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Bauvertrag bei Eigenleistungen des Auftraggebers – Gewährleistungsansprüche

Gericht bestätigt: Bauherr bekommt Schadensersatz für Baumängel an Holzfassade

Das Urteil des LG Ravensburg (Az.: 5 O 110/21 vom 24.05.2023) befasst sich mit Gewährleistungsansprüchen aus einem Bauvertrag. Der Kläger erhält Schadensersatz für Risse und Putzabplatzungen an der Westfassade seines Holzhauses, die aufgrund nicht fachgerechter Herstellung entstanden sind. Die Beklagte, ein Anbieter von Holzhäusern, haftet für die Mängel, da die Fassade nicht den anerkannten Regeln der Technik entsprach und auch die vereinbarte Beschaffenheit nicht aufwies. Das Gericht stützt sich dabei auf ein Sachverständigengutachten, das verschiedene Mängelursachen identifizierte, für die letztlich die Beklagte verantwortlich ist. Die Beklagte ist zum Schadensersatz verpflichtet, und die Ansprüche sind nicht verjährt. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 5 O 110/21 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  1. Das LG Ravensburg entscheidet, dass die Beklagte für Risse und Putzabplatzungen an der Westfassade eines Holzhauses haftet.
  2. Der Sachverständige identifiziert mehrere Mängelursachen, die nicht den anerkannten Regeln der Technik entsprechen.
  3. Die Dampfbremse wurde fehlerhaft ausgeführt, was zu den Schäden beitrug.
  4. Die Beklagte muss dem Kläger Schadensersatz leisten, da die Mängel bei Übergabe vorlagen und die Beklagte dafür verantwortlich ist.
  5. Die Ansprüche sind nicht verjährt, unter anderem wegen Verhandlungen zwischen den Parteien über die Mängel.
  6. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
  7. Das Urteil stärkt die Rechte von Bauherren bei Gewährleistungsansprüchen.
  8. Eine klare Kommunikation und Dokumentation bei Bauverträgen sind essenziell, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

Eigenleistungen im Bauvertrag: Vorsicht bei Gewährleistungsansprüchen

Bauherren, die bei der Errichtung ihres Eigenheims Eigenleistungen erbringen, sollten sich der Auswirkungen auf ihre Gewährleistungsansprüche bewusst sein. Denn nicht selten kann die Mängelhaftung beeinträchtigt oder im schlimmsten Fall sogar erlöschen, wenn Eigenleistungen nicht fachgerecht ausgeführt werden. Dies liegt daran, dass die Gewährleistungspflicht grundsätzlich beim Unternehmer liegt und dieser nur für Mängel haftet, die auf seine Leistungen zurückzuführen sind. Erbringt der Auftraggeber dagegen Eigenleistungen, verwischt sich diese klare Zuordnung, was zu rechtlichen Herausforderungen führen kann.

Wenn es um Mängel bei Bauverträgen geht, ist es wichtig, rechtzeitig Rat einzuholen. Fordern Sie jetzt Ihre unverbindliche Ersteinschätzung an.
Eigenleistungen im Bauvertrag: Gewährleistungsansprüche
Bauprojekte erfolgreich umsetzen: Eigenleistungen im Bauvertrag berücksichtigen und Gewährleistungsansprüche sichern. (Symbolfoto: Irene Miller /Shutterstock.com)

Im Zentrum eines Rechtsstreits am Landgericht Ravensburg standen Gewährleistungsansprüche aus einem Bauvertrag, der zwischen einem Ehepaar und einem Anbieter von Holzhäusern geschlossen wurde. Der Vertrag sah vor, dass das Haus in Holztafelbauweise errichtet werden sollte, wobei bestimmte Leistungen, wie der Einbau einer Dampfbremse, in Eigenleistung durch die Auftraggeber erbracht werden sollten. Trotz der Vereinbarung traten an der Westfassade des Gebäudes Risse und Putzabplatzungen auf, was eine rechtliche Auseinandersetzung nach sich zog.

Streit um die Verantwortung für Baumängel

Die Problematik entzündete sich an der Frage, wer für die Mängel an der Fassade verantwortlich ist. Die Auftraggeber führten den Innenausbau selbst durch und waren für die Verklebung der Dampfbremse zuständig. Die Beklagte, ein Unternehmen, das Holzhäuser herstellt, vertrat die Auffassung, dass die Mängel durch fehlerhafte Eigenleistungen entstanden seien. Demgegenüber argumentierten die Kläger, dass die Dampfbremse bereits vormontiert geliefert und somit die Beklagte für deren ordnungsgemäße Beschaffenheit verantwortlich sei.

Sachverständigengutachten klärt Mangelursachen

Ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger untersuchte die Ursachen der Mängel und stellte fest, dass die Schäden auf eine nicht fachgerechte Ausführung der Fassade zurückzuführen waren. Insbesondere wurden die anerkannten Regeln der Technik nicht eingehalten. So waren die OSB-Platten als Dampfbremse nicht vollständig verklebt, was Feuchteschäden nach sich zog. Darüber hinaus wurde eine unzureichende Putzschichtdicke sowie eine fehlerhafte Ausführung des Armierungsgewebes festgestellt.

Gerichtsurteil: Beklagte haftet für die Mängel

Auf Grundlage der sachverständigen Ausführungen entschied das Landgericht Ravensburg, dass die Beklagte dem Kläger sämtliche Schäden zu ersetzen hat, die durch die Mängel an der Westfassade entstanden sind. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Beklagte für die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik und die vereinbarte Beschaffenheit des Werks verantwortlich ist. Da die Mängel bereits bei Übergabe des Hauses vorhanden waren und die Beklagte die Dampfbremse in der beschriebenen Weise geliefert hatte, wurde ihr ein Verschulden zugesprochen.

Verjährungseinrede abgewiesen

Die Beklagte hatte zudem die Einrede der Verjährung erhoben, argumentierend, dass die Ansprüche der Kläger bereits verjährt seien. Das Gericht wies diese Einrede jedoch zurück. Es stellte fest, dass durch Verhandlungen zwischen den Parteien die Verjährung gehemmt wurde. Zudem wurde die Verkürzung der Verjährungsfrist auf vier Jahre als unwirksam angesehen, da sie gegen die gesetzlichen Bestimmungen verstößt.

