OLG München – Az.: 20 U 2428/21 Bau – Beschluss vom 04.02.2022
In dem Rechtsstreit erlässt das Oberlandesgericht München – 20. Zivilsenat – am 04.02.2022 folgenden Beschluss
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 26.03.2021, Aktenzeichen 53 O 1140/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Landshut ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 21.293,36 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Kläger machen Verzugsschäden aus einem Bauträgervertrag geltend. Dabei geht es im Kern um die Frage, ob es im Hinblick auf eine beabsichtigte Durchbrechung der Decke aus statischen Gründen möglich ist, die geplante Wohneinheit aus Untergeschoss und Erdgeschoss herzustellen bzw. ob diesbezüglich ein von der Beklagten zu vertretender Mangel vorliegt.
Erstinstanzlich hatte die Beklagte (zunächst) vorgetragen, es habe sich herausgestellt, dass eine Durchbrechung der Decke aus statischen Gründen nicht möglich sei, weshalb es ihr unmöglich sei, die in der Anlage zum Kaufvertrag beschriebene Wohneinheit herzustellen. Deshalb werde sie von der Leistungspflicht frei. Im weiteren Verlauf des Rechtsstreits ließ sie sich sodann dahingehend ein, dass sie nunmehr über einen Statiker eine Lösung gefunden habe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil des Landgerichts Landshut vom 26.03.2021 Bezug genommen.
Das Landgericht verurteilte die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 21.293,36 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.05.2020 sowie zur Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 6.907,12 Euro.
Mit der dagegen gerichteten Berufung verfolgt die Beklagte die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Klageabweisung. Ihre Berufung stützt sie ausdrücklich auf neue Tatsachen, die ihr zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in erster Instanz nicht bekannt gewesen. Nunmehr trägt sie vor, dass der von den Klägern in Frage gestellte Deckenbruch statisch immer unbedenklich gewesen sei. Die diesbezügliche Mängelbehauptung der Kläger sei falsch, was die Beklagte erst durch Unterlagen erkannt habe, die ihr nach der mündlichen Verhandlung zugegangen seien. Zu Unrecht habe das Landgericht angenommen, dass das Vorliegen von Mängeln unstreitig sei und sich dabei u.a. auf ein fragwürdiges Parteigutachten gestützt. Die Tatsachenfeststellung des Erstgerichts sei fehlerhaft, der neue Sachvortrag der Beklagten in der Berufungsinstanz sei zuzulassen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 29.07.2021 Bezug genommen.
Im Berufungsverfahren beantragt die Beklagte:
Das Urteil des Landgerichts Landshut, Aktenzeichen 53 O 1140/20 wird aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Die Kläger tragen vor: Soweit die Beklagte in der Berufungsinstanz unter Vorlage der Anlagen B2 und B3 behaupte, die Statik sei entgegen ihrem erstinstanzlichen Vortrag doch in Ordnung, sei schon die Grundannahme falsch, dass sich dies aus den genannten Anlagen ergebe. Ein statischer Nachweis für das in die Decke geschnittene Treppenloch liege weiterhin nicht vor. Aus den Anlagen ergebe sich auch nicht, dass die von der Beklagten zur Sicherung eingebauten Stützen entfernt werden können. Die Wohnung sei daher weiterhin nicht abnahmereif. Im Übrigen sei der Sachvortrag der Beklagten verspätet und nicht zuzulassen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 02.11.2021 Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 25.11.2021 erteilte der Senat Hinweise gem. § 522 Abs.2 ZPO, zu denen die Beklagte mit Schriftsatz vom 02.02.2022 wie folgt Stellung nahm:
Es sei zwar zutreffend, dass die Beklagte das Vorliegen eines statischen Mangels erstinstanzlich nicht bestritten habe. Dies sei nicht erfolgt, weil sich erst „über die Zeit“ und nach Schluss der mündlichen Verhandlung ergeben habe, dass tatsächlich kein Mangel vorliege. Aus diesem Grunde habe die Beklagte nicht vorsorglich den Mangel bestritten und Beweis angeboten. Das Erstgericht hätte aber die Beklagte gem. § 139 ZPO darauf hinweisen müssen, hierzu ergänzend vorzutragen. Ebenso sei das Erstgericht verpflichtet gewesen, gem. § 139 ZPO darauf hinzuweisen, dass es die Einlassung des Geschäftsführers des Beklagten, er habe nunmehr einen Statiker gefunden, der das Problem lösen könne, nicht als ausreichendes Bestreiten des Mangels ansehe. Die Kläger hätten somit aufgrund tatsächlich nicht zutreffender statischer Bedenken zu Unrecht die Übernahme der Wohnung verweigert.
II.
1. Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 26.03.2021, Aktenzeichen 53 O 1140/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird zunächst auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 25.11.2021 Bezug genommen.
2. Im Hinblick auf die Stellungnahme der Beklagten vom 02.02.2022 sind ergänzend folgende Ausführungen veranlasst:
Zunächst ist festzustellen, dass sich die Beklagte zu dem behaupteten Mangel im Verlauf des Rechtsstreits (sinngemäß) in folgender Weise eingelassen hat:
- Es liege kein Mangel vor, sondern Unmöglichkeit, weshalb sie von der Leistungsverpflichtung freiwerde,
- Es liege doch keine Unmöglichkeit vor, vielmehr könne das Statikproblem gelöst und die Wohnung in einen abnahmereifen und mangelfreien Zustand versetzt werden, was aber bisher nicht erfolgt sei,
- In der Berufungsinstanz: Es liege weder Unmöglichkeit noch ein Mangel vor, vielmehr sei die Mangelbehauptung der Kläger falsch.
Auf Grundlage dieses Sachvortrags bleibt es auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme vom 02.02.2022 dabei, dass die Berufung der Beklagten unbegründet ist. Das Erstgericht hat – wie schon im Hinweisbeschluss ausgeführt – zutreffend angenommen, dass das Vorliegen eines Mangels (erstinstanzlich) unstreitig war und sich die Beklagte im Hinblick auf das Vertretenmüssen nicht habe entlasten können.
Soweit die Beklagte nunmehr behauptet, es habe von Anfang an kein Mangel vorgelegen, ist dieser Vortrag neu und nicht gemäß § 531 Abs.2 ZPO zuzulassen. Zwar mag es sein, dass ihr die Anlagen B2 und B3 erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung zugegangen sind. Allerdings hat der Erörterungstermin mit dem Prüfingenieur zwei Monate vor der mündlichen Verhandlung stattgefunden. Darüber hinaus datiert die Klage bereits vom 22.04.2020; außergerichtlich sind die Prozessbevollmächtigten der Kläger erstmals bereits mit Schriftsatz vom 18.02.2020 (Anlage K3) wegen des Statikproblems an die Beklagte herangetreten. Es ist nicht ersichtlich, warum es der Beklagten nicht möglich gewesen sein sollte, vor Schluss der mündlichen Verhandlung am 26.02.2021 das Vorliegen eines Mangels zu bestreiten. Die Beklagte hat dazu keine ausreichend konkreten Umstände vorgetragen, die zu einer Zulassung ihres Sachvortrags gem. § 531 Abs.2 ZPO führen könnten.
Anders als die Beklagte meint, hat das Erstgericht auch nicht seine Hinweispflichten gemäß § 139 ZPO verletzt. Wenn sich die Beklagte auf die Unmöglichkeit der Leistungserbringung berufen möchte, ist es nicht Aufgabe des Tatrichters, darauf hinzuweisen, dass sie (stattdessen?) das Vorliegen eines Mangels bestreiten müsse. Soweit die Beklagte sodann – durch die Anhörung ihres gesetzlichen Vertreters in der mündlichen Verhandlung – einräumt, sie habe nunmehr einen Statiker gefunden, der wiederum eine Lösung gefunden habe, ist es ebenfalls nicht Aufgabe des Gerichts, darauf hinzuweisen, dass mit dieser Einlassung ein Mangel nicht wirksam bestritten sei, denn aus der Einlassung des Geschäftsführers ergibt sich gerade, einen Mangel eben nicht bestreiten zu wollen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.
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Wenn ein Bauträger die Wohnung nicht zum vereinbarten Termin übergibt, kann dies für den Erwerber erhebliche Probleme verursachen. Insbesondere dann, wenn der Erwerber aufgrund des Verzugs des Bauträgers zusätzliche Kosten hat, beispielsweise für die Unterbringung in einem Hotel oder einer Ferienwohnung. In einem solchen Fall hat der Erwerber möglicherweise Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung.
Was ist eine Nutzungsausfallentschädigung?
Eine Nutzungsausfallentschädigung ist eine Entschädigung, die dem Erwerber zusteht, wenn er aufgrund des Verzugs des Bauträgers die erworbene Wohnung nicht wie geplant nutzen kann. Die Entschädigung soll den Erwerber für die zusätzlichen Kosten entschädigen, die ihm durch den Verzug entstehen, beispielsweise für die Unterbringung in einem Hotel oder einer Ferienwohnung.
Wie hoch ist die Nutzungsausfallentschädigung?
Die Höhe der Nutzungsausfallentschädigung ist in der Regel vom Einzelfall abhängig und kann nicht pauschal bestimmt werden. Grundsätzlich muss der Bauträger jedoch die tatsächlich entstandenen Kosten des Erwerbers erstatten. Dabei ist zu beachten, dass der Erwerber verpflichtet ist, die Schäden so gering wie möglich zu halten, beispielsweise indem er eine günstige Ferienwohnung wählt.
Rechtsgrundlage für die Nutzungsausfallentschädigung
Der Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung ergibt sich aus § 280 Abs. 1 BGB, wenn der Bauträger seine vertraglichen Pflichten nicht erfüllt hat. Dabei ist es unerheblich, ob der Bauträger die Verzögerung verschuldet hat oder nicht. Der Erwerber hat in jedem Fall einen Anspruch auf Entschädigung.
Fazit
Wenn ein Bauträger die Wohnung nicht zum vereinbarten Termin übergibt, hat der Erwerber möglicherweise Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung. Die Höhe der Entschädigung hängt vom Einzelfall ab und muss vom Erwerber nachgewiesen werden. Der Anspruch ergibt sich aus § 280 Abs. 1 BGB und gilt unabhängig davon, ob der Bauträger die Verzögerung verschuldet hat oder nicht.