LG Berlin – Az.: 19 O 55/20 – Urteil vom 21.09.2021
In dem Rechtsstreit hat das Landgericht Berlin – Zivilkammer 19 – aufgrund der mündlichen Verhandlung vorn 24.08.2021 für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
Tatbestand
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der ###.
Die Beklagten erwarben von der Schuldnerin eine Wohnungseigentumseinheit in dem Objekt ### Die Beklagten boten der Klägerin mit Urkunde vom 27. April 2007 den Abschluss eines „Kaufvertrages über Wohnungseigentum/Teileigentum mit Bauerrichtungs- bzw. Sanierungsverpflichtung“ an. Die Schuldnerin nahm dieses Angebot mit Urkunde vom 11. Mai 2007 an ###.
Der Vertrag sieht eine umfassende Sanierungs- und Modernisierungsverpflichtung der Schuldnerin vor. Die Parteien vereinbarten einen Kaufpreis von 383.000,00 EUR. Der Vertrag sieht in § 4 eine Hinterlegung des Kaufpreises auf einem Notaranderkonto nach Baufortschritt vor. Die letzte Rate in Höhe von 14% des Kaufpreises, also 53.620,00 EUR ist nach Bezugsfertigkeit und Zug um Zug gegen Besitzübergabe zu zahlen. Von dieser Rate verbleibt ein Einbehalt von 3,5% des Kaufpreises, der erst nach vollständiger Fertigstellung des ersten Bauabschnitts einschließlich Außenanlagen und Beseitigung im Protokoll vermerkter Mängel zu zahlen ist.
Die Schuldnerin zeigte den Beklagten unter dem 28. November 2008 die Bezugsfertigkeit an und forderte die Beklagten auf, die letzte Kaufpreisrate in Höhe von 53.620,00 EUR auf das Notaranderkonto zu überweisen (Aufforderungsschreiben Anlage K4).
Am 2. Dezember 2008 übergab die Schuldnerin den Beklagten die Wohnung (Protokoll Anlage K6).
In der Folge kam es zu Auseinandersetzungen zwischen der Schuldnerin und den Beklagten über das Vorliegen von Mängeln. Die Beklagten wurden als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.
Die Beklagten zahlten den Kaufpreis bis auf einen Betrag von 13.820,00 EUR.
Am 21. Dezember 2015 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet (Beschluss des AG Charlottenburg vom 21. Dezember 2015, Anlage K1). Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.

Der Kläger forderte die Beklagten unter dem 2. November 2018 zur Zahlung von 13.620,00 EUR auf (Anlage K8). Die Beklagten wandten ein, der Restkaufpreis in dieser Höhe sei gegen Mängelrechte der Beklagten verrechnet worden. Sie erhoben weiter die Einrede der Verjährung (Schreiben vom 15. November 2018, Anlage K8).
Der Kläger behauptet, die Beklagten hätten die Bauleistungen am 2. Dezember 2008 abgenommen. Die im Abnahmeprotokoll (Anlage K6) vermerkten Mängel bestünden nicht mehr.
Der Kläger beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der ### einen Betrag in Höhe von 13.620,00 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. November 2018 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Sie erheben die Einrede der Verjährung.
Der zur Einleitung des Verfahrens beantragte Mahnbescheid ist den Beklagten am 10. Dezember 2018 zugestellt worden.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Ob der geltend gemachte Anspruch dem Grunde nach besteht, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Soweit dies der Fall ist, sind die Beklagten nämlich gemäß § 214 Abs. 1 BGB berechtigt, die Leistung zu verweigern. Ein möglicherweise bestehender Anspruch ist verjährt.
a) Für den geltend gemachten Anspruch gilt die allgemeinen Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB.
