BayObLG München – Az.: 101 AR 53/21 – Beschluss vom 24.06.2021
Leitsätze:
1. Für eine Klage des im Forumstaat wohnhaften Verbrauchers gegen den in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässigen Unternehmer wegen Ansprüchen aus einem Verbrauchervertrag stehen der Gerichtsstand am Wohnort des Verbrauchers und daneben, sofern die übrigen Voraussetzungen des Niederlassungsgerichtsstands erfüllt sind, der Gerichtsstand an der im Inland belegenen Niederlassung des Unternehmers zur Verfügung; zwischen beiden Gerichtsständen hat der klagende Verbraucher die Wahl.
2. Beabsichtigt der Verbraucher, eine Klage auf Schadensersatz gegen den in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässigen Unternehmer (hier: Hersteller von Fertighäusern) und einen Streitgenossen mit Wohnsitz im Forumstaat (hier: einen Architekten) zu erheben, kommt die Bestimmung des für den Rechtsstreit einheitlich zuständigen Gerichts im Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO in Betracht.
Als (örtlich) zuständiges Gericht für die beabsichtigte Klage wird das Landgericht Augsburg bestimmt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin, die ihren Wohnsitz im Bezirk des Landgerichts Augsburg hat und Eigentümerin eines im Bezirk des Landgerichts Aachen belegenen Grundstücks ist, beabsichtigt, die beiden Antragsgegner wegen Aufklärungspflichtverletzung im Zusammenhang mit einer geplanten Bebauung dieses Grundstücks als Gesamtschuldner auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 87.799,29 € und Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich weiterer Schäden zu verklagen.
Die Antragsgegnerin zu 1) hat ihren Hauptsitz in Polen und eine Zweigniederlassung im Bezirk des Landgerichts Berlin. Der Antragsgegner zu 2) hat seinen allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des Landgerichts Memmingen.
Die Antragstellerin beantragt, das zuständige Gericht zu bestimmen.
Nach dem richterlichen Hinweis, dass es sich im Verhältnis zu der Antragsgegnerin zu 1) um eine Verbrauchersache nach Art. 17 Abs. 1 Buchstabe c) Alternative 1, Art. 18 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO handeln dürfte, regt sie an, das Landgericht Augsburg auszuwählen, nachdem sie sich zunächst für das Landgericht Memmingen ausgesprochen hatte. Zur Begründung ihres Bestimmungsantrags führt sie aus, sie habe das Grundstück, das sie geerbt habe, mit zwei Doppelhaushälften bebauen und sodann vermieten wollen. Sie sei deshalb Ende des Jahres 2018 an den Antragsgegner zu 2) herangetreten, der einerseits als Vermittler für Fertighäuser der Antragsgegnerin zu 1) auftrete und andererseits die für die Herbeiführung einer Baugenehmigung erforderlichen Planungsleistungen erbringe. Ein Mitarbeiter des Antragsgegners zu 2) habe sie überzeugt, für ihr Vorhaben Fertighäuser der Antragsgegnerin zu 1) zu wählen und hierfür entsprechende Bauverträge abzuschließen. Mit der Antragsgegnerin zu 1) habe sie stets über die Zweigniederlassung in Berlin oder über den Antragsgegner zu 2) als zuständigen Ansprechpartner im Vertrieb kommuniziert. Am 3. Januar 2019 habe sie mit der Antragsgegnerin zu 1) zwei Verträge über jeweils ein Fertighaus abgeschlossen, wobei die Häuser so miteinander verbunden werden sollten, dass sie ein Doppelhaus bildeten (vgl. Anlage ASt 1). Am selben Tag habe sie mit dem Antragsgegner zu 2) einen Architektenvertrag (vgl. Anlage ASt 2) abgeschlossen. Dabei habe sie als Verbraucherin gehandelt. Obwohl den Antragsgegnern bewusst gewesen sei, dass das Grundstück unmittelbar neben einer Bahntrasse liege, hätten sie die Antragstellerin bei Vertragsschluss in dem Glauben gelassen, das Vorhaben sei umsetzbar. Die Baugenehmigung vom 12. August 2019 sei unter der Bedingung erteilt worden, dass spätestens bei Baubeginn der Bauaufsichtsbehörde ein Schallschutznachweis für das Bauvorhaben vorgelegt werde. Erst im Mai 2020 habe die Antragsgegnerin zu 1) die Antragstellerin darüber informiert, dass sie einen entsprechenden Schallschutznachweis nicht liefern könne und das Vorhaben in der von ihr verwendeten Holzständerbauweise unter Einhaltung der öffentlichrechtlichen Mindestvorgaben zum Schallschutz nicht umsetzbar sei. Der Antragstellerin, die von den Bauverträgen habe zurücktreten müssen, sei zu diesem Zeitpunkt bereits dadurch ein erheblicher Schaden entstanden, dass sie im Vertrauen auf die Aussagen der Antragsgegner, das Vorhaben sei umsetzbar, zahlreiche Dispositionen getroffen, insbesondere einen Kredit aufgenommen habe.
