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Baunachbarrechtliche Rechtmäßigkeitskontrolle – Außenwand

OVG Hamburg – Az.: 2 Bs 192/21 – Beschluss vom 08.10.2021

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 29. Juni 2021 geändert und der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche der Antragsteller vom 10. Juni 2020 und 30. April 2021 gegen die Baugenehmigung vom 9. März 2020 in der Fassung des Änderungsbescheides Nr. 1 vom 23. April 2021 abgelehnt.

Die Anschlussbeschwerde der Antragsteller wird zurückgewiesen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Beschwerdeverfahrens, jeweils einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, tragen die Antragsteller als Gesamtschuldner.

Gründe

I.

Die Antragsteller wenden sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine der Beigeladenen durch die Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung für die Änderung eines Mehrfamilienhauses im Dach- bzw. Staffelgeschoss.

Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks ### (Flurstück ###, Gemarkung ###), das mit einem dreigeschossigen Wohnhaus bebaut ist. In seinem westlichen, zur ### gewandten Bereich grenzt das Grundstück der Antragsteller im Norden an das Vorhaben-grundstück ### (Flurstück ###, Gemarkung ###), welches mit einem viergeschossigen Mehrfamilienhaus bebaut ist. Die beiden vorgenannten Häuser sind mit dem überwiegenden Teil ihrer Gebäudetiefe einander überdeckend auf der gemeinsamen Grundstücksgrenze errichtet. Beginnend etwa in der Mitte der Gebäudetiefe springt die Südfassade des Bestandsgebäudes auf dem Vorhabengrundstück in ihrem rückwärtigen Bereich über eine Tiefe von mehreren Metern in Form eines rechteckigen, in allen oberirdischen Geschossen befensterten und nicht überdachten Lichtschachts nach Norden von der gemeinsamen Grundstücksgrenze zurück. Die rückwärtige Ostfassade des Gebäudes der Antragsteller, das eine geringere Tiefe als das Bestandsgebäude auf dem Vorhabengrundstück aufweist, steht auf Höhe des vorgenannten Lichtschachtes und deckt diesen in der Tiefe teilweise ab.

Baunachbarrechtliche Rechtmäßigkeitskontrolle - Außenwand
(Symbolfoto: Phoderstock/Shutterstock.com)

Die beiden vorgenannten Grundstücke liegen im räumlichen Geltungsbereich des am 6. September 1955 festgestellten Baustufenplans ###, welcher diese als Wohngebiet mit einer viergeschossigen geschlossenen Bauweise („W 4 g“) im Sinne der Baupolizeiverordnung für die Hansestadt Hamburg vom 8. Juni 1938 (HmbVBl. S. 69 – BPVO) ausweist.

Unter dem 9. März 2020 erteilte die Antragsgegnerin dem Rechtsvorgänger der Beigeladenen im vereinfachten Verfahren nach § 61 HBauO eine Baugenehmigung insbesondere für die Erweiterung des Bestandsgebäudes auf dem Vorhabengrundstück um ein Staffelgeschoss. Das mit diesem Bescheid genehmigte Vorhaben sah im fünften oberirdischen Geschoss den Abbruch des bestehenden Dachraumes und die Errichtung eines Staffelgeschosses vor, welches im Süden, auf der gemeinsamen Grenze mit dem Grundstück der Antragsteller, in einer im Wesentlichen trapezförmigen und öffnungslosen Wand endete; diese Wand (im Folgenden: Grenzwand) sollte im vorderen, westlichen Grundstücksbereich eine maximale Höhe von 4,40 m (über Fußbodenoberkante des Staffelgeschosses) erreichen und nach Osten allmählich in der Höhe abfallen, ganz überwiegend aber eine Höhe von noch mehr als 3 m aufweisen. Nördlich der Grenzwand sollte sich, beginnend in einer Tiefe von 6,30 m von der straßenseitigen (West-)Fassade, eine ebene, unüberdachte und in den Bauvorlagen als „Lichthof II“ bezeichnete Fläche erstrecken, die im südöstlichen Eckbereich des Staffelgeschosses in eine von dort aus entlang der gesamten Ostfassade vorgesehene Dachterrasse übergehen sollte. Der in den darunter liegenden Geschossen vorhandene Lichtschacht in der Südfassade sollte mit der Fläche des „Lichthof II“ überbaut werden.

Nachdem die Antragsteller gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 9. März 2020 mit Schreiben vom 10. Juni 2020 Widerspruch erhoben hatten, erteilte die Antragsgegnerin dem Rechtsvorgänger der Beigeladenen unter dem 23. April 2021 auf einen Änderungsantrag vom 8. April 2021 hin einen „Änderungsbescheid Nr. 1“, durch den die Bauvorlagen zum Grundriss des Dach- bzw. Staffelgeschosses und zur Südansicht des Vorhabens ersetzt wurden (nunmehr: Bauvorlagen 0/41 und 0/42). Nach der nunmehr genehmigten Planung fällt die Höhe der Grenzwand nach Osten rascher ab und erreicht bereits etwa in der Mitte der Gebäudetiefe eine Höhe von 1,10 m (über Fußbodenoberkante des Staffelgeschosses), die es bis zu ihrem Ende an der südöstlichen Gebäudeecke beibehält. Als „Lichthof II“ kennzeichnet der Grundriss des Dach- bzw. Staffelgeschosses nunmehr, auch durch eine entsprechende Schraffur, den gesamten unmittelbar nördlich der Grenzwand liegenden Außenbereich des Staffelgeschosses bis zu einer Tiefe von 2,50 m von der gemeinsamen Grundstücksgrenze. Nördlich des genannten Grenzabstandes erstreckt sich, insoweit wie nach dem vorherigen Planungsstand, entlang der Ostfassade des Staffelgeschosses eine Dachterrasse. Der Grundriss des Dach- bzw. Staffelgeschosses (Bauvorlage 0/41) enthält die Grüneintragung: „Der Lichthof II ist nicht zum Aufenthalt im Sinne einer Dachterrasse zu nutzen.“ Der Lichtschacht in den darunterliegenden Geschossen wird in gleicher Weise wie nach dem vorherigen Planungsstand überdeckt. Mit Schreiben vom 30. April 2021 erhoben die Antragsteller auch gegen den Änderungsbescheid Nr. 1 von 23. April 2021 Widerspruch; über die Widersprüche der Antragsteller hat die Antragsgegnerin noch nicht entschieden.