Der Kläger macht einen Restkaufpreis-/-vergütungsanspruch aus einem Bauträgervertrag geltend. Welche Verjährungsfrist für derartige Ansprüche gilt, ist umstritten.
aa) Teilweise wird vertreten, soweit die Gegenleistung erkennbar auf den Eigentumserwerb an dem Grundstück entfalle, verjähre der Anspruch hierauf gemäß § 196 BGB in zehn Jahren. Soweit die Gegenleistung der Bauleistung zuzuordnen sei, gelte die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 195 BGB (OLG München, Hinweisbeschluss vom 16. Februar 2015 – 9 U 3997/14 Bau; jurisPK-BGB/Lakkis, 9. Aufl. Stand 01.05.2020, § 196 Rn. 4; MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2020, § 650u Rn. 21; Glöckner in: Kleine-Möller/Merl/Glöckner, Handbuch Baurecht, 6. Aufl. 2019, § 4 Rn. 33; Ott NZBau 2003, 233, 234).
bb) Vielfach wird die Geltung der regelmäßigen Verjährungsfrist befürwortet. Der Bauträgervertrag sei kein Grundstücksvertrag im Sinne von § 196 BGB, sondern ein Vertrag eigener Art, der Merkmale unterschiedlicher Vertragstypen aufweise. Die Sonderregelung des § 196 BGB sei deshalb auf den Bauträgervertrag nicht anwendbar, so dass die allgemeine Verjährungsfrist des § 195 BGB gelte (Koeble in: Kniffka/Koeble/Jurgeteit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl. 2020, 10. Teil Rn. 669; Glöckner in: Kleine-Möller/Mert/Gtöckner, § 4 Rn. 31 jedenfalls für den Fall, dass die einzelnen Vergütungskomponenten nicht eindeutig zuzuordnen sind). Gegen eine Anwendbarkeit von § 196 BGB spreche zudem, dass dann der Bauträger seinen Vergütungsanspruch deutlich länger durchsetzen könne als der Besteller etwaige Mängelansprüche (Glöckner in; Kleine-Möller/Merl/Gtöckner, § 4 Rn. 31).
cc) Dagegen wird vertreten, auf Vergütungsansprüche des Bauträgers finde die zehnjährige Verjährungsfrist des § 196 BGB Anwendung (Basty ZWE 2002, 381, 383 Brambring DNotZ 2001, 904, 905; Hertel DNotZ 2002, 6, 22; Pause NZBau 2002, 648, 650; Amann DNotZ 2002, 94, 116; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB (2019), § 196 Rn. 11; BeckOK BGB/Henrich, 54. Ed. 1.5.2020, BGB § 196 Rn. 10). Der Zahlungsanspruch des Bauträgers sei ein einheitlicher Anspruch, der nur einheitlich verjähren könne (Hertel DNotZ 2001, 6, 22). Der Anspruch des Erwerbers sei auf Eigentumsübertragung am Grundstück mit dem zu errichtenden Bauwerk als wesentlichem Be-standteil gerichtet. Auch der damit korrespondierende Vergütungsanspruch sei einheitlich zu betrachten und verjähre wie der Anspruch auf Eigentumsübertragung in zehn Jahren (Brambring, DNotZ 2001, 904, 905; Basty ZWE 2002, 381, 383; Pause NZBau 2002, 648, 650).
dd) Eine vermittelnde Auffassung stellt auf den durch Auslegung zu ermittelnden Schwerpunkt des Vertrages ab. Dies sei in der Regel die Bauverpflichtung mit der Folge, dass die regelmäßige Verjährungsfrist gelte. Bei Erwerb zu sanierender Bestandsbauten könne dies anders zu beurteilen sein (MüKoBGB/Busche, § 650u Rn. 21).
ee) Eine höchstrichterliche Entscheidung auf der Grundlage des seit der Schuldrechtsreform geltenden Verjährungsrechts ist bislang nicht ergangen.
