Architektenverantwortung und Abdichtungsmängel: Ein Blick auf das OLG München
Das Baurecht ist ein komplexes Feld, das viele Aspekte des Bauens abdeckt, von der Planung bis zur Fertigstellung. Ein kürzlich vom OLG München gefälltes Urteil beleuchtet die Verantwortung eines Architekten bei der Überwachung von Abdichtungsarbeiten und die daraus resultierenden Konsequenzen.
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Übersicht
Mängel in der Bauüberwachung
Das Hauptproblem in diesem Fall war die Feuchtigkeit im Dachstuhl eines Gebäudes. Zeugen berichteten von einer „Extremsituation“ bezüglich der Feuchtigkeitsmenge kurz nach der Errichtung des Dachstuhls. Die Frage, die sich stellte, war, wie diese Feuchtigkeit in den Dachstuhl gelangen konnte. Es gab zwei Theorien: Entweder war die Feuchtigkeit bereits vorhanden und konnte nicht entweichen, oder sie gelangte nach der Abdichtung in den Dachstuhl, weil die Abdichtungsmaßnahmen unzureichend waren.
Sachverständige und ihre Schlussfolgerungen
Ein Sachverständiger wurde hinzugezogen, um die Situation zu bewerten. Er kam zu dem Schluss, dass genügend Anknüpfungstatsachen vorhanden waren, um wissenschaftliche Schlussfolgerungen zu ziehen. Insbesondere stellte er fest, dass die Feuchtigkeit im Dachstuhl entweder bereits vorhanden war oder nach der Abdichtung eingedrungen ist. Dies deutet darauf hin, dass entweder die Abdichtungsarbeiten nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurden oder dass vor der Abdichtung nicht sichergestellt wurde, dass keine Feuchtigkeit im Dachstuhl eingeschlossen wurde.
Bewertung des Schadens und Berufung
Das Erstgericht bewertete den Schaden und kam zu dem Schluss, dass die Abdichtungsarbeiten mangelhaft waren und dass der Architekt seine Überwachungspflicht verletzt hatte. Es gab jedoch eine Berufung gegen dieses Urteil, in der behauptet wurde, dass die geänderte Rechtsprechung des BGH nicht berücksichtigt wurde. Das Erstgericht argumentierte jedoch, dass die Mangelbeseitigungskosten dem merkantilen Minderwert entsprechen und dass dies auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage beruht.
Einzigartigkeit des Falles und Schlussgedanken
Ein interessanter Aspekt dieses Falles ist die Einzigartigkeit des betroffenen Objekts. Es wurde argumentiert, dass es keinen Markt für solche spezifischen Immobilien gibt, was die Bewertung des Schadens kompliziert macht. Trotz der Komplexität des Falles und der beteiligten Rechtsfragen zeigt dieses Urteil die Bedeutung einer ordnungsgemäßen Bauüberwachung und die potenziellen Konsequenzen, wenn diese Pflicht vernachlässigt wird.
Das vorliegende Urteil
OLG München – Az.: 28 U 6762/19 Bau – Verfügung vom 17.02.2020
Gründe
Hinweis
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 05.11.2019, Az. 2 O 2682/13, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
I. Entscheidung des Landgerichts
Das Landgericht verurteilte die Beklagte zu 2) an den Kläger etwa 200.000 Euro nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte zu 2) sei als Architektin umfassend mit der Bauüberwachung betraut worden und hätte die Arbeiten am Dachstuhl nicht ausreichend überwacht, weshalb sich in diesem aufgrund erheblicher Feuchtigkeit Schimmel gebildet habe. Ein Mangelbeseitigungsversuch sei gescheitert und der Mangel könne nur durch einen Austausch behoben werden.
Dem Kläger stünde daher ein Schadensersatzanspruch in Höhe der Mangelbeseitigungskosten zu.
