Dachdeckerin haftet für Wasserschaden an Penthouse-Wohnungen
Eine Klägerin verlangt von einer Dachdeckerin Schadenersatz in Höhe von 130.000 Euro. Sie wirft der Beklagten vor, eine fehlerhafte Dachentwässerung eingebaut zu haben, was zu eindringendem Wasser und erheblichen Schäden geführt habe. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung verurteilt. Die Beklagte beruft sich darauf, dass die Leistung nicht mangelhaft gewesen sei und die Klägerin selbst oder ihr beauftragtes Putzunternehmen den Spalt im Wasserkasten hätte reparieren müssen. Das Berufungsgericht bestätigt das Urteil des Landgerichts. Die Beklagte ist schuldhaft und nach § 280 Abs. 1 BGB zur Zahlung des Schadensersatzes verpflichtet. Die Dachdeckerin hat durch den unsachgemäßen Anschluss des Wasserkastens einen Werkmangel begangen, der für den Wasserschaden mitursächlich war. Ein Mitverschulden der Klägerin ist nicht gegeben. Der Schadensbetrag ist unstreitig. Die Verjährungseinrede der Beklagten wird zurückgewiesen.
Urteil im Volltext
OLG Frankfurt – Az.: 29 U 155/21 – Urteil vom 11.04.2022
Die Berufung der Beklagten gegen das am 14.07.2021 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das landgerichtliche und das vorliegende Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus beiden Urteilen vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin ließ auf einem älteren Bestandsgebäude in den Jahren 2012 und 2013 ein Staffelgeschoss mit zwei Penthouse-Wohnungen in Holzbauweise errichten. Die Beklagte führte hierzu im Auftrag der Klägerin die Dachdecker-, Spengler- und Abdichtungsarbeiten aus, dies nach Darstellung der Klägerin mangelhaft mit der Folge eindringenden Wassers und erheblicher Beschädigung des Neubauteils. Nach Einholung eines Privatgutachtens ließ sie den Bauschaden am Penthouse durch ein Schwesterunternehmen beseitigen und nimmt die Beklagte nunmehr auf Erstattung der hierfür angeblich aufgewendeten Kosten in Anspruch.
Wegen der näheren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug.
Das Landgericht hat zugunsten der Klägerin ein Grundurteil erlassen und die Beklagte durch Teilurteil zur Zahlung von 130.000 € zuzüglich Zinsen verurteilt. Die Beklagte sei gegenüber der Klägerin nach § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie die Dachentwässerung schuldhaft in nicht fachgerechter Art und Weise erstellt habe. Die von der Beklagten erstellte Folienabdichtung sei unzureichend an die Wasserfangkästen angeschlossen worden, was Aufgabe der Beklagten und nicht etwa des Verputzers gewesen sei; zumindest aber habe die Beklagte einen gebotenen Warnhinweis an die Klägerin unterlassen. Ein Mitverschuldensabzug wegen von der Beklagten nicht zu verantwortender anderer Eindringstellen für Wasser oder für unzureichende Planung bzw. Überwachung sei nicht gerechtfertigt, ebenso wenig für Wartungsversäumnisse. Der Schadensaufwand sei in der Mindesthöhe von 130.000 € unstreitig. Verjährt sei die Klageforderung nicht.
