LG München I – Az.: 5 O 2441/21 – Urteil vom 28.10.2021
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die beklagte Partei gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 5.800,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche nach Beendigung eines Werkvertrags.
Die Klägerin betreibt ein Tiefbauunternehmen, der Beklagte ist Bauherr und Verbraucher i.S.d. § 13 BGB.
Mit Datum vom 10.01.2020 erstellte die Klägerin ein Angebot für Baugrubarbeiten zu einem Pauschalpreis von 5.850,00 EUR netto, sowie für Baugrubenhinterfüllungsarbeiten zum Pauschalpreis von 4.900,00 EUR netto. Der Beklagte nahm das Angebot am 17.07.2020 an (K1).
Mit Schreiben vom 30.10.2020 erklärte der Beklagte den Widerruf seines Auftrags.
Die Klägerin erklärt, dass es sich um ein freie Vertragskündigung durch den Beklagten handele, und ihr daher einen Anspruch nach § 648 BGB in Höhe des entgangenen Gewinns zu. Dieser entgangene Gewinn sei gegeben in Höhe von 5.800,00 EUR.
Es wurde zunächst kein Angebot für einen Berliner Verbau abgegeben, da dieses nicht verlangt gewesen sei, im September 2020 erfolgte die Aufforderung hierfür ein Angebot abzugeben, dieses wurde nicht angenommen. Es sei dem Auftraggeber überlassen in wievielen Teilgewerken er sein Bauwerk vergibt.
Es läge kein Verbraucherbauvertrag i.S.d. § 650 i BGB vor, da es sich nicht um den Neubau eines Gebäudes durch die Klägerin oder Umbauarbeiten erheblichen Umfangs handele. Es komme darauf an, dass die Arbeiten aus einer Hand stammten, dies sei vorliegend nicht gegeben.
Es läge auch kein Widerrufsrecht nach § 312 b BGB vor, da keine Überrumpelung gegeben sei, es lägen 7 Monaten zwischen Angebotserstellung und Angebotsannahme
Die Klägerin beantragt zuletzt:
I. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 5.800,00 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 480,20 EUR für außergerichtliche Interessenwahrnehmung zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt zuletzt:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Beklagte entgegnet, dass ihm ein Widerrufsrecht gemäß § 650 i BGB zustehe, da es sich um einen Verbraucherbauvertrag handele. Es sei dabei unerheblich, dass der Gesetzeswortlaut nur von der Gesamterrichtung eines Bauwerks ausgehe, es müsse hier im Sinne einer richtlinienkonformen Auslegung auch für Teilgewerke angewendet werden. Sie verweist insoweit auf das Urteil des Oberlandesgericht Hamm vom 24.04.2021, Az.: 24 U 198/20.
Die Erheblichkeit der Umbaumaßnahmen müsse sich nicht aus dem Gewerk selbst ergäben sondern auf ihre Bedeutung im Zusammenhang mit der Gesamtmaßnahme. Das Gewerk sei hier wesentlich, da es um die Erstellung der Fundamente ginge und einen Standsicherheitsnachweis erfordere. Hierdurch würde der umbaute Raum für das zukünftige Kellergeschoss geschaffen werden.
Jedenfalls stehe dem Beklagten aber auch ein Widerrufrecht nach § 312g BGB (Fernabsatzvertrag) zu, da der Vertragsschluss ausschließlich über Fernkommunikationsmittel zustande gekommen sei. Es sei dabei unerheblich, dass auch persönliche Treffen zwischen dem 10.01.2020 und dem 17.07.2020 stattgefunden haben, da ein neues Angebot Anfang Juli, dass nur den selben Inhalt hatte wie das Angebot vom 10.01.2020 gestellt worden sei und daher vorherige Treffen unerheblich seien. Die Kommunikation im Juni/Juli 2020 sei jedoch ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln erfolgt.
