OLG Frankfurt – Az.: 21 U 24/16 – Urteil vom 23.12.2016
Die Berufung der Beklagten gegen das am 6.5.2016 verkündete Urteil der zweiten Zivilkammer des Landgerichts Limburg a. d. Lahn, Aktenzeichen 2 O 157/15, wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung abzuwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Kläger seinerseits Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Stadt1 hat mit Beschluss vom 8.4.2009 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Inhaberin der Firma1 (Insolvenzschuldnerin) eröffnet und den Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Insolvenzschuldnerin war in den Jahren 2006 und 2007 bei acht verschiedenen Bauvorhaben als Subunternehmerin im Gewerk Sanitär und Heizung für die Beklagte tätig.
Streitgegenständlich sind anteilige Werklohnansprüche aus drei Bauvorhaben. Dabei handelt es sich im Einzelnen um folgende Vorhaben und Beträge:
- Projekt1 – Sicherheitseinbehalt i. H. v. 1.061,41 EUR
- Projekt2 – Sicherheitseinbehalt i. H. v. 6.000,00 EUR
- Projekt3 – Sicherheitseinbehalt i. H. v. 3.425,00 EUR
Bei allen drei Vorhaben hatten die Beklagte und die Insolvenzschuldnerin unter Ziffer 13.3 der jeweiligen Verträge (vgl. exemplarisch den Vertrag bezüglich des streitgegenständlichen Projekts „Projekt3“, Bl. 130 ff. d. A.) vereinbart, dass ein Betrag von 5% der Netto-Schlussabrechnungssumme zur Sicherung etwaiger Mängelansprüche von der Beklagten einbehalten werden durfte. Zu einer nach der vertraglichen Vereinbarung möglichen Ablösung des Einbehalts durch eine unbefristete, unbedingte und selbstschuldnerische Bankbürgschaft ist es jeweils nicht gekommen. In den maßgeblichen Verträgen heißt es unter Ziff. 13.3 gleichlautend weiter:
„Diese Sicherheit – gleich ob als Einbehalt oder als Bürgschaft – dient in dem Zeitraum von der Abnahme bis zum Eintritt der Verjährung der Mängelansprüche dazu, die Rechte des AG bei Mängeln (§ 634 BGB) (inklusive Aufwendungsersatz und Kostenvorschuss bei Selbstvornahme), jedwede Schadensersatzansprüche des Auftraggebers (insbesondere gemäß der §§ 280 ff. BGB) und die Ansprüche des AG auf Erstattung von Überzahlungen aus diesem Vertrag (auch hinsichtlich geänderter und zusätzlicher Leistungen) abzusichern.“
Unstreitig liegen aufgrund Zeitablaufs die Voraussetzungen vor, unter denen die vereinbarungsgemäß vorgenommenen Einbehalte in einer Höhe von insgesamt 10.486,40 EUR grundsätzlich von der Beklagten auszuzahlen wären. Allerdings hat die Beklagte bereits im November 2007 die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen gegen die Insolvenzschuldnerin im Zusammenhang mit einem anderen Bauvorhaben („Projekt4“) in Höhe von seinerzeit 131.009,66 EUR erklärt. Die Auftraggeberin der Beklagten (Generalunternehmerin) wird von der Bauherrin des betreffenden Vorhabens in einem Rechtsstreit vor dem Landgericht Stadt2 (Aktenzeichen …) wegen eines massiven Wasserschadens auf Schadensersatz in Höhe von etwa 1,2 Mio. EUR in Anspruch genommen. Die Beklagte ist an jenem Rechtsstreit als Streithelferin der Generalunternehmerin beteiligt, da sie damit rechnet, von dieser in Anspruch genommen zu werden, und hat ihrerseits dem Kläger des vorliegenden Rechtsstreits den Streit verkündet.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Sicherheitseinbehalte seien objektbezogen vereinbart worden, also ausschließlich auf die Sicherung der (unstreitig nicht mehr in Betracht kommenden) Gewährleistungsansprüche des jeweiligen Bauvorhabens beschränkt, so dass eine Aufrechnung mit Ansprüche aus anderen Bauvorhaben ausscheide. Die Sicherungsabrede dürfe in ihrer Wirkung nicht durch einseitige Aufrechnungserklärungen erweitert werden.
