Immobilienrecht und der Fall stillschweigender Mängelannahme
Im Zentrum dieses Urteils steht das Prinzip der „Mängelannahme“ in der Wohnungseigentumsverwaltung und wie sie Auswirkungen auf rechtliche Forderungen haben kann. Spezifisch beschäftigt sich der Fall mit einer Wohneigentümergemeinschaft (WEG), bei der Fragen zur Gültigkeit von Mängelansprüchen und zur Bedeutung stillschweigender Handlungen gestellt wurden.
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Übersicht
Kontroverse um die Anspruchsübernahme
Im ursprünglichen Verlauf wurde argumentiert, dass eine „Übernahme“ der Mängelansprüche nicht möglich sei. Dies beruhte auf der Annahme, dass die Abstimmung der Wohnungseigentümer uneindeutig gewesen sei und somit nicht klargestellt wurde, dass individuelle vertragliche Ansprüche der damaligen Eigentümer durch die WEG geltend gemacht werden sollten.
Abnahme des Gemeinschaftseigentums
Darüber hinaus wurde diskutiert, ob das Gemeinschaftseigentum stillschweigend abgenommen wurde. Die Argumentation dafür bestand darin, dass die vertraglich vereinbarte Abnahme durch einen Sachverständigen nie stattgefunden hat und somit der Verzicht auf die Sachverständigenabnahme als stille Zustimmung zur Werkleistung angesehen wurde. Darüber hinaus wurde darauf hingewiesen, dass bereits im Jahr 2007 Verhandlungen über noch offene Mängelpositionen stattgefunden hatten und eine Einigung erzielt wurde.
Kostenvorschuss und Verjährung
Ein weiterer Aspekt des Falles bezog sich auf den Anspruch auf Kostenvorschuss, der bereits verjährt sein sollte. Diese Einschätzung leitete sich aus der Rechtsprechung höchster und oberster Gerichte ab, die eine Regelung über die Abnahme, bei der das Gemeinschaftseigentum durch einen vom Bauträger zu benennenden Sachverständigen oder durch einen vom Bauträger bestimmbaren Erstverwalter abgenommen wird, als unangemessen beurteilten.
Unwirksamkeit der Abnahmeklausel und die Erwerber
Im Urteil wurde zudem festgestellt, dass es keine Anhaltspunkte dafür gab, dass die Erwerber im Jahr 2001 wussten, dass sie zur Abnahme berufen waren, sollte die Sachverständigenabnahme nicht durchgeführt werden. Gemäß der Regelung im Bauträgervertrag mussten die Erwerber davon ausgehen, das Recht zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums unwiderruflich an einen vom Verwalter bestimmten Sachverständigen verloren zu haben. Die relevante Rechtsprechung zur Unwirksamkeit der Abnahmeklausel wurde erst einige Jahre später entwickelt.
Treuwidrigkeit und Verwirkung
Schließlich gab es Diskussionen über Treuwidrigkeit und Verwirkung in Bezug auf den Zeitablauf und die damit verbundenen Umstände. Es wurde festgestellt, dass es eine Art Wechselwirkung zwischen den beiden Aspekten gibt: Je mehr Zeit vergangen ist, desto geringer sind die Anforderungen an die treuwidrigkeitsbegründenden Umstände; im Gegensatz dazu sind bei stärkeren Umständen gegen die Geltendmachung des Rechts geringere Anforderungen an den vergangenen Zeitraum zu stellen. Die Analyse der Treuwidrigkeit und Verwirkung beruhte auf den Prinzipien von Treu und Glauben, die im BGB § 242 verankert sind.
Das vorliegende Urteil
LG München I – Az.: 2 O 1924/22 – Urteil vom 13.07.2023
In dem Rechtsstreit wegen Forderung erlässt das Landgericht München I – 2. Zivilkammer – aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16.06.2023 folgendes Endurteil:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss: Der Streitwert wird auf 900.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über Kostenvorschussansprüche im Zusammenhang mit der Errichtung einer Tiefgarage.
Die Mitglieder der Klägerin schlossen mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der ### im Jahr 1999 Bauverträge. Hinsichtlich der Abnahme des Gemeinschaftseigentums enthielt jedenfalls der Kaufvertrags des Erwerbers ### vom 18.10.1999 unter Ziffer VIII.2 folgende Regelung:
„2. Die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums erfolgt für den Käufer in Gegenwart des Verwalters an einen vereidigten Sachverständigen, der vom Käufer ausgewählt und bezahlt wird.
Der Käufer beauftragt und bevollmächtigt hiermit unwiderruflich den vereidigten Sachverständigen zur Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums.“
Im Einzelnen wird auf den als Anlage K1 vorgelegten Vertrag verwiesen. Das Gemeinschaftseigentum wurde den Erwerbern im Jahr 2001 übergeben. Am 22.02.2001 fand eine Besichtigung durch den ### statt, der in Folge der Begehung ein „Mängelprotokoll“ (Anlage B1) erstellte. Nach einer weiteren Begehung durch ### am 29.05.2001 wurde die Mängelliste um weitere 5 Seiten ergänzt (Anlage B2). Ausweislich der Begehungsprotokolle vom 10.03.2001 (Anlage K8) und 05.07.2001 (Anlage K9) war ### mit der „Mitwirkung bei der Abnahme des Gemeinschaftseigentums“ beauftragt und traf im Rahmen der Begehungen jeweils ausdrücklich Feststellungen zur Abnahmefähigkeit des Gemeinschaftseigentums. Ob er auch die Abnahme für die Erwerber ausdrücklich erklärte, ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls haben die einzelnen Erwerber keine eigenständigen Abnahmeerklärungen abgegeben.
Im Jahr 2004 wurden sodann Mängel an der Heizungsanlage gerügt, welche ausweislich der noch rekonstruierbaren Schreiben der Beklagten im Laufe des Jahres von der Rechtsvorgängerin der Beklagten bearbeitet wurden. Insoweit wird auf die Anlagen B5 und B6 verwiesen.
