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Auftragnehmerverantwortlichkeit nach § 13 Nr. 3 VOB/B

OLG Frankfurt – Az.: 21 U 22/17 – Urteil vom 15.01.2018

Die Berufung der Klägerin gegen das am 03.03.2017 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Nebenintervention zu tragen.

Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckende vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über Gewährleistungsansprüche im Zusammenhang mit einer Balkonsanierung.

Unter dem 25.07.2007 schrieb die Klägerin, die Leistungen aus (Anlage K4, Bl. 68-72 d.A.). In dem Ausschreibungstext heißt es: „Der gegenwärtige Balkonbodenbelag aus 40mm starken Eichendielen wird entfernt (bauseits) und stattdessen sollen in die bereits vorhandene Stahlkonstruktion freitragende Polymerbetonplatten der Fa. A GmbH, Straße1, Stadt1 eingebaut werden (Oberflächenstruktur der Polymerbetonplatten gem. Einzelposition).“ Im Leistungsverzeichnis sind die Balkonbodenplatten unter der Position 2.1 wie folgt beschrieben: „Freitragende Balkonbodenplatten mit Armierung aus methacrylatgebundenen Gesteinsgranulaten der Fa. A GmbH, Straße1, Stadt1 oder gleichwertig liefern und einbauen.“

Die Beklagte gab zuletzt unter dem 25.02.2008 ein Angebot ab (Bl. 251-253 d.A.), das gemäß Verhandlungsprotokoll vom 26.02.2008 (BI. 82-89 d.A.) endverhandelt wurde.

Mit Schreiben vom 29.02.2008 beauftragte die Klägerin die Beklagte mit der Ausführung der Leistungen (Anlage K3, BI. 66 f. d.A.). Bestandteil des Vertrages wurden u.a. die Ausschreibung vom 25.07.2007, das Angebot vom 25.02.2008 und das Verhandlungsprotokoll vom 26.02.2008 nebst Anlagen. Zudem wurde die Geltung der VOB/B in der jeweils neuesten Fassung vereinbart.

Die Beklagte lieferte in der Folge insgesamt 113 der von der Nebenintervenientin hergestellten Polymerbetonplatten und baute diese ein. Eine Abnahme der Werkleistung der Beklagten erfolgte nicht, da die Klägerin bereits unmittelbar nach beim Einbau der Platten Poren auf der Oberfläche vieler Balkonbodenplatten rügte.

Mit Antragsschrift vom 27.10.2008 leitete die Klägerin gegen die Beklagte und die Nebenintervenientin ein selbstständiges Beweisverfahren ein, das vor dem Landgericht Frankfurt am Main unter dem Az. …/08 geführt wurde. Gegenstand des Verfahrens waren Poren, Risse und Verfärbungen der Polymerbetonplatten sowie die Behinderung des Wasserabflusses durch Aufwölbungen der Platten. Auf die in diesem Verfahren erstatteten Gutachten des Sachverständigen B vom 09.08.2010 und vom 19.12.2011 (hintere Lasche Band II der Beiakte …/08 und auf die Stellungnahme des Sachverständigen B vom 09.05.2012 (BI. 402-406 der Beiakte …/08) wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 03.02.2012 forderte die Klägerin die Beklagte zur Beseitigung der Mängel durch Austausch sämtlicher Platten bis zum 26.03.2012 auf (Anlage K11, BI. 117 f. d.A.). Mit Schreiben vom 02.05.2012 setzte die Klägerin der Beklagten erneut eine Frist zur Mängelbeseitigung bis zum 16.05.2012 unter gleichzeitiger Androhung der Auftragsentziehung (Anlage K 12, BI. 122 f. d.A.). Mit Schreiben vom 18.05.2012 kündigte die Klägerin sodann das Vertragsverhältnis mit der Beklagten (Anlage K13, BI. 124 f. d.A.).

Abzüglich geleisteter Abschlagszahlungen stand der Beklagten noch eine Restwerklohnforderung in Höhe von 28.861,32 € zu. Eine Schlussrechnung erstellte die Beklagte nicht.