Nachdem die Antragsteller bereits zuvor, am 12. März 2021, das Verwaltungsgericht um Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 10. Juni 2020 gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 9. März 2020 ersucht hatten, haben sie diesen Antrag nach Erlass des Änderungsbescheides Nr. 1 vom 23. April 2021, mit Schriftsatz vom 30. April 2021, auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom selben Tag gegen den Änderungsbescheid erstreckt. Mit Beschluss vom 29. Juni 2021 hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die angefochtenen Bescheide insoweit angeordnet, wie diese die Errichtung der als „Lichthof II“ bezeichneten Fläche, die Errichtung der Grenzwand entlang der Fläche des „Lichthof II“ und die Überdeckung des darunterliegenden Lichtschachts umfasst; im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das genehmigte Vorhaben verletze die Antragsteller zunächst insoweit in dem zu ihren Gunsten nachbarschützend wirkenden Zustimmungserfordernis nach § 71 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 HBauO, als die als „Lichthof II“ bezeichnete Fläche sowie die südlich entlang dieser Fläche verlaufende Grenzwand im Staffelgeschoss keine (Mindest-)Abstandsflächentiefe zur südlichen Grundstücksgrenze einhielten. Die als „Lichthof II“ bezeichnete Fläche löse das Mindestabstandsflächenerfordernis aus, da es sich bei ihr um eine jedenfalls faktische Dachterrasse handele mit der Folge, dass sie mangels Zustimmung der Antragsteller in der Mindestabstandsflächentiefe nachbarrechtswidrig sei. Ihrer Einordnung als Dachterrasse stehe nicht entgegen, dass eine solche Nutzung durch die in der Bauvorlage 0/41 vorgenommene Grüneintragung ausgeschlossen sei. Insoweit sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Fläche sich weiterhin im selben Bereich des Staffelgeschosses befinde wie nach dem vorherigen Planungsstand, dass sie sich unmittelbar an die entlang der Ostfassade vorgesehene – in den Bauvorlagen als „Terrasse I“ gekennzeichnete – Dachterrasse anschließe und dass sie in ihrem südwestlichen Abschnitt durch eine 1,10 m hohe Brüstung begrenzt werde. Zentral spreche für die rechtliche Qualifikation als Dachterrasse, dass zwischen der als „Lichthof II“ bezeichneten Fläche und der Dachterrasse eine Abtrennung oder sonstige bauliche Zugangsbeschränkung nicht vorhanden sei, sodass eine Begehung der als „Lichthof II“ bezeichneten Fläche von der Dachterrasse aus höchst wahrscheinlich sei. Eine Privilegierung nach § 6 Abs. 6 Nr. 2 HBauO wirke zugunsten der Fläche nicht. Auch der Vorrang des Bauplanungsrechts nach § 6 Abs. 1 Satz 3 HBauO in Verbindung mit der Festsetzung der geschlossenen Bauweise greife zugunsten der als „Lichthof II“ bezeichneten Fläche nicht ein, da es sich bei dieser nicht, wie insoweit erforderlich, um eine Außenwand handele. Daneben halte auch die entlang dieser Fläche verlaufende Grenzwand zum Grundstück der Antragsteller die gebotene Mindestabstandsflächentiefe nicht ein. Dies sei erforderlich, da von dieser Grenzwand eine gebäudegleiche Wirkung im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 HBauO ausgehe. Diese Wirkung ergebe sich neben der freistehenden Lage der Wand, welche diese optisch als Verlängerung der Außenwand des Bestandsgebäudes erscheinen lasse, insbesondere aus ihrer Höhe. Privilegierungstatbestände zugunsten der Grenzwand griffen nicht ein. Dies gelte auch für die Regelung nach § 6 Abs. 1 Satz 3 HBauO, da die Grenzwand keinen Gebäudeinnenraum umschließe, sodass es sich bei ihr nicht um eine Außenwand handele. Die Verstöße der beiden vorgenannten Vorhabenbestandteile gegen das Mindestabstandsflächenerfordernis führten allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung insgesamt, da diese teilbar sei. Darüber hinaus verletze das genehmigte Vorhaben zum Nachteil der Antragsteller auch das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot, soweit der entlang der Bestandsgeschosse vorhandene Lichtschacht überdeckt werde. Für den Fall eines zukünftigen Erweiterungsvorhabens der Antragsteller müssten diese nämlich damit rechnen, dass ihnen aufgrund der Überdeckung des Lichtschachts eine uneingeschränkte Ausnutzung der durch den Baustufenplan X festgesetzten geschlossenen Bauweise entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze verwehrt werde. Eine Ausnutzung der geschlossenen Bauweise auch im Bereich des Lichtschachts auf dem Grundstück der Beigeladenen könnte im Hinblick auf die damit verbundenen – zu den Wirkungen der Überdeckung hinzutretenden – Einschränkungen der hinter den im Lichtschacht befindlichen Fenstern gelegenen Räume als rücksichtslos und daher nicht genehmigungsfähig angesehen werden. Weitere Verstöße gegen zugunsten der Antragsteller nachbarschützend wirkende Vorschriften des Bauordnungs- oder des Bauplanungsrechts seien nicht festzustellen.

Soweit das Verwaltungsgericht dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung stattgegeben hat, wendet sich die Antragsgegnerin dagegen mit ihrer am 12. Juli 2021 eingegangenen und am 27. Juli 2021 begründeten Beschwerde. Soweit das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt hat, treten die Antragsteller dem mit ihrer am 28. Juli 2021 eingegangenen und am 20. August 2021 begründeten Anschlussbeschwerde entgegen.

II.

Die zulässige, insbesondere nach § 147 Abs. 1 VwGO fristgemäß erhobene Beschwerde der Antragsgegnerin führt auch in der Sache zum Erfolg. Die Antragsgegnerin erschüttert mit ihrem Beschwerdevorbringen tragende Erwägungen der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (hierzu 1.). Die dem Beschwerdegericht aufgrund dessen eröffnete eigene Prüfung in der Sache führt zu einer Änderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung und zu einer vollumfänglichen Ablehnung des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (hierzu 2.).

1. Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO zunächst beschränkt ist, erschüttern die Richtigkeit der entscheidungserheblichen Annahme des Verwaltungsgerichts, die auf dem Grundriss des Staffelgeschosses (Bauvorlage 0/41) als „Lichthof II“ gekennzeichnete Fläche sehe sich (mindest-)abstandsflächenrechtlichen Anforderungen ausgesetzt mit der Folge, dass mangels Zustimmung der Antragsteller ein Verstoß gegen das nachbarschützende Zustimmungserfordernis nach § 71 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 HBauO bestehe. Die Antragsgegnerin bringt hiergegen insbesondere vor, dass die genannte Fläche weder bei einer formellen noch bei einer faktischen Betrachtung eine Dachterrasse darstelle, eine solche Nutzung vielmehr durch den Änderungsbescheid Nr. 1 vom 23. April 2021 ausdrücklich ausgeschlossen sei, sodass abstandsflächenrechtliche Anforderungen wie an eine Dachterrasse an sie nicht zu stellen seien. Mit diesem Vorbringen erschüttert die Antragsgegnerin die genannte entscheidungserhebliche Annahme des Verwaltungsgerichts (hierzu noch im Folgenden unter 2. a) bb) bbb) (1) (a)).

