OLG München – Az.: 9 U 2533/11 Bau – Urteil vom 13.12.2011
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 10.05.2011, Az. 24 O 3160/11, wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Von der Darstellung eines Tatbestandes wird abgesehen (§§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO).
II.
Die Berufung hat keinen Erfolg. Zutreffend hat das Landgericht die Klage auf Kostenvorschuss nach § 637 Abs. 3 BGB wegen Verjährung abgewiesen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO).
Die Kläger erwarben durch notariellen „Kaufvertrag“ vom 16.08.2005 von den Beklagten eine in Bau befindliche, noch fertigzustellende Doppelhaushälfte samt Tiefgaragenplatz. Die Abnahme der Kläger vom 21.09.2005 war wirksam und setzte die Verjährungsfrist von 5 Jahren in Gang, so dass der Anspruch der Kläger auf Vorschuss für die Kosten der Mangelbeseitigung am Haus bei Klageerhebung bereits verjährt war.
1.
Entgegen der Ansicht der Kläger kommt es nicht darauf an, ob auf der Rechtsgrundlage des notariellen Kaufvertrags zu diesem Zeitpunkt bereits die Abnahme verlangt werden konnte.
Die Kläger verweisen darauf, dass im Zeitpunkt der Abnahme am 21.09.2005 noch keine Abnahmereife vorgelegen habe, weil die Außenanlagen und die Tiefgarage erst im Jahr 2006 fertig gestellt worden seien. Außerdem halten sie die vertraglichen Regelungen für intransparent und unwirksam, soweit dort eine Abnahme des gesamten Kaufobjekts mit Festhaltung noch fehlender Leistungen im Abnahmeprotokoll vorgesehen sei.
Diese Behauptungen der Kläger sind als wahr zu unterstellen.
2.
Denn die Kläger haben durch Abnahmeprotokoll vom 21.09.2005 (Anlage K 3) ausdrücklich die Abnahme des gesamten „Kaufobjekts“ erklärt. Dabei waren sie sich ausweislich der ausführlichen Auflistung von Mängeln und fehlenden Leistungen bewusst, welcher Leistungsstand tatsächlich erreicht war. Die Auslegung des Protokolls vom 21.09.2005, das die Kläger und die Beklagten unterzeichnet haben, ergibt (§§ 133, 157 BGB), dass die Parteien eine Abnahme des gesamten Vertragsgegenstandes erklären wollten.
Nach dem als wahr unterstellten Vorbringen der Kläger bestand objektiv noch keine Abnahmereife. Trotzdem liegt eine voll wirksame Vorwegabnahme vor (dazu BGH BauR 2006, 1332 und BGHZ 125, 111; OLG Brandenburg BauR 2003, 1054; Hanseatisches OLG Hamburg IBR 2003, 528).
Die Auftraggeber sind rechtlich frei, die Abnahme nach § 640 BGB mit deren gravierenden Rechtsfolgen auch vorzeitig zu erklären. Die Regelungen der MaBV und die AGB-Widrigkeit des notariellen Kaufvertrags stehen der Vorwegabnahme nicht entgegen. Denn selbst wenn bei Abschluss des Kaufvertrags die umfassende Abnahme nicht für einen solchen unfertigen Bautenstand hätte vereinbart werden können, wie er tatsächlich am 21.09.2005 erreicht war, bleibt es den Erwerbern unbenommen, im Laufe der Vertragsdurchführung zu einem objektiv verfrühten Zeitpunkt die Abnahme zu erklären.
Dabei kommt es nicht darauf an, dass sich die Parteien der Tatsache der Vorwegabnahme bewusst waren. Es kommt nur darauf an, ob die Kläger als Erwerber am 21.09.2005 die Abnahme erklären wollten. Der Abnahmewille der Kläger folgt eindeutig aus den Formulierungen des Abnahmeprotokolls. Insbesondere ist dort der Gegenstand der Abnahme auf das „Kaufobjekt“ bezogen. Dieser Begriff wurde im Kaufvertrag definiert und verwendet zur Bezeichnung des gesamten Leistungssolls. Die Kläger kannten auch genau den erreichten Bautenstand, den sie im Protokoll festhielten. Nichts ist dafür ersichtlich, dass das „Abnahmeprotokoll“ anders auszulegen sei und keine umfassende Abnahme erklärt werden sollte.