Das Urteil des Landgerichts Ravensburg stärkt die Position von Bauherren bei Gewährleistungsansprüchen gegenüber Bauunternehmen, insbesondere wenn es um die Frage der Verantwortlichkeit für Baumängel geht, die möglicherweise durch Eigenleistungen beeinflusst wurden.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Wie wird die Verantwortlichkeit für Mängel bei Bauverträgen mit Eigenleistungen des Auftraggebers geregelt?

Bei der Regelung der Verantwortlichkeit für Mängel bei Bauverträgen, insbesondere wenn Eigenleistungen des Auftraggebers involviert sind, gibt es verschiedene Aspekte zu beachten. Diese hängen davon ab, ob der Vertrag nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) oder als Werkvertrag gestaltet ist.

BGB-Bauvertrag

Im Rahmen eines BGB-Bauvertrags ist der Bauunternehmer grundsätzlich dazu verpflichtet, dem Auftraggeber das Werk frei von Sachmängeln zu übergeben. Sollten Mängel auftreten, hat der Auftraggeber weitreichende Rechte, wie die Mangelbeseitigung oder den Ersatz der Kosten für die Mangelbeseitigung zu fordern. Die Verjährungsfrist für Mängelansprüche beträgt in der Regel fünf Jahre ab Abnahme des Werks. Wenn Eigenleistungen des Auftraggebers vorliegen, verschärft sich die Haftungssituation des Unternehmers, wenn er auf diesen mangelhaften Vorleistungen aufbaut, ohne den Bauherrn über die Mangelhaftigkeit aufzuklären.

VOB-Bauvertrag

Bei einem VOB-Bauvertrag ist die Situation ähnlich, allerdings mit einigen Besonderheiten. Die VOB/B sieht eine Gewährleistungsfrist von vier Jahren vor, die jedoch bei Verbraucherbauverträgen auf fünf Jahre verlängert werden kann, sofern der Auftraggeber als Verbraucher agiert. Die Verantwortlichkeit für Mängel, die auf Eigenleistungen des Auftraggebers zurückzuführen sind, kann komplex sein. Der Unternehmer hat eine Hinweis- und Überwachungspflicht bezüglich der Eigenleistungen des Bauherrn. Kommt es zu Mängeln, die auf nicht fachgerechte Eigenleistungen zurückzuführen sind, kann die Haftung des Unternehmers unter Umständen eingeschränkt sein, sofern er seine Hinweispflichten erfüllt hat.

Werkvertrag

Ein Werkvertrag nach § 631 BGB, der die Errichtung eines Bauwerks zum Gegenstand hat, unterliegt grundsätzlich den gleichen Regelungen wie ein BGB-Bauvertrag. Auch hier ist der Unternehmer verpflichtet, das Werk frei von Sachmängeln zu erbringen, und der Auftraggeber hat bei Mängeln Anspruch auf Nachbesserung oder Mängelbeseitigung. Die Verjährungsfrist für Mängelansprüche beträgt ebenfalls fünf Jahre.

Unabhängig von der Vertragsart hat der Unternehmer eine grundsätzliche Verpflichtung zur mangelfreien Leistung. Bei Eigenleistungen des Auftraggebers besteht jedoch eine besondere Konstellation: Der Unternehmer muss den Auftraggeber über die Risiken und die Notwendigkeit der Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik aufklären. Kommt es zu Mängeln, die auf die Eigenleistungen zurückzuführen sind, kann die Haftung des Unternehmers eingeschränkt sein, sofern er seine Hinweis- und Überwachungspflichten erfüllt hat. Die genaue Verantwortlichkeit hängt jedoch von den individuellen Vertragsvereinbarungen und den Umständen des Einzelfalls ab.

Inwiefern beeinflusst die VOB/B die Gewährleistungsansprüche bei Bauverträgen?

Die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/B) beeinflusst die Gewährleistungsansprüche bei Bauverträgen in mehreren wesentlichen Aspekten. Die VOB/B ist ein Regelwerk, das speziell für die Abwicklung von Bauprojekten konzipiert wurde und sowohl für öffentliche als auch für private Bauvorhaben angewendet werden kann. Sie enthält detaillierte Bestimmungen zu den Rechten und Pflichten der Vertragsparteien, einschließlich der Regelungen zur Gewährleistung.

Gewährleistungsfrist

Die VOB/B sieht grundsätzlich eine Gewährleistungsfrist von vier Jahren für Bauwerke vor, sofern im Bauvertrag keine abweichende Frist vereinbart wurde. Diese Frist beginnt mit der Abnahme der Bauleistung. Im Vergleich dazu beträgt die gesetzliche Gewährleistungsfrist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) fünf Jahre. Es ist jedoch möglich, die Gewährleistungsfrist im Rahmen eines VOB-Vertrages auf fünf Jahre zu verlängern, insbesondere wenn der Auftraggeber als Verbraucher agiert.

Mängelrechte vor der Abnahme

Die VOB/B regelt explizit die Mängelrechte des Auftraggebers vor der Abnahme der Bauleistung. Dies umfasst unter anderem die Pflicht des Auftragnehmers, nicht vertragskonforme Bauteile zu ersetzen und mangelhafte Leistungen auf eigene Kosten zu beseitigen. Diese Regelungen bieten eine klare Handhabe für den Auftraggeber, bereits vor der offiziellen Abnahme Mängel geltend zu machen.

Mängelanzeige und Fristsetzung

Nach der Abnahme muss der Auftraggeber Mängel schriftlich anzeigen und kann dabei eine Frist zur Mangelbeseitigung setzen. Diese Vorgehensweise ist Voraussetzung, um gegebenenfalls weitere Ansprüche wie Minderung oder Schadensersatz geltend zu machen. Die VOB/B schreibt somit ein formelles Verfahren für die Mängelanzeige vor, das den Auftragnehmer zur Nachbesserung auffordert.