2. Die dem Beschwerdegericht damit eröffnete eigene Prüfung in der Sache führt zur Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses und zur vollumfänglichen Ablehnung des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Bei der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotenen Abwägung der betroffenen öffentlichen und privaten Interessen der Beteiligten überwiegt hier, der gesetzlichen Regel nach § 212a Abs. 1 BauGB entsprechend, das Interesse der Beigeladenen am sofortigen Vollzug der Baugenehmigung das Aussetzungsinteresse der Antragsteller, da das genehmigte Vorhaben bei summarischer Prüfung nicht gegen zugunsten der Antragsteller nachbarschützend wirkende Vorschriften des Bauordnungsrechts (hierzu a)) oder des Bauplanungsrechts (hierzu b)) verstößt.

a) Das genehmigte Vorhaben verstößt voraussichtlich nicht gegen zugunsten der Antragsteller nachbarschützend wirkende Vorschriften des Bauordnungsrechts.

aa) Soweit die Antragsteller beanstanden, die Antragsgegnerin habe die Baugenehmigung vom 9. März 2020 nicht im Wege einer Tekturgenehmigung, um die es sich bei dem Änderungsbescheid Nr. 1 vom 23. April 2021 in der Sache handele, ändern dürfen, machen sie damit keinen Verstoß gegen solche Vorschriften des Bauordnungsrechts gelten, die zu ihren Gunsten nachbarschützend wirken. Nach dem Willen des Gesetzgebers vermittelt unter den Vorschriften der Hamburgischen Bauordnung lediglich das in § 71 Abs. 2 HBauO geregelte Zustimmungsrecht Nachbarschutz (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 28.7.2009, 2 Bs 67/09, NordÖR 2010, 72, unter Bezugnahme auf die amtliche Begründung zu § 71 Abs. 2 HBauO in Bü-Drs. 18/2549, S. 68). Dementsprechend wirkt insbesondere das nachbarliche Beteiligungsrecht nach § 71 Abs. 3 HBauO nicht nachbarschützend (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 9.5.2016, 2 Bs 38/16, NordÖR 2016, 299 m.w.N.) und ist daher nicht geeignet, den Angriff auf die geltend gemachte Tekturgenehmigung zu tragen.

bb) Hinsichtlich des nachbarschützenden Zustimmungsrechts nach § 71 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 HBauO ist ein Verstoß bei summarischer Prüfung nicht ersichtlich.

aaa) Soweit die Antragsteller geltend machen, infolge des genehmigten Änderungsvorhabens verliere das Bestandsgebäude der Beigeladenen den Bestandsschutz mit der Folge, dass sie die Nichteinhaltung der Mindestabstandsflächentiefe durch den Lichtschacht rügen könnten, greift dies nicht durch. Da das genehmigte Vorhaben keinerlei Änderungen im Bereich dieses Lichtschachts umfasst, liegt insoweit kein Genehmigungsgegenstand vor, der von den Antragstellern mit ihrem Widerspruch angefochten werden kann.

bbb) Auch in Bezug auf die im Rahmen des genehmigten Vorhabens geplanten Änderungen im Staffelgeschoss sind Verstöße gegen Mindestabstandsflächenanforderungen nach § 6 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 HBauO nicht ersichtlich.

Da bereits das auf dem Vorhabengrundstück befindliche Bestandsgebäude mit seiner Südfassade – oberhalb derer das genehmigte Vorhaben nunmehr verschiedene Änderungen vorsieht – auf der gemeinsamen Grenze mit dem Grundstück der Antragsteller errichtet worden ist, handelt es sich bei dem mit den Bescheiden vom 9. März 2020 und 23. April 2021 genehmigten Vorhaben um die Änderung eines Gebäudes innerhalb der Mindestabstandsflächen. Nach der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts (vgl. grundlegend Beschl. v. 5.9.2008, 2 Bs 65/08, BauR 2009, 632; aus jüngerer Zeit Beschl. v. 16.4.2018, 2 Bs 32/18, n.v., BA S. 7; Urt. v. 30.3.2016, 2 Bf 139/13, n.v., UA S. 16; Beschl. v. 1.7.2014, 2 Bf 147/13.Z, n.v., BA S. 3) erstreckt sich das Zustimmungserfordernis gemäß § 71 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 HBauO nach dem Sinn und Zweck der Regelung nicht nur auf die Neuerrichtung von Gebäuden, sondern grundsätzlich auch auf deren Änderung, sofern diese Änderung ihrerseits den Anforderungen des § 6 Abs. 5 HBauO entsprechen muss. Allerdings ist die Zustimmung des Nachbarn bei der Änderung von Gebäuden, die bereits innerhalb des Mindestgrenzabstands errichtet worden sind, nicht erforderlich, wenn das Änderungsvorhaben für sich genommen abstandsflächenrechtlich nicht bedeutsam, d.h. ohne Bedeutung für die (Neu-)Berechnung der erforderlichen Abstandsfläche ist, der Nachbar den bestehenden Zustand hinnehmen musste und dessen Änderung keine wesentlichen Verstärkungen gerade derjenigen Beeinträchtigungen des Nachbarn mit sich bringt, die spezifisch auf der Unterschreitung des Mindestabstands beruhen. Bei Änderungen, die sich – im Sinne der ersten Voraussetzung – auf den Umfang der erforderlichen Abstandsfläche auswirken, ist eine zusätzliche qualitative Prüfung – im Sinne der beiden weiteren Voraussetzungen – nicht veranlasst (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 5.9.2008, a.a.O., Rn. 6).

Das genehmigte Vorhaben erfüllt bei summarischer Prüfung sämtliche der drei genannten Voraussetzungen mit der Folge, dass eine Zustimmung der Antragsteller nach § 71 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 HBauO zu ihm nicht erforderlich ist. Im Einzelnen:

(1) Die Anforderung, dass das Änderungsvorhaben für sich genommen abstandsflächenrechtlich nicht bedeutsam, d.h. ohne Bedeutung für die (Neu-)Berechnung der erforderlichen Abstandsfläche ist, erfüllen insbesondere sowohl die in den Bauvorlagen als „Lichthof II“ gekennzeichnete Fläche (hierzu (a)) als auch die im Staffelgeschoss südlich entlang dieser Fläche verlaufende Grenzwand (hierzu (b)).

(a) Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts und der Auffassung der Antragsteller ist die in den Bauvorlagen als „Lichthof II“ gekennzeichnete Fläche für sich genommen abstandsflächenrechtlich nicht bedeutsam.

Zwar weisen die Beteiligten im Ausgangspunkt zutreffend darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts grundsätzlich auch vor Dachterrassen nach § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 HBauO ein Grenzabstand zum Nachbarn von mindestens 2,50 m freizuhalten ist (vgl. hierzu und zum Folgenden OVG Hamburg, Beschl. v. 19.5.2015, 2 Bs 255/14, NordÖR 2016, 21; Beschl. v. 14.6.2013, 2 Bs 126/13, NordÖR 2013, 478; Beschl. v. 17.11.2011, 2 Bs 177/11, BauR 2012, 542 m.w.N.). Die abstandsflächenrechtliche Relevanz von Dachterrassen ergibt sich daraus, dass von ihnen – in ähnlicher Weise wie von Balkonen und insofern nicht mit ebenerdigen Terrassen vergleichbar – wesentliche Beeinträchtigungen der Schutzgüter des Abstandsflächenrechts zum Nachteil des Nachbarn ausgehen können. Die in den Bauvorlagen als „Lichthof II“ gekennzeichnete Fläche ist allerdings keine Dachterrasse in diesem Sinne.