II. Berufung der Beklagten zu 2)
Die Beklagte zu 2) meint, es sei bereits ein Mangel am Bauwerk nicht bewiesen, da der Sachverständige erst nach Sanierung das Dach begutachtet habe. Auch sei das Dach saniert worden und es läge aktuell kein Mangel vor. Die Beklagte zu 2) ist ferner der Ansicht, das Landgericht hätte unter Missachtung der geänderten Rechtsprechung den merkantilen Minderwert ermittelt; hilfsweise seien die Mangelbeseitigungskosten überhöht.
III. Gegenwärtige Einschätzung des Senats
III. Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 2) einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung dem Grunde nach gemäß §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB.
III) Die Feststellungen und Bewertungen des Landgerichts zum Umfang des zwischen den Parteien geschlossenen Architektenvertrags als Werkvertrag (§ 631 BGB) wurden nicht angegriffen.
III) Die Beklagte zu 2) hat ihre Pflicht zur Bauüberwachung verletzt, da der zu überwachende Dachstuhl mangelhaft errichtet wurde und der Dachstuhl als kritische Baumaßnahme intensiv zu begleiten war, dies hat die Beklagte zu 2) versäumt.
III) Der Dachstuhl wurde mangelhaft errichtet.
Die Arbeiten am Dachstuhl wurden im Dezember 2010 abgeschlossen. Die Berufung rügt, der Sachverständige habe erst nach der Dachsanierung Feststellungen getroffen und daher keine unmittelbaren Wahrnehmungen zum Baumangel getroffen.
Diese Rüge greift nicht. Der Sachverständige hat seine Einschätzungen erkennbar nicht auf eigene Wahrnehmungen gestützt, sondern als Anknüpfungstatsachen die Angaben der vernommenen Zeugen und das erholte Privatgutachten zu Grunde gelegt. Insoweit lagen jedoch ausreichende Anknüpfungstatsachen für den Sachverständigen vor, um hierauf aufbauend entsprechende Schlussfolgerungen zu ziehen:
(III) Der Sachverständige hat zunächst – es handelt sich um eine klassische sachverständige Fragestellung, ob genügend Anknüpfungstatsachen für wissenschaftliche Schlussfolgerungen vorliegen – bejaht, dass ausreichende Erkenntnisse vorliegen. Die Erläuterung des Sachverständigen hierzu ist für den Senat unmittelbar nachvollziehbar.
Der Sachverständige stellt darauf ab, dass bereits mit erheblich feuchtigkeitsbelastenden Putzarbeiten noch Ende 2010 – und damit zu früh – begonnen wurde, obwohl das Dach noch nicht abgedichtet worden war. Entsprechend wurde durch die zum Jahresanfang 2011 erfolgten Abdichtungsmaßnahmen Feuchtigkeit im Dachstuhl „eingesperrt“. Zum anderen lagen ausreichende Hinweise vor, dass die Abdichtung mangelhaft war, so dass auch nach der Abdichtung Feuchtigkeit „von unten nach oben“ in den Dachstuhl gelangt ist.
Diese Schlussfolgerungen sind stimmig und überzeugend. Die Zeugen haben bereits wenige Wochen nach der Errichtung des Dachstuhls eine Extremsituation beschrieben, was die Feuchtigkeitsmenge im Dachstuhl betrifft. Nun kann Feuchtigkeit im Dachstuhl – Löcher in der Außenhülle wurden nicht festgestellt – nach dessen Abdichtung nur zwei theoretische Ursachen haben: Entweder sie war zuvor vorhanden und konnte nicht entweichen; oder die Feuchtigkeit gelangte nach Anbringung der Abdichtungsmaßnahme in den Dachstuhl, da die Abdichtung ungenügend war, nachdem Feuchtigkeit nach oben diffundiert.
(III) In beiden Fällen ist die Beklagte zu 2) verantwortlich, da beide Ursachen zu berücksichtigender Bestandteil ihrer Planungs- und Überwachungspflichten sind.