Im Jahr 2005 übermittelte die Hausverwalterin der Klägerin der Rechtsvorgängerin der Beklagten ein Gutachten des Privatsachverständigen ###, welches 37 Seiten diverser Mängelrügen enthielt. Insoweit wird auf die Anlage B7 verwiesen. Die Mängel wurden im Jahr 2006 von der Beklagten sukzessive abgearbeitet. Gegenständlich waren insoweit auch Mängelrügen hinsichtlich der Holzverkleidung der Fassade („Die Holzverkleidung der Fassade ist in den vorspringenden Teilen bereits erheblich abgewittert. Die Platten wurden für eine direkte Bewitterung offensichtlich nicht ausreichend geschützt“, vgl. Ziffer 4.8.1 der Anlage B7) und des Dachs („In den Grabenrinnen vor den Treppenhäusern kommt es zu deutlichen Schmutzansammlungen, d.h. hier ist kein ausreichendes Gefälle vorhanden“ vgl. Ziffer 4.7 der Anlage B7).
Im Rahmen der ordentlichen Eigentümerversammlung der Klägerin am 23.05.2006 teilte die Verwalterin den Eigentümern unter TOP 6 mit, dass von etwa 140 gerügten Positionen ca. 110 Punkte erledigt seien, von denen nur insgesamt 6 als strittig zu werten seien. Zudem wurden die nachfolgenden Anträge zur Abstimmung gestellt und jeweils angenommen:
„a) Der Verwalter wird beauftragt und bevollmächtigt, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, welcher die Verlängerung der Gewährleistung um ein weiteres Jahr für die Mängel am Dach mit der Firma ### vereinbart. […]
b) Der Verwalter wird beauftragt und bevollmächtigt, nach Abstimmung mit den Beiräten die rechtlichen Mängelpunkte (bis auf die des Daches) aus dem Gutachten von Herrn ### mit der Firma ### endzuverhandeln. Jegliche Haftung des Verwalters und der Beiräte hierfür wird ausgeschlossen. […]
c) Nach Abschluss der Mängelbeseitigungsmaßnahmen wird der Gutachter ### beauftragt, die Mängelbeseitigung zu überprüfen.“
Im Rahmen der Eigentümerversammlung vom 08.05.2007 wurde unter TOP 7 festgehalten:
„Die Mängelbeseitigungsarbeiten sind weit fortgeschritten und nun fast abgeschlossen. […] Die Gewährleistung ist nun abgelaufen, wenngleich der Bauträger versuchen wird, bei der Firma ### nochmals eine Verlängerung um ein weiteres Jahr zu erreichen.“
Insoweit wird auf die mit Schriftsatz des Klägervertreters vom 27.02.2023 übersandten Protokolle der Eigentümerversammlungen verwiesen.
Im Jahr 2013 wurde die Rechtsvorgängerin aufgrund Verschmelzung mit der Beklagten aus dem Handelsregister gelöscht.
Im Jahr 2021 erstellte der nunmehr klägerseits beauftragte Privatsachverständige ### eine Stellungnahme, wonach sowohl das Dach als auch die Fassadenverkleidung als mangelhaft zu werten seien.
Das Dach sei zum Untergrund nicht fachgerecht befestigt worden und bereits an vielen Stellen gerissen, wodurch Wasser in die Dachgeschosswohnungen eintrete. Grund dafür sei möglicherweise, dass die Haften ursprünglich nicht ausreichend gemäß Windsog-Berechnung eingebaut worden seien. Die Terrassenwohnungen seien mit einer mangelhaften Fassadenverkleidung versehen, welche besonders rissgeneigt und hinsichtlich des verwendeten Holzes nicht als Fassadenverkleidung geeignet sei. Die Beseitigungskosten bezifferte er auf ca. 480.000,00 Euro für das Dach und ca. 342.000,00 Euro für die Fassade.
Insoweit wird auf die Anlagen K2, K5 und K6 verwiesen. Für die Feststellung der Mängel und die Erstellung eines Sanierungskonzeptes stellte der Sachverständige der Klägerin insgesamt 9.527,19 Euro in Rechnung. Insoweit wird auf das Anlagenkonvolut K7 verwiesen.
Mit Beschluss vom 24.06.2021 zog die Klägerin die Gewährleistungsrechte für Mängel am Dach an sich. Insoweit wird auf die Anlage K3 verweisen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 15.10.2021 forderte die Klägerin die Beklagte zur Mangelbeseitigung bis spätestens 15.12.2021 auf.
Die Klägerin trägt vor, mit allen Erwerbern seien gleichlautende Bauträgerverträge mit entsprechenden Abnahmeklauseln geschlossen worden.
Das Dach sowie die Fassade seien von der Rechtsvorgängerin der Beklagten mangelhaft errichtet worden. Insoweit verweist sie auf die Feststellungen des von ihr beauftragten privaten Sachverständigen ###. Das Blechdach sei nicht ordnungsgemäß befestigt worden, an vielen Stellen bereits gerissen, die vorhandenen Kehlen wiesen ein zu geringes Gefälle auf und die vorhandenen Schneefangstanden führten dazu, dass das Blechdach in seiner Beweglichkeit behindert werde. Gleichsam sei die Fassadenverkleidung mangelhaft, da das verwendete Drei-Schichtholz bei erhöhten Witterungseinflüssen als Fassadenverkleidung nicht geeignet sei, weshalb das Holz delaminiere und aufbreche. Die Fassadenverkleidung verfüge auch über keine bauaufsichtliche Zulassung.
Die Klägerin ist der Auffassung, bereits vor Abnahme könnten Kostenvorschussansprüche geltend gemacht werden. Eine schlüssige Abnahme käme mangels Erklärungsbewusstsein der Erwerber – unabhängig von der Durchführung einer Sachverständigenabnahme – nicht in Betracht.
Die Ansprüche seien auch nicht verjährt. Auf Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Köln, wonach die Verjährung anhand der Verjährung der ursprünglichen Erfüllungsansprüche geprüft und bejaht wurde, könne sich die Beklagte nicht berufen, da der Abnahme-„Mangel“ in jenem Fall aus der Sphäre der WEG, nicht wie im vorliegenden Fall aus der Sphäre des Bauträgers stammte.
Es läge kein Fall der Verwirkung vor. Insoweit fehle es zumindest am hierfür erforderlichen Vertrauenstatbestand. Die Verwendung unwirksamer allgemeiner Geschäftsbedingungen stelle eine Vertragsverletzung seitens der Beklagten dar. Diese dürfe sich nicht darauf berufen, sie hätte darauf vertraut, dass die Klägerin keine Rechte mehr geltend mache.
Auf einen Abzug „neu für alt“ könne sich die Beklagte ebenfalls nicht berufen, da ihre Leistung von Anfang an mit Mängeln versehen gewesen sei.