Prüfungsgegenstand der baunachbarrechtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle ist grundsätzlich das Vorhaben, wie es sich aus dem Regelungsgehalt der Baugenehmigung, mithin auch aus den Genehmigungsbestandteil gewordenen Bauvorlagen, ergibt (vgl. hierzu und zum Folgenden auch OVG Münster, Beschl. v. 10.11.2020, 2 B 1263/20, BauR 2021, 520; Urt. v. 25.8.2011, 2 A 38/10, BauR 2012, 58 m.w.N.; OVG Schleswig, Beschl. v. 7.9.2017, 1 MB 11/17; OVG Magdeburg, Beschl. v. 4.5.2006, 2 M 132/06; OVG Lüneburg, Urt. v. 18.11.1993, 1 L 355/91, UPR 1994, 345; Urt. v. 26.4.1993, 6 L 169/90, MDR 1993, 759). Auf die Funktion einer Fläche bzw. eines Gebäudeteils, wie sie durch die Baugenehmigung bzw. Bauvorlagen formell ausgewiesen wird, ist ausnahmsweise dann nicht abzustellen, wenn aus dem weiteren Inhalt der Baugenehmigung bzw. Bauvorlagen oder aufgrund anderweitiger Anhaltspunkte belastbar ersichtlich ist, dass die formell ausgewiesene Funktion nach der Gesamtgestaltung des Vorhabens nicht möglich oder durch den Bauherrn in Wahrheit nicht beabsichtigt, sondern lediglich für Zwecke des Genehmigungsverfahrens vorgeschoben ist. Die auf dieser Grundlage bestehenden Anhaltspunkte müssen in der Gesamtschau von solcher Deutlichkeit sein, dass es gerechtfertigt erscheint, bei der Bestimmung des Prüfungsgegenstandes nicht auf den „formellen“ Inhalt der Baugenehmigung bzw. Bauvorlagen abzustellen, sondern auf einen darüber hinaus gehenden Inhalt.

Bei Anwendung dieser Grundsätze handelt es bei sich bei der als „Lichthof II“ bezeichneten Fläche nach dem Inhalt der Baugenehmigung bzw. Bauvorlagen nicht um eine Dachterrasse, sondern um eine Flachdachfläche. Zwar ist festzustellen, dass die von der Beigeladenen gewählte Bezeichnung als „Lichthof“ die Funktion dieser Fläche nicht in einem positiven Sinne präzise und unterscheidungskräftig zum Ausdruck bringen dürfte. Die Begrifflichkeit ist insbesondere insofern zumindest ungewöhnlich, als die damit bezeichnete Fläche nur der Belichtung von Räumen im obersten Geschoss, nicht hingegen – wie bei Lichthöfen in der Praxis regelhaft der Fall – der darunterliegenden Geschosse dient, und die über sie zu belichtenden Räume auch aus anderen Richtungen eine direkte Belichtung erfahren. Nach ihrer aus den Bauvorlagen ablesbaren Funktion soll die Fläche durch Freihaltung eines Abstandes zwischen dem Wohnbereich im Staffelgeschoss und der südlichen Grenzwand eine direkte Belichtung der angrenzenden Innenräume auch von Süden ermöglichen, daneben offenbar auch zur Einhaltung der Geschossflächengrenzen nach § 2 Abs. 6 Satz 3 HBauO beitragen. Ihrer positiven Funktion nach handelt es sich damit schlicht um eine Flachdachfläche.

Die Feststellung, dass der „Lichthof II“ nach dem Inhalt der Baugenehmigung lediglich als Flachdachfläche und insbesondere nicht zur Nutzung im Sinne einer Dachterrasse zugelassen wird, ergibt sich – neben der von derjenigen der danebenliegenden Dachterrasse („Terrasse I“) abweichenden Schraffur im Grundriss des Dachgeschosses (Bauvorlage 0/41) – zweifelsfrei insbesondere aus der im Rahmen der Erteilung des Änderungsbescheides Nr. 1 vom 23. April 2021 durch die Antragsgegnerin in dieser Bauvorlage vorgenommenen Grüneintragung, wonach der „Lichthof II [###] nicht zum Aufenthalt im Sinne einer Dachterrasse zu nutzen“ ist.

Die Tatsache, dass die Fläche des „Lichthof II“ aufgrund ihrer waagerechten und planen Ausgestaltung begehbar sein dürfte und in Gestalt der südlich an ihr entlanglaufenden Grenzwand über eine Absturzsicherung verfügt, sodass eine Nutzung als Dachterrasse tatsächlich möglich wäre, verkennt der Senat nicht. Gleiches gilt für den Umstand, dass die Fläche aufgrund ihrer Lage im südwestlichen Eckbereich des Staffelgeschosses eine besonders günstige Belichtung und Besonnung erfährt. Allein dass die genehmigungswidrige Nutzung einer Fläche möglich – und womöglich attraktiv – ist, sodass sie, je nach individuellen Nutzungspräferenzen, naheliegen mag, eröffnet es der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle jedoch nicht, sich über die Grenzen des Regelungsgehalts der Baugenehmigung hinwegzusetzen.

Die Voraussetzungen dafür, dass ausnahmsweise nicht allein auf den (formellen) Inhalt der Baugenehmigung abzustellen ist, sind nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens nicht gegeben. Zum einen ist die Nutzung der als „Lichthof II“ bezeichneten Fläche als Flachdachabschnitt bzw. als „Lichthof“ im oben ausgeführten Sinne möglich. Zum anderen ist weder aus den Bauvorlagen noch aufgrund sonstiger belastbarer Anhaltspunkte mit hinreichender Deutlichkeit ersichtlich, dass „in Wahrheit“ eine vom Genehmigungsinhalt abweichende Nutzung, etwa als (Erweiterung der genehmigten) Dachterrasse, angestrebt wird. Die oben genannten Gesichtspunkte der Begehbarkeit und des Vorhandenseins einer jedenfalls faktischen Absturzsicherung sind in diesem Zusammenhang zwar ebenso berücksichtigungsfähig wie das Fehlen einer baulichen Trennung zwischen der entlang der Ostseite des Staffelgeschosses genehmigten Dachterrasse und der Fläche des „Lichthof II“, lassen für sich betrachtet aber noch nicht den belastbaren Schluss auf eine in Wahrheit auch für diesen Bereich angestrebte Dachterrassennutzung zu. Dies gilt auch unter ergänzender Berücksichtigung des Umstandes, dass die Fläche des „Lichthof II“ nach dem durch Bescheid vom 9. März 2020 genehmigten früheren Planungsstand auch als Zugang vom straßenseitigen Wohnbereich zur Dachterrasse entlang der Ostfassade dienen sollte (vgl. Bauvorlage 0/21).

Sind hinreichend belastbare Anhaltspunkte für einen „Etikettenschwindel“ (vgl. OVG Münster, Urt. v. 25.8.2011, 2 A 38/10, BauR 2012, 58) – wie hier nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens – nicht ersichtlich, so behält der Grundsatz Geltung, dass eine sodann tatsächlich stattfindende genehmigungswidrige Nutzung (nur) Anlass für bauaufsichtliche Maßnahmen zur Herstellung ordnungsgemäßer Zustände geben kann. Die Möglichkeit, dass die tatsächliche Nutzung nach Erteilung der Baugenehmigung Anlass zu einem solchen behördlichen Einschreiten gibt, lässt sich grundsätzlich dadurch verringern, dass schon in den Stadien von Planung und Genehmigung auf eine bauliche Ausführung der Anlage geachtet wird, die einer – auch nicht beabsichtigten, sondern unbedachten – illegalen Nutzungsweise entgegenwirkt. Vorliegend könnte es sich unter diesem Aspekt anbieten, die – bislang nicht erkennbar in einer baulich verfestigten Weise geplante – Abgrenzung zwischen der Dachterrasse im Staffelgeschoss und dem unmittelbar neben dieser liegenden „Lichthof II“ in der Bauausführung klar und unterscheidungskräftig zum Ausdruck zu bringen, zumindest etwa in einem Bodenbelag des „Lichthof II“, der für einen genehmigungswidrigen Aufenthalt im Sinne einer Dachterrasse ungeeignet ist (z.B. Bekiesung oder Begrünung).