Der zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zu 1) geschlossene Vertrag (Anlage ASt 1) enthält die Überschrift „Bauvertrag mit einem Verbraucher …“ und in Ziffer 11.3 folgende Regelung:
„Dieser Vertrag unterliegt dem Recht der Bundesrepublik Deutschland. Gerichtsstand ist der Wohnort des Bauherrn. Dem Bauherrn steht es jedoch frei, im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen einen anderen Gerichtsstand auszuwählen.“
Die Antragsgegnerin zu 1) beantragt, den Antrag auf Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstands kostenpflichtig zurückzuweisen.
Nach der zulässigen Gerichtsstandsvereinbarung habe die Antragstellerin die Wahl, sie vor dem Landgericht Augsburg oder vor dem Landgericht Berlin zu verklagen. Für eine Gerichtsstandsbestimmung sei dagegen kein Raum, der durch die Gerichtsstandsvereinbarung begünstigten Antragsgegnerin zu 1) könne der Gerichtsstand in Berlin bzw. Augsburg nicht entzogen werden. Dass sie ihren Sitz im EU-Ausland habe, stehe einer Gerichtsstandsbestimmung zwar nicht entgegen, es genüge vielmehr, dass für sie im Inland ein besonderer Gerichtsstand, hier der der Niederlassung nach § 21 ZPO gegeben sei. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO setze aber voraus, dass mehrere Personen bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand hätten, was bei dem hier vorliegenden rein inländischen Sachverhalt voraussetze, dass sie, die Antragsgegnerin zu 1), ihren allgemeinen Gerichtsstand in der Bundesrepublik Deutschland habe. Dies sei nicht der Fall. Die Antragsgegnerin zu 1) hält die Brüssel-IaVO nicht für anwendbar. Sie habe im Bauvertrag die Adresse der Zweigniederlassung in Berlin angegeben und die Hauptniederlassung in Polen lediglich erwähnt; Vertragspartnerin der „Antragsgegnerin“ [richtig: Antragstellerin] sei die Zweigniederlassung in Deutschland. Mit der Antragstellerin habe sie einen ausschließlichen Gerichtsstand an deren Wohnort vereinbart. Dies könne nicht durch eine Gerichtsstandsbestimmung überwunden werden. Es könne nicht nachvollzogen werden, wie das Gericht auf der Grundlage des vorgelegten Vertrags, der erkennbar allgemeine Geschäftsbedingungen für eine Vielzahl von Bauverträgen – nicht „Verbraucherbauverträgen“ – beinhalte, und des Vortrags zur geplanten Nutzung des Fertighauses darauf schließen könne, dass eine Verbrauchersache vorliege. Mit der unbestrittenen Nutzung des Hauses als Vermietungsobjekt fehle „die Anknüpfung an eine Verbrauchersache“. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin bestehe auch keine Gesamtschuld zwischen den Antragsgegnern. Die Antragsgegnerin zu 1) habe weder vorvertraglich noch im Bauvertrag vom 3. Januar 2019 Leistungen im Zusammenhang mit der Genehmigungsfähigkeit des Bauwerks oder dessen bauordnungs- oder bauplanungsrechtlichen Genehmigung übernommen. Bauten die Leistungen mehrerer Unternehmer aufeinander auf, so schulde jeder von ihnen nur die Erfüllung seiner eigenen Leistung. Für die Annahme einer Gesamtschuld fehle es an der Identität der übernommenen Pflichten.
Der Antragsgegner zu 2) hat gegen die Bestimmung eines einheitlich örtlich zuständigen Gerichts keine Einwendungen erhoben.
II.
Der Senat bestimmt das Landgericht Augsburg als das für den beabsichtigten Rechtsstreit gegen die Antragsgegner zu 1) und 2) einheitlich (örtlich) zuständige Gericht.