Die Klägerin beantragt:
I. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 820.000 Euro Kostenvorschuss nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle den Betrag von 820.000,00 Euro übersteigenden Kosten der Mängelbeseitigung (Nacherfüllung), sowie Mangelfolgeschäden, welche neben und zusätzlich zu den Kosten der Mängelbeseitigung entstehen, bezüglich folgender Mängel am Anwesen ### zu erstatten:
1. Undichtigkeit am Hausdach (Uginox-Blech) der ###.
Die Befestigung des Blechdaches zum Untergrund ist nicht fachgerecht, wodurch es zu Bewegungen im Blechdach kommt und hierdurch wiederrum zu Rissen im Bereich des Falzes, da hier die schwächste Stelle des Blechdaches im Eckbereich ist. Das von der Beklagten errichtete Dach entspricht daher nicht den anerkannten Regeln der Technik.
In der Vergangenheit haben sich die Blechscharen durch Windeinwirkung an den Traufenden leicht abgehoben, sodass Geräusche entstanden. Die Beklagte hat mit Schneefangstangen das Dach nach unten zusätzlich im Traufbereich nach unten befestigt.
Das Dach der Wohnanlage ist bereits an vielen Stellen gerissen und reißt durch temperaturbedingte Spannungen immer wieder. Hierdurch tritt Wasser in die Dachkonstruktion / Dachgeschosswohnung ein.
Ebenso weisen die vorhandenen Kehlen ein zu geringes Gefälle auf. So wurden die Fachregel des Spenglerhandwerkes bei der Kehlenausbildung und der Ausbildung des Überganges der Gauben der Treppenhäuser zum Hauptdach nicht beachtet.
Das Abdichten mit Flüssigkunststoff stellt keine gleichwertige Lösung der Dachhaut, wie an Blechdach dar. Die vorhandene Gaube des Treppenhauses hätte höher gebaut werden müssen, damit eine Aufkantung zwischen dem Gaubendach und dem Hauptdach entsteht, damit dieser Übergang der Kehle sich hin-sichtlich der Gefällesituation auflöst.
Weiterhin sind Kehleinbindungen des Hauptdaches auch nicht nach den Spenglerregeln hergestellt worden.
Die vorhandenen Schneefangstangen führen dazu, dass das Blechdach noch mehr in seiner Dehnfähigkeit behindert ist und bei möglichen Längenausdehnungen höchstwahrscheinlich auch zu Rissen führen kann.
Der Einbau von Schneefanggitter zur zusätzlichen Befestigung des Blechdaches ist keine fachgerechte Montage-Variante, um ein nicht ausreichendes Blechdach nachträglich zu befestigen.
2. Fassadenverkleidung (blaue Holzpaneele) bei den Dachgeschosswohnungen.
Darüber hinaus sind die Terrassenwohnungen der Wohnanlage mit einer Holzverkleidung als Fassadenverkleidung versehen. Diese Holzverkleidung besteht aus einem Drei-Schichtholz. Im Bereich, an denen erhöhte Witterungseinflüsse bestehen sind, delaminiert das Holz und bricht auf, wozu es zu Rissen kommt. Teilweise ist das Holz bereits verfault. Das von der Beklagten verwendete Holz ist für die Fassadenverkleidung nicht geeignet. Um eine Schüsseln durch ungleichmäßige Feuchteverteilung im Holz zu vermeiden, müssen auch die Rückseiten mit mindestens einer Grundbeschichtung (Grundierung oder Melaminharzfilm) versehen werden, was vorliegend nicht ausgeführt wurde. Überdies besitzt die Fassadenverkleidung keine bauaufsichtliche Zulassung.
III. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 9.527,19 Euro Gutachterkosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt: die Klage abzuweisen.
Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung, hilfsweise der Verwirkung.
Die Beklagte trägt vor, dass weder Dach noch Fassade von ihr mangelhaft errichtet worden seien:
Das von ihrer Rechtsvorgängerin errichtete Dach weise zwar vereinzelte Risse auf, sei jedoch nicht so mangelhaft, dass eine vollständige Neuherstellung erforderlich sei. Entgegen der Darstellung der Klageseite seien im vorliegenden Fall keine Uginox-Blech verbaut worden. Die geltend gemachten Mangelbeseitigungskosten seien daher überzogen. Zudem habe der preiswerteste Bieter ausweislich der Anlage K5 die Leistungen nicht für 480.000,00 Euro, sondern für ca. 326.000,00 Euro angeboten.
Auch die von ihr errichtete Fassade sei nicht mangelhaft errichtet worden. Soweit die Klägerin behaupte, die Fassade bestünde aus 3-Schicht-Holz, könne diese Darstellung mangels Unterlagen nicht mehr überprüft werden. Selbst wenn der Vortrag zutreffend sei, müssten Holzwerkstoffe, die der Witterung ausgesetzt seien, regelmäßig gestrichen werden. Dies sei bereits im Jahr 2005 mit der Klägerin erörtert worden. Die Mangelbeseitigungskosten seien darüber hinaus ebenfalls überzogen. Denkbar wäre eine Erneuerung mit einzelnen Holzbrettern, nicht die Änderung der gesamten Unterkonstruktion.
Unter Hinweis auf die Anlage B3 trägt die Beklagte zudem vor, bereits im Jahr 2003 habe die Hausverwaltung unter anderem die Windsogsicherheit der Dachflächen und die Fassadenverkleidung im obersten Geschoss gerügt. In diesem Zusammenhang habe die Rechtsvorgängerin der Beklagten der Klägerin am 25.07.2003 mitgeteilt, dass die Mangelproblematik Windsogsicherheit erledigt und hinsichtlich der Fassadenverkleideung bereits ein Nachweis über die verwendeten Platten und den aufgebrachten Holzschutz übersandt worden sei, sodass kein weiterer Handlungsbedarf bestehe.
Zudem sei ausweislich der internen Unterlagen der Rechtsvorgängerin der Beklagten hinsichtlich der im Rahmen des Gutachtens vom 18.07.2005 (Anlage B7) gerügten Mängel der Fassade mit der Klägerin eine Minderung diskutiert und am 25.04.2007 in Höhe von 1.500,00 Euro vereinbart worden.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Klägerin sei bereits nicht zur Geltendmachung der Ansprüche aktivlegitimiert. Ein „Ansichziehen“ der Mängelansprüche sei nicht möglich. Zumindest sei die Formulierung des Beschlusses der Wohnungseigentümer uneindeutig, da sich diesem nicht entnehmen lasse, dass den abstimmenden Wohnungseigentümern bewusst war, dass individuelle vertragliche Ansprüche der damaligen Eigentümer der WEG geltend gemacht werden sollen. Voraussetzung für eine Geltendmachung sei, dass zumindest in der Person eines Ersterwerbers zum Zeitpunkt des Beschlusses die Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Kostenvorschusses für Mangelbeseitigung vorliegen müssen.