(b) Außerdem ist die im Staffelgeschoss südlich entlang der Fläche „Lichthof II“ verlaufende Grenzwand nicht von Bedeutung für die (Neu-)Berechnung der erforderlichen Abstandsfläche. Bei dieser Wand handelt es sich um eine Außenwand im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 (und 3) HBauO (hierzu (aa)), die aufgrund der vorliegend geltenden geschlossenen Bauweise nach § 6 Abs. 1 Satz 3 HBauO an die Grenze gebaut werden muss (hierzu (bb)).

(aa) Bei der im Staffelgeschoss südlich entlang der Fläche „Lichthof II“ verlaufenden Grenzwand handelt es sich bei einer teleologischen, die Schutzzwecke des Abstandsflächenrechts zur Geltung bringenden Auslegung von § 6 Abs. 1 Satz 1 HBauO um eine Außenwand im Sinne dieser Vorschrift.

Als Außenwand im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 und 3 HBauO wird nach allgemeiner Auffassung jedenfalls eine Wand qualifiziert, die bei objektiver Betrachtung von außen sichtbar ist, dadurch einen optischen Gebäudeabschluss gegenüber der Umgebung darstellt und einen Gebäudeinnenraum gegenüber dem Freien – der „Außenluft“ – umschließt (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 13.8.2019, 2 Bf 438/18, BauR 2019, 1895; OVG Koblenz, Urt. v. 18.6.2015, 1 A 10775/14; OVG Münster, Urt. v. 22.3.2018, 7 A 1388/15, BRS 86 Nr. 88 (2018); Niere, in: Alexejew, HBauO, Stand Mai 2020, § 6 Rn. 13 (in der Definition des Außenwandbegriffs weitergehend: „Bauteile [###], durch die die Räume des Gebäudes nach außen abgegrenzt werden“); zum entsprechenden Landesrecht Broy-Bülow, in: Wilke u.a., BauO Berlin, 6. Aufl. 2008, § 6 Rn. 7 (ebenfalls in der Definition weitergehend: „die von außen sichtbaren Wände eines Gebäudes oberhalb der Geländeoberfläche“); Jeromin, in: ders., LBauO Rheinland-Pfalz, 4. Aufl. 2016, § 8 Rn. 23; Johlen, in: Gädtke u.a., BauO Nordrhein-Westfalen, 13. Aufl. 2019, § 6 Rn. 164; Kraus, in: Busse/Kraus, BayBO, Stand Mai 2021, Art. 6 Rn. 19; Möller/Bebensee, in: dies., BauO Schleswig-Holstein, Stand September 2020, § 6 Rn. 13; Sauter, LBO Baden-Württemberg, Stand Februar 2021, § 5 Rn. 23; vgl. auch – zum Begriff der „Außenflächen“ – Breyer, in: Große-Suchsdorf, NdsBauO, 10. Aufl. 2020, § 5 Rn. 46 („die von außen sichtbaren Flächen eines Gebäudes“)). Auf die konstruktive – etwa brandschutztechnische – Ausführung kommt es dabei grundsätzlich nicht an (vgl. Niere, a.a.O., Rn. 13).

Um eine Außenwand im vorgenannten engeren Sinne handelt es sich bei der Grenzwand allerdings lediglich in ihrem westlichen Abschnitt bis zu einer Gebäudetiefe von 6,30 m, da die Wand nur insoweit einen dahinter liegenden Innenraum umschließt, während dies auf dem Abschnitt des nördlich dahinter liegenden „Lichthofs II“ nicht der Fall ist. Während die beiden typischen Merkmale der vorgenannten Definition – die Sichtbarkeit der Wand bei objektiver Betrachtung von außen mit der Folge eines optischen Gebäudeabschlusses gegenüber der Umgebung einerseits sowie das Umschließen eines Innenraums gegenüber der Außenluft andererseits – bei Fassadenwänden regelmäßig zusammenfallen werden, ist dies, wie der vorliegende Fall zeigt, nicht notwendig der Fall.

Der Begriff der Außenwand im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 HBauO ist aber auch im Einklang mit den Schutzzwecken des Abstandsflächenrechts und – daraus folgend – unter vorrangiger Berücksichtigung der räumlichen Außenwirkung des zu qualifizierenden Bauteils auszulegen. Das Fehlen eines Außenluftabschlusses steht einer Qualifikation als Außenwand daher nicht entgegen, wenn das Gebäudeteil in einer Weise als optischer Gebäudeabschluss gegenüber der Umgebung in Erscheinung tritt, die es rechtfertigt und gebietet, bei der Berechnung der Abstandsfläche an dieses anzuknüpfen. Für eine solche wirkungsbezogene Auslegung des Begriffs der Außenwand in § 6 Abs. 1 Satz 1 HBauO spricht der Sinn und Zweck des Abstandsflächenrechts. Die mit Abstandsflächenanforderungen verfolgten Schutzzwecke – im Kern die Sicherung hinreichender Belichtung, Besonnung und Belüftung, die Wahrung eines angemessenen Sozialabstands im Interesse des Wohnfriedens sowie der Brandschutz (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 13.8.2019, a.a.O., Rn. 40 m.w.N.) – stellen in erster Linie auf die Raumwirkungen eines Gebäudes ab, die nicht notwendig vom Vorhandensein und der Position einer geschlossenen Gebäudeaußenhaut abhängen. Ihre Bestätigung findet diese Erwägung darin, dass der erweiterten Anwendbarkeit abstandsflächenrechtlicher Anforderungen nach § 6 Abs. 1 Satz 2 HBauO anerkanntermaßen der Gedanke zugrunde liegt, dass die Verwirklichung der Schutzzwecke des Abstandsflächenrechts angesichts der Mannigfaltigkeit baulicher Gestaltungsformen nicht von streng formellen begrifflichen Abgrenzungen abhängen soll (vgl. nur Niere, a.a.O., Rn. 20; Kraus, a.a.O., Rn. 36). Bei der Anwendung von § 6 Abs. 1 Satz 2 HBauO kommt diese materielle, schutzzweckbezogene Blickrichtung des Abstandsflächenrechts zudem in dem Grundsatz zum Ausdruck, dass es bei der Bestimmung einer möglichen gebäudegleichen Wirkung stets einer umfassenden Betrachtung der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Schutzzwecke des Abstandsflächenrechts bedarf (vgl. Niere, a.a.O., Rn. 22; Breyer, a.a.O., Rn. 55; Broy-Bülow, a.a.O., Rn. 16). Da der Anwendungsbereich abstandsflächenrechtlicher Anforderungen jedoch im Zusammenwirken von § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 HBauO umgrenzt wird, wobei § 6 Abs. 1 Satz 2 HBauO lediglich eine ergänzende, nämlich erweiternde Funktion zukommt (vgl. Niere, a.a.O., Rn. 20; Kraus, a.a.O., Rn. 36), ist unter teleologischen Gesichtspunkten nicht ersichtlich, weshalb der Anwendungsbereich von § 6 Abs. 1 Satz 1 HBauO streng formell im Sinne des eingangs genannten Begriffs der Außenwand zu begrenzen sein sollte.