Die Klägerin hat behauptet, im Zeitpunkt der Klageerhebung seien bereits an 51 Balkonbodenplatten Risse, an 73 Platten milchige weiße Verfärbungen sowie an 92 Platten rostfarbene Verfärbungen vorhanden gewesen. An 67 Platten sei aufgrund von mittigen Aufwölbungen der Platten der Wasserablauf gehindert. Lediglich 5 Platten wiesen weder Risse, Verfärbungen noch Aufwölbungen auf. Sie hat zudem behauptet, zwischen den Parteien sei vereinbart worden, dass das Gefälle der Balkonbodenplatten so stark auszubilden sei, wie es die örtlichen Gegebenheiten erlaubten, jedenfalls sei aber ein reibungsloser Wasserablauf zu gewährleisten.

Die Klägerin hat zuletzt behauptet, für die Neuverlegung der Platten falle mindestens ein Betrag in Höhe von 154.197,92 € netto an, für die Entfernung und Entsorgung der vorhandenen Polymerbetonplatten ein Betrag von 55.617,47 €.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, allein aufgrund der Rissbildung seien sämtliche Platten auszutauschen, auch solche, in denen sich bisher keine Risse gebildet hätten. Hilfsweise mache sie die Kosten des Austausches nur der 108 Balkonbodenplatten geltend, die bisher tatsächliche Risse und/oder Verfärbungen und/oder Aufwölbungen aufwiesen. Die Klägerin hat zudem die Auffassung vertreten, die Beklagte habe die Mängel der Balkonbodenplatten zu vertreten. Das auszuführende Fabrikat sei von der Klägerin nicht vorgegeben worden, da laut Leistungsverzeichnis auch das Angebot eines Alternativproduktes möglich gewesen sei.

Die Klägerin hat die Klage zunächst auch gegen die Nebenintervenientin als Beklagte erhoben. Mit Beschluss vom 02.08.2012 (BI. 180 f. d.A.) hat das Landgericht das Verfahren gegen die Nebenintervenientin und damalige Beklagte zu 2) gemäß § 145 ZPO abgetrennt und an das Landgericht Stadt2 verwiesen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 07.08.2012 (Bl. 211 f. d.A.) hat das Landgericht Versäumnisurteil gegen die Beklagte erlassen. Insoweit wird auf das Versäumnisurteil vom 07.08.2012 (Bl. 214 f. d.A.) Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 17.01.2013 (Bl. 295 d.A.) hat die Klägerin die Klage in Höhe von 47.343,85 € zurückgenommen. Die Beklagte hat der Teil-Klagerücknahme in der mündlichen Verhandlung am 09.04.2013 zugestimmt (BI. 355 d.A.).

Nachdem das Landgericht in der mündlichen Verhandlung am 18.10.2016 (Bl. 650 d.A.) auf Bedenken gegen eine gesamtschuldnerische Verurteilung hingewiesen hat, hat

die Klägerin zuletzt beantragt, das Versäumnisurteil vom 07.08.2012 mit der Maßgabe aufrechtzuerhalten, dass

1. die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 180.954,07 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die auf Austausch und Neumontage der Polymerbetonplatten auf allen Balkonen der „Wohnanlage X“, Straße2, Stadt3 entfallende Mehrwertsteuer sowie alle weiteren Aufwendungen, Kosten und Schäden zu erstatten, soweit solche Aufwendungen, Kosten und Schäden nicht Gegenstand des Klageantrages zu 1. sind;

hilfsweise,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 171.906,45 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die auf Austausch und Neumontage von 108 Polymerbetonplatten auf allen Balkonen der „Wohnanlage X“, Straße2, Stadt3 entfallende Mehrwertsteuer auf den Klageantrag zu 1. zu erstatten;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle weitergehenden Kosten und Schäden zu ersetzen, sofern solche Kosten und Schäden an den derzeit noch intakten Polymerbalkonplatten aufgrund von Rissen, Verfärbungen bzw. mangelndem Wasserablauf entstehen sollten.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, bereits vor Vertragsschluss Bedenken gegen das Produkt der Nebenintervenientin angemeldet zu haben, weshalb sie auch die Ausführung von Balkonbodenplatten der Firma C angeboten habe. Sie schulde daher keine Gewährleistung für Materialfehler. Verlegefehler oder handwerkliche Fehler habe der Sachverständige B nicht festgestellt.