Das Gemeinschaftseigentum sei stillschweigend abgenommen worden. Das ergebe sich bereits daraus, dass die vertraglich vereinbarte Abnahme durch einen Sachverständigen nie stattgefunden habe, sodass der Verzicht auf die Sachverständigenabnahme als stillschweigende Billigung der Werkleistung anzusehen sei.
Zumindest sei eine stillschweigende Abnahme darin zu sehen, dass die Beteiligten im Jahr 2007 über noch offene Mangelpositionen verhandelt und insoweit eine Einigung erzielt hätten.
Jedenfalls sei ein Anspruch auf Kostenvorschuss bereits verjährt. Dies ergebe sich daraus, dass – sollte man nicht von einer schlüssigen Abnahme ausgehen – die Erfüllungsansprüche spätestens zehn Jahre nach Fälligkeit, das heißt zum vereinbarten Fertigstellungstermin, verjährt seien. Nach Verjährung des Erfüllungsansprüchs könne auch keine Abnahme mehr erklärt werden. Insoweit verweist sie auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Köln, Urteil vom 21.08.2020, Az.: 19 U 5/20.
Selbst wenn man nicht von einer Verjährung ausginge, seien die Ansprüche zumindest verwirkt. Das hierfür erforderliche Vertrauensmoment lasse sich bereits daraus entnehmen, dass insbesondere den Jahren 2006 bis 2007 über die Mängelrügen umfassend verhandelt worden sei und die Klägerin dadurch einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe. Spätestens seit Dezember 2008 habe der Klägerin zudem bekannt sein müssen, dass eine unwirksame Abnahmeklausel verwendet worden sei; durch die fehlende Rüge habe sie einen Vertrauenstatbestand geschaffen, keine Mängelrechte mehr geltend zu machen.
Selbst wenn die Beklagte für entsprechende Mängel einzustehen habe, müsse sie zumindest einen Abzug „neu für alt“ gegen sich gelten lassen.
Wegen des weiteren tatsächlichen Vorbringens der Parteien und den dabei geäußerten Rechtsauffassungen im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze und die dabei vorgelegten Anlagen verwiesen.
Mit Beschluss vom 22.02.2023 (Bl. 114/115 d.A.) hat die Kammer Hinweise erteilt und die Vorlage der Protokolle der Wohnungseigentümerversammlungen im Zeitraum zwischen 2003 und 2007 nach § 142 Abs. 1 ZPO angeordnet. Im Übrigen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.06.2023 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
A.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht München I örtlich und sachlich zuständige, §§ 23, 71 GVG, §§ 12, 17 GVG.
B.
Die Klage ist jedoch unbegründet, da Ansprüche gegen die Beklagte mittlerweile verwirkt sind. Im Einzelnen:
I.
Die Klägerin ist zur Geltendmachung der Gewährleistungsrechte aktivlegitimiert. Unstreitig war zum Zeitpunkt des An-Sich-Ziehens der Mängelrechte durch die Klägerin noch mindestens ein Ersterwerber Teil der Wohnungseigentümergemeinschaft (BeckOGK/Falkner WEG § 9a Rn. 245). Die Klägerin konnte daher auch nach Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes die Rechte durch Mehrheitsbeschluss zur alleinigen Durchsetzung an sich ziehen (BGH Urt. v. 11.11.2022, Az.: V ZR 213/21).
II.
Die von der Klägerin im Rahmen der Bauträgerverträge verwandten Regelungen zur Abnahme durch einen Sachverständigen halten einer Klauselkontrolle nicht stand.
Gemäß Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB ist auf den Streitfall das AGB-Gesetz in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung anzuwenden. Die für die Abnahme des Gemeinschaftseigentums getroffene Regelung ist wegen unangemessener Benachteiligung der Erwerber gemäß § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam (OLG Karlsruhe, Urteil vom 10.04.2018, Az.:8 U 19/14).
1. Es handelt sich bei den Regelungen des Bauträgervertrags um von der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin gestellte für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen im Sinne von § 1 Abs. 1 AGBG (entspricht § 305 Abs. 1 BGB n.F). Als von der Beklagten gestellt gelten die Vertragsbedingungen schon deshalb, weil sie unstreitig jedenfalls nicht durch die Käufer in den Vertrag eingeführt wurden (§ 24a Nr. 1 AGBG). Dass es sich um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Bedingungen handelt, ist prima facie allein deswegen anzunehmen, weil es sich um einen gedruckten Bauträgervertrag handelt (BGH, Urteil vom 14.05.1992, Az.: VII ZR 204/90). Insoweit kommt es nicht streitentscheidend darauf an, ob die Beklagte nach § 138 Abs. 4 ZPO zulässigerweise bestreiten durfte, dass die ausweislich der Anlage K1 mindestens einmal verwendete Klausel in allen Erwerberverträgen enthalten war.
2. Nach höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung benachteiligt eine Regelung über die Abnahme, wonach – wie vorliegend – das Gemeinschaftseigentum durch einen vom Bauträger zu benennenden Sachverständigen oder durch einen vom Bauträger bestimmbaren Erstverwalter abgenommen wird, die Erwerber entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weil den Erwerbern die Möglichkeit genommen wird, über die Ordnungsmäßigkeit der Werkleistung des Bauträgers selbst zu befinden (OLG Karlsruhe, Urteil vom 10.04.2018, Az.: 8 U 19/14; BGH, Beschluss vom 12.09.2013, Az.: VII ZR 308/12; OLG München, Urteil vom 06.12.2016, Az.: 28 U 2388/16).
III.
Etwaige Mängelansprüche der Klägerin gegenüber der Beklagten sind mangels Abnahme bzw. Abrechnungsverhältnis nicht verjährt.
1. Die Leistungen der Beklagten wurden im vorliegenden Fall nicht konkludent abgenommen.
a) Eine konkludente Abnahme lässt sich im vorliegenden Fall nicht damit begründen, dass die im Rahmen des Bauträgervertrags vorgesehene Abnahme durch einen Sachverständigen – so die Darstellung der Beklagten – mutmaßlich nicht erklärt wurde. Denn auf das – im Ergebnis fehlende – Erklärungsbewusstsein der Eigentümer hat dies keinen Einfluss:
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts München vom 15.12.2008, Az.: 9 U 4149/08) setzt eine konkludente Abnahme voraus, dass nach den Umständen des Einzelfalles das Verhalten des Auftraggebers den Schluss rechtfertigt, er billige das Werk als im Wesentlichen vertragsgemäß. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts kann daher bei unwirksamen Abnahmeklauseln ohne weitere Anhaltspunkte kein Erklärungsbewusstsein der Erwerber festgestellt werden. Die Kammer teilt die beklagtenseits geäußerten systematischen Bedenken im Hinblick auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 15.12.2008, Az.: 9 U 4149/08, sowie deren Folgeentscheidungen nicht.
Die beklagtenseits – wenn auch irreführenderweise größtenteils nicht wörtlich – zitierten Urteile des Oberlandesgerichts Bamberg und des Bayerischen Obersten Landesgerichts können insoweit nicht herangezogen werden: Unabhängig davon, dass beiden Urteilen, insbesondere dem Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg, vom hiesigen Fall abweichende Sachverhalte zugrunde lagen, ist diese Rechtsprechung spätestens seit den Urteilen des Bundesgerichtshofs aus den Jahren 2013 und 2016 (vgl. BGH, Urteile vom 12.09.2013, Az.: VII ZR 308/12; vom 25.02.2016, Az.: VII ZR 49/15; vom 12.5.2016, Az.: VII ZR 171/15) überholt. Die dort getroffenen Wertungen, welche nach ausdrücklicher Darstellung des Bundesgerichtshofs dazu führen, dass in Fällen einer unwirksamen Abnahmeklausel mangels Abnahme die Verjährung hinsichtlich der Gewährleistungsrechte noch nicht zu laufen begonnen hat, können nicht einfach durch die voreilige Annahme einer konkludenten Abnahme übergangen werden. Insbesondere enthält die (rügelose) Nutzung und Zahlung durch die Erwerber keine konkludente Abnahmeerklärung (vgl. Pause/Vogel „Bauträgerkauf und Baumodelle, 7. Auflage 2022, Kap. 7 Rn. 75).
bb) Zutreffend ist zwar die Argumentation der Beklagtenseite, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 07.06.1984, Az.: IX ZR 66/83) schlüssiges Verhalten auch ohne Erklärungsbewusstsein als Willenserklärung gewertet werden kann, wenn der Handelnde bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt erkennen konnte, dass sein Verhalten als Willenserklärung aufgefasst werden durfte und der andere Teil es auch tatsächlich so verstanden hat.
Nachdem sich die Beklagte auf die für sie günstige schlüssige Abnahme beruft, ist sie jedoch für das Vorliegen dieser Voraussetzungen darlegungs- und beweisbelastet. Sie müsste daher nicht nur konkret darlegen und beweisen, dass die ursprünglich geplante Abnahme durch einen Sachverständigen nicht stattgefunden hat, sondern auch, dass die Erwerber die tatsächlich nicht erklärte Abnahme und die Unwirksamkeit der Abnahmeklausel und eine eigene Handlungsverpflichtung, nämlich zur aktiven Abnahme, bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt hätten erkennen können. Nur dann hätten die Erwerber hinsichtlich des objektiven Erklärungswertes ihres Verhaltens gegebenenfalls fahrlässig gehandelt. Eine derartige Fahrlässigkeit kann dem Vortrag der Beklagten im vorliegenden Fall jedoch nicht ausreichend konkret entnommen oder festgestellt werden.
Dabei sieht die Kammer, dass in den Fällen, in denen eine förmliche Abnahme vereinbart und auf diese konkludent verzichtet wurde, nach zutreffender Ansicht der Rechtsprechung und Literatur eine schlüssige Abnahme durchaus in Betracht kommt (vgl. LG Schweinfurt, Urteil vom 23.01.2015, Az.: 22 O 135/13).
Diese Wertung wird teilweise auch auf Fälle übertragen, in denen die Abnahmeklausel unwirksam war, aber überhaupt keine Abnahme durchgeführt wurde (BeckOGK/Kögl BGB § 640 Rn. 392, Pause/Vogel „Bauträgerkauf und Baumodelle“, 7. Auflage 2022, Kap. 7 Rn. 77).
Es ist jedoch zum einen zu berücksichtigen, dass an die Voraussetzungen für eine stillschweigende Aufhebung bzw. einen Verzicht auf eine förmliche Abnahme strenge Anforderungen zu stellen sind (so auch Pause/Vogel BauR 2014, 764). Zum anderen setzt hinsichtlich der oben genannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 07.06.1984, Az.: IX ZR 66/83) auch in diesen Fällen eine Entbehrlichkeit des Erklärungsbewusstseins voraus, dass die Erwerber den objektiven Erklärungswert ihres Verhaltens mindestens fahrlässig nicht erkannt haben. Für die Annahme einer schlüssigen Abnahme ist es damit zumindest zweierlei erforderlich: die Erwerber hätten sowohl das bisherige Fehlen einer wirksamen Abnahme als auch ihre eigene Pflicht zur Abnahme erkennen können. Der teilweise in der Literatur (s.o.) vertretenen Ansicht, wonach die mögliche Kenntnis vom Fehlen der Abnahme ausreicht, um eine konkludente Abnahme zu bejahen, schließt sich die Kammer nicht an.
Damit kommt es auf die zwischen den Parteien streitige tatsächliche Frage, ob die Abnahme seitens des Sachverständigen erklärt wurde oder nicht, überhaupt nicht an. Der beklagtenseits angebotene Beweis musste nicht erhoben werden. Denn es bestehen zumindest keine Anhaltspunkte dafür, dass die Erwerber im Jahr 2001 überhaupt wissen konnten, dass sie für den Fall der nicht durchgeführten Sachverständigenabnahme überhaupt zur Abnahme berufen waren. Auf Grundlage der Regelung im Bauträgervertrag mussten die Erwerber vielmehr davon ausgehen, das eigenständige Recht zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums unwiderruflich an einen vom Verwalter bestimmten Sachverständigen verloren zu haben. Die einschlägige Rechtsprechung zur Unwirksamkeit der Abnahmeklausel wurde erst einige Jahre später entwickelt, sodass die Erwerber zum Zeitpunkt der mutmaßlich gescheiterten Abnahme diesbezüglich auch nicht fahrlässig handelten. Folglich kann aus der vorbehaltlosen Nutzung des Gemeinschaftseigentums durch die Erwerber keine konkludente Abnahme im Jahr 2001 hergeleitet werden.
b) Auch in den Verhandlungen über die Mängel im Jahr 2007 sieht die Kammer keine konkludente Abnahme. Das beklagtenseits im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 16.06.2023 zitierte Urteil des Oberlandesgerichts München vom 17.07.2007, Az.: 28 U 2043/07 betrifft einen gänzlich anderen Sachverhalt.
