OLG Celle – Az.: 5 U 87/10 – Urteil vom 26.05.2011
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 13. April 2010 teilweise geändert:
Das Urteil und das Verfahren werden aufgehoben und die Sache zur erneuten Sachbehandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, soweit der Kläger Schadensersatzansprüche wegen Mängeln an den Glaserkern, den Fassadenelementen und den Balkonen in Höhe von 419.224,50 € geltend macht.
Im Übrigen wird die Berufung (hinsichtlich der Mängel an den Dachgauben) zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Landgericht vorbehalten, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden hat.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt vom Beklagten Schadensersatz für Planungs- und Aufsichtsfehler aufgrund eines Architektenvertrages über die Planung und Bauüberwachung eines Bauvorhabens mit 80 Wohneinheiten in ……..
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf die Festsstellungen des landgerichtlichen Urteils (Bl. 150 f d. A.) Bezug genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Ansprüche des Klägers verjährt seien. Wegen der Begründung des Ausspruches im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.
Gegen das Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Er rügt, das Landgericht sei rechtsfehlerhaft von einer Verjährung der Ansprüche ausgegangen.
Der Kläger beantragt, das am 13. April 2010 verkündete Urteil des Landgerichts Hildesheim abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 452.724,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. August 2009 zu zahlen.
Hilfsweise beantragt er, das Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
Der Streithelfer schließt sich dem Antrag des Klägers an und beantragt hilfsweise, das erstinstanzliche Urteil nebst den ihm zugrunde liegenden Feststellungen und Verfahren aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der bis zur mündlichen Verhandlung am 02. Februar 2011 gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist teilweise insoweit begründet, als das Urteil und das Verfahren des Landgerichts entsprechend dem Hilfsantrag gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO aufzuheben und an das Landgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen sind, soweit er Schadensersatzansprüche wegen Mängeln an den Glaserkern, den Fassadenelementen und den Balkonen in Höhe von 419.224,50 € geltend macht (dazu unten 1.) . Wegen des Schadensersatzanspruchs in Höhe von 33.500,00 € betreffend die Mängel an den Dachgauben ist die Berufung unbegründet (dazu 2.).
1. Der Anspruch des Klägers auf Schadensersatz wegen Mängeln an den Glaserkern, den Fassadenelementen und den Balkonen ist nicht verjährt.
Das für das Schuldverhältnis maßgebende Recht bestimmt sich nach den bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
Nach dem Architektenvertrag vom 02. Juli 1992 war der Beklagte verpflichtet, die Leistungsphasen 1 9 zu erbringen. Der Beklagte hatte mithin auch die Objektbetreuung und Dokumentation, insbesondere das Überwachen der Mängelbeseitigung zu leisten. Die Verjährung beginnt mit der Abnahme des Werks zu laufen.
Eine Teilabnahme von Leistungsphasen ist zwischen den Parteien nicht erfolgt. Soweit in § 6 „Gewährleistungs- und Haftungsdauer“ der Allgemeinen Vertragsbestimmungen zum Einheitsarchitektenvertrag (AVA) unter Absatz 6.2 der Beginn der Verjährung spätestens auf die Abnahme der in Leistungsphase 8 zu erbringenden Leistungen festgelegt worden ist, ist die Bestimmung unwirksam (vgl. BGH BauR 2006, 1332).
Abschnitt 6.2 AVA regelt keine Vereinbarung zur Teilabnahme. Die Klausel begründet insbesondere keine Pflicht des Klägers als Auftraggeber zur Teilabnahme. Zweifel am Inhalt der Klausel gehen gemäß dem hier anzuwendenden § 5 AGBG zu Lasten des Beklagten als Verwender des Formulars. Ein durchschnittlich verständiger Bauherr erwartet unter der Überschrift einer Klausel „Gewährleistungs- und Haftungsdauer“ keine Vereinbarung eines Teilabnahmeanspruchs des Auftragnehmers, für den der Text keinen hinreichenden Anhaltspunkt enthält.
Ein Architekt kann eine Abnahme in Teilen nur aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung verlangen. Diese muss unmissverständlich gefasst sein. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Klausel legt den Beginn der Verjährungsfrist für den Fall einer Abnahme der bis zur Leistungsphase 8 zu erbringenden Leistung fest, die als Teilabnahme bezeichnet wird, und regelt des Weiteren den Beginn der Verjährung für die danach noch zu erbringenden Leistungen. Damit wird die Verjährung zwar an die Abnahme der Leistung geknüpft, auch wenn es sich dabei um eine Teilabnahme handelt. Eine Verpflichtung zu einer Teilabnahme wird jedoch nicht begründet. Geregelt ist lediglich der Beginn der Verjährung, sofern eine Teilabnahme stattgefunden hat.