Weiterhin habe sich der Beklagte wirksam nach § 313 BGB vom Vertrag gelöst. Die Klägerin habe nicht alle von der Beklagten gewünschten Arbeiten in ihrem Angebot mit angeboten, hierzu sei sie jedoch verpflichtet gewesen. Insbesondere hätte der Berliner Verbau von Anfang an zwingend mit angeboten werden müssen und unter den Pauschalpreis fallen müssen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.09.2021 (Bl.36-38 d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die beklagte Partei hat ihr gesetzliches Widerrufsrecht wirksam ausgeübt. Der Klagepartei steht daher kein Anspruch gemäß § 648 BGB zu, es erfolgt insoweit kein Ausgleich nach Kündigung.
Es liegt ein Verbraucherbauvertrag i.S.d. § 650 i BGB vor.
I. Anwendung auch bei Teilgewerken
Ein Verbraucherbauvertrag ist auch dann anzunehmen, wenn der Verbraucher das Bauvorhaben in mehrere Bauverträge aufspaltet, die er mit mehreren Unternehmern isoliert abschließt (vgl. Koeble, in: Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Auflage 2020, Teil 9 Rn. 121.)
Der Wortlaut des § 650i Abs. 1 BGB kann zwar so interpretiert werden, dass er gegen eine Einbeziehung der Einzelvergabe spricht (vgl. Merkle, in: beck-online.GK, Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Stand: 01.01.2021, § 650i BGB Rn. 36). Nach dem Gesetzeswortlaut muss sich der Unternehmer zum Bau des gesamten Gebäudes in einem Vertrag verpflichten. Hierunter sind in jedem Fall Verträge des Generalübernehmers, des Generalunternehmers und des Fertighausherstellers zu subsumieren, die jeweils das gesamte Gebäude aus einer Hand errichten (vgl. beck-online.GK, Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Stand: 01.01.2021, § 650i BGB Rn. 36). Bei gewerkeweiser Vergabe, umfasst ein jeder dieser Verträge für sich gesehen nicht den Bau eines neuen Gebäudes.
Eine Definition dessen, was unter dem „Bau eines neuen Gebäudes“ zu verstehen ist, findet sich im Gesetz nicht. Der Gesetzgeber hat aber ausdrücklich ausgeführt, dass der Anwendungsbereich für die Regelungen zum Verbraucherbauvertrag an die Vorgaben der RL 2011/83/EU anschließe (vgl. BT-Drs. 18/8486, 24 (61)).
Vor dem Hintergrund der Gewährleistung eines umfassenden Verbraucherschutzes könnte die fehlende Erwähnung des Vertrages über die Herstellung eines Bauwerks „oder eines Teils“ davon als unbeabsichtigte gesetzgeberische Lücke zu werten sein (vgl. Motzke, NZBau 2017, 515 (518)). Hierfür könnte streiten, dass Verbraucherbauverträge vom Rechtsschutzinteresse her betrachtet auch dann vorliegen müssten, wenn sich der Vertrag zum Beispiel auf den Dachstuhl, den Putz, den Estrich oder eine Technische Anlage eines Neubaus beschränkt (vgl. Motzke, NZBau 2017, 515 (518)). Ansonsten wären Verbraucherbauträge lediglich Verträge, nach deren Inhalt ein Gebäude schlüsselfertig zu erstellen ist (vgl. Motzke, NZBau 2017, 515 (518)). Hiergegen spricht aber, dass der Gesetzgeber, wie bereits ausgeführt, in § 650i Abs. 1 BGB die in der RL 2011/83/EU nicht erfassten Bauverträge ergänzend regeln wollte, um eine ansonsten bestehende Schutzlücke für größere Verbraucherbauverträge zu schließen (vgl. BT-Drs. 18/8486, 24 (61)).
Hintergrund der gesetzlichen Regelung ist, dass beim Verbraucherbauvertrag eine Risikokumulation für Verbraucher in einem Vertrag besteht (vgl. Mansel, in: Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, 18. Auflage 2021, § 650i BGB Rn. 5).