Zum einen begründete das Oberlandesgericht in der oben zitierten Entscheidung die Annahme einer konkludenten Abnahme ausdrücklich mit der zwischen den dortigen Parteien getroffenen Gesamtabgeltung.
Im vorliegenden Fall wurde eine derartige Gesamtabgeltung von keinem der Prozessbeteiligten behauptet, sondern lediglich das Aushandeln bzw. Endverhandeln spezifischer Mangelpositionen.
Zum anderen liegt der zitierten Entscheidung ein Fall zugrunde, in dem die Abnahme – für alle Beteiligten erkennbar – nicht durchgeführt wurde. Das Oberlandesgericht nahm daher zutreffend an, dass die Eigentümer mit der vergleichsweisen Einigung auf die Geltendmachung sämtlicher Gewährleistungsrechte verzichteten und damit das mangelhafte Werk als vertragsgemäß akzeptierten. Ein derartiges Erklärungsbewusstsein hatten die Erwerber im vorliegenden Fall jedoch gerade nicht, da sie aufgrund der unwirksamen Abnahmeklausel von einer bereits abgenommenen Werkleistung ausgehen durften (s.o.).
2. Nach Überzeugung der Kammer befindet sich der Vertrag nicht in einem Abwicklungs- bzw. Abrechnungsverhältnis, da die gescheiterte Abnahme nicht in einer unbegründeten Abnahmeweigerung des Erwerbers, sondern in der unwirksamen Vertragsgestaltung aufgrund der verwendeten Abnahmeklausel begründet ist (vgl. Pause/Vogel „Bauträgerkauf und Baumodelle“, 7. Auflage 2022, Kap. 7 Rn. 78).
3. Auf eine mögliche Verjährung des Erfüllungsanspruchs kommt es im vorliegenden Fall ebenfalls nicht an.
Vorliegend ist auf die Bauträgerkaufverträge „altes Schuldrecht“ anwendbar, sodass auch vor Abnahme uneingeschränkt Gewährleistungsrechte nach § 634 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. geltend gemacht werden können.
Denn bei Werkverträgen, die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 geschlossen wurden, setzten die Ansprüche des Bestellers gemäß §§ 633 ff. BGB a.F. nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Abnahme nicht voraus. Vor der Abnahme standen diese Ansprüche und Ansprüche nach dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht nebeneinander. Der Bundesgerichtshof hat zwar – wie von der Beklagtenseite richtig dargestellt – im Rahmen seines Urteils vom 19.01.2017, Az.: VII ZR 235/15 entschieden, dass dem Besteller die Mängelrechte nach § 634 BGB grundsätzlich erst nach Abnahme zustehen; diese Aussage gilt jedoch ausweislich der Entscheidungsgründe nur für Verträge, die nach Inkrafttreten der o.g. Schuldrechtsreform geschlossen wurden. Auf Altfälle hat der Bundesgerichtshof diese Rechtsprechung ausdrücklich nicht bezogen. Für diese Fälle gilt weiterhin, dass Mängelansprüche und das allgemeine Leistungsstörungsrecht nebeneinander bestehen können (vgl. Rn. 25 des Urteils mit weiteren Nachweisen).
Da im vorliegenden Fall Mängelrechte geltend gemacht werden kommt es auf eine mögliche Verjährung der Erfüllungsansprüche hier nicht an. Die Verjährung der Gewährleistungsansprüche kann gem. § 638 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 2 EGBGB daher erst mit der Abnahme beginnen.
IV.
Mögliche Gewährleistungsansprüche sind im vorliegenden Fall nach Überzeugung der Kammer jedoch bereits verwirkt.
Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf eingerichtet hat und sich darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht mehr geltend machen werde (Grüneberg, 82. Auflage, § 242 Rn. 87). Neben dem der Verwirkung innewohnenden Zeitmoments kommt es damit maßgeblich auch auf ein Umstandsmoment an, d.h. der Verpflichtete muss sich auf Grund des Verhaltens des Berechtigten darauf eingerichtet haben, dieser werde sein vermeintliches Recht nicht mehr geltend machen (aaO Rn. 95). Dabei besteht zwischen beiden Aspekten der Verwirkung eine Art Wechselwirkung. Je mehr Zeit vergangen ist, desto geringer sind die Anforderungen an die eine Treuwidrigkeit begründenden Umstände; dagegen sind geringere Anforderungen an den vergangenen Zeitraum zu stellen, wenn stärkere Umstände gegen die Geltendmachung des Rechts sprechen (BeckOGK/Kähler BGB § 242 Rn. 1694).
Auf die Möglichkeit der Verwirkung von Gewährleistungsansprüchen im Einzelfall hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 08.07.2010, Az.: VII ZR 171/08 ausdrücklich hingewiesen. Auch wenn die Beklagte als Verwenderin der unwirksamen Abnahmeklausel es selbst zu vertreten hat, dass die Gewährleistungsfrist nicht zu laufen begann, lässt sich daraus aus Sicht der Kammer nicht ableiten, dass eine Verwirkung mangels Umstandsmoments keinesfalls in Betracht kommen kann. Das Gericht versteht auch die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München vom 24.04.2018, Az.: 28 U 3042/17 so, dass dort lediglich zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass sich ein Umstandsmoment in Fällen einer unwirksamen Abnahmeklausel nicht ausschließlich mit der fehlenden Geltendemachung von Gewährleistungsansprüchen über Jahre hinweg begründen lässt. Der Senat führte in der oben genannten Entscheidung unter anderem aus, dass sich der Bauträger im Rahmen des Umstandsmoments nicht darauf berufen könne, die Erwerber hätten von den Mängeln Kenntnis gehabt und diese dennoch nicht geltend gemacht, wenn er selbst die unwirksame Abnahmeklausel zu vertreten habe. Daraus alleine lässt sich aus Sicht der Kammer indes nicht der Rückschluss ziehen, dass eine Verwirkung unter keinen Umständen in Betracht kommen kann. Vielmehr kommt es im Hinblick auf das oben genannte Urteil des Bundesgerichtshofs auf eine konkrete Einzelfallbetrachtung an (so auch Tschäpe/Trefzger „Unwirksame Abnahmeklauseln in Bauträgerverträgen vor dem Hintergrund des Verjährungsbeginns“, ZfBR 2022, 523 und Pause/Vogel „Bauträgerkauf und Baumodelle“, 7. Auflage 2022, Kap. 7 Rn. 93).