Eine Teilabnahme hat hier indessen nicht stattgefunden. Allein in der Bezahlung der Honorarrechnung vom 17. Oktober 1994, die am 28. März 1995 übersandt und vom Kläger am 03. April 1995 gezahlt worden ist, lässt sich nicht mit der erforderlichen Klarheit der rechtsgeschäftliche Wille des Klägers zu einer Teilabnahme erkennen. Es werden keine Gründe für die Annahme dargelegt, die Zahlung auf diese Rechnung, die ebenso wenig wie die hinsichtlich der Mehrwertsteuer korrigierte Rechnung vom 22. Januar 1996 als Schlussrechnung bezeichnet ist, sei ungeachtet des Umstandes, dass die Leistung des Architekten noch nicht vollendet war, als Teilabnahme der bis einschließlich Leistungsphase 8 erbrachten Leistungen zu verstehen.
Da individuell zwischen den Parteien eine Teilabnahme ebenfalls nicht vereinbart worden ist, ist das Architektenwerk jedenfalls bis zum Schluss der geschuldeten Leistungsphase 9 nicht abgenommen worden.
Die Verjährung der Architektenleistungen konnte damit frühestens mit Ablauf der Gewährleistungsfristen für die am Bau beteiligten Handwerker beginnen. Die Abnahme der Werkleistungen der Handwerker erfolgte im Juli 1994. Da eine Gewährleistungsfrist von 5 Jahren vereinbart war, lief die Gewährleistungsfrist der Handwerker im Juli 1999 ab. Ab diesem Zeitpunkt begann die 5jährige Verjährungsfrist für die Architektenleistungen zu laufen und endete im Juli 2004.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2003 das selbständige Beweisverfahren 3 OH 32/03 beim Landgericht Hildesheim eingeleitet. Der Antrag ist dem Beklagten am 12. Dezember 2003 zugestellt worden.
Gemäß Art. 229, § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB finden auf die Verjährung die Vorschriften des BGB in der seit dem 01. Januar 2002 geltenden Fassung auf die an diesen Tag bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung. Nach § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB tritt mit der Zustellung des Antrags auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens eine Verjährungshemmung ein. Die Hemmungswirkung erstreckt sich auf Mängelansprüche einschließlich Schadensersatzansprüche. Sie erfasst jedoch jeweils nur diejenigen Baumängel, die Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens waren.
Nach dem Inhalt der Beweissicherungsakte 3 OH 32/03 waren Mängel an den Glaserkern, den Fassadenelementen und den Balkonen Gegenstand der Antragsschrift. Dabei ist die Frage der Mangelidentität vor dem Hintergrund der vom BGH vertretenen Symptomtheorie großzügig zu sehen. Hinsichtlich dieser Mängel ist eine Hemmung eingetreten.
Das selbständige Beweisverfahren hat durch Beschluss des Landgerichts Hildesheim vom 04. Februar 2009 geendet. Das Ende der Hemmung ist somit gemäß § 204 Abs. 2 BGB am 04. August 2009 eingetreten. Innerhalb der verbleibenden restlichen Verjährungsfrist von 7 Monaten hat der Kläger am 18. November 2009 Klage eingereicht, die dem Beklagten am 14. Dezember 2009 zugestellt worden ist. Da damit erneut eine Hemmung der Verjährung eingetreten ist (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB), sind die Gewährleistungsansprüche des Klägers in Höhe von 419.224,50 € noch nicht verjährt.
2. Von der Hemmung nicht erfasst werden dagegen die Mängel an den Dachgauben, weil diese erst mit Schriftsatz vom 29. Januar 2007 zum Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens gemacht worden sind. Zu diesem Zeitpunkt war hinsichtlich dieser Mängel aber bereits Verjährung eingetreten.
Zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist unter dem Gesichtspunkt der Arglist bietet der Sachverhalt keine hinreichenden Anhaltspunkte.
Der Kläger kann damit nicht die Kosten für die Beseitigung der Schäden an den Dachgauben in Höhe von 33.500 € beanspruchen.
3. Der Senat hat auf den Hilfsantrag das Urteil und das ihm zugrundeliegende Verfahren aufgehoben und die Sache zur erneuten Sachbehandlung und Entscheidung gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO an das Landgericht zurückverwiesen, weil das landgerichtliche Verfahren an einem Verfahrensfehler leidet. Das Landgericht hat sich nur mit der Verjährungsproblematik beschäftigt, ohne den Parteien ausreichend Gelegenheit zu geben, zu dem in der mündlichen Verhandlung erstmals erteilten Hinweis, dass das Gericht vom Eintritt der Verjährung ausgehe, ergänzend vorzutragen. Das Gericht hat damit den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
Das Landgericht wird daher Feststellungen dazu zu treffen haben, ob dem Beklagten Planungs- und Bauüberwachungsfehler vorzuwerfen sind, die einen Anspruch auf Schadensersatz rechtfertigen können. Zudem hat es von seiner Rechtsansicht folgerichtig keine Feststellungen zur Höhe eines etwa bestehenden Schadensersatzanspruches getroffen. Auch dies wird gegebenenfalls nachzuholen sein. Da dies nur mit einer aufwendigen ergänzenden Beweisaufnahme durchgeführt werden kann, ist es gerechtfertigt, die Sache zurückzuverweisen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 709, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor.