nicht vom Bauherrn, sondern sei vom Werkunternehmer selbst zur Verfügung gestellt worden. Wenn die Firma KB als Subunternehmerin der Klägerin ihrem eigenen Plan eine falsche Raumhöhe von 2,95 m zugrunde gelegt habe, könne das nicht den Beklagten zugerechnet werden. Die E-Mail vom 08.08.2008, in der die Klägerin eine Alternative angeboten habe, stelle zwar aus Sicht der Beklagten einen Bedenkenhinweis dar. Diese Bedenken habe jedoch die Klägerin selbst durch ihre spätere E-Mail vom 12.11.2008, in der eine Größe von 26 bis 28 m³ angegeben werde, ausgeräumt. Die falsche Planung und die unzutreffende Maßangabe sei von der Firma KB zu verantworten, deren Verhalten der Klägerin nach § 278 BGB zuzurechnen sei. Eine Haftung der Klägerin scheitere auch nicht an objektiver Unmöglichkeit. Es hätten, wie die Klägerin selbst vortrage, technische Alternativen bestanden. Ein Mitverschulden der Beklagten sei nicht gegeben, weil die Beklagten auf die Berechnung des Lagerraumvolumens durch die Klägerseite hätten vertrauen dürfen.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Der Klägerin steht gegen die Erstbeklagte ein restlicher Werklohnanspruch in Höhe von 10.102,90 EUR nebst Zinsen zu. Hierfür haften die Beklagten zu 2 bis 30 entsprechend § 128 HGB wie Gesamtschuldner, wobei die Haftung betragsmäßig auf ihren jeweiligen Anteil gemäß Eigentümerliste (B 1) beschränkt ist.

1.

Aufgrund des Teilvergleichs vom 26.10.2014 (I 665 f.) ist die jetzt noch weiterverfolgte Restwerklohnforderung der Klägerin gegen die Beklagten in Höhe von 14.027,99 EUR in ihrer Entstehung unstreitig.

2.

Diese Forderung ist durch Aufrechnung der Erstbeklagten mit ihrem Anspruch gegen die Klägerin auf Erstattung der von ihr aufgewendeten Ersatzvornahmekosten in Höhe von 3.925,09 EUR erloschen (§ 389 BGB).

Der Anspruch der Erstbeklagten auf Erstattung der Ersatzvornahmekosten ergab sich aus § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B (2006). Nach dieser Vertragsbestimmung kann der Auftraggeber die Mängel auf Kosten des Auftragnehmers beseitigen lassen, wenn der Auftragnehmer der Aufforderung zur Mängelbeseitigung in einer vom Auftraggeber gesetzten angemessenen Frist nicht nachkommt.

a.

Das Landgericht (LGU 6, 7, 1. Absatz) hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen zutreffend bejaht.

Dem schriftlichen Bauvertrag über die Erstellung der Beschickungsanlage im Pelletraum lag eine Beschaffenheitsvereinbarung zugrunde, wonach das Lagervolumen für die Pellets ca. 26 bis 28 m³ betragen sollte. Dem Vertragsschluss ging das Angebot vom 18.11.2008 (B 4) der Erstbeklagten, vertreten durch ihre damaligen Geschäftsführer L. und G., voraus. Darin wird Bezug genommen auf den Hauptauftrag und das Leistungsverzeichnis. Danach waren von der Klägerin Montagepläne vorzulegen. Im Zeitpunkt des Angebots lag der Montageplan vom 14.08.2008 (K 13), den KB für die Klägerin gefertigt hatte, bereits vor und war auf Verlangen der Klägerin von AC freigegeben worden. Aus der maßgeblichen Sicht der Klägerin war das Angebot somit so zu verstehen, dass die in Auftrag gegebene Ausstattung des Pelletraumes so zu erfolgen hatte, dass ein Lagervolumen von 26 m³ bis 28 m³ erreicht wird. Das auf eine solche Beschaffenheitsvereinbarung gerichtete Angebot nahm die Klägerin unter dem 17.01.2009 (B 4, S. 2) an. Darauf, ob mit der vorgegebenen Ausführungsart aufgrund der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse dieses Lagervolumen zu erreichen war, kommt es für die Annahme dieser Beschaffenheitsvereinbarung nicht an.