Nach der Rechtslage vor der Schuldrechtsreform vertrat der BGH in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, die kurze Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB a.F. sei anwendbar (BGH NJW 1988, 483; NJW 1979, 2193; NJW 1979, 156). Danach verjährten Forderungen der Kaufleute und Handwerker für die Lieferung von Waren, Ausführung von Arbeiten und Besorgung fremder Geschäfte in zwei Jahren. Die auf den kaufrechtlichen Erfüllungsanspruch anwendbare allgemeine Verjährungsfrist betrug dagegen gemäß § 195 BGB a.F. 30 Jahre. Der BGH vertrat die Auffassung, die Einheitlichkeit des Vergütungsanspruchs verbiete seine Aufspaltung in einen kauf- und einen werkvertraglichen Teil, die zudem praktisch kaum durchführbar sei (BGH NJW 1979, 2193; NJW 1979, 156). Die Verjährung sei nach den Vorschriften für die Leistungen zu beurteilen, die dem Vertrag seine charakteristische Note gäben. Dies seien die Bauleistungen (BGH NJW 1979, 156).
ff) Für den vorliegend geltend gemachten Anspruch gilt die regelmäßige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB.
Eine eindeutige Zuordnung einzelner Kaufpreiskomponenten auf die Übereignung des Grundstücks einerseits und die Bauleistung andererseits ist nicht möglich. Ob in diesem Fall für die unterschiedlichen Preiskomponenten unterschiedliche Verjährungsfristen gälten, bedarf deshalb keiner Entscheidung.
Eine Auslegung des Vertrages (§§ 133, 157 BGB) führt vorliegend zur Anwendbarkeit von § 195 BGB. Bei einem Bauträgervertrag handelt es sich um einen gemischttypischen Vertrag. Er weist jedenfalls kaufvertragliche und werkvertragliche Elemente auf. Welche Vorschriften auf gemischt-typische Verträge Anwendung finden, ist durch Auslegung zu ermitteln, Entscheidend sind alte besonderen Umstände des Einzelfalles, die Interessenlage der Vertragsparteien und Sinn und Zweck der vertraglichen Vereinbarungen, insbesondere auch der Schwerpunkt der vertraglichen Verpflichtungen (BGH NJW 2008, 1072, 1073).
Nach diesem Maßstab ist auf den vorliegend geltend gemachten Anspruch die regelmäßige Ver-jährungsfrist anzuwenden. Der Schwerpunkt des Vertrages liegt auf den Bauleistungen. Dass Kaufgegenstand eine Wohnungseigentumseinheit in einem zu sanierenden und modernisieren den Bestandsgebäude war, steht dieser Annahme nicht entgegen. Dem zugrundeliegenden Vertrag lässt sich entnehmen, dass die Schuldnerin umfangreiche Baumaßnahmen ausführen sollte. Das Bauvorhaben bestand aus mehreren Bauabschnitten. Gegenstand war der Umbau eines ehemaligen Fabrikgeländes in ein Wohnquartier. Die Parteien gingen ausweislich § 2 Abs. 4 des Vertrages von einer Bauzeit von über einem Jahr aus. Dass auch die Schuldnerin den Schwerpunkt auf der Bauleistung sah, folgt unter anderem daraus, dass sie trotz der noch nicht gezahlten Kaufpreisrate der Eigentumsumschreibung zugestimmt hat.
Die Anwendung der regelmäßigen Verjährungsfrist auf den Vergütungsanspruch des Bauträgers entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des BGH vor der Schuldrechtsmodemisierung (s.o. unter 1. a) cc)). Der BGH sah den Schwerpunkt des Bauträgervertrages regelmäßig in der Bauleistung. Zwar ist diese Rechtsprechung vor dem Hintergrund zu sehen, dass der BGH nach dem vor der Schuldrechtsreform geltenden Recht den Bauträgervertrag als Werklieferungsvertrag über eine nicht vertretbare Sache einordnete (BGH NJW 1979, 156). Der typische inhaltliche Schwerpunkt von Bauträgerverträgen, den der BGH in der Bauleistung sah, hat sich aber durch die Schuldrechtsreform nicht verändert.