Im Schrifttum zum Abstandsflächenrecht ist – jedenfalls im Ergebnis – auch allgemein anerkannt, dass von dem eingangs genannten, grundsätzlich formellen Verständnis des Außenwandbegriffs, nach dem auch ein Abschluss gegenüber der Außenluft herzustellen ist, unter Schutzweckgesichtspunkten Abweichungen geboten sind, wenn die Raumwirkungen eines Gebäudeteils eine Abstandsfläche vor diesem erfordern (vgl. hierzu und zum Folgenden Niere, a.a.O., Rn. 13; Broy-Bülow, a.a.O., Rn. 7; Jeromin, a.a.O., Rn. 23; Johlen, a.a.O., Rn. 164; Kraus, a.a.O., Rn. 22; Sauter, a.a.O., Rn. 23; vgl. auch Breyer, a.a.O., Rn. 46 (zum Begriff der „Außenfläche“)). Hierzu zwingen insbesondere moderne architektonische Gestaltungsformen, die oftmals auf einen Gebäudeabschluss im klassischen Sinne einer einschichtigen Gebäudeaußenhaut verzichten. Dies gilt beispielsweise für sog. Sekundärfassaden, welche der den Gebäudeinnenraum umschließenden Konstruktion vorgelagert sind, ohne selbst einen Außenluftabschluss zu bewirken. Daneben ist die Anwendung von § 6 Abs. 1 Satz 1 HBauO – bzw. inhaltsgleicher landesrechtlicher Regelungen – unter Schutzzweckgesichtspunkten auf solche Konstruktionen anerkannt, bei denen aus gestalterischen Gründen partiell auf Außenwände im formellen Sinne verzichtet wird, wie im Falle sog. Luftgeschosse oder sonstiger Stützen- oder Pfeilerkonstruktionen an der Gebäudeaußenseite, die einen Außenluftabschluss weder erfordern noch auch nur bezwecken. In diesen Fällen wird allgemein davon ausgegangen, dass der Abstandsflächenberechnung in Bezug auf diejenigen Bauteile, welche optisch den äußeren Gebäudeabschluss herstellen, eine „fiktive Außenwand“ zugrunde zu legen ist.

Bei einer solchen schutzzweck- bzw. wirkungsbezogenen Betrachtung handelt es sich (auch) bei der südlich entlang der Fläche des „Lichthof II“ verlaufenden Grenzwand um eine Außenwand im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 HBauO. Da sie sich bei einer Betrachtung von Süden als eine gleichsam „nahtlose“ Verlängerung sowohl ihres westlichen, den Gebäudeinnenraum auch formell umschließenden Abschnitts als auch – im überwiegenden Bereich ihrer Tiefe, mit Ausnahme des Lichtschachtbereichs – der grenzständigen Außenwand der darunterliegenden Geschosse darstellt, schließt sie das Gebäude nach Süden optisch in gleicher Weise wie diese Außenwandbereiche ab. Der Umstand, dass aus südwestlicher Richtung erkennbar sein mag, dass hinter diesem Wandabschnitt kein Innenraum, sondern die als „Lichthof II“ bezeichnete Außenfläche liegt, steht der Annahme einer solchen optisch gebäudeabschließenden Wirkung nicht entgegen. Denn die Grenzwand steht dem jenseits der Fläche des „Lichthof II“ hinter ihr liegenden umschlossenen Gebäudekörper so nahe, dass sie diesem auch aus südwestlicher Blickrichtung noch als optischer Gebäudeabschluss zugerechnet wird.

(bb) Vor der südlich entlang der Fläche des „Lichthof II“ verlaufenden Grenzwand ist eine Abstandsfläche nach § 6 Abs. 1 Satz 3 HBauO nicht erforderlich, weil diese Grenzwand nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss.

Da § 6 Abs. 1 Satz 3 HBauO in gleicher Weise wie § 6 Abs. 1 Satz 1 HBauO an den Begriff der Außenwand anknüpft, die unter (aa) dargestellte teleologische Auslegung daher grundsätzlich auch im Rahmen erstgenannten Vorschrift vorzunehmen ist, handelt es sich bei der hier zu betrachtenden Grenzwand um eine Außenwand auch im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 3 HBauO. Diese muss hier auch nach bauplanungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden, da der Baustufenplan X / X für das Straßengeviert um das Vorhabengrundstück eine geschlossene Bauweise festsetzt. Anhaltspunkte dafür, dass die Grenzwand möglicherweise aufgrund weitergehender Erfordernisse aus dem Sinn und Zweck der geschlossenen Bauweise nicht als eine die Anforderungen von § 6 Abs. 1 Satz 3 HBauO erfüllende Außenwand angesehen werden kann, sind bei summarischer Prüfung nicht ersichtlich. In der geschlossenen Bauweise nach § 22 Abs. 3 BauNVO ist ein Gebäude in einer Weise an der seitlichen Grundstücksgrenze zu errichten, die den unmittelbaren Anbau eines Gebäudes auf dem Nachbargrundstück ermöglicht. Die geschlossene Bauweise erfordert deshalb – unter bauplanungsrechtlichen Gesichtspunkten – grundsätzlich eine Grenzwand ohne Öffnungen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 16.8.2011, 2 Bs 132/11, NordÖR 2012, 84 m.w.N.; König/Petz, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 4. Aufl. 2019, § 22 Rn. 23). Weitere Anforderungen an die bauliche Ausgestaltung der Grenzwand – etwa in brandschutzrechtlicher bzw. statischer Hinsicht oder im Sinne einer Profilgleichheit mit der Nachbarbebauung – ergeben sich aus dem Gebot der geschlossenen Bauweise nicht.

Den vorgenannten Anforderungen genügt die Grenzwand, da sie im Staffelgeschoss einen durchgehenden, öffnungslosen Gebäudeabschluss entlang der südlichen Grundstücksgrenze herstellt.

(2) Das Vorhaben erfüllt auch die zweite Voraussetzung dafür, dass es trotz der Änderung eines in der Mindestabstandsflächentiefe bestehenden Gebäudes einer Nachbarzustimmung nach § 71 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 HBauO nicht bedarf, da der bestehende Bebauungszustand von den Antragstellern hinzunehmen war. Dies ergibt sich hier bereits daraus, dass die Antragsteller nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens den bisherigen Zustand dauerhaft hingenommen haben. Darauf, welche Vorstellung der Nachbar bei einer solchen Duldung von der Genehmigungslage des Bestandsgebäudes hegt, kommt es insoweit nicht an (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 1.7.2014, 2 Bf 147/13.Z, n.v., BA S. 4 f.).