Das von der Klägerin bzw. ihrer Subunternehmerin errichtete Pelletlager hatte jedoch nur ein Volumen von ca. 16 m³. Der somit gegebene Sachmangel wäre auch dann anzunehmen, wenn die Parteien keine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen hätten. Denn zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass zum sachgerechten (keine häufigen Nachfüllvorgänge) und wirtschaftlichen (Abnahme größerer Mengen senkt den Preis) Betrieb der Heizungsanlage üblicherweise (§ 13 Nr. 1 S. 2 VOB/B) ein Mindestvolumen des Pelletlagers vorzusehen ist, das im Streitfall deutlich über 20 m³ liegt.

b.

Eine Enthaftung der Klägerin durch Erfüllung ihrer Prüfungs- und Bedenkenhinweispflicht (§ 4 Nr. 3 VOB/B) ist entgegen der Auffassung der Berufung nicht eingetreten.

aa.

Für ihre – nicht näher dargelegte – Behauptung, die Erstbeklagte habe gewusst, dass mit der in Auftrag gegebenen Ausführungsart allenfalls ein Volumen von 15 bis17 m³ erreicht werden könne, hat die Klägerin keinen Beweis angetreten.

bb.

Allerdings meldeten die Subunternehmerin der Klägerin mit Schreiben vom 30.07.2008 (II 61) und die Klägerin selbst mit Schreiben vom 08.08.2008 (II 63) Bedenken gegenüber AC an. Hierdurch ist jedoch keine Enthaftung der Klägerin eingetreten.

(1)

Das ergibt sich schon daraus, dass nach dem eigenen Vortrag der Klägerin AC diesen Bedenken keine Rechnung trug und auch die Bauherrschaft nicht informierte. Zwar kann der Hinweis grundsätzlich auch an den Bauleiter erfolgen, weil dieser insoweit als Empfangsbevollmächtigter anzusehen ist. Verschließt er sich jedoch den Bedenken – wie die Klägerin vorträgt -, muss der Auftraggeber selbst informiert werden (vgl. etwa BGH BauR 2001, 622).

(2)

Darüber hinaus hat die Klägerin ausweislich ihres Schreibens vom 12.11.2008 (B 16) ihre Bedenken wieder fallen gelassen. Denn mit dem darin angegebenen Volumen von 26 m³ bis 28 m³ war die Grundlage für den früheren Hinweis (nur ca. 15 m³ im Betrieb) entfallen.

c.

Der Aufforderung zur Mangelbeseitigung bis 08.02.2010 kam die Klägerin nicht nach. Sie wies vielmehr ihre Pflicht zur Mangelbeseitigung zurück.

d.

Die Erstbeklagte muss sich jedoch ein Mitverschulden in Höhe einer Quote von 50 % entgegenhalten lassen.

aa.

Der Besteller muss sich in entsprechender Anwendung des § 254 BGB an den Kosten der Mängelbeseitigung beteiligen, wenn ihn oder seine Erfüllungsgehilfen, für die er gemäß § 278 BGB einzustehen hat, ebenfalls eine kausale Verantwortung an dem Mangel trifft. Erforderlich ist, dass der Gehilfe solche in seinem Verantwortungsbereich liegende Pflichten oder Obliegenheiten verletzt, die den Bauherrn gerade gegenüber dem Bauunternehmer treffen (vgl. BGH NJW – RR 2002, 1175, juris Rn. 13). Der planende Architekt ist im Verhältnis zum Bauunternehmer Erfüllungsgehilfe des Bauherrn. Denn der Bauherr schuldet dem Unternehmer eine zur Ausführung geeignete fehlerfreie Planung. Hingegen ist der bauaufsichtsführende Architekt im Verhältnis zum Bauunternehmer regelmäßig nicht Erfüllungsgehilfe des Bauherrn, denn dieser schuldet dem Unternehmer nicht dessen Beaufsichtigung (vgl. BGHZ 179, 55, juris Rn. 29). Die Erstbeklagte muss sich das den Sachmangel mitverursachende Verhalten der Mitarbeiter von AC entsprechend §§ 254, 278 BGB anspruchsmindernd zurechnen lassen. Zwar beauftragte die Erstbeklagte nur P mit der Planung und Bauüberwachung. P übertrug aber AC als Subunternehmerin die Planung und die Bauüberwachung der Haustechnik und haftet damit gemäß § 278 BGB für das Verschulden von AC. Das bedeutet, dass der Erstbeklagten die Mitverursachung des Sachmangels durch AC entsprechend §§ 254, 278 BGB entgegengehalten werden kann, wenn sich die Erstbeklagte P und diese AC zur Erfüllung der sie aus § 254 Abs. 1 BGB im eigenen Interesse treffenden Pflicht (Vertragspflicht oder Obliegenheit) bediente.