Verjährung von Mängelansprüchen

Die VOB/B enthält spezielle Regelungen zur Verjährung von Mängelansprüchen, die von den allgemeinen Vorschriften des BGB abweichen können. Die Verjährungsfristen beginnen mit der Abnahme der Bauleistung und können je nach Art der Leistung und Vereinbarung im Vertrag variieren. Es ist wichtig, die jeweils gültige Fassung der VOB/B zu berücksichtigen, da Änderungen in den Regelungen Einfluss auf die Verjährung haben können.

Die VOB/B bietet ein spezialisiertes Regelwerk für die Abwicklung von Bauverträgen, das insbesondere die Gewährleistungsansprüche und -fristen detailliert regelt. Die Unterschiede zum BGB, wie die grundsätzliche Gewährleistungsfrist von vier Jahren und die expliziten Regelungen zu Mängelrechten vor und nach der Abnahme, bieten sowohl Auftraggebern als auch Auftragnehmern eine klare Grundlage für die Handhabung von Mängeln. Die Anwendung der VOB/B kann somit zu einer effizienteren und geregelten Abwicklung von Bauprojekten beitragen.

Wie wird die Verjährung von Gewährleistungsansprüchen im Baurecht gehandhabt?

Die Verjährung von Gewährleistungsansprüchen im Baurecht ist ein wichtiger Aspekt, der die Rechte des Auftraggebers nach der Fertigstellung eines Bauwerks betrifft. Die Verjährungsfristen sind gesetzlich geregelt und beginnen in der Regel mit der Abnahme des Werkes durch den Auftraggeber.

Bedeutung der Abnahme für die Gewährleistungsfrist

Die Abnahme des Werks ist ein entscheidender Moment im Bauprozess, da sie den Beginn der Gewährleistungsfrist markiert. Mit der Abnahme erklärt der Auftraggeber, dass das Werk den vertraglichen Anforderungen entspricht und im Wesentlichen mangelfrei ist. Ab diesem Zeitpunkt trägt der Auftraggeber die Beweislast für das Vorhandensein von Mängeln.

Verjährungsfristen nach BGB und VOB/B

  • BGB-Bauvertrag: Nach § 634a BGB beträgt die Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche bei Bauwerken grundsätzlich fünf Jahre. Diese Frist beginnt mit der Abnahme des Werkes.
  • VOB/B-Bauvertrag: Gemäß § 13 Abs. 4 Nr. 1 VOB/B verjähren Mängelansprüche bei Bauwerken innerhalb von vier Jahren, wobei die Frist mit der Abnahme der Leistung beginnt. Es ist jedoch möglich, die Gewährleistungsfrist im Rahmen eines VOB-Vertrages auf fünf Jahre zu verlängern, insbesondere wenn der Auftraggeber als Verbraucher agiert.

Besonderheiten bei fehlender Abnahme

Wenn keine Abnahme erfolgt, kann es zu Unsicherheiten bezüglich des Verjährungsbeginns kommen. In einem solchen Fall kann die Verjährung frühestens zu dem Zeitpunkt beginnen, zu dem die Parteien ein Abrechnungsverhältnis begründet haben, etwa durch eine Vorschussanforderung oder ähnliches. Die Verjährung von Mängelansprüchen ohne Abnahme ist ein komplexes Thema, das von der Rechtsprechung unterschiedlich bewertet wird. Grundsätzlich kann aber davon ausgegangen werden, dass auch ohne formelle Abnahme Gewährleistungsansprüche bestehen und die spezifische Verjährungsregelung des § 634a BGB anwendbar ist.

Die Verjährung von Gewährleistungsansprüchen im Baurecht ist an die Abnahme des Werkes gekoppelt und beginnt mit diesem Zeitpunkt. Die Fristen unterscheiden sich je nachdem, ob der Vertrag nach BGB oder VOB/B abgeschlossen wurde. Bei fehlender Abnahme können Gewährleistungsansprüche unter bestimmten Umständen dennoch bestehen und verjähren. Es ist wichtig, die jeweiligen Vertragsbedingungen und gesetzlichen Regelungen zu beachten, um die eigenen Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Gewährleistung und Verjährung zu kennen.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • § 631 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) – Bauvertrag Erläutert die Grundlagen des Bauvertrags, einschließlich der Pflichten des Unternehmers zur Herstellung des Werks und der Rechte des Bestellers, insbesondere im Hinblick auf Abnahme und Gewährleistung. Im Kontext des Urteils bildet dieser Paragraph die rechtliche Grundlage für die Beziehung zwischen dem Auftraggeber und dem Bauunternehmen.
  • § 634 BGB – Rechte des Bestellers bei Mängeln Gibt dem Besteller eines Werks bei Mängeln spezifische Rechte, wie Nachbesserung, Minderung, Schadensersatz oder Rücktritt vom Vertrag. Im vorliegenden Fall sind diese Rechte zentral für die Gewährleistungsansprüche des Klägers aufgrund der festgestellten Mängel an der Westfassade.
  • § 280 BGB – Schadensersatz wegen Pflichtverletzung Regelt den Anspruch auf Schadensersatz bei einer Pflichtverletzung, die nicht in der Lieferung einer mangelhaften Sache besteht. Dieser Paragraph untermauert die Haftung der Beklagten für die entstandenen Schäden durch mangelhafte Ausführung.
  • § 13 VOB/B – Gewährleistung Spezifiziert in der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB Teil B) die Gewährleistungspflichten des Unternehmers. Im Falle dieses Urteils ist § 13 VOB/B relevant für die Beurteilung der Gewährleistungsansprüche und Verjährungsfristen.
  • § 203 BGB – Hemmung der Verjährung durch Verhandlung Beschreibt, wie die Verjährung von Ansprüchen durch Verhandlungen zwischen den Parteien gehemmt wird. Dieser Aspekt ist entscheidend für die Beurteilung der Verjährungsfrist der Gewährleistungsansprüche im vorliegenden Fall.
  • § 212 BGB – Neubeginn der Verjährung Erläutert die Umstände, unter denen die Verjährungsfrist neu zu laufen beginnt. Im vorliegenden Urteil ist dies relevant hinsichtlich der Frage, ob die Nachbesserungsarbeiten der Beklagten einen Neubeginn der Verjährungsfrist für die Gewährleistungsansprüche darstellen.