Es muss sichergestellt werden, dass einerseits bei Abdichtung des Daches keine Feuchtigkeit eingesperrt wird und dass andererseits die Abdichtung ordnungsgemäß ist. Die zwingende Zurechnung zu einem Baumangel des Beklagten zu 1), wie sie das Erstgericht vorgenommen hat, ist zwar nicht zwingend erforderlich, im Hinblick auf die dem Bauvertragsrecht eigene Aufklärungspflicht des Nachunternehmers aber naheliegend. Jedenfalls waren die sachverständigen Schlussfolgerungen aber in Richtung der Beklagten zu 2) zwingend.
III) Eine Fristsetzung war, nachdem der Schaden am Baukörper eingetreten ist, nach ständiger Rechtsprechung entbehrlich, da die von Beklagten zu 2) geschuldete Leistung – Planung und Bauüberwachung – nicht mehr in einer Art und Weise nachgeholt werden kann, dass der Schaden in Wegfall geraten konnte.
III) Der Kläger hat einen Schaden erlitten.
Der Kläger hat gegen die Beklagten zu 1) und 2) jeweils auf das identische Interesse gerichtete Ansprüche, wobei die Beklagten insoweit als Gesamtschuldner haften. Die vom Beklagten zu 1) vorgenommenen Maßnahmen der Mangelbeseitigung (§ 634 Nr. 1, 635 BGB) sind fehlgeschlagen und hatten daher keine Erfüllungswirkung. Die insoweit erhobenen Berufungsrügen gehen fehl.
(III) Soweit das Gericht ein neues Gutachten – hier des Sachverständigen G. – erholt hat und die Berufung rügt, die vom Erstgericht angeführte Rechtsprechung habe eine weitere Beweisaufnahme nicht gerechtfertigt, ist die Rüge unbeachtlich.
Nach § 512 ZPO sind unanfechtbare Vorentscheidungen nicht Gegenstand des Berufungsverfahren. Für die Anordnung eines neuen Gutachtens greift § 355 Abs. 2 ZPO. Ob das Erstgericht nun die Entscheidung des BGH missverstanden und daher zu Unrecht eine erneute Begutachtung hat vornehmen lassen, ist irrelevant und die Ausführungen der Berufung an dieser Stelle gehen ins Leere.
(III) Soweit die Berufung rügt, das Gericht habe die ersten gerichtlichen Gutachten, die ein konträres Ergebnis ermittelt haben, „weitgehend missachtet“, folgt der Senat dem nicht.
Anknüpfungspunkt für die Rüge in konsequenter Fortsetzung des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 ZPO („muss enthalten“) ist die Bestimmung des § 529 Abs. Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Die Berufung hat es aber versäumt, konkrete Anhaltspunkte aufzuzeigen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der gerichtlichen Feststellungen begründen:
[1]
So wiederholt die Berufung überwiegend die Ergebnisse der ersten gerichtlichen Gutachten, die ihre Auffassung stützen und rügt, das Erstgericht habe sich hiermit nicht auseinandergesetzt. Weiter wird – völlig aus dem Zusammenhang – ein einzelnes Zitat aus dem zuletzt erholten Gutachten angeführt.
Diese Rüge begründet keine Anhaltspunkte für Zweifel an den erstinstanzlichen Feststellungen. Das Landgericht hat sich auf annähernd vier Seiten – S. 18 ff. – mit der Frage auseinandergesetzt, welches Gutachten warum für die richterliche Überzeugungsbildung maßgeblich war und hierbei die Gutachtensergebnisse gegenübergestellt, abgewogen und herausgearbeitet, warum die späteren Feststellungen plausibler waren.
[2]
Die Berufung versäumt es nun fast vollständig, sich mit den Ergebnissen des späteren Gutachtens zu befassen.