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist nach § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO für das Bestimmungsverfahren zuständig.
Die Antragsgegner haben ihren jeweiligen Gerichtsstand in den Bezirken verschiedener Oberlandesgerichte, so dass das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht im Sinne des § 36 Abs. 1 ZPO der Bundesgerichtshof ist. An dessen Stelle befindet gemäß § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO das Bayerische Oberste Landesgericht über den Bestimmungsantrag, weil es bei noch nicht anhängigem Rechtsstreit zuerst um die Bestimmung des zuständigen Gerichts ersucht worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2008, X ARZ 105/08, NJW 2008, 3789; BayObLG, Beschluss vom 22. Oktober 1998, 1Z AR 88/98, juris Rn. 6).
Der allgemeine Gerichtsstand des Antragsgegners zu 2) liegt im Bezirk des Oberlandesgerichts München. Die Antragsgegnerin zu 1) hat im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand, wegen ihrer Niederlassung in Berlin ergeben sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte und ein besonderer Gerichtsstand im Bezirk des Kammergerichts jedoch aus Art. 7 Nr. 5 Brüssel-Ia-VO (vgl. Geimer in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, Art. 7 EuGVVO Rn. 1; Thode in BeckOK ZPO, 40. Ed. Stand: 1. März 2021, Art. 7 Brüssel-Ia-VO Rn. 6). Dieser Gerichtsstand ist nach Art. 17 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO auch bei Verbrauchersachen anwendbar. Der gegen die Anwendbarkeit der Brüssel-Ia-VO vorgebrachte Einwand der Antragsgegnerin zu 1), es handle sich um einen „rein inländischen Sachverhalt“, greift nicht durch, denn die Antragsgegnerin zu 1) hat ihren Sitz in Polen (Art. 63 Abs. 1 Buchst. a] Brüssel-IaVO). Bei der Zweigniederlassung in Berlin handelt es sich nicht um eine eigenständige juristische Person.
2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
a) In Fällen mit Auslandsberührung ist es für die Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ausreichend, wenn für den Streitgenossen ohne inländischen allgemeinen Gerichtsstand ein besonderer Gerichtsstand im Bundesgebiet begründet ist (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2013, X ARZ 65/13, NJW-RR 2013, 1399 Rn. 16; Beschluss vom 19. März 1987, I ARZ 903/86, NJW 1988, 646; Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 21).
b) Die Antragsgegner werden nach dem maßgeblichen (vgl. Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 28) Vorbringen der Antragstellerin als Streitgenossen im Sinne von §§ 59, 60 ZPO in Anspruch genommen.
Als eine weitgehend auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhende Vorschrift ist § 60 ZPO weit auszulegen. Streitgenossenschaft nach § 60 ZPO erfordert keine Identität oder Gleichheit des tatsächlichen und rechtlichen Grundes der mit der Klage verfolgten Ansprüche. Es genügt vielmehr, dass die den Gegenstand der (beabsichtigten) Klage bildenden Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt. Streitgenossenschaft gemäß § 60 ZPO setzt danach voraus, dass gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2018, X ARZ 303/18, NJW 2018, 2200 Rn. 12; Beschluss vom 7. Januar 2014, X ARZ 578/13, NJW-RR 2014, 248 Rn. 9; Beschluss vom 3. Mai 2011, X ARZ 101/11, NJW-RR 2011, 1137 Rn. 18).
Die Ansprüche werden auf einen im Wesentlichen gleichartigen Lebenssachverhalt gestützt, denn das Vorbringen der Antragstellerin knüpft maßgeblich an die Behauptung an, die Antragsgegner hätten die Antragstellerin in dem Glauben gelassen, das Bauvorhaben auf dem unmittelbar an einer Bahntrasse liegenden Grundstück sei mit den von der Antragsgegnerin zu 1) hergestellten Fertighäusern umsetzbar. Dass die Haftung für denselben Schaden wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung aus verschiedenen vertraglichen Sonderbeziehungen hergeleitet wird, so dass einzelne Sachverhaltselemente nur im Verhältnis zum jeweiligen Antragsgegner von rechtlicher Bedeutung sein mögen, ist unschädlich, denn § 60 ZPO verlangt nicht, dass die anspruchsrelevanten Sachverhalte deckungsgleich sind. Die gegen die Antragsgegner gerichteten Ansprüche sind ihrem Inhalt nach auch gleichartig, weil sie jeweils darauf gerichtet sind, die Antragstellerin von den Folgen der – im Vertrauen auf die Umsetzbarkeit des Bauvorhabens durch Errichtung eines Doppelhauses in Fertigbauweise – geschlossenen Verträge zu befreien.
c) Ein gemeinsamer Gerichtsstand, der einer Bestimmung grundsätzlich entgegenstünde, ist im Streitfall nicht eröffnet.
aa) Es besteht kein gemeinsamer Gerichtsstand am Landgericht Memmingen, in dessen Bezirk der Antragsgegner zu 2) seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.