Die Beklagte rügt mit ihrer Berufung, ihre Leistung sei keineswegs mangelhaft gewesen, weil der streitgegenständliche Wasserkasten für sich betrachtet nach § 633 Abs. 2 BGB mangelfrei gewesen sei und die Beseitigung des dortigen Spaltes der Klägerin selbst oder dem von ihr beauftragten Putzunternehmen oblegen habe, was die Klägerin hätte planen müssen; die insoweit fehlende Planung entspreche einer fehlerhaften (Verweis auf BGH BauR 1974, 63). Es habe sich nach dem Sachverständigengutachten B um eine Sonderkonstruktion gehandelt, einen besonderen Anschluss, den die Beklagte nach 4.2.15 – 4.2.23 der DIN 18338 VOB/C nur geschuldet hätte, wenn die Parteien das – wie nicht – gesondert und ausdrücklich vereinbart hätten. Ein Hinweis an die selbst sachkundige Klägerin habe sich erübrigt. Einen Kausalzusammenhang zwischen Spalt und Wasserschaden habe das Landgericht nicht ordnungsgemäß festgestellt und sich dabei unzureichend mit dem durch ein Privatgutachten unterlegten Beklagtenvortrag zu Alternativ- bzw. Mit-Ursachen auseinandergesetzt. Jedenfalls hätte das Landgericht die Klage wegen weit überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin abweisen müssen. Diese habe die notwendige Detailplanung der Sonderkonstruktion verabsäumt und die Beklagte unzureichend überwacht; der Gesellschafter A der Klägerin sei Bauleiter gewesen, dessen Versäumnisse etwa in Gestalt baulicher Abwesenheit schlössen einen Mitverschuldensabzug nicht aus. Die Beklagte habe nicht unstreitig gestellt, dass sich die genannten 130.000 € auf Feuchteschäden beziehen, die mit dem Spalt in Zusammenhang stehen; dieser Teilbetrag sei demgemäß vom Landgericht zu Unrecht zugesprochen worden. Im Bereich des Äquivalenzinteresses sei Verjährung eingetreten.
Die Beklagte beantragt, unter Aufhebung des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen, hilfsweise die Sache an das Landgericht Wiesbaden zurückzuverweisen oder die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt ausführlich das angefochtene Urteil.
II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das angefochtene Grund- und Teilurteil entspricht im Ergebnis wie ganz überwiegend auch in der Begründung der Sach- und Rechtslage. Die Beklagte ist gegenüber der Klägerin zumindest im ausgeurteilten Umfang nach § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Die Berufung gibt lediglich Anlass zu folgenden Hervorhebungen und Ergänzungen:
2.1 Die Beklagte schuldete als werkvertraglichen Erfolg eine funktionierende Abdichtung und Entwässerung der Dachflächen. Nachdem sie die Attika eingeschnitten hatte, um einen Dachablauf zu erstellen, oblag es ihr selbstverständlich auch, dafür zu sorgen, dass durch diesen von ihr vorgenommenen Einschnitt kein Wasser in die darunterliegende Baukonstruktion eintritt. Ob sie für dieses Anschlussdetail eine besondere Vergütung nach der VOB/C hätte beanspruchen können, spielt insoweit – also für ihre Mängelhaftung einschließlich der Folgeschäden – keine Rolle, abgesehen davon, dass es kein detailliertes Leistungsverzeichnis gab, an das eine Differenzierung zwischen Haupt-, Sonder- und Nebenleistungen anknüpfen könnte. Die Klägerin hat die Leistungen der Beklagten praktisch überhaupt nicht, jedenfalls aber nicht ausführungsreif geplant, dies hat vielmehr die Beklagte konkludent mit übernommen, wie dies im Übrigen dem gesetzlichen Leitbild des BGB-Werkvertrags entspricht.
2.2.Mindestens aber hätte die Beklagte als Abdichtungsexpertin die Klägerin auf das besondere Gefahrenpotential der von ihr erstellten Öffnung hinweisen und auf die Wichtigkeit einer fachgerechten Abdichtung hinweisen müssen, was sie unstreitig nicht getan hat. Diese Abdichtung war ausweislich S. 14 des Sachverständigengutachtens B, nach S. 5 des Erläuterungsprotokolls (Bl. 290 d. A.) mündlich bestätigt, üblicherweise keine Aufgabe des Verputzers, sondern der Beklagten als Dachdeckerin. Eine diesbezügliche besondere, atypische Verlagerungs-Absprache zwischen den Parteien steht nicht fest, wie das Landgericht zutreffend, von der Berufung unbeanstandet ausgeführt hat. Eine besondere Expertise der Klägerin gerade in Abdichtungsfragen, die einen Warnhinweis hätte erübrigen können, hat die Beklagte weder ausreichend dargelegt noch unter Beweis gestellt.
2.3. Die Kausalität des von der Beklagten zu verantwortenden Werkmangels für den massiven Wasserschaden am Penthouse ist im landgerichtlichen Urteil der Sache nach zutreffend festgestellt worden; Zweifelsgründe i. S. d. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bestehen insoweit nicht.