So wird gerügt (Berufungsschrift S. 10), der Sachverständige habe in seinem Gutachten fachlich fehlerhaft unterstellt, dass es schimmelpilzsporenfreies Holz nicht gäbe, da er die Formulierung „mit Ausnahme der üblicherweise vorhandenen Schimmelpilzsporenbelastung“ verwendet.
Das ist aus Sicht des Senats nicht verständlich, weil der Sachverständige genau die Aussage trifft, die die Beklagte zu 2) als maßgeblich erachtet, nämlich, dass es schimmelpilzsporenfreies Holz nicht gibt. Im Übrigen – und hier wird deutlich, dass sich die Berufung weder mit der gerichtlichen Beweiswürdigung, noch mit der neuerlichen Begutachtung auseinandersetzt – hat der spätere Gutachter auf S. 4 darauf hingewiesen, dass die mikrobiologischen Untersuchungen zu Schimmelpilzen nicht in sein Fachgebiet fallen. Daher habe er, nach Rücksprache, den öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Dr. B. unterbeauftragt und dessen Ergebnisse zu Grunde gelegt. Eigene Einschätzungen erfolgten insoweit nicht.
Vor diesem Hintergrund können die Berufungsrügen gegen die angeblich fehlerhaften Feststellungen des Sachverständigen G. bereits nicht greifen und sind daher nicht geeignet, Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen zu begründen.
(III) Soweit die Berufung – eine ausreichend deutliche Rüge fehlt insoweit – eine Verletzung des § 286 ZPO rügt (§ 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO) und möglicherweise meint, Fehler der gerichtlichen Beweiswürdigung seien Anhaltspunkte i.S.d. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu zweifeln, folgt der Senat dem nicht.
Wie oben ausgeführt, hat das Erstgericht – anders als die Berufung – sich intensiv mit allen vorliegenden Gutachten befasst und diese gegeneinander abgewogen. So hat sich das Erstgericht den Schlussfolgerungen des Sachverständigen angeschlossen und begründet, warum dessen Wertungen überzeugender sind, als die zuvor erfolgten Feststellungen. Hiermit setzt sich die Berufung nicht auseinander, sondern hält dem Gutachten schlicht die zuvor ermittelten Ergebnisse entgegen. Das genügt nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO.
(III) Der Senat, der frei in der rechtlichen Bewertung ist (§ 529 Abs. 2 S. 2 ZPO) und daher eine eigene Beweiswürdigung vorzunehmen hat, kommt zu dem identischen Ergebnis wie die erste Instanz und auch die eigene Beweiswürdigung begründet keine Anhaltspunkte für Zweifel (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Der mikrobiologische Sachverständige Dr. B. hat sich in Ziff. 5 intensiv mit den Ergebnissen des Vorgutachters befasst und hierbei u. a. zwei gravierende fachliche Fehler ermittelt:
[1]
So hätte der zunächst beauftragte Sachverständige N. festgestellt, dass „Bläuepilze“ unkritisch wären, weil sie beim Holzwachstum durch Insekten verursacht werden und dem Holz immanent anhafteten. Der Sachverständige Dr. B. hat demgegenüber herausgearbeitet, dass es drei unterschiedliche Ursachen für den Ursprung von Bläuebefall gibt: Stammholzbläue, Schnittholzbläue und tertiäre Bläue. Das ist unmittelbar verständlich, wird vom Sachverständigen wissenschaftlich belegt und diese – entscheidenden – Differenzierungen fehlen bei dem ersten gerichtlichen Gutachten vollständig. Diese Zuordnung ist aber, was die weiteren Konsequenzen angeht, erheblich, da nur die Stammholzbläue im Holz „eingesperrt“ ist, wie sie vom Erstgutachter beschrieben wird. Im vorliegenden Fall liegt aber keine Stammholzbläue vor, so dass bereits vor diesem Hintergrund das Vorgutachten entkräftet wurde und den wissenschaftlichen Schlussfolgerungen die erforderliche Grundlage fehlt.