b.

In Anwendung dieser Grundsätze sind der Erstbeklagten folgende Verursachungsbeiträge von AC anspruchsmindernd anzulasten:

(1)

AC ist eine unzureichende Planung vorzuwerfen, weil sie ein Leistungsverzeichnis und einen Detailplan erstellte und auf der Grundlage dieser Planung das vertraglich geschuldete Mindestvolumen des Pelletlagers nicht zu erreichen war. Hierfür hat die Erstbeklagte gemäß § 278 BGB einzustehen (siehe oben).

AC erstellte in Erfüllung ihres an sie von P weitergegebenen Planungsauftrages das Leistungsverzeichnis. Darin machte sie die planerische Vorgabe, dass der Pelletraum mit Schrägböden und einer Trogförderschnecke zu bestücken ist. Darüber hinaus fertigte sie den Detailplan vom 30.07.2008 (K 14) und übergab denselben der Klägerin bzw. deren Subunternehmerin (KB) zur Ausführung. Diese Planung war fehlerhaft. Denn mit der vorgegebenen Bauausführung konnte ein gehöriges Volumen des Pelletlagers keinesfalls erreicht werden. Mit der Ausführung der Bauleistungen gemäß der übergebenen Planzeichnung wäre theoretisch ein Volumen von 17,72 m³, effektiv sogar nur von ca. 15 m³ erreicht worden.

Diese Planungsleistungen waren mitursächlich für die Errichtung des Pelletlagers mit zu geringem Volumen. Bei gehöriger Planung hätte von vornherein entweder eine Tieferlegung der Trogförderschnecke durch Aufschneiden und Ausbrechen des Pelletraumbodens – wie im Wege der Ersatzvornahme geschehen – oder die Installation einer Federkernaustragung vorgesehen werden müssen.

(2)

AC prüfte den Werkplan der Klägerin vom 14.08.2008, den KB für sie gefertigt hatte (K 13), nicht gehörig und gab diesen frei, obwohl er erkennbar fehlerhaft war. Auch dieses Fehlverhalten muss sich die Erstbeklagte anspruchsmindernd entgegenhalten lassen.

(a)

Das Landgericht (LGU 8) ist der Auffassung, dass die Prüfung und Freigabe von Montageplänen im Rahmen der Bauüberwachung der letztlich von der Klägerin zu erbringenden Werkleistung erfolgt sei. Von der Bauherrschaft zur Bauüberwachung eingeschaltete Fachleute seien jedoch insoweit nicht als Erfüllungsgehilfen des Auftraggebers tätig, als der Auftraggeber sich des zur Überwachung eingeschalteten Personals nicht zur Erfüllung einer Pflicht, die er vertraglich gegenüber dem bauausführenden Unternehmer übernommen habe, bediene, sondern die Bauüberwachenden ausschließlich im eigenen Interesse des Auftraggebers tätig seien. Eine möglicherweise fehlerhafte Bauüberwachung könne daher die Klägerin nicht entlasten.