Die von den Klägern später erklärte Abnahme der Außenanlagen vermag an dieser Auslegung nichts zu ändern. Da die Abnahmewirkungen bereits am 21.09.2005 eingetreten sind, konnten diese durch die spätere erneute Abnahme nicht mehr herbeigeführt werden. Mögen die Parteien auch bei der späteren Abnahme in der Meinung gehandelt haben, die Abnahme vom 21.09.2005 sei nicht auf den gesamten Vertragsgegenstand bezogen gewesen, ändert dies nichts daran, dass die Parteien am 21.09.2005 eine umfassende Abnahme erklären bzw. entgegennehmen wollten und dies rechtswirksam getan haben.
Die Eindeutigkeit der Erklärung unterscheidet den vorliegenden Fall von solchen Fällen, in denen aus tatsächlichen Handlungen konkludente Erklärungen gefolgert werden könnten, etwa die Abnahme aus der Zahlung einer Rechnung oder der Verzicht auf die Bürgschaft aus der Rückgabe der Urkunde auf verfrühte Rückforderung durch den Bauträger (mangels Erklärungsbewusstsein verneinend OLG München BauR 2009, 1444; BGH NJW 2010, 2873).
Die Verjährungsfrist von fünf Jahren für Baumängel begann somit – wie vom Landgericht angenommen – mit der Abnahme am 21.09.2005 (§§ 634 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 640 BGB). Die Klageschrift ging am 17.02.2011 beim Landgericht ein. Zu diesem Zeitpunkt war Verjährung bereits eingetreten und konnte durch die Klage nicht mehr gehemmt werden. Die Verjährungseinrede der Beklagten hat daher Erfolg (§ 214 Abs. 1 BGB). Der notarielle Kaufvertrag wiederholt lediglich die gesetzliche Regelung (Verjährungsbeginn mit Abnahme), so dass ihm keine zu einer Firstverlängerung führende Vereinbarung zu entnehmen ist.
3.
Selbst wenn man davon abweichend die Abnahme vom 21.09.2005 so auslegen würde, dass es sich in Wahrheit um eine Teilabnahme der erbrachten Leistungen handelte (BGH BauR 2009, 1724 Rdnr. 56), können die Kläger daraus nichts für sich herleiten. Dann wären zwar die Außenanlagen und die Tiefgarage nicht abgenommen worden, das Haus jedoch schon. Die vorliegend von den Klägern verfolgten 18 Baumängel betreffen sämtlich das Haus. Demzufolge würde sich auch bei einer Teilabnahme an der Berechnung der Verjährungsfristen nichts ändern.
4.
Nichts ist dafür ersichtlich, dass die Abnahmeerklärung vom 21.09.2005 zu einem späteren Zeitpunkt erfolgreich angefochten worden wäre (§§ 119, 123 BGB) oder aus anderen Gründen ihre Wirksamkeit verloren hätte.
Im Falle eines Irrtums der Kläger über den erreichten Bautenstand oder ihre Pflicht zur Abnahme, ist das Anfechtungsrecht ungeachtet der Rechtsnatur der Abnahmeerklärung durch die vorrangigen §§ 633 ff. BGB ausgeschlossen (Palandt/Sprau, BGB, 70. Aufl. 2011, § 640 Rdnr. 3; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB – Neubearbeitung 2008, § 640 Rdnr. 12). Dies gilt sogar dann, wenn der Unternehmer die Abnahmefähigkeit arglistig vorspiegelt. Denn die Arglistfolgen regelt speziell § 634 a Abs. 3 BGB.
Randnummer17
Für Arglist der Beklagten ist vorliegend nichts ersichtlich. Überdies erlangten die Kläger so frühzeitig Kenntnis, dass die regelmäßige Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB schon vor der fünf-jährigen Frist ab Abnahme abgelaufen wäre.
Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Verteidigung der Beklagten mit der Abnahme und der daraus hergeleiteten Verjährungseinrede rechtsmissbräuchlich wäre (§ 242 BGB).
III.
Kosten, vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 91, 97, 100 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 543 ZPO nicht vorliegen. Die Sache hat keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung.
Streitwert: §§ 63 Abs. 2, 47, 48 GKG.