Da zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten auch keine die Konnexität der Forderungen begründende ständige Geschäftsbeziehung bestanden habe, stehe der Beklagten auch kein Zurückbehaltungsrecht zu. Die geschlossenen Verträge seien im Einzelnen (vgl. die exemplarische Auflistung im Schriftsatz vom 16.3.2016, Bl. 106 ff. d. A.) unterschiedlich ausgestaltet, so dass kein hinreichender sachlicher und zeitlicher Zusammenhang bestehe. Kein einziger Vertrag sei als Fortsetzung früherer Vertragsabschlüsse anzusehen. Zudem seien Zurückbehaltungsrechte nach § 273 BGB nicht als insolvenzfest anzusehen.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 10.486,40 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, infolge der erklärten Aufrechnung mit bestehenden Schadensersatzansprüchen im Zusammenhang mit dem Vorhaben „Projekt4“ in übersteigender Höhe seien die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche erloschen. Der dort eingetretene Wasserschaden sei durch mangelhafte Arbeiten der Insolvenzschuldnerin bzw. ihres Nachunternehmens verursacht worden. Da die Insolvenzschuldnerin keine Haftpflichtversicherung unterhalten habe und für die Beklagte keine anderweitige Möglichkeit bestehe, ihre Forderungen zu realisieren, sei die Aufrechnung mit den Sicherheitseinbehalten zuzulassen. Schon zum Zeitpunkt der Aufrechnung im Jahr 2007 sei die Insolvenzschuldnerin zahlungsunfähig gewesen. Unabhängig von der zu erwartenden Inanspruchnahme durch die Generalunternehmerin seien der Beklagten für Überprüfungs- und Ersatzvornahmemaßnahmen und sonstige Folgeschäden Kosten in Höhe von mindestens 234.630,49 EUR entstanden.
Zudem seien von den Vertragsparteien in den einzelnen Verträgen stets dieselben Bedingungen vereinbart worden, so dass die Geschäftsbeziehung einer Rahmenvereinbarung entsprochen habe und im Sinne des § 273 BGB von der Konnexität der Forderungen aus den unterschiedlichen Vorhaben auszugehen sei.
Das Landgericht hat dem Kläger mit Beschluss vom 23.11.2015 Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt, nachdem es einen früheren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (Aktenzeichen …) für eine beabsichtigte Klage auf Zahlung von ausstehendem Werklohn in Höhe von 167.890,85 EUR mit Beschluss vom 8.11.2012 abgelehnt hatte, da jedenfalls einem der Großgläubiger angesichts der möglichen Quotenverbesserung eine Vorfinanzierung des Rechtsstreits zumutbar sei.
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil vom 6.5.2016 (Bl. 159 ff. d. A.) der Klage vollumfänglich stattgegeben.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass eine Aufrechnung unabhängig vom Bestehen der behaupteten Gegenansprüche unzulässig sei, weil die Sicherheitseinbehalte jeweils objektbezogen vereinbart worden seien. Auch sei die Aufrechnung nicht aufgrund von Treu und Glauben ausnahmsweise zuzulassen, nur weil die Beklagte ihre etwaigen Ansprüche gegen die Insolvenzschuldnerin auf anderem Wege nicht realisieren könne. Eine vorrangige Befriedigung der Beklagten vor anderen Insolvenzschuldnern erscheine nicht angebracht. Zudem sei die Auffassung der Klägerin zutreffend, wonach zwischen den Vertragsparteien keine ständige Geschäftsbeziehung bestanden habe, die eine Konnexität der Forderungen aus den unterschiedlichen Bauvorhaben begründen könne.
Gegen das ihr am 9.5.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 23.5.2016 eingegangenem Schriftsatz (Bl. 177 f. d. A.) Berufung eingelegt, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.