Allein der Umstand, dass der Bauträgervertrag auf die Übertragung des Eigentums am Grundstück einschließlich des Bauwerks als wesentlichem Bestandteil gerichtet ist (s. o. 1. a) cci), führt nicht zur Anwendbarkeit von § 196 BGB. Diese Argumentation trägt dem Bestehen einer Bauverpflichtung nicht hinreichend Rechnung. Ebenso ließe sich für die Anwendbarkeit der regelmäßigen Verjährungsfrist argumentieren, der Bauträgervertrag sei auf die Erbringung von Bauleistungen auf einem zu übereignenden Grundstück gerichtet. Der Bauträgervertrag ist gerade dadurch gekennzeichnet, dass typischerweise weder die Übereignung des Grundstücks ohne Erbringung der Bauleistungen noch die Erbringung der Bauleistungen ohne Übereignung des Grundstücks für den Erwerber hinreichenden Wert hat. Gerade bei einem in ein Wohnquartier umzubauenden Fabrikgelände wird dies deutlich: Der Kaufgegenstand hätte in unsaniertem Zustand auf einem unsanierten ehemaligen Fabrikgelände für die Beklagten keinen Wert.
Auch der Regelungszweck von § 196 BGB spricht für die Anwendung der regelmäßigen Verjährungsfrist. Die Einführung der zehnjährigen Verjährungsfrist des § 196 BGB ist im Kontext der Neuregelung des Verjährungsrechts mit der Schuldrechtsmodernisierung zu sehen. An die Stelle der zuvor geltenden regelmäßigen Verjährungsfrist von 30 Jahren trat die deutlich kürzere regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 195 BGB. Diese Verjährungsfrist hielt der Gesetzgeber bei Grundstücksgeschäften für zu kurz. Bei dem Vollzug der Eigentumsübertragung oder der Einräumung sonstiger dinglicher Rechte an einem Grundstück können erhebliche Verzögerungen auftreten, die der Schuldner nicht zu verantworten hat. Durch die Einräumung einer längeren Verjährungsfrist sollte vermieden werden, dass der Gläubiger vorschnell zu einer gerichtlichen Anspruchsdurchsetzung gezwungen wird, um die Verjährung zu hemmen (BT Drucks. 14/6040, S. 105). Um ein zu deutliches Auseinanderfallen der Verjährung des Eigentumsübertragungsanspruchs einerseits und des Anspruchs auf die Gegenleistung andererseits zu verhindern, sollte die längere Verjährungsfrist auch für letzteren Anspruch gelten (BT Drucks. 14/7052, S. 179). Der mit dieser Regelung bezweckte Gleichlauf der Verjährung ist im Bauträgervertrag durch die Anwendung der zehnjährigen Verjährungsfrist auf den Vergütungsanspruch nicht zu erreichen. Die Verjährungsfrist des § 196 BGB beginnt gemäß § 200 BGB zum Zeitpunkt des Entstehens des Anspruchs zu laufen. Dies ist in der Regel der Zeitpunkt der Fälligkeit. Angesichts der in der MaBV angelegten und vorliegend – wie üblich – vereinbarten Fälligkeitsvoraussetzungen werden aber die Kaufpreisraten zu unterschiedlichen Zeitpunkten und nicht zwingend gleichzeitig mit dem Eigentumsverschaffungsanspruch fällig. Damit wäre ein Gleichlauf der Verjährung des Eigentumsverschaffungsanspruches und des Vergütungsanspruchs auch bei Anwendung von § 196 BGB nicht zu erzielen.
b) Die Verjährung begann gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB mit Ablauf des 31. Dezember 2008 zu laufen. Der Anspruch auf Zahlung der noch geforderten Rate ist am 1. Dezember 2008 entstanden, denn er wurde mit Übergabe der Wohnung zu diesem Zeitpunkt fällig.
c) Der Anspruch war gemäß § 195 BGB mit Ablauf des 31. Dezember 2011 verjährt. Die Verjährung ist nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB, § 167 ZPO durch die Zustellung des Mahnbescheides gehemmt worden. Der am 26. November 2018 beantragte Mahnbescheid ist den Beklagten am 4, Dezember 2018 zugestellt worden. Zu diesem Zeitpunkt war die geltend gemachte Forderung bereits verjährt.
d) Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung vorprozessual und im Prozess erhoben, § 214 BGB.
2. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.