Denn im Verhältnis zu der Antragsgegnerin zu 1) handelt es sich um eine Verbrauchersache, für die die Zuständigkeit in Art. 17 bis 19 Brüssel-Ia-VO abschließend geregelt ist. Unbeschadet des Art. 7 Nr. 5 Brüssel-Ia-VO (s. o. Ziffer 1.) bestimmt sich die Zuständigkeit hier nach Art. 18 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO, dessen zweite Alternative auch die örtliche Zuständigkeit regelt. Nach Art. 18 Abs. 1 BrüsselIa-VO kann die Antragstellerin als Verbraucherin die Klage wahlweise vor den Gerichten des Mitgliedstaats erheben, an dem der Vertragspartner seinen Sitz hat (Alt. 1) und vor dem Gericht des Ortes, an dem sie ihren Wohnsitz hat (Alt. 2). Sie kann ihren Vertragspartner ferner nach Art. 17 Abs. 1 i. V. m. Art. 7 Nr. 5 Brüssel-IaVO am Gericht seiner Niederlassung, nicht dagegen am Wohnsitz eines Streitgenossen verklagen.
(1) Art. 17 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO schließt einen Rückgriff auf den Gerichtsstand des Sachzusammenhangs aus (BGH, Urt. v. 20. Oktober 2020, X ARZ 124/20, MDR 2021, 253 Rn. 21; zu Art. 16 Brüssel-I-VO: BGH, Beschluss vom 6. Mai 2013, NJW-RR 2013, 1399 Rn. 14 f.; BayObLG, Beschluss vom 23. Juli 2020, 1 AR 31/20, juris Rn. 41).
(2) Jedenfalls dann, wenn es – wie hier – zu einem Vertragsschluss zwischen den Parteien gekommen ist, erfassen die Art. 17 f. Brüssel-Ia-VO auch Ansprüche wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten (vgl. BGH, Urt. v. 31. Mai 2011, VI ZR 154/10, BGHZ 190, 28 Rn. 43).
(3) Die zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zu 1) geschlossenen Verträge über die Lieferung und Montage eines Fertighauses fallen unter Art. 17 Abs. 1 Buchst. c) Alt. 1 Brüssel-Ia-VO.
Der Verbraucherbegriff ist verordnungsautonom zu bestimmen (Paulus in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 61. EL Januar 2021, VO [EG] 1215/2012 Art. 17 Rn. 22). Die Verbrauchereigenschaft ist nach der objektiven Stellung der betroffenen Person im Rahmen des konkreten Vertragsverhältnisses in Verbindung mit dessen Natur und Zielsetzung zu bestimmen (vgl. EuGH, Urt. v. 3. Juli 1997, C-269/95 – Benincasa, juris Rn. 16; BGH, NJW-RR 2013, 1399 Rn. 12). Ohne Erfolg wendet die Antragsgegnerin zu 1) ein, die Antragstellerin habe ein „Vermietungsobjekt“ errichten wollen und sei deshalb keine Verbraucherin im Sinne des Art. 17 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO. Zwar kann eine Klagepartei, die einen Vertrag zum Zwecke der Ausübung einer nicht gegenwärtigen, sondern zukünftigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit geschlossen hat, nicht als Verbraucherin angesehen werden (EuGH, Urt. v. 3. Juli 1997, C-269/95 – Benincasa, juris Rn. 17 ff.). Zum einen ist aber unmittelbarer Zweck der streitgegenständlichen Verträge nur die Bebauung des Grundstücks, nicht aber die Vermietung. Zum anderen gelten Rechtsgeschäfte zur privaten Geldanlage grundsätzlich nicht als selbständige berufliche oder gewerbliche Tätigkeit im Sinne der Brüssel-Ia-VO, selbst wenn im Einzelfall hohe Summen investiert werden (Paulus a. a. O. Rn. 26). Sowohl die Bebauung als auch die anschließende Vermietung einer Immobilie wie der vorliegenden ist der privaten Vermögensverwaltung zuzuordnen. Anhaltspunkte dafür, dass dies hier anders zu beurteilen sein könnte, sind nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin zu 1) ist vielmehr ausweislich des als Anlage ASt 1 vorgelegten Vertrags selbst davon ausgegangen, dass die Antragstellerin ihn als Verbraucherin geschlossen hat. Nach dem maßgeblichen Sach- und Streitstand hat die Antragstellerin die Investition daher als Verbraucherin getätigt (vgl. auch BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2020, X ARZ 124/20, WM 2021, 40 Rn. 27).