2.3.1. Die Berufung verkennt im Ansatz, dass die Beklagte bereits deshalb für die Sanierungskosten haftet, weil ihr Werkmangel für den Wasserschaden mitursächlich ist; es kommt m. a. W. nicht darauf an, ob zusätzlich noch an anderen Stellen des Penthouses Wasser eingedrungen ist, wofür im Übrigen keine hinreichenden Anhaltspunkte bestehen.
2.3.2. Eine Mitursächlichkeit des unzureichend abgedichteten Wasserkastens für den Wasserschaden hat das Landgericht auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens B und der unstreitig zutreffenden Fotodokumentation des Privat-Sachverständigen C zutreffend festgestellt, Zweifelsgründe im o. g. Sinne sind weder von der Berufung aufgezeigt noch sonst ersichtlich. Wasserränder im Anschlussbereich des Wasserkastens und das Zusammensacken der Zellulosedämmung nach unten belegten nach dem Sachverständigengutachten klar, dass erhebliche Wassermengen von dort nach unten in die Konstruktion eingedrungen sind, ohne dass es dafür eines Rückstaus bedurfte. Dieses Beweisergebnis hat sich die Klägerin ausdrücklich zu eigen gemacht und damit ihren ursprünglichen Vortrag, es habe sich insoweit um einen Rückstauschaden gehandelt, fallengelassen. Weitere Ursachen für Wassereintritt wie etwa eingeschlossene Restfeuchte aus der Bauzeit oder ein undichter, bodentiefer Fensteranschluss ohne Entwässerungsrost o. ä. waren nach dem auch insoweit überzeugenden Sachverständigengutachten nicht auszuschließen, aber auch nicht festzustellen; sie könnten an der Einstandspflicht als etwaige Mitursachen jedenfalls nichts ändern. Für undichte Durchführungen o. ä. fehlen jegliche Anhaltspunkte.
2.4. Das Landgericht hat zu Recht keinen Mitverschuldensabzug vorgenommen.
2.4.1. Richtig ist ausweislich des Sachverständigengutachtens B, dass die Sonderkonstruktion mit dem vor Ort angefertigten Wasserkasten besonders detaillierter Planung bedurft hätte. Dass die Klägerin der Beklagten keine Planung in diesem Sinne zur Verfügung gestellt hat, begründet allerdings deshalb kein abzugsfähiges Mitverschulden der Klägerin, weil sich die Beklagte zur Werkleistung bereit erklärt hat, ohne eine Planung von der Klägerin zu erhalten, m. a. W. die Planungsverantwortung mit übernommen hat (vgl. BGH BauR 1974, 63, 64; OLG Celle BauR 2005, 397, 398). Eine völlig fehlende Planung kann in diesem Sinne einer fehlerhaften Planung nicht gleichgestellt werden. Ein schlichter Ausstattungs- oder Gestaltungswunsch des Bestellers ist keine Planung.
2.4.2. Eine fehlerhafte, unzureichende Bauüberwachung kann nach ständiger Rechtsprechung des BGH, der der Senat wie die übrige obergerichtliche Rechtsprechung folgt, von vornherein kein abzugsfähiges Mitverschulden des Bestellers zugunsten des Bauunternehmers begründen. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob ein Gesellschafter der Klägerin beim streitgegenständlichen Bauvorhaben Aufgaben der Bauüberwachung wahrgenommen oder vernachlässigt hat.
2.4.3. Auf Wartungsversäumnisse der Klägerin ist die Berufung zu Recht nicht mehr gestützt. In diesem Zusammenhang ist zudem bedeutsam, dass die Beklagte ausweislich des Sachverständigengutachtens den Ablauf ohne schützenden Rost erstellt und dadurch die Gefahr verstopfenden Rückstaus beträchtlich erhöht hat.
2.5. Der für die Sanierung des eingetretenen Wasserschadens erforderliche Mindestbetrag war in erster Instanz und ist auch in der Berufungsinstanz unstreitig. Soweit die Beklagte die Kausalität ihres Ausführungsfehlers für den Schaden in Abrede stellt, ist dazu oben das Erforderliche gesagt.
2.6. Die Verjährungseinrede der Beklagten greift nicht durch, hat sie doch rechtzeitig zweimal einen Verjährungsverzicht erklärt und die Klägerin vor Ablauf der letzten Verzichtsfrist geklagt.
2.7. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 2 ZPO. Der Streitfall wirft keine klärungsbedürftigen Grundsatzfragen auf.