Im Rahmen der dabei anzustellenden Gesamtbetrachtung kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass sowohl ein Zeit- als auch ein Umstandsmoment im vorliegenden Fall vorliegt:
1. Ein entsprechendes Zeitmoment liegt im vorliegenden Fall aus Sicht der Kammer eindeutig vor. Für das Zeitmoment muss seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, eine längere Frist verstrichen sein. Seit der Übergabe des Gemeinschaftseigentums waren zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme geltend gemachten Mängel bereits ca. 20 Jahre vergangen, seit Abschluss der Bauverträge sogar ca. 22 Jahre.
2. Nach Überzeugung der Kammer liegt im vorliegenden Einzelfall auch ein entsprechendes Umstandsmoment vor.
Das Umstandsmoment kann sich sowohl auf Umstände auf Seiten des Gläubigers, als auch auf Seiten des Schuldners beziehen (vgl. BeckOGK/Kähler BGB § 242 Rn. 1736-1751). Daher sind die jeweiligen Umstände auf beiden Seiten zunächst getrennt zu betrachten.
a) Auf Seiten der Beklagten liegen im Ergebnis zwei verschiedene der Beklagten vorzuwerfende Pflichtverstöße vor: Zum einen hat der Bauträger zunächst eine unwirksame Klausel verwendet und damit gegen seine vorvertraglichen Pflichten verstoßen (aa) (vgl. Pause/Vogel BauR 2014, 764); zum anderen hat er auch nach der einschlägigen BGH-Rechtsprechung im Jahr 2013 (BGH, Beschluss vom 12.09.2013, Az.: VII ZR 308/12) von einer „Nachholung“ einer wirksamen Abnahme abgesehen (bb).
aa) Ein vorvertraglicher Pflichtenverstoß liegt zweifellos darin, dass zum Zeitpunkt der Verwendung der Klausel im Jahr 1999 den Erwerbern die Möglichkeit genommen wird, über die Ordnungsmäßigkeit der Werkleistung des Bauträgers selbst zu befinden. Dabei sind dabei jedoch zwei Aspekte zu berücksichtigen:
Zum einen ist das Interesse des Bauträgers an einer gemeinsamen Abnahme des Gemeinschaftseigentums nicht per se zu missbilligen (vgl. Pause/Vogel BauR 2014, 764). Dabei kann es sogar im Interesse der einzelnen Erwerber sein, von ihrer mit der Abnahme verbundenen Prüfungspflicht befreit zu werden, insbesondere wenn die Organisation der Hinzuziehung sachverständiger Unterstützung durch die Verwaltung übernommen wird.
Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend um einen Vertrag handelt, an dem ein nach § 14 Abs. 1 BNotO zur Neutralität und Unparteilichkeit verpflichteter Notar beteiligt war. Der Notar hat nach § 14 Abs. 1 S. 2 BNotO die Rechtssuchenden, die ihm die Wahrnehmung ihrer Interessen anvertrauen, bei der Regelung ihrer rechtlichen Angelegenheiten gewissenhaft zu unterstützen (BeckOK BNotO/Sander BNotO § 14 Rn. 51). Auch wenn die Hinzuziehung eines neutralen Rechtskundigen bei Vertragsschluss nicht zum generellen Entfall der Klauselkontrolle oder des Pflichtenverstoßes als solchen führt, neigt die Kammer doch dazu, die Verwendung einer unwirksamen Klausel in einem Notarvertrag dem Verwender im Ergebnis weniger schwer anzulasten als in einem Vertrag, der keine notarielle Form aufweist (so wohl auch Tschäpe/Trefzger „Unwirksame Abnahmeklauseln in Bauträgerverträgen vor dem Hintergrund des Verjährungsbeginns“, ZfBR 2022, 523). Denn ein Bauträger darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Notar für die Wirksamkeit der verwendeten Klauseln im Zweifel aufgrund seiner Neutralitätsverpflichtung einzustehen hat und den vor ihm geschlossenen Vertrag einer rechtlichen Überprüfung unterzieht – zumal das fortbestehende Berufsnotariat in Bayern generell hohes Ansehen genießt.
bb) Auf der anderen Seite besteht ein Pflichtenverstoß darin, dass der Bauträger trotz Kenntnis oder zumindest fahrlässigen Unkenntnis der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung eine wirksame Abnahme des Gemeinschaftseigentums nicht nachgeholt hat.
Spätestens nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs am 12.09.2013 (Beschluss vom 12.09.2013, Az.: VII ZR 308/12) musste den Bauträgern bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt bewusst sein, dass die weitverbreiteten unwiderruflichen Abnahmeklauseln unwirksam waren und daher in einer Vielzahl von Fällen das Gemeinschaftseigentum nicht wirksam abgenommen worden war. Der Pflichtenverstoß liegt daher darin, dass die aufgrund der unwirksamen Klausel weiterhin gebotene Abnahme dennoch nicht nachgeholt wurde.
Im vorliegendem Fall ist jedoch zu beachten, dass seit der unwirksamen Abnahme im Jahr 2001 bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Jahr 2013 bereits 12 Jahre vergangen waren. Nach § 257 Abs. 4 HGB waren die handelsrechtlichen Aufbewahrungsfristen daher zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesgerichtshofs bereits abgelaufen. Auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm (Urteil vom 25.03.2009, Az.: 12 U 40/09), welche durch den Bundesgerichtshof (Beschluss vom 19. 5. 2011, Az.: VII ZR 94/09) bestätigt wurde, wird insoweit ergänzend verwiesen.
Mangels Abnahme trifft den Bauträger die volle Darlegungs- und Beweislast für die vertragsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums; wenn die notwendigen Unterlagen nicht mehr vorliegen müssen, ist dem Bauträger im Rahmen der Beurteilung des Umstandsmoments im Rahmen einer möglichen Verwirkung ein weitaus geringerer Vorwurf zu machen, die Abnahme nicht nachgeholt zu haben, als wenn die Vertragsunterlagen nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs noch vorliegen müssen.
b) Auf der anderen Seite haben nach Überzeugung der Kammer die Erwerber durch ihr Verhalten bei der Beklagten die berechtigte Erwartung hervorgerufen, keine weiteren Gewährleistungsansprüche mehr geltend zu machen.
aa) Aus Sicht der Kammer ist insoweit maßgeblich, dass sich die Beklagte spätestens seit dem Jahr 2007 berechtigterweise darauf einstellen durfte, dass die Klägerin keine weiteren Mängel am Gemeinschaftseigentum mehr geltend machen würde.