Art. 17 Abs. 1 Buchst c) Brüssel-Ia-VO enthält keine Beschränkung auf bestimmte Vertragstypen.
Der hinreichende Bezug zum Wohnsitzstaat des Verbrauchers ist nach der ersten Alternative dieser Vorschrift insbesondere dann gegeben, wenn der Unternehmer – wie hier – eine Zweigniederlassung im Wohnsitzstaat des Verbrauchers unterhält (Hausmann in Staudinger, Verfahrensrecht für internationale Verträge Internationale Zuständigkeit für Vertragsklagen; Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen, Neubearbeitung 2016 Rn. 174).
bb) Es besteht auch kein gemeinsamer Gerichtsstand am Landgericht Augsburg, denn anders als die Antragsgegnerin zu 1) ist der Antragsgegner zu 2), der seinen Wohnsitz in Deutschland hat, nicht als „anderer Vertragspartner“ im Sinne des Art. 17 Abs. 1 Buchst. c) Brüssel-Ia-VO anzusehen.
Der Verbrauchergerichtsstand ist jedenfalls anwendbar, wenn Verbraucher und Unternehmer in unterschiedlichen Vertragsstaaten ansässig sind (BayObLG, Beschluss vom 23. Juli 2020, 1 AR 31/20, juris Rn. 43; Beschluss vom 12. September 2019, 1 AR 67/19, juris Rn. 20; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 42. Aufl. 2021, Vorb Art. 17 EuGVVO Rn. 2 m. w. N.). In Bezug auf sogenannte unechte Inlandsfälle ist zwar im Einzelnen streitig, ob oder unter welchen Voraussetzungen die Bestimmungen der Brüssel-Ia-VO über die Zuständigkeit bei Verbrauchersachen Anwendung finden. Durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist allerdings geklärt, dass in einem Fall, in dem neben dem ausländischen Vertragspartner auch ein inländischer an dem Vertragsverhältnis beteiligt ist und beide gemeinsam in Anspruch genommen werden sollen, die Art. 17, 18 Brüssel-Ia-VO anzuwenden sein können. „Anderer Vertragspartner“ im Sinne des Art. 18 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO ist danach auch der im Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ansässige Vertragspartner des Wirtschaftsteilnehmers, mit dem der Verbraucher den betreffenden Vertrag geschlossen hat, wenn der Verbraucher von vornherein vertraglich in untrennbarer Weise an zwei Vertragspartner gebunden gewesen ist (EuGH, Urt. v. 14. November 2013, C-478/12 – Maletic, NJW 2014, 530 Rn. 29 und 32; BayObLG, Beschluss vom 23. Juli 2020, 1 AR 31/20, juris Rn. 43). Dies ist hier aber nicht der Fall. Mit dem vom Gerichtshof der Europäischen Union entschiedenen Fall der Buchung einer Pauschalreise über ein Reisebüro ist die vorliegende Konstellation nicht vergleichbar. Die Antragstellerin hat zwar dem Antragsgegner zu 2) einen Planungsauftrag für ein Doppelhaus erteilt und die Antragsgegnerin zu 1) mit der Lieferung und Montage dieses Doppelhauses beauftragt, war aber nicht „von vornherein in untrennbarer Weise“ an zwei Vertragspartner gebunden. Weiterer Auslandsbezug besteht nicht, da das Doppelhaus in Deutschland errichtet werden sollte.
cc) Am Ort der Niederlassung der Antragsgegnerin zu 1) ist kein Gerichtsstand nach Art. 17 Abs. 1 i. V. m. Art. 7 Nr. 5 Brüssel-Ia-VO bezüglich der gegen den Antragsgegner zu 2) gerichteten Ansprüche begründet.
dd) Es besteht kein gemeinsamer Gerichtsstand am Ort des Bauvorhabens.