(3) Das Vorhaben erfüllt schließlich auch die Voraussetzung, dass die genehmigten Änderungen – im Staffelgeschoss – keine wesentlichen Verstärkungen gerade derjenigen Beeinträchtigungen des Nachbarn mit sich bringen, die spezifisch auf der Unterschreitung des Mindestabstands beruhen. Dies gilt vorliegend insbesondere unter den Gesichtspunkten der Belichtung bzw. Besonnung sowie entstehender Einsichtsmöglichkeiten in das Grundstück der Antragsteller.

Eine wesentliche Verstärkung von Verschattungswirkungen des Bestandsgebäudes der Beigeladenen gegenüber dem Grundstück der Antragsteller scheidet bereits deshalb aus, weil das Gebäude nördlich liegt und seine grenzständig errichtete Südfassade annähernd genau in Ost-West-Richtung verläuft, was nennenswerte Verschattungswirkungen schon sonnenstandsbedingt ausschließt.

Auch wesentliche Verstärkungen von Einsichtsmöglichkeiten in das Grundstück der Antragsteller sind mit dem genehmigten Vorhaben bei summarischer Prüfung nicht verbunden. Aus dem Bereich der als „Lichthof II“ bezeichneten Fläche werden sich Einsichtsmöglichkeiten in einem den Antragstellern unzumutbaren Umfang nicht ergeben können, da dieser Bereich durch die Baugenehmigung nicht für eine Nutzung als Dachterrasse freigegeben wird, mit einem Aufenthalt von Personen auf dieser Fläche also genehmigungsgemäß nicht zu rechnen ist (s. dazu bereits unter (1) (a)). Die Dachterrasse entlang der Ostseite des Staffelgeschosses liegt nicht innerhalb der Mindestabstandsflächentiefe und löst bereits deshalb kein Zustimmungserfordernis aus (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 5.9.2008, 2 Bs 65/08, BauR 2009, 632); darüber hinaus werden aus diesem Bereich Einsichtsmöglichkeiten lediglich in den hinteren, baumbestandenen Gartenbereich der Antragsteller eröffnet, die für sich betrachtet keine wesentliche Verstärkung der bereits zuvor von der Ostfassade des Gebäudes der Beigeladenen in diesen Grundstücksbereich gegebenen Einsichtsmöglichkeiten darstellen.

b) Das genehmigte Vorhaben verstößt bei summarischer Prüfung auch nicht gegen zugunsten der Antragsteller nachbarschützend wirkende Vorschriften des Bauplanungsrechts.

aa) Soweit die Antragsteller einen vorhabenbedingten Verstoß gegen die durch den Baustufenplan X / X festgesetzte geschlossene Bauweise rügen, fehlt es bereits an der erforderlichen nachbarschützenden Wirkung dieser Festsetzung. Die Festsetzungen eines Bebauungsplans zur Bauweise vermitteln grundsätzlich keine nachbarlichen Abwehrrechte; sie können im Einzelfall – ausnahmsweise – nach dem Willen des Plangebers dem Schutz der Nachbarn dienen, wenn sie für die einbezogenen Grundstücke Beschränkungen oder Begünstigungen im Sinne eines Austauschverhältnisses zur Folge haben (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 25.6.2019, 2 Bs 100/19, NVwZ 2019, 1365 m.w.N.). Dass der Plangeber des Baustufenplans ### die Planbetroffenen mit den Festsetzungen zur Bauweise in diesem Sinne in ein nachbarliches Austauschverhältnis hat einbinden wollen, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich; auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts (BA S. 15) kann insoweit ergänzend verwiesen werden.

bb) Nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens ist schließlich nicht festzustellen, dass das genehmigte Vorhaben zum Nachteil der Antragsteller das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot missachtet.

Das Gebot der Rücksichtnahme, das im vorliegenden Zusammenhang aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO folgt, beinhaltet nicht, jede Beeinträchtigung eines Nachbarn zu vermeiden. Ein Nachbar kann lediglich solche Nutzungsstörungen abwehren, die als rücksichtslos zu werten sind. Davon kann erst gesprochen werden, wenn die mit dem genehmigten Bauvorhaben verbundenen Beeinträchtigungen bei der Nutzung des eigenen Grundstücks bei einer Abwägung, in der die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung und die Interessen des Bauherrn zu berücksichtigen sind, für den Nachbarn billigerweise unzumutbar erscheinen (OVG Hamburg, Beschl. v. 11.7.2017, 2 Bs 114/17, BauR 2017, 1994; Beschl. v. 4.2.2009, 2 Bs 248/08).

aaa) Solche unzumutbaren Beeinträchtigungen sind zunächst hinsichtlich der Belichtung und Besonnung sowie in Gestalt von Einsichtsmöglichkeiten in das Grundstück der Antragsteller selbst dann nicht festzustellen, wenn insoweit auf das – durch das genehmigte Vorhaben zu ändernde – Gebäude der Antragstellerin insgesamt abgestellt wird; hierzu kann auf die Ausführungen unter a) bb) bbb) (3) verwiesen werden.

bbb) Auch eine erdrückende Wirkung, wie die Antragsteller sie weiter rügen, ist nicht ersichtlich.

In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass das Gebäude der Beigeladenen in der Gestalt, die es durch das genehmigte Vorhaben erhält, (weiterhin) nicht mehr als vier Vollgeschosse aufweist und darin den Festsetzungen des Baustufenplans X / X entspricht; der Umstand, dass das Gebäude der Antragsteller das Maß des Zulässigen in dieser Hinsicht nicht ausschöpft, erhöht seine Schutzwürdigkeit gegenüber Höhendifferenzen nicht. Unabhängig davon gilt, dass nach der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts eine Höhendifferenz im Umfang von zwei Vollgeschossen zwischen zwei unterschiedlich dimensionierten Baukörpern für sich betrachtet regelhaft keine erdrückende Wirkung begründet (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 6.11.2019, 2 Bs 218/19, BauR 2020, 445 m.w.N.). Selbst wenn zugunsten der Antragsteller zugrunde gelegt wird, dass ihr Wohnhaus lediglich zwei Vollgeschosse aufweist, hält sich die Geschoss- bzw. Höhendifferenz im vorgenannten Rahmen. Besondere Umstände, aufgrund derer sich die Differenz im Einzelfall gleichwohl als unzumutbar darstellen könnte, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

ccc) Als gegenüber den Antragstellern rücksichtslos erweist sich das genehmigte Vorhaben bei summarischer Prüfung schließlich auch nicht dadurch, dass die bauliche Überdeckung des Lichtschachts durch die als „Lichthof II“ bezeichnete Flachdachfläche erwarten ließe, dass den Antragstellern eine zukünftige Erweiterung ihres Gebäudes in die Höhe und/oder Tiefe bei vollumfänglicher Ausnutzung der geschlossenen Bauweise unter Hinweis auf eine damit verbundene unzumutbare Beeinträchtigung der Belichtung bzw. Belüftung des Lichtschachts verwehrt werden wird.