Durch Schriftsatz vom 08.11.2012 (Bl. 276 d.A.) hat die Beklagte der Nebenintervenientin den Streit verkündet. Mit Schriftsatz vom 21.06.2013 (Bl. 374 f. d.A.) ist die Nebenintervenientin dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten. Die Nebenintervenientin hat behauptet, die Platten wiesen keine herstellungsbedingten Mängel auf. Soweit der Sachverständige B etwaige Mängel festgestellt habe, die nicht rein optischer Natur seien, seien diese auf einen nicht sach- und fachgerechten Einbau der Platten durch die Beklagte zurückzuführen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen D und E. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 09.04.2013 (Bl. 350-356 d.A.) verwiesen. Zudem hat es weitere Gutachten des Sachverständigen B eingeholt und den Sachverständigen B im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 18.10.2016 angehört. Insoweit wird auf das Gutachten vom 25.04.2014 (hintere Aktenlasche Band IV), das Ergänzungsgutachten vom 11.02.2016 (BI. 551-557 d.A.) die Sitzungsniederschrift vom 18.10.2016 (BI. 646-651 d.A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil vom 03.03.2017 (Bl. 735-749 d.A.) in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 21.06.2017 (Bl. 749a f. d.A.) das Versäumnisurteil vom 07.08.2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, der in Betracht kommende Schadensersatzanspruch gemäß §§ 4 Nr. 7 S. 2, 8 Nr. 3 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 VOB/B (2006) setze voraus, dass die Klägerin den Mangel zu vertreten hat. Hieran fehle es, denn die Beklagte habe diejenigen Balkonbodenplatten eingebaut, die ihr von der Klägerin im Leistungsverzeichnis vorgegeben worden seien. Den Vorschlag, ein abweichendes Produkt der Firma C zu verbauen, habe die Klägerin abgelehnt. Nach den Feststellungen des Sachverständigen B in seinem Gutachten vom 25.04.2014 (dort S. 3 ff.) sei die Fa. A die einzige Herstellerin für (rechtlich geschützte) polymergebundene Gesteinsgranulatplatten gewesen. Die Mangelursachen seien produktionsbedingt und durch die Beklagte bei Anlieferung der Platten und vor Verlegung nicht ohne labortechnische Untersuchung zu erkennen gewesen. Im Rahmen der Beweisaufnahme habe eine Bedenkenanzeige durch die Klägerin zwar nicht belegt werden können. Doch wäre die Beklagte nur dann zu einer Bedenkenanmeldung in der Lage gewesen, wenn sie labortechnische Untersuchungen durchgeführt hätte. Der Auffassung der Klägerin, das vorgegebene Produkt müsse lediglich generell geeignet sein, so dass der Auftragnehmer uneingeschränkt für nicht erkennbare Ausreißer in einer Produktionscharge hafte, könne nicht gefolgt werden. Einen solchen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch sehe das Werkvertragsrecht – weder bei Anwendung des BGB noch bei Anwendung der VOB/B – vor.

Gegen dieses Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe bezüglich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen wird, wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie sinngemäß ihre erstinstanzlich zuletzt gestellten Anträge weiterverfolgt.

Sie ist der Ansicht das Landgericht verneine zu Unrecht ein Vertretenmüssen der Beklagten im Hinblick auf die festgestellten Mängel der Balkonbodenplatten. Es gehe rechtsirrig davon aus, dass die Klägerin als Auftraggeberin verbindlich einen bestimmten Baustoff vorgeschrieben habe.

Es sei zwar zutreffend, dass für einen Schadensersatzanspruch – wie er vorliegend geltend gemacht wird – das Vertretenmüssen des Unternehmers Anspruchsvoraussetzung ist. Im Werkvertragsrecht hafte der Unternehmer aber für Mängel unabhängig davon, auf welchem Umstand der Mangel beruht. Auch wenn er auf einen Wunsch des Bestellers zurückzuführen ist, sei die Haftung an sich gegeben. Die Tatsache, dass ein Mangel vorliegt, genüge zur Begründung der Haftung.