Zur Begründung ihres Rechtsmittels wiederholt und vertieft die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie führt aus, dass vor dem Hintergrund der §§ 95 und 96 InsO die Auffassung des Landgerichts unrichtig sei, eine Zulassung der Aufrechnung führe zur Benachteiligung anderer Insolvenzgläubiger. Demgegenüber entspreche es der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, bei vertraglich vereinbarten Aufrechnungsverboten im Insolvenzfall nach Treu und Glauben eine Aufrechnung zuzulassen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil der zweiten Zivilkammer des Landgerichts Limburg vom 6.5.2016 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Ergänzend weist er darauf hin, dass Sicherheitseinbehalte nicht der Vermeidung insolvenzbedingter Vermögensnachteile dienten, sondern bereits verdiente Werklohnansprüche des Unternehmers darstellten, auf die dieser für einen bestimmten Zeitraum verzichte, alleine um etwaige Gewährleistungsansprüche aus dem jeweiligen Werkvertrag zu sichern.
Ergänzend wird auf die im Berufungsrechtszug eingereichten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
II.
1. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
2. Sie verhilft der Rechtsverteidigung der Beklagten allerdings nicht zum Erfolg.
Unstreitig steht der Insolvenzschuldnerin aus den genannten drei Bauvorhaben dem Grunde nach noch restlicher Werklohn in Höhe von 10.486,40 EUR zu, nachdem die Voraussetzungen für die Auszahlung der vertragsgemäß einbehaltenen Sicherheiten eingetreten sind. Unzutreffend ist hingegen die Auffassung der Beklagten, ihr im Zusammenhang mit dem Schadensfall am Bauvorhaben „Projekt4“ zustehende Gegenansprüche stünden aufgrund der bereits im Jahr 2007 erklärten Aufrechnung dem Erfolg der Klage entgegen.
a) Dabei teilt der Senat zunächst die Auffassung des Landgerichts, dass die streitgegenständlichen Sicherheitseinbehalte jeweils bezogen auf das betreffende Bauvorhaben vereinbart worden sind und dies im Grundsatz einer Aufrechnung mit streitigen Ansprüchen aus einem anderen Bauvorhaben entgegensteht.
aa) Zwar hat das Oberlandesgericht Hamm – ohne nähere Begründung – mit Urteil vom 27.10.2006 (Az.: 12 U 47/06, BauR 2009, 861) entschieden, dass der Auftraggeber den Sicherheitseinbehalt nicht auszuzahlen braucht, wenn er mit ungesicherten Ansprüchen aus einem anderen Bauvorhaben aufrechnen kann, selbst wenn der Auftragnehmer ihm eine Gewährleistungsbürgschaft zum Austausch gegen den Sicherheitseinbehalt in bar ausgehändigt hat. Der Bundesgerichtshof hat die Nichtzulassungsbeschwerde gegen dieses Urteil zurückgewiesen (Beschluss vom 29.1.2009, VII ZR 227/06, juris).
Demgegenüber haben das Oberlandesgericht Dresden (Urteil vom 28.9.2000, 19 U 888/00, juris), das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 23.2.2007, 22 U 115/06, BauR 2007, 1587), das Oberlandesgericht Saarbrücken (Beschluss vom 8.6.2009, 1 U 299/08, juris) und zuletzt das Oberlandesgericht Karlsruhe (Urteil vom 9.12.2014, 8 U 165/13, juris) entschieden, dass der Sicherheitseinbehalt ausschließlich auf die Sicherung von Ansprüchen aus demselben Bauvertrag beschränkt und daher eine Aufrechnung des Sicherungsnehmers mit Ansprüchen aus anderen Bauvorhaben nicht möglich ist.
bb) Der (auf Ansprüche aus anderen Bauvorhaben beschränkte) Aufrechnungsausschluss folgt – auch ohne ausdrückliche Vereinbarung – aus der Natur der Sicherungsabrede, mit deren besonderem Inhalt eine projektübergreifende Aufrechnung grundsätzlich nach Treu und Glauben nicht vereinbar wäre (so auch Schlüter, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 387 Rn. 60).
Der Sicherheitseinbehalt dient – vorbehaltlich abweichender vertraglicher Regelungen – in der Regel der Sicherstellung der vertragsgemäßen Bauausführung und der Absicherung des Auftraggebers für den Fall auftretender Baumängel (vgl. etwa Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Aufl. 2015, Rn. 1639). Ihm soll die Möglichkeit eröffnet werden, zur sicheren Befriedigung seiner Ansprüche auf den einbehaltenen Teil der Vergütung zurückgreifen, das heißt gerade auch seine Forderungen gegen den zur Sicherheit einbehaltenen Betrag aufrechnen zu können.