[2]
Der zweite fachliche Fehler, den der Sachverständige Dr. B. ermittelt hat, war die fehlende Feststellung zur vorhandenen Konzentration der Schadensschimmelpilze.
Bei dem untersuchten Holz lägen Maximalwerte von 6,4 Millionen vor, die extrem über der natürlichen Hintergrundbelastung lägen. Hierauf aufbauend ergäben sich zwingende Divergenzen.
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Die ermittelten fachlichen Fehler entkräften zur Überzeugung des Senats das zunächst erholte Gutachten.
Wie der Sachverständige Dr. B. in seiner abschließenden Bewertung plausibel begründet hat, wurden Schadensschimmelpilze in der Mehrheit der Hölzer weit über der normalen Hintergrundbelastung festgestellt. Der Schimmelbefall hätte ein erhebliches Problempotential, u. a. da dies ein typischer Feuchtigkeitsindikator wäre und die Anfälligkeit des Holzes erhöht. Diese Schimmelpilzbelastung hätte die Ursache in der unzureichenden Sanierung im Jahr 2011, was aus der identischen Pilzgattung und der vorhandenen „Antipilzlösung“ folgt. Die Pilze liegen in lebender und vermehrungsfähiger Konzentration vor, weshalb weitere Schäden drohen. Alles in allem – der Senat verweist an dieser Stelle auf das insgesamt überzeugende Gutachten – bestehen für den Senat keine Zweifel an den Mangelfeststellungen des Sachverständigen Dr. B.
Hiermit setzt sich die Berufung nicht auseinander.
III. Das Erstgericht hat zutreffend den Schaden ermittelt und die Berufung setzt sich erneut nicht genügend mit den Urteilsfeststellungen auseinander und behauptet insoweit, die geänderte Rechtsprechung des BGH zum sogenannten fiktiven Schaden sei nicht berücksichtigt worden.
III) So hat das Erstgericht ausgeführt (Urteil S. 22), der Vermögensschaden ergäbe sich aus der anzustellenden bilanziellen Betrachtung.
Genau dieser Ansatz entspricht der angeblich nicht beachteten Rechtsprechung. Sodann verweist das Erstgericht darauf, dass diese Vermögensbilanz, d. h. der merkantile Minderwert, sachverständig beraten ermittelt wurde; hierfür sei durch den Sachverständigen G. – so wie es nach der Rechtsprechung erforderlich ist – der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige B. hinzugezogen worden. Dieser hat nun ermittelt, dass im vorliegenden Fall ausnahmsweise der merkantile Minderwert den Beseitigungskosten entspricht. Das Erstgericht ist der Begründung gefolgt und hat in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass diese Feststellungen im Hinblick u. a. auf die Individualität des Objekts und der Marktsituation überzeugend sei.
Hiermit setzt sich die Berufung nicht ausreichend auseinander und meint, eine entsprechende Tatsachengrundlage bestünde nicht.
III) Der Senat folgt dem nicht.
Der Sachverständige hat die Tatsachengrundlage umfassend dargelegt.
III) Bei der zu begutachtenden Immobilie handelt es sich um ein Millionenobjekt, das ohne ausreichende Verkehrsanbindung nach M. in ländlicher Umgebung liegt; die Wohnfläche mit 410 Quadratmetern im Erd- und Obergeschoss und weiteren 620 Quadratmetern im Dachgeschoss ist ungewöhnlich. Das Objekt hat unmittelbaren Seezugang. Vor diesem Hintergrund war – das ist Aufgabe des Sachverständigen – der Marktwert zu ermitteln. Der Sachverständige kommt nun zum Ergebnis, dass die Nachfrage, d. h. der potentielle Käuferkreis eines etwa Viermillionenobjekts konkurriert mit vergleichbaren Objekten am T., S. oder K.. Die Erwerber erwarten an dieser Stelle entweder ein technisch einwandfreies Objekt oder eine Sanierungsimmobilie. Bei einem – wie hier vorliegenden – erheblich und gravierend mangelhaften Objekt existiert einfach kein Vergleichsmarkt. Im Gegenteil: Aufgrund des tatsächlichen Überangebots lassen die Käufer, so die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, die Objekte zuvor begutachten. Soweit die Begutachtung Mängel ergibt, werden diese vom Kaufpreis in Abzug gebracht und die Verkäufer müssen sich dem beugen, so dass der Verkehrswert sich um die Mangelbeseitigungskosten reduziert.