Selbst wenn man mit dem Landgericht die Auffassung vertrete, vorliegend habe es eine Anordnung des Auftraggebers zum zu verwendenden Material gegeben, werde die Beklagte aufgrund des nach den Feststellungen des Landgerichts fehlenden Bedenkenhinweises nach § 4 Abs. 3 VOB/B nicht gewährleistungsfrei. Vielmehr liegt das Verschulden im Unterlassen des Bedenkenhinweises.

Es liege jedoch keine verbindliche Vorgabe eines bestimmten Baustoffes durch die Klägerin vor. Eine Auswahlfreiheit bezüglich des Materials sei im Leistungsverzeichnis angelegt, da dort der Zusatz „oder gleichwertig“ aufgenommen wurde. Es habe auch gleichwertige Produkte gegeben. Im Gutachten des Sachverständigen B vom 25.04.2014 sei sowohl von einem Produkt der Firma F aus rutschhemmendem Polyurethanbelag, als auch von zementgebundenen Balkonplatten der Firma G die Rede.

Selbst bei einer bindenden Anweisung des Auftraggebers komme eine Enthaftung nicht in Betracht, wenn dadurch die für den Werkvertrag typische Einstandspflicht des Auftragnehmers aufgehoben würde. Deshalb sei § 13 Abs. 3 VOB/B von vornherein nicht anwendbar in den Fällen, in denen der Auftraggeber einen an sich geeigneten Stoff fordert und die Leistung deshalb mangelhaft ist, weil im Einzelfall ein Fehler dieses Stoffes auftritt, ein sog. Ausreißer. Durch die bauaufsichtliche Zulassung für die Balkonbodenplatten der Streithelferin sei dokumentiert, dass das Produkt grundsätzlich geeignet ist. Die Abweichung im Produktionsprozess, die durch den Sachverständigen B festgestellt wurde, belege, dass ein sog. „Ausreißer“ produziert wurde, der den generellen Anforderungen an das ausgeschriebene Produkt nicht genügt. Ein „Ausreißer“ müsse nicht zwingend ein einzelnes mangelhaftes Produkt/Bauteil sein. Es könne sich auch um eine mangelhafte Liefercharge handeln. Dem stehe nicht entgegen, dass nach dem mit Schriftsatz der Beklagten vom 24.11.2016 (Bl. 689 d.A.) vorgelegten Gutachten (Anlage K31, Bl. 690-702 d.A.) eine Mangelhaftigkeit von Platten der Nebenintervenientin auch bei einem Bauvorhaben in Stadt4 festgestellt wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 04.05.2017 (Bl. 828-841 d.A.) sowie auf die Schriftsätze vom 22.09.2017 (Bl. 894-906 d.A.) und vom 29.11.2017 (Bl. 923-926 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 03.03.2017, Az. 2-26 0 88/12 aufzuheben und abändernd die Beklagte zu verurteilen,

1. an die Klägerin 180.954,07 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die auf den Austausch und die Neumontage der Polymerbetonplatten auf sämtlichen Balkonen der „Wohnanlage X“, Straße2, Stadt3 entfallene Mehrwertsteuer sowie alle weiteren Aufwendungen, Kosten und Schäden zu erstatten, soweit solche Aufwendungen, Kosten und Schäden nicht Gegenstand des Klageantrags zu 1. sind;

hilfsweise,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 171.906,45 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die auf den Austausch und die Neumontage von 108 Polymerbetonplatten auf den Balkonen der „Wohnanlage X“, Straße2, Stadt3 entfallene Mehrwertsteuer auf den Klageantrag zu 1. zu erstatten;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle weltergehenden Kosten und Schäden zu ersetzen, sofern solche Kosten und Schäden an den derzeit noch intakten 5 Polymerbetonplatten aufgrund von Rissen, Verfärbungen bzw. mangelhaftem Wasserablauf entstehen sollten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt unter Verweisung auf ihren erstinstanzlichen Vortrag das angefochtene Urteil, dessen Ausführungen sie zum Gegenstand ihres Sachvortrags im Berufungsverfahren macht. Auf die Berufungserwiderung vom 08.06.2017 (Bl. 856-858 d.A.) und auf den Schriftsatz vom 20.11.2017 (Bl. 909-910 d.A.) wird wegen der Einzelheiten verwiesen.