(b)

Dem kann nicht gefolgt werden. Richtig ist zwar, dass der bauaufsichtsführende Architekt oder Sonderfachmann im Verhältnis zum Bauunternehmer regelmäßig nicht Erfüllungsgehlife des Bauherrn ist, denn der Unternehmer hat gegen den Auftraggeber keinen Rechtsanspruch auf Überwachung. Die Erstbeklagte bzw. die für sie handelnde AC verletzte jedoch ihre Pflicht, die ihr vorgelegten Montagepläne gehörig zu prüfen.

Der Bauvertrag sieht vor, dass der Auftragnehmer nur nach Montageplänen arbeiten darf, die von dem Auftraggeber freigegeben wurden. Der Auftraggeber wird so in die Lage versetzt, die Übereinstimmung und Machbarkeit der eigenen Planung zu prüfen und ggf. einzuschreiten, wenn ihm die Montagepläne nicht zusagen. Er kann gegebenenfalls die Abänderung und nochmalige Vorlage zur Prüfung und Freigabe der Montagepläne verlangen. Zweck der Prüfung und Freigabe von (gegebenenfalls korrigierten) Montageplänen ist es, eine verlässliche Grundlage für den Bauunternehmer zu schaffen und die Errichtung eines mangelfreien Bauwerks sicherzustellen. Der Auftragnehmer ist von der Prüfung und Freigabe seiner Ausführungspläne abhängig, weil er erst nach Freigabe, also erst wenn feststeht, wie zu bauen ist, mit seinen Arbeiten beginnen darf. Die Prüfung und Freigabe der Werkpläne ist eine zur Realisierung des Bauwerks notwendige Mitwirkungshandlung. Deshalb ist der Auftraggeber dem Unternehmer gegenüber verpflichtet, die Montagepläne zu prüfen und gegebenenfalls freizugeben. Damit trifft den Auftraggeber eine Planungsmitverantwortung. Er hat im Vorfeld der Bauausführung die Werkplanung des Auftragnehmers zu überprüfen und macht sich diese durch Freigabe zu Eigen. Für Fehler, die ihm oder seinem Erfüllungsgehilfen in Erfüllung dieser Pflicht unterlaufen, hat der Auftraggeber gemäß §§ 254, 278 BGB einzustehen.

(c)

Hätte die für die Erstbeklagte handelnde AC die ihr von der Klägerin zur Freigabe übergebene Montageplanung (K 13) von KB gehörig überprüft, dann hätte ihr auffallen müssen, dass dieser Plan nicht richtig sein kann. So springt sofort ins Auge, dass der linke Schrägboden in Abweichung zum eigenen Plan (K 14) einen Winkel von 45 Grad aufweist. Dies hätte AC zum Anlass nehmen müssen, die Bemaßung zu überprüfen. Dann hätte sie erkannt, dass in dem Montageplan das Höhenmaß der Decke des Pelletraumes fälschlich mit 2,95 m anstatt mit 2,30 m angegeben wurde. Die fehlerhafte Prüfung des Montageplans war wiederum mitursächlich für die Errichtung des Pelletraumes mit zu geringem Volumen (siehe oben).

cc.

Die Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge führt zur hälftigen Haftung der Klägerin für die zur Mangelbeseitigung entstandenen erforderlichen Kosten der Ersatzvornahme.

Die Klägerin erkannte zunächst, dass mit der im Leistungsverzeichnis und in dem Plan von AC (K 14) vorgegebenen Ausführungsart angesichts der Rohbaumaße ein gehöriges Volumen des zu fertigenden Pelletlagers nicht zu erreichen war. Gleichwohl machte sie sich den Plan von KB (K 13) zu Eigen und übergab ihn AC zur Freigabe mit dem Bemerken, dass das Volumen 26 m³ bis 28 m³ betragen werde. Dabei hätte ihr auffallen müssen, dass dies nicht richtig sein konnte. Denn insoweit wurde der Rohbau nicht verändert und die vorgegebene Ausführungsart blieb im Grunde dieselbe.