Der Auftragnehmer könnte aber, sollte eine Aufrechnung des Auftraggebers auch mit Forderungen aus anderen Bauvorhaben zugelassen werden, insbesondere im Falle sich ausweitender Vertragsbeziehungen nicht mehr überblicken, zu welchem Zeitpunkt ein Sicherheitseinbehalt tatsächlich zur Auszahlung gelangen wird. Der Sicherheitseinbehalt würde so, anders als grundsätzlich vorgesehen, nicht mehr mit Ablauf der Gewährleistungsfrist – bzw. bei Geltung der VOB/B nach Ablauf von zwei Jahren – zur Auszahlung fällig, sondern zu einem unbestimmten Zeitpunkt. Letztlich würde dadurch für den Auftraggeber jedenfalls dann, wenn seine Gewährleistungsansprüche (und sonstigen Schadensersatzansprüche) bei einem Vorhaben niedriger ausfallen als durch den jeweiligen Einbehalt abgesichert oder wenn solche Ansprüche – wie vorliegend – überhaupt nicht bestehen, eine Erhöhung der Sicherheit für weitere Projekte und Abrechnungen erreicht (so OLG Düsseldorf und OLG Karlsruhe a. a. O.; vgl. auch Joussen, in: Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, § 17 Abs. 1 VOB/ B, Rn. 22; Rudolf/Koos, in: Beck´scher VOB-Kommentar, § 17 Abs. 3 VOB/B, Rn. 17 a. E.).
Mit Recht weist das Oberlandesgericht Düsseldorf in der genannten Entscheidung zudem darauf hin, dass auch die regelmäßig eingeräumte Möglichkeit der Ablösung einer solchen Sicherheit durch ein Bürgschaft, die dann ebenfalls konkret auf das jeweilige Bauprojekt bezogen ist, dafür spricht, es entspreche dem Verständnis der Baupraxis, dass der Sicherheitseinbehalt regelmäßig nur der Sicherung von Ansprüchen aus dem konkreten Bauprojekt diene.
cc) Etwas anderes gilt vorliegend auch nicht aufgrund der zitierten Formulierung unter Ziff. 13.3 der maßgeblichen Verträge, die Sicherheit diene dazu, „jedwede“ Schadensersatzansprüche des Auftraggebers abzusichern.
In ihrem Gesamtzusammenhang ist diese Regelung dahingehend auszulegen, dass damit nicht eine Erweiterung der Sicherung auf Schadensersatzansprüche des Auftraggebers aus anderen Bauvorhaben gemeint ist, sondern nichts anderes gelten soll als für (sonstige) Mängelansprüche und die Erstattung von Überzahlungen, bei denen die Formulierung jeweils enger gefasst ist bzw. – im Fall der Erstattung von Überzahlungen – sogar ausdrücklich die Beschränkung auf das jeweilige Vertragsverhältnis zum Ausdruck bringt. Ein sachlicher Grund für eine insofern bewusst abweichende Behandlung der erwähnten Schadensersatzansprüche ist nicht ersichtlich, so dass – auch in Anbetracht des Klammerzusatzes mit dem Verweis auf die §§ 280 ff. BGB – davon auszugehen ist, dass der Zusatz „jedwede“ lediglich der Verdeutlichung dient, dass die Sicherheit nicht auf Schadensersatzansprüche beschränkt ist, die aus § 634 Nr. 4 BGB folgen.
b) Allerdings lag den unter Ziff. 2. a) zitierten obergerichtlichen Entscheidungen nicht die Konstellation zugrunde, dass – wie vorliegend – der Werkunternehmer, gegen den Ansprüche des Auftraggebers in beträchtlicher Höhe bestehen sollen, vor Eintritt der Fälligkeit der Auszahlungsansprüche insolvent geworden ist und sich dies bereits zum Zeitpunkt der Aufrechnung abgezeichnet hat.