Das vorliegende Urteil

LG Ravensburg – Az.: 5 O 110/21 – Urteil vom 24.05.2023

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger sämtliche Schäden zu ersetzen hat, die ihm sowie Frau … dadurch entstehen, dass die Westfassade der Liegenschaft … Risse und Putzabplatzungen aufweist.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Gegenstand des Rechtsstreits sind Gewährleistungsansprüche aus einem Bauvertrag (VOB).

Der Kläger und seine Ehefrau, die dem Kläger ihre Gewährleistungsansprüche abgetreten hat (Anlage K 2), schlossen mit der Beklagten, einem Anbieter von Holz-Häusern, am 08.12.2011 einen Bauvertrag über ein Wohnhaus in Holztafelbauweise ab Oberkante Bodenplatte / Kellerdecke-Oberkante entsprechend dem Lieferungs- und Leistungsverzeichnis. Der Werkvertrag bezieht vor § 1 die VOB/B in den Vertrag ein. § 11 bestimmt die Gewährleistung und eine Verjährungsfrist von 4 Jahre. Die Bau- und Leistungsbeschreibung enthält unter Ziff. 3 die Beschreibung der „Außenwände als Putzfassade“ ohne eine Beschreibung der Dampfbremse, unter Ziff. 7 die Dachkonstruktion mit u.a. folgender Regelung

Dampfbremse (Material geliefert, Einbau erfolgt bauseits) und unter Ziff. 12 den „Trockenbau EG und DG“ und dort folgende Regelung:

Das Ausbaumaterial (beinhaltet Dämmung, Dampfbremse, Lattung, Fermacell) wird von uns auf die Baustelle abgeladen geliefert, und bereits während der Montage wird das Fermacell in das Haus versetzt. …

und unter § 13 eine „Empfangsbestätigung“, die auch den Erhalt des VOB/B-Gesetzestextes umfasst. Bezüglich des Inhaltes des Vertrages und der Leistungsbeschreibung wird darüber hinaus auf die Anlage K 1 Bezug genommen. Ob den Bestellern bei Vertragsschluss die VOB/B übergeben worden sind, ist zwischen den Parteien streitig.

Die Beklagte führte den Bauvertrag aus und ließ dabei die Fassade durch den Subunternehmer …, den Streitverkündeten, verputzen. Die Beklagte hatte die Wandelemente von Innen mit OSB-Platten vorgefertigt. Die Besteller führten den Innenausbau in Eigenleistung aus und verklebten – nicht alle – Stöße der Dampfbremse an den Fertigbauteilen und stellten die Dachdämmung und die Dampfbremse im Dachstuhl in Eigenleistung her. Die Beklagte befand die Verklebungen durch die Kläger als ordnungsgemäß.

Die Besteller nahmen im November 2012 das von der Beklagten errichtete Holzhaus ab.

Bereits im Mai 2013 nahmen die Besteller an der Westfassade Risse und Putzabplatzungen und Feuchtigkeit wahr und rügten dies gegenüber der Beklagten. Darauf schlossen sich Gespräche und Diskussionen zwischen den Parteien über die Mangelursache und die Mangelbeseitigung an, an der auch der Subunternehmer … beteiligt war. Die Beklagte ließ im Mai 2016 die Westfassade sanieren und diese neu verputzen.

Mit Mail von 04.09.2020 bemängelten die Besteller gegenüber der Beklagten erneut Rissen an der Westfassade. Ob es sich um das gleiche Schadensbild wie vor 2016 gehandelt hat, ist zwischen den Parteien streitig. Die Besteller ließen die Beklagten mit Schreiben vom 10.11.2020 zur Mängelbeseitigung bis zum 20.11.2020 vergeblich auffordern. Mit Anwaltsschreiben vom 19.11.2020 (Anlage B 1) ließ sich die Beklagte zur Prüfung der Mangelbehauptungen bereit erklären. Es fand sodann ein Ortstermin statt. Eine Einigung zwischen den Parteien konnte nicht erreicht werden.

Risse und Abplatzungen an den anderen Gebäudeseiten wurden und werden zu keiner Zeit gerügt.

Der Kläger trägt vor: Die VOB/B seien bei Vertragsschluss nicht vorgelegt worden. Die formularmäßige Empfangsbestätigung sei AGB-widrig.

Die Schadensbilder von 2020 und von vor 2016 seien gleich bzw. identisch. Sowohl aktuell als auch ab 2013 seien Risse entstanden, die die gleiche Ursache hätten. Die Fassade sei konstruktiv fehlerhaft. Es lägen nach wie vor Feuchtigkeitsschäden vor. Vorhandene Wärmebrücken seien schadensursächlich auch für die Rissbildungen.

Die Dampfbremse im Bereich der Außenwände sei bereits von der Beklagten aufgebracht und fertig montiert geliefert worden. Dafür sei die Beklagte verantwortlich.

Die Sanierungsarbeiten im Jahr 2016 seien nicht aus Kulanz erfolgt.

Der Kläger beantragt, es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger sämtliche Schäden zu ersetzen hat, die ihm sowie Frau … dadurch entstehen, dass die Westfassade der Liegenschaft … Risse und Putzabplatzungen aufweist.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor: Der Innenausbau habe in Eigenleistung erfolgen sollen. Die Besteller hätten auch den Trockenbau incl. Dachdämmung mit Dampfbremse und Dampfbremsebene in den Anschlussbereichen der Außenwand durchgeführt. Für die Schäden an der Fassade sei sie nicht verantwortlich. Eine Ursache für die beklagte erhöhte Feuchtigkeit im Bereich der Fenstersimse sei 2016 offen geblieben. Eine Gewährleistungshaftung habe sie zu keiner Zeit anerkannt.