Der Erfüllungsort (§ 29 ZPO) für die beiderseitigen Verpflichtungen aus einem Architektenvertrag ist zwar regelmäßig der Ort des Bauwerkes, wenn der Architekt sich verpflichtet hat, für das Bauvorhaben die Planung und die Bauaufsicht zu erbringen (BGH, Urt. v. 7. Dezember 2000, VII ZR 404/99, NJW 2001, 1936 [juris Rn. 30]; Schultzky in Zöller, ZPO, § 29 Rn. 25.4 m. w. N.). Hier wurde der Antragsgegner zu 2) jedoch nur mit der Planung und der Erstellung der Bauantragsunterlagen, nicht dagegen mit der Bauaufsicht beauftragt. Hinsichtlich planerischer Leistungen eines Architekten liegt der Erfüllungsort am Ort des Architekturbüros (BayObLG, Beschluss vom 8. März 1998, 1Z AR 9/98, juris Rn. 8; Beschluss vom 12. März 1997, 1Z AR 99/96, juris Rn. 8; KG, Urt. v. 28. April 1998, 21 U 8396/97, juris Rn. 6; vgl. auch zu einem Projektsteuerungs- und Baubetreuungsvertrag: OLG Köln, Beschluss vom 12. Mai 2010, 8 W 34/10, juris Rn. 2) 8), hier also im Bezirk des Landgerichts Memmingen.
Im Anwendungsbereich der Art. 17 bis 19 Brüssel-Ia-VO scheidet eine Berufung auf den Vertragsgerichtsstand des Art. 7 Nr. 1 Brüssel-Ia-VO aus (BGH, Urt. v. 1. März 2011, XI ZR 48/10, BGHZ 188, 373 Rn. 29; Hausmann in Staudinger, Verfahrensrecht für internationale Verträge Internationale Zuständigkeit für Vertragsklagen; Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen, Rn. 79 und 157). Ob hier im Hinblick auf die Gerichtsstandsvereinbarung, deren Zulässigkeit an Art. 19, 25 Brüssel-Ia-VO zu messen ist, etwas anderes gelten könnte, bedarf keiner Entscheidung, da die Antragsgegnerin zu 1) ihre Verpflichtungen nicht im Bezirk des Landgerichts Memmingen zu erfüllen hatte, sondern am Ort des Bauvorhabens (vgl. BayObLG, Beschluss vom 12. Februar 2020, 1 AR 94/19, juris Rn. 27). Auch bei Klagen nach einem Rücktritt ist nach Art. 7 Nr. 1 Buchst. a) Brüssel-Ia-VO auf den Erfüllungsort des zugrunde liegenden primären Erfüllungsanspruchs abzustellen (Hausmann a. a. O. Rn. 126).
3. Die Auswahl unter den in Betracht kommenden Gerichten erfolgt nach den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und der Prozessökonomie. Das dem Gericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichtes nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO eingeräumte Auswahlermessen ist allerdings durch die in Art. 17 ff. Brüssel-Ia-VO geregelten Zuständigkeiten bei Verbrauchersachen eingeschränkt, die Vorrang genießen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine sich aus dem europäischen Zivilverfahrensrecht ergebende abschließende Zuständigkeitsregel im Rahmen des Bestimmungsverfahrens nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO – anders als die im nationalen Prozessrecht geregelten ausschließlichen Zuständigkeiten – nicht überwunden werden, weil ansonsten der durch den europäischen Gesetzgeber im internationalen Zuständigkeitsrecht getroffene Interessenausgleich beeinträchtigt würde (vgl. BGH, MDR 2021, 253 Rn. 22 m. w. N.).
Hier kommen somit das Landgericht Augsburg und das Landgericht Berlin in Betracht, nicht dagegen das Landgericht Memmingen. Als gemeinsam zuständiges Gericht bestimmt der Senat das Landgericht Augsburg, an dem die Antragstellerin ihren Wohnsitz hat und das für den Antragsgegner zu 2) besser zu erreichen ist als das Landgericht Berlin. Der nicht nur bundesweit, sondern international am Markt auftretenden Antragsgegnerin zu 1) ist eine Prozessführung am Wohnort ihrer Vertragspartnerin dagegen ohne weiteres zumutbar, wie auch die in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltende Gerichtsstandsvereinbarung zeigt.