Zwar ist den Antragstellern im Ausgangspunkt zuzugeben, dass Konstellationen auftreten können, in denen trotz Geltung der geschlossenen Bauweise einem Bau- bzw. Erweiterungsvorhaben der Anbau an die seitliche Grundstücksgrenze im Hinblick auf bauliche Gegebenheiten auf dem Nachbargrundstück – zu denen im Einzelfall auch ein befensterter Lichthof- bzw. -schacht in Grenznähe gehören kann – zu versagen ist (vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 12.1.1995, 4 B 197.94, BauR 1995, 365). Insoweit gilt, dass die Gebäude in der geschlossenen Bauweise nach § 22 Abs. 3 BauNVO zwar grundsätzlich ohne seitlichen Grenzabstand errichtet werden, dies jedoch dann nicht gilt, wenn die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert. Daraus folgt jedoch zugleich, dass ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot ausscheidet, wenn bei einer festgesetzten geschlossenen Bauweise die auf dem Nachbargrundstück bereits vorhandene Bebauung planungsrechtlich eine Abweichung von der geschlossenen Bauweise nicht „erfordert“, sondern eine solche Abweichung allenfalls zulassen oder rechtfertigen würde (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 28.7.2009, 2 Bs 67/09, NordÖR 2010, 72 m.w.N.). Ob die vorhandene Bebauung eine Abweichung im Sinne von § 22 Abs. 3 BauNVO „erfordert“, bestimmt sich – in Anlehnung an den Prüfungsmaßstab des planungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots – aufgrund einer Abwägung unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten zwischen den angesichts der vorhandenen Bebauung objektiv für ein Abrücken von der seitlichen Grundstücksgrenze sprechenden Belangen auf der einen Seite und dem Interesse des Bauherrn an der Ausnutzung der Möglichkeit zum Grenzanbau auf der anderen Seite (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 28.7.2009, a.a.O., Rn. 41; VGH Kassel, Beschl. v. 16.4.2009, 3 B 273/09, BRS 74 Nr. 91 (2009); König/Petz, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 4. Aufl. 2019, § 22 Rn. 26 m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 12.1.1995, a.a.O., Rn. 4 f.).

Nach diesem Maßstab ist nicht ersichtlich, dass aufgrund des genehmigten Vorhabens ein Bebauungszustand auf dem Vorhabengrundstück entstünde, der im Falle eines zukünftigen Erweiterungsvorhabens der Antragsteller eine Abweichung von der geschlossenen Bauweise erfordern würde, die für die Antragsteller unzumutbar wäre. Dabei kann in diesem Zusammenhang zugunsten der Antragsteller unterstellt werden und bedarf daher keiner Klärung, dass bzw. ob die Fenster, die sich in den Lichtschacht des Bestandsgebäudes der Beigeladenen öffnen, genehmigt und auch im Übrigen schutzwürdig sind (vgl. dazu OVG Hamburg, Beschl. v. 28.7.2009, a.a.O., Rn. 43 m.w.N.).

Vielmehr ist als entscheidend zu berücksichtigen, dass ein am Maßstab von § 22 Abs. 3 BauNVO in Verbindung mit dem Rücksichtnahmegebot eventuell erforderliches Zurücktreten eines zukünftigen Erweiterungsvorhabens der Antragsteller von der gemeinsamen Grundstücksgrenze nach Grund und Umfang im Wesentlichen auf die – von den Antragstellern hinzunehmende (s.o.) – Bestandssituation im Bereich des Lichtschachts zurückzuführen wäre, weil die Möglichkeiten zur Belichtung und Belüftung des Lichtschachts bzw. der darin vorhandenen Fenster weitgehend durch diese determiniert werden.

Daneben ist zu berücksichtigen, dass aus einer möglichen weitergehenden Beeinträchtigung der vorgenannten Belichtungs- und Belüftungsmöglichkeiten durch die bauliche Überdeckung des Lichtschachts mit der als „Lichthof II“ bezeichneten Flachdachfläche im Rahmen einer Abwägungsentscheidung der Bauaufsichtsbehörde am Maßstab von § 22 Abs. 3 BauNVO i.V.m. dem Rücksichtnahmegebot kein weitergehendes Zurückbleiben eines Bau- bzw. Erweiterungsvorhabens auf dem Grundstück der Antragsteller abzuleiten wäre. Denn im Rahmen dieser Abwägungsentscheidung wäre die auf Beigeladenenseite gegebene und zumutbare Möglichkeit zu berücksichtigen, die bauliche Überdeckung des Lichtschachts unter diesen Umständen zu entfernen oder zumindest ihre belichtungs- und belüftungsmindernde Wirkung im erforderlichen Maße zu vermindern. Mit anderen Worten wäre die Lösung für eine Belichtungs- und Belüftungsproblematik als Ergebnis einer Abwägungsentscheidung nicht einseitig zum Nachteil der Antragsteller bzw. deren Rechtsnachfolgern zu entwickeln; soweit diese Problematik auf die bauliche Überdeckung des Lichtschachts im Staffelgeschoss zurückginge, wäre der maßgebliche Lösungsbeitrag von Beigeladenenseite zu erbringen. Dem steht auch die Legalisierungswirkung der mit den Bescheiden vom 9. März 2020 und 23. April 2021 erteilten Baugenehmigung nicht entgegen. Denn diese Legalisierungswirkung hindert die Beigeladene (bzw. etwaige Rechtsnachfolger) bei einer wertenden Gesamtbetrachtung der baulichen Gegebenheiten im Bereich des Lichtschachts nicht daran, die bauliche Überdeckung des Schachts im eigenen Interesse – an der Belichtung und Belüftung der darunter befindlichen Fenster – ganz oder zumindest teilweise zu entfernen. Da die Überdeckung weder für die darüber befindliche, als „Lichthof II“ bezeichnete Flachdachfläche – die insbesondere für eine Nutzung als Dachterrasse nicht zugelassen ist (s.o.) – noch für das Gebäude im Übrigen funktionswesentlich ist, wären mit einer solchen zukünftigen Änderung keine relevanten tatsächlichen Nachteile verbunden.

III.

Die Anschlussbeschwerde der Antragsteller bleibt demgegenüber ohne Erfolg.

Zwar ist sie gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 567 Abs. 3 ZPO analog statthaft und auch im Übrigen, insbesondere trotz Nichteinhaltung der Frist nach § 147 Abs. 1 VwGO für die Einlegung der Beschwerde (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 15.12.2006, 3 Bs 112/06, NVwZ 2007, 604; Beschl. v. 5.8.2004, 3 Nc 3/04, NVwZ-RR 2005, 544), zulässig.

Sie ist jedoch unbegründet. Wie bereits unter II. ausgeführt, verletzt das genehmigte Vorhaben keine zugunsten der Antragsteller nachbarschützend wirkenden Vorschriften des Bauordnungs- oder des Bauplanungsrechts. Darauf, ob die Baugenehmigung vom 9. März 2020 in der Fassung des Änderungsbescheides Nr. 1 vom 23. April 2021 teilbar ist – was die Antragsteller im Schwerpunkt ihres Anschlussbeschwerdevorbringens bezweifeln -, kommt es vor diesem Hintergrund nicht an.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 2, 159 Satz 2, 162 Abs. 3 VwGO. Der Billigkeit entspricht es, den Antragstellern auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese durch Stellung eigener Sachanträge ein Kostenrisiko übernommen (arg. e § 154 Abs. 3 VwGO) und das Verfahren zudem durch ihr Vorbringen gefördert hat.

Die Festsetzung des Streitwertes für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in beiden Rechtszügen bleibt einer gesonderten Entscheidung des Senats vorbehalten.

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