Die Streithelferin ist mit Schriftsatz vom 11.07.2017 dem Rechtsstreit in der Berufungsinstanz auf Seiten der Beklagten beigetreten. Sie macht u.a. geltend, ein Mangel der Balkonplatten sei nicht festgestellt. Auf die Schriftsätze vom 11.07.2017 (Bl. 861 f. d.A.) und vom 27.11.2017 (Bl. 919-922 d.A.) wird wegen der Einzelheiten verwiesen.

Die Akte …/08 des Landgerichts Frankfurt am Main war Gegenstand der Verhandlung.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, weil das angefochtene Urteil im Ergebnis nicht auf einem Rechtsfehler (§ 546 ZPO) beruht und die nach § 529 Abs. 1 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine abweichende Entscheidung nicht rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die Klage ist unbegründet. Ein Anspruch auf Schadensersatz in Form der Mangelbeseitigungskosten aus §§ 4 Nr. 7 S. 2, 8 Nr. 3 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 VOB/B (2006) steht der Klägerin nicht zu.

Die Klägerin kann zwar – wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat – nach ihrer ordnungsgemäßen Kündigung grundsätzlich auch Schadensersatz in Form der Mangelbeseitigungskosten gemäß § 4 Nr. 7 S. 2 VOB/B (2006) geltend machen (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 04.08.2010 – VII ZR 207/08, zitiert nach Juris Rn. 13; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 16. Aufl., Rn. 2260).

Die Leistung der Beklagten war mangelhaft, denn die eingebauten Balkonplatten der Streithelferin waren nach den Feststellungen des Landgerichts mangelhaft. Die von der Klägerin behauptete Mangelhaftigkeit der Balkonplatten wird von der Beklagten nicht mehr bestritten, denn die Beklagte hat sich mit der Berufungserwiderung die Ausführungen des Landgerichts zu Eigen gemacht. Die gegenteilige Behauptung der Streithelferin der Beklagten ist gemäß § 67 ZPO unbeachtlich.

Die Beklagte hat jedoch hier für die festgestellten Mängel nicht einzustehen. Grundsätzlich hat die Beklagte zwar als Werkunternehmer für Mängel unabhängig davon einzustehen, auf welchem Umstand der Mangel beruht (vgl. etwa OLG Brandenburg, Urteil vom 20.03.2003 – 12 U 14/02, zitiert nach Juris Rn. 50; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 16. Aufl., Rn. 2034). Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Mangel dem Auftragnehmer nicht zuzurechnen ist, weil er auf die vom Auftraggeber vorgeschriebenen Stoffe oder Bauteile zurückzuführen ist und der Werkunternehmer seiner Prüfungs- und Hinweisverpflichtung nachgekommen ist (§§ 13 Nr. 3, 4 Nr. 3 VOB/B). Es handelt sich insoweit um eine Konkretisierung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben, die nicht nur im Anwendungsbereich der VOB/B/B gilt (BGH, Urteil vom 08.11.2007 – VII ZR 183/05, BGHZ 174, 110-126, zitiert nach Juris Rn. 22; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 16. Aufl., Rn. 2035).