Lediglich im erwähnten Urteil des OLG Karlsruhe vom 9.12.2014 wird ausgeführt, dass die Auszahlung des Sicherheitseinbehalts nicht mit dem Hinweis auf das zwischenzeitlich wieder beendete Insolvenzverfahren über das Vermögen des Auftragnehmers verweigert werden könne, wobei im dortigen Fall die Besonderheit bestand, dass der Auftraggeber die Auszahlung des Einbehalts verweigerte, obwohl er zuvor eine zu dessen Ablösung gestellte Gewährleistungsbürgschaft angenommen hatte. Der Bundesgerichtshof hatte zuvor in einem Urteil vom 25.11.2010 (Az.: VII ZR 16/10, NJW 2011, 443) entschieden, dass das Austauschrecht hinsichtlich beider Formen der Sicherheit durch die Insolvenz nicht ausgeschlossen wird.
Zu der von Beklagtenseite aufgeworfenen Frage, ob der aus dem Zweck des Sicherheitseinbehalts abgeleitete Ausschluss der Aufrechnung mit projektübergreifenden Ansprüchen dahingehend einzuschränken ist, dass er im Insolvenzfall des Auftragnehmers nach Treu und Glauben keine Geltung beanspruchen kann, ist dagegen obergerichtliche Rechtsprechung – soweit ersichtlich – bislang nicht ergangen. Die Frage ist entgegen der Auffassung der Beklagten zu verneinen.
aa) Dabei ergibt sich im vorliegenden Fall ein Ausschluss der Aufrechnung nicht bereits aus § 95 Abs. 1 S. 3 InsO, da die Aufrechnung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt ist und der Anspruch der Insolvenzschuldnerin auf Auszahlung der Sicherheitseinbehalte nicht vor den etwaigen Schadensersatzansprüchen der Beklagten fällig geworden ist.
bb) Allerdings entspricht es ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 12.12.1990, VIII ZR 355/89, NJW-RR 1991, 971; Urteil vom 26.2.1987, I ZR 110/85, NJW-RR 1987, 883; Urteil vom 12.10.1983, VIII ZR 19/82, NJW 1984, 357; vgl. auch Schlüter, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 387 Rn. 64), ein vertragliches Aufrechnungsverbot in der Regel einschränkend dahingehend auszulegen, dass es im Fall der Insolvenz – unbeschadet abweichender ausdrücklicher Vereinbarung – gerade nicht gelten solle, weil sich durch die Insolvenz die zuvor bestehende Interessenlage grundsätzlich gewandelt habe.
Dies gelte etwa dann, wenn anzunehmen ist, dass das Aufrechnungsverbot eine schnelle und unproblematische Abwicklung des Vertragsverhältnisses durch den Ausschluss von Aufrechnungen gewährleisten sollte und damit nicht die Beschränkung der Durchsetzung von Gegenforderungen des Vertragspartners bezweckt hat (vgl. hierzu auch Lackhoff/Bauer, NZI 2013, 427). Anders sei zu entscheiden, wenn das vertragliche Aufrechnungsverbot nach seinem Zweck gerade auch für den Fall der Insolvenz gelten sollte, die Vertragspartner also in Kauf genommen haben, dass der Schuldner mit seinen Gegenforderungen ausfällt, also etwa dann, wenn das Aufrechnungsverbot entsprechend seiner Zweckbestimmung als Mittel der Kreditsicherung verwandt worden ist, weil dann der Kreditgeber gerade darauf vertrauen dürfen soll, die ihm als Sicherheit abgetretene Forderung nicht durch Aufrechnung zu verlieren, wenn sein Schuldner insolvent wird (vgl. BGH, Urteil vom 19.9.1988, II ZR 362/87, NJW-RR 1989, 124).
cc) Die zitierte Rechtsprechung bezieht sich zwar nicht auf Fälle, in denen der Aufrechnungsausschluss aus der Natur des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses folgt, sondern auf ausdrücklich individualvertraglich oder im Wege Allgemeiner Geschäftsbedingungen vereinbarte Aufrechnungsverbote. Insofern ist allerdings nicht ersichtlich, weshalb die dort formulierten Einschränkungen der Geltung des Aufrechnungsausschlusses im Fall der Insolvenz nicht grundsätzlich auch dann zum Tragen kommen sollten, wenn dieser nicht einmal auf einer ausdrücklichen Vereinbarung zwischen den Parteien beruht.