Indes könnte ein sachlicher Grund, warum der Bauherr bei gewerkeweise Vergabe weniger schutzwürdig ist, als der Bauherr, der sein Haus aus einer Hand errichten lässt, schwerlich auszumachen sein (vgl. Merkle, in: beck-online.GK, Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Stand: 01.01.2021, § 650i BGB Rn. 37), obwohl es erklärtes gesetzgeberisches Ziel war, den Verbraucherschutz bei der Errichtung derartiger Gebäude deutlich zu verbessern (vgl. Lenkeit, in: Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 3. Auflage 2018, § 650i BGB Rn. 23) und bei enger Auslegung sich – im Vergleich zum alten Recht – eine Verschlechterung für Verbraucher bei Einzelvergabe ergäbe (vgl. Vogel, BauR 2020, 388 (395)).
Bei gewerkeweiser Vergabe ist der Bauherr gegenüber den Behörden für die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften in der Verantwortung und sein finanzielles Risiko ist bei einer Gesamtbetrachtung wohl ebenfalls schutzwürdig, gerade wenn er im Einzelfall aus finanziellen Gründen gezwungen ist, einzelne Gewerke zeitlich gestaffelt und auch an verschiedene Unternehmer zu vergeben (vgl. § 650i BGB Rn. 37; Koeble, in: Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Auflage 2020, Teil 9 Rn. 121).
Zudem mag die Prüfung der finanziellen Rahmenbedingungen durch ein kreditgebendes Institut bei Einzelvergabe strenger erfolgen als im Rahmen der Finanzierung eines Bauvertrages mit einem Generalunternehmer.
Auch im Hinblick auf die strukturelle informationelle Unterlegenheit ist der Bauherr bei Einzelvergabe wohl ebenso schutzwürdig wie ein Verbraucher, der die Bauerrichtung einem Generalunternehmer oder Generalübernehmer überlasst (vgl. Lenkeit, in: Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 3. Auflage 2018, § 650i BGB Rn. 23).
Damit wäre es aber wertungswidersprüchlich, die Einzelvergabe als nicht erfasst anzusehen, wohl aber die Beauftragung eines Generalunternehmers.
II. Erheblichkeitsschwelle
Da es sich bei der vorliegenden Tätigkeit gerade nicht um einen Gesamtneubau handelt, muss ferner auch eine Erheblichkeit im Sinne des § 650 i BGB vorliegen.
Auch bei einer Einzelvergabe kann nach Fertigstellung des Bauwerks eine wesentliche Umgestaltung des Grundstücks vorliegen (vgl. Segger-Piening in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger zitiert nach jurisPK-BGB, 9. Aufl., Stand: 01.02.2020, § 650i BGB Rn. 20).
Wann eine erhebliche, einem Neubau vergleichbare Umbaumaßnahme vorliegt, ist im Einzelfall auf Grund einer wertenden Gesamtbetrachtung zu bestimmen. Ausschlaggebend sind dabei insbesondere der Umfang des finanziellen Aufwands, die Komplexität der baulichen Maßnahme sowie die Frage ihrer konstruktiven Eigenständigkeit.
Hierbei ist insbesondere im vorliegenden Fall zu beachten, dass der Baugrubenaushub als Grundlage für alle weiteren Bautätigkeiten gilt, ohne Baugrube kann das Gebäude in seiner Gesamtheit nicht errichtet werden. Es ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass bei einem angebotenen Preis von 5.850,00 EUR für den Baugrubenaushub und 4.900 EUR für die Baugrubenhinterfüllung (vgl. K1), im Verhältnis zu den Gesamtkosten eines Neubaus eher gering ist. Auch die Komplexität des Baus, durch den reinen Aushub dürfte noch gering eingeschätzt werden. Dennoch stellt, die Baugrube die alleinige Grundlage für die Neuerrichtung eines Gebäudes dar, somit muss von einer Erheblichkeit ausgegangen werden.
III. Eine Widerrufsbelehrung wurde unstreitig nicht erteilt, daher lief die Widerrufsfrist des §§ 355, 356 e BGB am 30.10.2020 (K2) noch. Die Klage war daher abzuweisen.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.