Sie erhebt die Verjährungseinrede. Die VOB/B seien in den Werkvertrag wirksam einbezogen worden. Dies hätten die Besteller unter § 13 bestätigt. Eine unzulässige Beweislastklausel läge nicht vor. Ausreichende Hemmungszeiträume seien nicht gegeben und auch nicht vorgetragen worden. Etwaige Verhandlungen hätten mit der Erklärung der Beklagten vom 07.10.2015 geendet, die geöffneten Ecken zu reparieren und zu verputzen und weitere Stellen zu kontrollieren und abzufugen. Ein Anerkenntnis iSd. § 212 Abs. 1 Ziff. 1 BGB liege nicht vor. Die Nachbesserung sei freiwillig und aus Kulanz erfolgt.

Die Schadensbilder von vor 2016 und das aktuelle Schadensbild unterschieden sich. Die Risse beruhten auf einer fehlerhaften Ausführung der Eigenleistung der Besteller, insbesondere der selbst verlegten Dampfbremse in den Wand-, Fenster- und Anschlussbereichen. 2016 seien keine Feuchtigkeitsschäden und -eintritte moniert worden. Für die Mangelursache sei sie nicht verantwortlich.

Zum Parteivortrag im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteivertreter samt Anlagen verwiesen. Das Gericht hat ein schriftliches Sachverständigengutachten zu den behaupteten Mängeln und deren Ursachen eingeholt, das der Sachverständige … am 24.01.2023 schriftlich erstattet, unter dem 24.01.2023 schriftlich ergänzt und in der mündlichen Verhandlung vom 21.04.2023 ergänzt und erläutert hat. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten (in Papier) und Ergänzungsgutachten (Bl. 134 d.A.) und das Protokoll vom 21.04.2023 (Bl. 202 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Beklagte haftet dem Kläger gegenüber auf Schadensersatz für die Risse und Putzabplatzungen an der Westfassade.

Die nachfolgenden Ausführungen technischer Art beruhen auf den Ausführungen des Sachverständigen …, die dieser in seinem Gutachten, im Ergänzungsgutachten sowie im Rahmen seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 21.04.2023 gemacht hat. Seine Ausführungen waren nachvollziehbar, widerspruchsfrei, folgerichtig und damit für das Gericht überzeugend. Insbesondere zum Thema Dampfbremse hat der Sachverständige seine Ausführungen nachvollziehbar – mündlich – korrigiert, präzisiert und erläutert.

1)

Die Klage ist zulässig.

Der Klageantrag ist ausreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Das geltend gemachte Mängelsymptom ist im Klageantrag ausreichend bezeichnet.

Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis liegt in dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch. Dabei handelt es sich um eine gegenwärtige, bürgerlich-rechtliche Beziehung der Parteien untereinander.

Das Feststellungsinteresse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO ist ebenfalls zu bejahen. Die von der Beklagten eingewandte Verjährung begründet ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO (BGH NJW-RR 2010, 750, 751 mit Nachw.). Eine Bezifferung ist dem Kläger wegen der – bei Klageerhebung – unklaren Mangelursache nicht möglich Zur Erhebung einer Teilzahlungsklage ist der Kläger nicht verpflichtet.

Soweit es um die Feststellung der Ersatzpflicht (auch) für künftige Schäden geht, liegt die Voraussetzung, dass ein Schaden tatsächlich droht (BGH NJW-RR 2010, 750 f.), vor. Im Rahmen einer zukünftigen Schadensbeseitigung entstehen erstattungsfähige Aufwendungen.

2)

Die Klage ist begründet. Der Kläger kann von der Beklagten dem Grunde nach Schadensersatz verlangen. Weil Schäden möglich sind, ist der Feststellungsantrag begründet.

a)

Rechtsgrundlage für das auf Schadensersatz gerichtete Begehren des Klägers ist §§ 631, 634 Nr. 3, 280 f. BGB oder § 13 Abs. 7 Nr. 3 Nr. 1 und 2 VOB/B 2009. Beide Anspruchsgrundlagen sind auf Schadensersatz gerichtet und setzen eine erfolglose Frist zur Mangelbeseitigung voraus. Die weitergehenden Voraussetzungen des § 13 Abs. 7 Nr. 1 und 2 VOB/B sind erfüllt. Deshalb kommt es insoweit nicht darauf an, ob die VOB/B 2009 nun in den Vertrag wirksam einbezogen worden sind oder nicht.

b)

Die Parteien haben am 08.12.2011 einen Bauvertrag (§ 631 BGB a.F.) geschlossen. Ausbauhausverträge stellen ebenfalls Werkverträge dar, weil es dem Auftraggeber um die Erstellung eines funktionsfähigen und zum Ausbau geeigneten Wohngebäudes geht, wobei die herzustellenden Teile einer bestimmten Bauweise und die verwendeten Baustoffe bestimmten technischen Anforderungen entsprechen sollte, und nicht nur vorwiegend um die Eigentumsverschaffung (BGH NJW 2006, 904 zu Rn. 11 f.; BeckOGK/Kober, 1.4.2023, BGB § 634 Rn. 29).

c)

Das Werk der Beklagten ist mangelhaft.

Ein Werk ist frei von Sachmängeln, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit hat und den anerkannten Regeln der Technik entspricht; ist die Beschaffenheit nicht vereinbart, so ist die Leistung zur Zeit der Abnahme frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte oder für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Auftraggeber nach der Art der Leistung erwarten kann (§ 634 BGB, § 13 Abs. 1 S. 2 VOB/B). Üblicherweise sichert der Unternehmer stillschweigend bei Vertragsschluss die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik zu. Entspricht die Werkleistung diesen nicht, liegt regelmäßig ein Werkmangel vor (BGH NZBau 2013, 295). Ein Werk ist allerdings auch dann mangelhaft, wenn es zwar die anerkannten Regeln der Technik einhält und der vereinbarten Ausführungsart entspricht, gleichwohl aber nicht funktionstauglich und zweckentsprechend ist (BGH NJW 2008, 511 Rn. 15). Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Abnahme (OLG Köln NZBau 2022, 398 Rn. 20). Beweisbelastet nach Abnahme ist der Besteller, hier der Kläger.

aa)

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es an der Westfassade des Hauses Risse und Putzabplatzungen gibt. Diese hat der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten auf den Seiten 12 bis 65 im einzelnen aufgeführt und dokumentiert; darauf wird Bezug genommen. Dabei handelt es sich um Schrägrisse auf Sturzhöhe, Risse an den Bordprofilen der Fensterbänke, Oberputzablösungen, Ablösungen am Sockelprofil, Abplatzungen an den Fensterleibungen. Die Risse weisen auch eine Breite auf, welche die Funktionsfähigkeit der Fassade beeinträchtigt und einen Schlagregenschutz und Witterungsbeständigkeit nicht mehr gewährleistet. Die Putzfassade ist damit nicht ausreichend funktionstauglich.