Hier hat die Klägerin der Beklagten den Einbau der von der Streithelferin hergestellten mangelhaften Balkonbodenplatten vorgeschrieben. Erforderlich ist eine verbindliche Anweisung, eine Baumaßnahme mit einem ganz bestimmten Stoff auszuführen, ohne dass der Unternehmer eine vertraglich eingeräumte Möglichkeit der Abweichung hat (vgl. Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Auflage, 2014 – 6. Teil Rn. 42). Eine solche bindende Vorgabe ergibt sich allerdings zunächst noch nicht aus der Ausschreibung vom 25.07.2007. Der Ausschreibungstext enthält zwar die Formulierung „sollen … Polymerbetonplatten der Fa. A GmbH … eingebaut werden“. Die Position 2.1 der Ausschreibung vom 25.07.2007 enthält jedoch den Zusatz „oder gleichwertig“, der darauf hindeutet, dass die Beklagte auch eine andere Balkonplatte vorschlagen konnte. Dies hat offenbar auch die Beklagte so aufgefasst und dementsprechend unter dem 25.02.2008 auch ein Alternativangebot für Balkonplatten der Fa. C abgegeben, das von der Klägerin immerhin geprüft wurde. Mit der Auftragserteilung erfolgte jedoch eine vertraglich bindende Vorgabe für das Produkt der Streithelferin. Entscheidend ist insofern, dass diese vertraglich bindende Vorgabe nicht darauf beruht, dass Klägerin und Beklagte das Produkt der Streithelferin für die beste Alternative hielten und erst recht nicht darauf, dass die Beklagte einen entsprechenden Vorschlag machte. Die vertraglich bindende Vorgabe für das Produkt der Klägerin beruht vielmehr allein auf einer eigenverantwortlichen Entscheidung der Klägerin. Denn nach den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen D und E hat die Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass es ihr nicht recht ist, die Balkonplatten der Nebenintervenientin zu verlegen.

Allerdings ist § 13 Nr. 3 VOB/B von vornherein nicht anwendbar in den Fällen, in denen der Auftraggeber einen an sich geeigneten Stoff fordert und die Leistung deshalb mangelhaft ist, weil im Einzelfall ein Fehler dieses Stoffes auftritt, ein sogenannter Ausreißer (vgl. Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Auflage, 2014 – 6. Teil Rn. 44).

Durch § 13 Nr. 3 VOB/B soll die Verantwortlichkeit des Auftragnehmers nur in dem Maße eingeschränkt werden, in dem es bei wertender Betrachtung gerechtfertigt ist. Der Auftraggeber soll für das, was er anordnet, einstehen. Die einschneidende Rechtsfolge der Risikoverlagerung soll allerdings nur insoweit eintreten, als die Anordnung des Auftraggebers reicht. Darüber hinaus geht sein Anteil an der Verantwortung nicht. Dieser die Ausnahme wiederum eingrenzende Rahmen ist ein Gebot der Billigkeit. In dem Maße, in welchem der Auftraggeber nichts festlegt, er sich also näherer Bestimmungen enthält, gibt es keinen Anlass, von der regelmäßigen Gewährleistung des Auftragnehmers abzuweichen und § 13 Nr. 3 VOB/B in dem Sinne auszulegen, dass der Auftraggeber gleichwohl auch insoweit das Risiko für Mängel übernehmen müsste. Entscheidend ist, dass die Anordnung des Auftraggebers einerseits und der Übergang des Risikos für Mängel andererseits im Einzelnen einander entsprechen (vgl. BGH, Urteil vom 14.03.1996 – VII ZR 34/95, BGHZ 132, 189-194, zitiert nach Juris Rn. 15).

Daraus ergibt sich eine Abstufung, je nachdem, ob der Auftraggeber eine speziellere oder nur eine generelle Anordnung trifft. Je spezieller die Anordnung ist, desto weiter reicht die Freistellung des Auftragnehmers von seiner Gewährleistungspflicht. Sucht der Auftraggeber eine bestimmte einzelne Partie Steine selbst aus, so wird er für Mängel dieser konkreten Steine ebenso zu haften haben, als hätte er den Stoff seinerseits geliefert. Bestimmt der Auftraggeber dagegen nur generell, welche Art Steine verwendet werden soll, dann muss er lediglich auf dieser allgemeineren Ebene das Risiko für Mängel übernehmen. Er hat nur dafür einzustehen, dass der Stoff generell für den vorgesehenen Zweck geeignet ist. Das darüber hinausgehende Risiko bleibt beim Auftragnehmer. Dieser muss für einen trotz genereller Eignung des Stoffes im Einzelfall auftretenden Fehler weiterhin einstehen. Diese Einstandspflicht gehört zu den für den Werkvertrag typischen Risiken des Auftragnehmers. Die generelle, an sich geeignete Anordnung des Auftraggebers ist kein hinreichender Grund für die Verlagerung auch dieses Risikos. Die Gefahr des ausnahmsweise fehlerhaften Baustoffes ist unabhängig davon, ob die Entscheidung für das an sich geeignete Material vom Auftragnehmer oder vom Auftraggeber getroffen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 14.03.1996 – VII ZR 34/95, BGHZ 132, 189-194, zitiert nach Juris Rn. 16).