Auch insofern ist jedoch maßgeblich auf den Zweck des jeweiligen Aufrechnungsausschlusses abzustellen.
Soweit die unter Ziff. 2. a) genannten Entscheidungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf und des Oberlandesgerichts Karlsruhe darauf verweisen, der Bundesgerichtshof habe in einer (allerdings nicht zum Sicherheitseinbehalt, sondern zur Erfüllungsbürgschaft ergangenen) Entscheidung ausgeführt, dass die Aufrechnung nur im Rahmen der ursprünglichen Sicherungsabrede zulässig sei, diese in ihrer Wirkung also nicht durch einseitige Erklärung erweitert werden dürfe (Urteil vom 24.9.1998, IX ZR 371/97, NJW 1999, 55), ist jene Entscheidung zwar zur Bürgschaft auf erstes Anfordern ergangen und argumentiert mit den Besonderheiten dieses Sicherungsinstruments.
Der damit zum Ausdruck gebrachte Gedanke ist aber auch auf die hier zu entscheidende Konstellation übertragbar. Folgt nämlich der für projektübergreifende Ansprüche angenommene Aufrechnungsausschluss, wie bereits ausgeführt, gerade aus dem beschränkten Sicherungszweck des Einbehalts, erscheint es gerechtfertigt, es dem Auftraggeber auch im Fall der Insolvenz des Auftragnehmers zu verwehren, die einbehaltene Sicherheit anderweitig als im Rahmen der Abwicklung des konkret betroffenen Vertragsverhältnisses zu verwerten, also über ihren eigentlichen Zweck hinaus zu erweitern, und zwar unabhängig davon, ob und in welchem Maße die etwaige Gegenforderung den Sicherheitseinbehalt übersteigt.
Bei dem aufgrund der vertraglichen Vereinbarung vom Auftraggeber einbehaltenen Betrag handelt es sich um einen vom Auftragnehmer bereits durch seine Leistung verdienten Teil seiner Werklohnvergütung, der lediglich zur Absicherung vertragsbezogener Ansprüche nicht vor Ablauf gewisser Fristen zur Auszahlung gelangen soll (LG München I, Urteil vom 14.5.2014, 24 O 24859/13, juris, Rn. 50). Der Auftraggeber erhält dadurch eine Sicherheit, auf die er gerade auch im Fall der Insolvenz des Auftragnehmers zurückgreifen kann, aber eben nur im vom Umfang der Sicherungsabrede vorgegebenen Rahmen. Der Zweck der mit dem Einbehalt erzielten Sicherung des Auftraggebers und die ihm zugrunde liegende Interessenlage ändern sich durch den Eintritt des Insolvenzfalles nicht. Vielmehr lässt der Bundesgerichtshof im Fall der Insolvenz des Auftragnehmers, wie bereits erwähnt, sogar auch noch eine vereinbarungsgemäße, für den Auftraggeber aber gegebenenfalls nachteilige Ablösung des Einbehalts durch Bürgschaften zu (Urteil vom 25.11.2010, VII ZR 16/10, NJW 2011, 443).
Insofern ist die vorliegende Konstellation auch nicht mit Fällen zu vergleichen, in denen ein vertragliches Aufrechnungsverbot vorrangig der einfacheren Vertragsabwicklung und der Sicherung der Liquidität (einer) der Vertragsparteien dient, weil dieser Zweck im Fall der Insolvenz der anderen Vertragspartei in den Hintergrund tritt.
c) Zutreffend sind die Ausführungen des Landgerichts, dass sich die Beklagte unter Hinweis auf die von ihr behaupteten Gegenansprüche aus dem Bauvorhaben „Projekt4“ nicht mit Erfolg auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen kann, da Klage- und Gegenforderung nicht auf demselben rechtlichen Verhältnis beruhen.