Im Bereich der Fassade war ein Feuchteeintritt festzustellen (GA 88).

bb)

Diese Risse und Abplatzungen sind auf eine nicht fachgerechte Herstellung der Fassade unter Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik und der vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung zurückzuführen.

Wenn sich auch nicht genau bestimmen lässt, welche Mangelursache genau schadenskausal ist, so sind jedenfalls Ursachen, für welche die Beklagte nicht verantwortlich wäre, weder erkennbar noch feststellbar. Für die feststellbaren Mängelursachen aber ist die Beklagte verantwortlich.

Dazu spricht wegen der durch Nichtbeachtung der anerkannten Regeln der Technik verbundenen Gefahrerhöhung eine widerlegliche Vermutung dafür, dass im örtlichen Zusammenhang mit der Bildung von Rissen und Abplatzungen diese auf einen Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik zurückzuführen sind (BGH, Urteil vom 19. April 1991 – V ZR 349/89 -, BGHZ 114, 273-276, juris zu Rn. 25 zu einem Verstoß gegen DIN-Normen). Den Beweis dafür, dass die Risse und Abplatzungen nicht auf den Verstoß gegen die aaRdT zurückzuführen sind, hat die insoweit beweisbelastete Beklagte nicht erbringen können. Insoweit bestehende Zweifel gegen zu Lasten des Unternehmers, hier der Beklagten.

(1) Als Ursache kommt zum einen Undichtigkeiten im Bereich der Dampfbremsebene in Betracht. Die OSB-Platten als Dampfbremse sind nicht vollständig verklebt.

Im vorliegenden Fall dienen die auf den Wandelementen aufgebrachten OSB-Platten als Dampfbremsebene, eine weitere Dampfbremse ist weder geplant noch verbaut worden.

Zwar wurden die OSB-Platten von der Beklagten in den gelieferten und montierten Wandelementen aufgebracht. Die Verklebung der Stöße der Wandelemente haben die Besteller ausgeführt. Jedoch sind die Stöße zwischen den einzelnen OSB-Platten nicht vollständig verklebt, teilweise fehlt eine Verklebung. Dadurch besteht die Gefahr von Feuchteeintritt von innen nach außen mit der Folge von Feuchteschäden. Dies wiederum kommt als Ursache für Risse und Putzablösungen an der Westfassade in Frage (EG 19).

Die Beklagte war zur Herstellung der Dampfbremse verpflichtet gewesen.

Grundsätzlich schuldet der Auftragnehmer zum Zeitpunkt der Abnahme ein Bauwerk, das der vereinbarten Beschaffenheit und den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht. Zwar können die Parteien eine Vereinbarung treffen, nach der die Bauausführung hinter den allgemein anerkannten Regeln der Technik zurückbleibt. Dies erfordert indes, dass der Auftragnehmer den Auftraggeber auf die Bedeutung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und die mit der Nichteinhaltung verbundenen Konsequenzen und Risiken hinweist (vgl. BGH NJW 2018, 391 Rn. 29; BGH NJW 2009, 2439 Rn. 15; vgl. auch BGH NJW 2013, 2268 Rn. 13 f.; OLG Köln NZBau 2022, 398 Rn. 31). Daran fehlt es hier. Dass die Beklagte nicht eine Fassade mit funktionierender Dampfbremse herstellen sollte, haben die Parteien so nicht vereinbart. Mangels dahingehenden hinreichenden Hinweises an die Besteller haftet die Beklagte für die unzureichende Dampfbremse.

Unter Ziff. 3 der Leistungsbeschreibung sind die OSB-Beplankung als Leistung der Beklagten aufgeführt. Der weitere Innenausbau durch Herstellung einer Installationsebene und das Anbringen von Dämmstoff aus Holzfaser sind als bauseitig auszuführen beschrieben. Zur Her- oder Fertigstellung der Dampfbremse in Form der geschlossenen OSB-Beplankung ist unter Ziff. 3 nichts weiter ausgeführt. Unter Ziff. 7 ist die Dampfbremse im Bereich des Daches ausdrücklich als bauseitige Leistung aufgeführt. Unter Ziff. 12 ist unter „Trockenbau EG und DG“ die Dampfbremse als bauseitige Eigenleistung beschrieben; nur das Material sollte von der Beklagten gestellt werden. Der Anschluss der Dampfbremse im Bereich der Außenwände an die Dampfbremse des Daches wird im Leistungsverzeichnis nicht (ausdrücklich) beschrieben.

Die Beschreibung im Bau- und Leistungsverzeichnis ist – aus technischer wie aus rechtlicher Sicht – im Hinblick auf die Dampfbremse an den Außenwänden und den Anschluss an die Dampfbremse des Daches nicht eindeutig. Diese Unklarheit geht zu Lasten des Unternehmers. Die Herstellung einer nicht dampf-dichten Außenfassade ist damit bereits nicht Vertragsgegenstand geworden.