Bereits im Jahr 2005 unterzog die Hausverwalterin der Klägerin die Leistungen der Beklagten einer umfassenden gutachterlichen Überprüfung. Die dabei festgestellten mutmaßlichen Mängel übermittelte sie der Beklagten mit der Aufforderung zur Mangelbeseitigung. Dabei wurden die verfahrensgegenständlichen Mängel (soweit aufgrund der teilweise bereits vernichteten Unterlagen heute noch nachvollziehbar) zumindest in Ansätzen bereits benannt. Diese Mangelrügen waren zwar möglicherweise nicht identisch mit den verfahrensgegenständlichen Mängeln (z.B. unzureichender Schutz der Fassade vs. Ungeeignetheit des verwendeten Holzes), beleuchteten aber zumindest ähnliche Problemstellungen (hier die hohe Witterungsanfälligkeit der Fassade). Im Hinblick auf die vorgelegte Anlage B3 hält es die Kammer zudem für überwiegend wahrscheinlich, dass auch die Windsogsicherheit, welche im Rahmen des neuerlichen Privatgutachtens vom 04.10.2021 (Anlage K2) ebenfalls thematisiert wurde, bereits im Jahr 2003 als möglicher Mangel zwischen den Parteien erörtert wurde.
Nach Überzeugung der Kammer waren sich die Eigentümer dieser Umstände auch bewusst. Im Rahmen der Eigentümerversammlung vom 23.05.2006 beauftragten sie den Verwalter mit der Verfolgung entsprechender Mängelrechte und Verlängerung der Gewährleistung hinsichtlich des Daches und einer „Endverhandlung“ der darüber hinausgehenden Problempunkte. Gerade letzteres deckt sich damit, dass die Beklagte unter Hinweis auf ihre internen Unterlagen vorträgt, die Mängel an der Fassade sei durch Vereinbarung eines Minderungsbetrags in Höhe von 1.500 Euro im Jahr 2007 abgegolten worden. Das Gericht hat insoweit keine Anhaltspunkte daran, an der inhaltlichen Richtigkeit der vorgelegten Anlage B7 zu zweifeln.
Mit Abschluss der Geltendmachung weiterer Mängelrechte bezüglich des Gemeinschaftseigentums haben die Mitglieder der Klägerin insoweit bei der Beklagten die berechtigte Erwartung hervorgerufen, die Prüfung und Begutachtung des Gemeinschaftseigentums sei abgeschlossen und sämtliche streitigen Punkte zwischen den Parteien einvernehmlich geregelt worden.
bb) Weiterhin ist aus Sicht der Kammer zu berücksichtigen, dass seit Bekanntwerden der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung und damit spätestens seit dem Jahr 2013 ebenfalls bereits ein erheblicher Zeitraum verstrichen ist, im Rahmen dessen die Klägerin gegenüber der Beklagten keine Ansprüche geltend gemacht hat. Erst im Jahr 2021 nahm die Klägerin die Beklagte hinsichtlich weiterer Gewährleistungsrechte in Anspruch.
Dass die Mitglieder der Klägerin ihre Rechte vorher möglicherweise nicht kannten, schließt eine Verwirkung der Rechte nicht von vornherein zwingend aus (BeckOGK/Kähler BGB § 242 Rn. 1745). Ebenso wie vom Bauträger kann auch von einem professionellen Immobilienverwalter grundsätzlich erwartet werden, sich spätestens nach Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Jahr 2013 Kenntnis von den sich daraus ergebenden Folgen zu verschaffen und diese Informationen auch an die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaften weiterzugeben. Dass diese Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis möglicherweise nicht weitergegeben wurde, kann dabei wertungsmäßig nicht zu Lasten des Bauträgers gehen.
Gerade im Baurecht sind die Vertragspartner im Lichte des § 242 BGB dazu verpflichtet, unnötige Schäden für den jeweils anderen Vertragspartner abzuwenden. Dazu gehört nach Auffassung der Kammer auch die Verpflichtung der Erwerber, beim Vorliegen einer unwirksamen Abnahme etwaige Gewährleistungsansprüche möglichst zeitnah geltend zu machen, um mögliche Nachteile aufgrund der verspäteten Geltendmachung für den Vertragspartner abzuwenden. Insoweit besteht zum einen die Gefahr, dass der Bauträger weitere Vertragsunterlagen und sonstiger erforderlichen Dokumentationen vor dem Hintergrund des § 257 HGB aussondern könnte; zum anderen droht die Sanierung aufgrund des sich ständig ändernden Stand der Techniks für den Bauträger immer aufwändiger und kostspieliger zu werden.
Als treuwidrig wäre es jedenfalls zu werten, in Kenntnis der Unwirksamkeit der verwendeten Klausel mit der Geltendmachung der Rechte absichtlich zuzuwarten, um den Vertragspartner einerseits hinsichtlich nicht mehr vorhandener Vertragsunterlagen in Bedrängnis zu bringen und andererseits einen möglichst hohen Sanierungsstand sicherzustellen (so auch Pause/Vogel „Bauträgerkauf und Baumodelle, 7. Auflage 2022, 7. Kap. Rn. 93). Dabei allein auf die Kenntnis der jeweiligen Erwerber abzustellen greift aus Sicht der Kammer – unabhängig von den damit verbundenen prozessualen Nachweisprobleme – zu kurz, da es in der Gesamtbetrachtung darauf ankommt, ob die Beklagte das Untätigbleiben der durch eine professionelle Hausverwaltung beratene Klägerin objektiv so verstehen durfte, dass keine weiteren Mängel mehr geltend gemacht werden.
3. Im Ergebnis sieht die Kammer unter Berücksichtigung der oben genannten Umstände insbesondere im Hinblick auf den langen Zeitablauf und den Umstand, dass über Mängel an Fassade und am Dach bis im Jahr 2007 verhandelt wurde, sowohl das Zeit-, als auch das Umstandsmoment als gegeben an.
Die Klage ist daher abzuweisen, ohne dass es auf die tatsächliche Mangelhaftigkeit der Werkleistung ankäme.
C.
I. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
II. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.