Dabei ist grundsätzlich bereits davon auszugehen, dass im Umfang eines wirksamen Ausschlusses der Aufrechnung auch ein hilfsweise geltend gemachtes Zurückbehaltungsrecht wegen der betreffenden Gegenforderung ausgeschlossen ist, da seine Ausübung im Ergebnis dem Erfolg der Aufrechnung gleichkäme (vgl. etwa Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Aufl. 2015, Rn. 3045 m. w. N.).
Darüber hinaus setzt die nach § 273 Abs. 1 BGB erforderliche Konnexität voraus, dass sich die gegenseitigen Ansprüche aus einem einheitlichen Lebensverhältnis ergeben, und zwar so, dass es als ein Verstoß gegen Treu und Glauben erscheint, wenn ein Anspruch ohne Rücksicht auf einen sich aus diesem Lebensverhältnis ergebenden Gegenanspruch geltend gemacht wird (BGH, Urteil vom 3.7.1991, VIII ZR 190/90, NJW 1991, 2645; OLG Frankfurt, Urteil vom 17.10.2012, 12 U 35/11, juris, Rn. 48). Bei Ansprüchen aus einem Bauvorhaben müssen die Ansprüche aus demselben Bauvorhaben entstanden sein, es sei denn, es besteht zwischen den Parteien eine ständige Geschäftsbeziehung (OLG Köln, Urteil vom 30.11.2010, 15 U 77/10, BauR 2011, 1214; OLG Naumburg, Urteil vom 30.9.1996, 1 U 76/96, BauR 1997, 1049; Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 273 Rn. 11). Ansprüche aus einer dauernden Geschäftsbeziehung sind anzunehmen, wenn die verschiedenen Verträge wegen ihres zeitlichen oder sachlichen Zusammenhangs als eine natürliche Einheit erscheinen (BGH, Urteil vom 13.7.1970, VII ZR 176/68, BGHZ 54, 250; OLG Köln, Urteil vom 30.11.2010, 15 U 77/10, BauR 2011, 1214).
Daraus, dass die Beklagte die Insolvenzschuldnerin insgesamt acht Mal mit Arbeiten aus dem Bereich Heizung und Sanitär beauftragt hat, kann nicht auf eine dauernde Geschäftsverbindung geschlossen werden. Die mehrmalige Erteilung gleichartiger Aufträge reicht für eine laufende Geschäftsbeziehung nicht aus. Eine solche wird erst begründet, wenn ein Vertrag als Fortsetzung früherer Vertragsabschlüsse anzusehen ist (dazu OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.3.2005, 22 U 99/04, BauR 2006, 120; OLG München, Urteil vom 16.1.2008, 27 U 468/07, BauR 2009, 259). Daran fehlt es hier. Über die grundsätzliche Gleichartigkeit der Auftragsgegenstände hinaus sind die Einzelverträge verknüpfende Gesichtspunkte auch nach dem ergänzten Vorbringen der Beklagten nicht erkennbar. Es ist nicht vorgetragen, dass und inwiefern sich die Parteien – und sei es nur mündlich – über eine enge und dauerhafte Zusammenarbeit einig gewesen sind und welche praktischen Folgerungen die Parteien aus einem etwaigen Willen zur Einheitlichkeit gezogen hätten. Zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung als Grundlage für zukünftige Aufträge ist es unstreitig nicht gekommen (anders als in der von Beklagtenseite herangezogenen Entscheidung des OLG München, Urteil vom 21.5.2014, 13 U 4423/13, BauR 2016, 152). Auch sind die verschiedenen Bauvorhaben offenbar getrennt voneinander angeboten, beauftragt und abgerechnet worden (vgl. zu den genannten Anforderungen etwa OLG Köln, Urteil vom 30.11.2010, 15 U 77/10, BauR 2011, 1214; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.3.2005, 22 U 99/04, BauR 2006, 120).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.
Die Revision ist wegen der divergierenden obergerichtlichen Rechtsprechung zu der Frage, ob der Auftraggeber berechtigt ist, gegen den Anspruch des Auftragnehmers auf Auszahlung eines Sicherheitseinbehalts mit streitigen Gegenforderungen aus einem anderen Bauvorhaben aufzurechnen (dazu oben unter 2. a)), gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zuzulassen (so auch schon OLG Karlsruhe, Urteil vom 9.12.2014, 8 U 165/13).