An keiner Stelle wird der Besteller auf die Bedeutung der Verklebung der Stöße zwischen den OSB-Platten und auf den Anschluss der Wände an das Dach hingewiesen. Während die mit der Herstellung einer Dampfbremse verbundenen Risiken an sich selbsterklärend sind und keiner weiteren Hinweise auf Konsequenzen und Risiken der Nichtausführung bedürfen, ist dies bezüglich der Verklebung der OSB-Platten-Stöße und des Anschlusses der Wand- an die Dach-Dampfbremse gerade anders. Denn zum einen ist bereits nicht ausdrücklich im Bauvertrag beschrieben, dass die OSB-Platten als Dampfbremse fungieren sollte, wenn auch eine andere Art der Dampfbremse, die technisch grundsätzlich möglich wäre und sich auch in der Dämmebene befinden kann, nicht beschrieben ist. Insoweit und bezüglich der Nichtverklebung der Stöße zwischen den OSB-Platten fehlt es an entsprechenden Hinweisen durch die Beklagte. Wegen der Bedeutung der Luftdichtigkeit für Schäden am Gebäude ist dieser Gesichtspunkt auch besonders wichtig. Deshalb hatte die Beklagte die Außenwände mit einer funktionierenden Dampfbremse herzustellen. Eine wirksame Vereinbarung, dass die Außenwände nicht funktionell im Sinne einer Dampfbremse hergestellt werden sollte, wurde deshalb zwischen den Parteien nicht wirksam vereinbart.

Dass unter der Position Putzfassade die Wand als Schutz nach Außen vor Feuchtigkeitseintritt zu verstehen ist, steht hier nicht entgegen. Denn unter Pos. 3 werden auch Positionen des Innenausbaus aufgeführt wie die OSB-Platten, der Trockenrahmen und die Dämmung. Einen ausschließen Bezug der Pos. 3 für das Werk nach außen liegt damit nicht vor.

Dass nicht auch an den anderen Gebäudeseiten Risse infolge der unzureichenden Dampfsperre aufgetreten sind, steht dem ebenfalls nicht entgegen und erklärt sich dadurch, dass die Westfassade die Seite ist, die der Witterung (Schlagregen, Niederschlagereignisse) am meisten ausgesetzt ist, während die anderen Gebäudeseiten weniger der Witterung ausgesetzt sind und damit dort keine Schäden infolge der unzureichenden Dampfsperre entstehen müssen.

Die Grundsätze über die Prüfung eines Vorgewerkes durch den nachfolgenden Handwerker und das Erfordernis, Bedenken anzumelden, gelten hier nicht und können die Beklagte nicht entlasten.

(2) Als weitere Ursache war eine unzureichende Putzschichtdicke festzustellen, dies auch für die Risse im Sockelbereich.

Zwar verfügt das ausgeführte Putzsystem über eine bauaufsichtliche Zulassung. Die danach erforderliche Putzdicke lag aber – ausweislich der vom Sachverständigen veranlassten Bauteilöffnungen und Materialuntersuchungen – nicht vor. Eine Unterschreitung der Mindestdicke konnte im Bereich des Armierungsspachtels / Unterputzes und des Deckputzes festgestellt werden (GA 96).

Wenn auch nicht gesagt werden kann, dass dieser Zustand im Bereich der Materialproben im gesamten Bereich der Westfassade vorzufinden ist, so liegen jedenfalls einzelne Bereiche vor, in der die Putzdicke unzureichend ist.

Als Ursache für die Rissbildung kommt auch dieser Umstand in Frage. Dass nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, dass dieser Umstand ursächlich für die Rissbildung ist, ist nicht erheblich (vgl. oben).

(3) Das Armierungsgewebe wurde mittig bzw. oben ausgeführt, die mittige Ausführung widerspricht aber der DIN EN 13914-1 (GA 97).

(4) Im Bereich der Fensterbänke fehlt eine Entkoppelung durch ein Kompriband.

(5) Auch die fehlende Luftdichtigkeit kommt als (Mit)Ursache für die Risse und Abplatzungen in Frage. In wenigen Bereichen der Fassade (GA 85) wurden zu beanstandende Leckagen bzw. Luftaustritte festgestellt.

(6) Der Putz im Bereich des Sockels ist nicht ausreichend gegen Spritzwasser geschützt. Deshalb ist es dort zu Feuchtigkeitsschäden und Rissen gekommen. Nach der Planung hätten jedenfalls die unteren 12 cm des Außenputzes gegen Spritzwasser geschützt werden müssen (EG 16).Dass der Kläger die Außenanlage entgegen der Planung um 11 cm höher ausgeführt hat, was zur Folge hat, dass die unteren 23 cm des Außenputzes gegen Spritzwasser geschützt werden müssen, ist der Beklagten dagegen nicht anzulasten.

cc)

Die Mangelursache lag bei Übergabe vor. Die gleiche Mangelsymptomatik vor 2016 und aktuell (vgl. dazu unten) lässt auf die gleiche Ursache schließen, die von Anfang an vorgelegen hat und auch durch die Sanierungsmaßnahmen aus dem Jahr 2016 nicht behoben wurde.

d)

Ein Verschulden der Beklagten liegt in Anbetracht der Mängel und Mängelursachen vor (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB, § 13 Abs. 7 Nr. 3 S. 1, 2 VOB/B).

Der Kläger hat den Beklagten eine Nachfrist zur Mängelbeseitigung gesetzt, die abgelaufen ist.

In den Rissen und Abplatzungen des Putzes an der Westfassade mit der Gefahr von Feuchteeintritt in die Fassade liegt ein wesentlicher Mangel iSd. § 13 Abs. 7 Nr. 3 S. 1 VOB/B mit einer Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit vor.

Weiter liegt ein Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik vor, dazu ein Fehlen einer vertraglich vereinbarten Beschaffenheit iSd. § 13 Abs. 7 Nr. 3 S. 2 VOB/B (vgl. oben).

e)

Die Ansprüche sind nicht verjährt.

aa)

Ob die VOB/B 2009 hier wirksam iSd. § 305 Abs. 2 BGB in den Vertrag einbezogen worden sind, kann dahinstehen. Dass § 13 des Werkvertrages einer AGB-Kontrolle nicht standhält und gegen § 309 Nr. 12 Buchst. b BGB verstößt, kann auf sich beruhen. Der Geschäftsführer der Beklagten brauchte deshalb nicht zur Aushändigung der AGB bei Vertragsschluss (Bl. 19 d.A.) angehört zu werden.