Nach diesen Grundsätzen ist der Anwendungsbereich des § 13 Nr. 3 VOB/B hier eröffnet. Denn die Anordnung der Klägerin, die von der Streithelferin hergestellten Balkonbodenplatten zu verwenden, rechtfertigt hier eine Risikoverlagerung auf die Klägerin. Zwar gab es für die von der Nebenintervenientin hergestellten mangelhaften Balkonplatten die zum Einbauzeitpunkt gültige bauaufsichtliche Zulassung … vom 14.01.2008. Daraus folgt jedoch nicht, dass die von der Klägerin vorgeschriebenen Balkonbodenplatten der Streithelferin als generell geeignet im Sinne der Rechtsprechung des BGH einzustufen sind. Zweifel an der generellen Eignung ergeben sich hier daraus, dass nicht nur 108 mangelhafte Balkonbodenplatten für das streitgegenständliche Bauvorhaben hergestellt wurden, sondern unstreitig weitere mangelhafte Platten für ein anderes Bauvorhaben hergestellt worden sind. Bei der nach Treu und Glauben vorzunehmenden Abwägung, ob im hier zu entscheidenden Fall eine Risikoverlagerung gerechtfertigt ist, hat die Konkretisierung der Vorgabe der Klägerin besonderes Gewicht. Die Klägerin hat hier nicht bloß einen allgemeinen Typus von Balkonbodenplatten vorgeschrieben, sondern ganz speziell die freitragenden Balkonbodenplatten mit Armierung aus methacrylatgebundenen Gesteinsgranulaten eines bestimmten Herstellers. Diese Vorgabe ist so speziell, dass nicht gerechtfertigt wäre, die Anordnung der Klägerin anders zu behandeln als eine Lieferung der mangelhaften Platten durch die Klägerin selbst.

Der fehlenden Verantwortlichkeit der Beklagten für die Mängel steht nicht entgegen, dass die Beklagte keine Bedenken gegen den Einbau der vorgegebenen Balkonbodenplatten erhoben hat. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Beklagte einen Bedenkenhinweis im Sinne von § 4 Nr. 3 VOB/B nicht erteilt. Sie wäre zu einer Bedenkenanmeldung aber unstreitig nur dann in der Lage gewesen, wenn sie labortechnische Untersuchungen durchgeführt hätte. Hierzu war sie jedoch nicht verpflichtet, denn derartige intensivere Untersuchungen sind regelmäßig erst dann angezeigt, wenn für den Unternehmer Anlass besteht, daran zu zweifeln, dass das verwendete Material der Anweisung des Bestellers entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 10.01.2006 – X ZR 58/03, zitiert nach Juris Rn. 11). Ein Bedenkenhinweis war der Beklagten daher unmöglich. Es wäre aber ein mit Treu und Glauben nicht vereinbares Ergebnis, wenn die Beklagte gleichwohl für den Mangel verantwortlich wäre.

Der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch setzt zudem – wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat – ein Verschulden der Beklagten voraus (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 16. Aufl., Rn. 2261). Hieran fehlt es, da die Beklagte nach den vorstehenden Ausführungen nicht für die Mängel verantwortlich ist und ihr ein Bedenkenhinweis gemessen an den sie treffenden Prüfungspflichten nicht möglich war.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO). Der Senat hat nur anerkannte Rechtssätze auf den Einzelfall angewendet.

 

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