AC, die zuvor von KB und der Klägerin schriftlich auf Bedenken hingewiesen worden war, hätte gleichfalls den Fehler in dem ihr zur Freigabe vorgelegten Montageplan erkennen müssen. Da der Montageplan von der Klägerin bzw. ihrer Subunternehmerin stammte, überwiegt zwar insoweit deren Verursachungsbeitrag. Es sind jedoch auch das von AC fehlerhaft gefertigte Leistungsverzeichnis und der unzureichende Detailplan (K 14) in den Blick zu nehmen (siehe oben).

Der Senat bewertet daher die beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge als gleichwertig.

d.

Die Erstbeklagte kann Ersatzvornahmekosten in Höhe von insgesamt 7.850,19 EUR in Ansatz bringen. Der auf die Klägerin entfallende Haftungsanteil beträgt daher (7.850,19 EUR x 50 %=) 3.925,09 EUR.

Die Erstbeklagte macht insoweit die mit Anlage B 15 vorgelegten sieben Rechnungen geltend, deren Richtigkeit und Erforderlichkeit zur Mangelbeseitigung in erster Instanz unstreitig gewesen ist. Soweit die Klägerin nunmehr die Erforderlichkeit der Kosten für die mobile Heizzentrale bestreitet, ist dieses Vorbringen im Berufungsverfahren mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Die Summe aller Rechnungen ergibt den Betrag von 13.972,44 EUR.

Allerdings handelt es sich bei den Beträgen, die die Firma F für ihre Arbeiten mit Rechnungen vom 20.05.2011 (5.831,00 EUR) und vom 07.06.2011 (291,25 EUR) von der Erstbeklagten verlangte, um Sowiesokosten, die die Erstbeklagte nicht in Ansatz bringen kann.

Sowiesokosten sind solche Vermögensvorteile, die der Auftraggeber dadurch erlangt, dass er durch die Mängelbeseitigung ein mangelfreies Werk zu einem Preis erhält, der bei vertragsgerechtem Verhalten der Parteien überschritten worden wäre. Hätte der gewünschte Erfolg nur durch Vergabe von Zusatzaufträgen oder eines anderen, teureren Auftrages erreicht werden können, so muss grundsätzlich der Auftraggeber die Mehrkosten tragen. Der Unternehmer darf nicht mit den Kosten solcher Maßnahmen belastet werden, um die das Werk bei ordnungsgemäßer Ausführung von vornherein teurer geworden wäre (vgl. Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Auflage, 6. Teil, Rn. 55 m.w.N.).

Bei vertragsgerechtem Verhalten der Parteien wäre die Erforderlichkeit der erst im Rahmen der Ersatzvornahme durchgeführten Tieferlegung des Betonbodens vor Ausführung der Arbeiten der Klägerin erkannt worden. Die von der Firma F abgerechneten Leistungen wären daher bei ordnungsgemäßer Ausführung sowieso angefallen. Es handelt sich dabei um das Aufschneiden und Ausbrechen des Betonbodens, das Ausheben des Erdreichs bis auf ca. 90 cm und das Betonieren einer neuen Bodenplatte und sonstige Nebenarbeiten und schließlich um die Einmauerung der installierten Transportschnecke. Die übrigen Kosten der Ersatzvornahme sind mangelbedingt zusätzlich entstanden, weshalb diese entgegen der Auffassung der Klägerin nicht als Sowiesokosten außer Ansatz zu bleiben haben.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ob die vor der erfolgten Freigabe von Werkplänen unterlassene oder unzureichend durchgeführte Prüfung durch den Architekten oder Sonderfachmann zum Mitverschulden des Auftraggebers führen kann, ist umstritten (verneinend: OLG Hamm, BauR 2013, 1688; bejahend: Hammacher, BauR 2013, 592 ff.). Wäre die nicht (gehörig) durchgeführte Prüfung der Werkpläne durch AC – entgegen der Auffassung des Senats – der Erstbeklagten nicht anspruchsmindernd zuzurechnen, dann wäre im Streitfall von einem überwiegenden Verschulden der Klägerin auszugehen.

 

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