Auf § 13 Abs. 4 VOB/B, der von § 13 Abs. 7 Nr. 4 VOB/B wegen des nicht versicherten Erfüllungsinteresses nicht ausgenommen ist, und die dortige Verjährungsfrist von 4 Jahre kommt es nicht entscheidend an, denn in § 11 des Werkvertrages und damit außerhalb der VOB/B ist ebenfalls eine Verjährungsfrist von 4 Jahren vorgesehen. Damit liegt eine vertragliche Vereinbarung über die Verjährungsfrist iSd. § 13 Abs. 4 Nr. 1 VOB/B am Anfang vor, der die 4-jährige Verjährungsfrist der VOB/B ausschließt. Aber auch dies kann dahinstehen:

(1) Die Verkürzung der Verjährungsfrist von 5 auf 4 Jahre verstößt gegen § 309 Nr. 8 Buchst. b) ff) BGB (BGH NJW 1999, 2434; BGH NJW 2014, 206; BGH NJW-RR 1987, 144, 145 f.; BeckOGK/Weiler, 1.1.2023, BGB § 309 Nr. 8 Rn. 390). Danach darf die Verjährung von Ansprüchen gegen den Verwender wegen eines Mangels im Fall des § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht erleichtert werden.

(2) Das Gleiche gilt für § 13 Abs. 4 VOB/B, wenn der Auftragnehmer – wie hier – der Verwender der AGB ist und der Auftraggeber ein Verbraucher ist, auch wenn die VOB/B insgesamt in den Vertrag einbezogen worden wären (Kapellmann/Messerschmidt/Langen, 8. Aufl. 2023, VOB/B § 13 Rn. 148; NWJS/Moufang/Koos, 5. Aufl. 2019, VOB/B § 13 Rn. 275; BeckOK VOB/B/Koenen, 51. Ed. 30.4.2023, VOB/B § 13 Abs. 4 Rn. 10; Messerschmidt/Voit/Voit, 4. Aufl. 2022, VOB/B § 13 Rn. 17, 51; vgl. BGH NJW 1986, 315, 316 zur Einzeleinbeziehung des § 13 Abs. 4 VOB/B). Die VOB/B unterliegen in einem Vertrag zwischen Unternehmer und Verbraucher stets der AGB-Kontrolle, unabhängig von der Vereinbarung als Ganzes (NWJS/Moufang/Koos, 5. Aufl. 2019, VOB/B § 13 Rn. 272). Ein Fall des § 310 Abs. 1 S. 1 BGB, der zum Ausschluss der Inhaltskontrolle nach §§ 307 Abs. 1, 2, 308 Nr. 1a BGB führen würde, liegt hier nicht vor. § 309 Nr. 8 Buchst. b) ff) BGB enthält ein Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeiten. Dafür kommt es nicht darauf an, ob die VOB/B insgesamt oder nur in einzelnen Bestimmungen in den Vertrag einbezogen sind.

bb)

Die 5-jährige Verjährungsfrist ist hier nicht abgelaufen.

Die Verjährung hat mit der Abnahme im November 2012 zu laufen begonnen.

Im Zeitraum Mai 2013 bis Mai 2016 (Anlage K 3) haben Gespräche und Handlungen in Bezug auf gerügte Mängel zwischen den Parteien stattgefunden. Nachdem der Kläger einen Anspruch geltend gemacht und dargelegt hat, worauf er ihn stützt, hat zwischen den Parteien ein Meinungsaustausch darüber stattgefunden, ohne dass die Beklagte die Verhandlung (sofort) abgelehnt hätte (st.Rspr.; BGH NJW 2007, 587). Im Mai 2016 haben umfangreichere „Nachbesserungsarbeiten“ stattgefunden. Hierin liegt eine Verjährungshemmung durch Verhandlung im Sinne des § 203 BGB bis Mai 2016 vor.

Die Verhandlung haben auch nicht durch die Erklärung der Beklagten vom 07.10.2015 geendet, weil die dort angebotene Reparatur der geöffneten Ecken und Kontrolle weiterer Stellen nicht den von den Bestellern geforderten Mängelbeseitigung entsprochen hat und die Beklagte nicht zum Ausdruck gebracht haben, eine weitere Verhandlung darüber hinaus abzulehnen im Sinne eines sog. doppelten Nein (Grüneberg/Ellenberger, 82. Aufl. 2023, § 203 Rn. 4).

Ob die Sanierungsmaßnahmen im Mai 2016 einen Neubeginn der Verjährung nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB zur Folge haben, kann dahinstehen. Dies wäre der Fall, wenn die Beklagte diese Arbeiten nicht nur aus Kulanz ausgeführt hat. Aus dem vorliegenden Schriftverkehr ergibt sich eine Ausführung dieser Arbeiten aus Kulanz so nicht. Es ist sogar von Gewährleistung die Rede.

Würde man von einem Neubeginn i.S.d. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB ausgehen, so würde die Verjährung im Mai 2016 neu laufen und wäre erst im Mai 2021, also nach Klageerhebung abgelaufen. Verjährung wäre dann nicht eingetreten.

Ohne Einbeziehung eines Neubeginns wäre die Verjährung durch Verhandlung zwischen Mai 2013 und Mai 2016 um 3 Jahre gehemmt bzw. verlängert worden und deshalb erst im November 2020 abgelaufen. Jedoch haben im September 2020 Gespräche zwischen den Parteien begonnen, und deshalb wieder Verhandlungen i.S.d. § 203 BGB stattgefunden, die sich bis kurz vor Klageerhebung fortgesetzt haben. Auch danach wäre eben Verjährung nicht eingetreten.

cc)

Die Mängelbehauptungen, die zwischen 2012 und 2016 Gegenstand der Verhandlungen waren, sind auch identisch mit den Mängelsymptomen, die seit September 2020 Thema der Gespräche zwischen den Parteien waren. Die aktuellen Beanstandungen liegen nahezu an denselben Stellen und Bereichen wie die Beanstandungen vor der Fassadensanierung 2016 (GA 100).

3)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die Vollstreckung (bezüglich der Gerichts- und außergerichtlichen Kosten) beruht auf § 709 S. 2 ZPO. Die Festsetzung des Streitwertes hat ihre Grundlage in § 3 ZPO.

 

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