III) Die Gleichsetzung – die Mangelbeseitigungskosten entsprechen dem merkantilen Minderwert – beruht daher auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Dem Senat erschließt sich auch nicht, was der Sachverständige hätte anderes ermitteln können bzw. sollen.
Es gibt aufgrund der Besonderheiten des Objekts keinen Markt für „einwandfreie …seevillen in Millionenhöhe“ und “ …seevillen mit sanierungsbedürftigem Dach in Millionenhöhe“. Jede Minderungsschätzung eines Sachverständigen wäre – gibt es keine vergleichbaren Kauffälle – eine Schätzung ins Blaue, ohne irgendwelche geeigneten Anknüpfungstatsachen als Erfahrungswerte. Genau das hat der Sachverständige plausibel erarbeitet, indem die Situation im vorliegenden Fall verglichen wurde mit klassischen Veräußerungsfällen, wie beispielsweise einem Einfamilienhaus im Einzugsgebiet von M.. Insoweit existiert umfangreicher Markt, Häuser werden in unterschiedlichsten Zuständen verkauft und daher kann ein Immobiliensachverständiger plausibel ermitteln, welcher Immobiliendefekt zu welcher Kaufpreisminderung führt. Diese Minderungsschätzungen haben ihre Grundlage in einer Bewertung zahlreicher Vergleichskauffälle, bei denen ausgehend von Defekten eine ausreichende Prognosegrundlage existiert. Daran mangelt es vorliegend offensichtlich.
III) Aus Sicht des Senats sprechen noch zwei gewichtige Indizien für die sachverständige Einschätzung.
Im Bereich von Immobilienkäufen ist – ähnlich den „Unfallfahrzeugen“ bei gebrauchten Pkws – ein vorhandener Schimmelbefall Indiz für ein Feuchtigkeitsproblem und ein Feuchtigkeitsschaden gilt als Systemmangel. Zum anderen ist ein sanierungsbedürftiges Dach ein klassischer Funktionsmangel.
Beide Mängel sind nicht im Ansatz mit den Mängeln vergleichbar, die der BGH als Anlass seiner Rechtsprechungsänderung aufgegriffen und hierbei zu Recht eine Störung des Integritätsinteresses ermittelt hat. So lagen der Rechtsprechung des BGH jeweils – das ist die dem Werkvertragsrecht eigene Problematik von Gewerken und Folgegewerken – Mängel zugrunde, bei denen die Mangelbeseitigungskosten erheblich waren, die Mängel aber zu nur einer erheblich geringeren Werteinbuße geführt haben.
Vor diesem Hintergrund ist die Wertung des Sachverständigen als – was die geänderte Rechtsprechung fordert – Sachverständiger für Immobilienbewertung ohne weiteres nachvollziehbar, dass bei einem atypischen Objekt quasi ohne Markt die Kaufpreisminderung die Mangelbeseitigungskosten erreichen kann. Ein Verstoß gegen die geänderte Rechtsprechung liegt hierin jedenfalls dann nicht, wenn die Kaufpreisminderung nur auf die Art und Weise ermittelbar ist, wie dies im vorliegenden Fall erfolgt ist.
III) Der in der Berufung gerügte Verfahrensfehler, wenn ein solcher überhaupt vorliegt, wurde durch die erfolgte Akteneinsicht geheilt.
Der Sachverständige hat aber bereits plausibel gemacht, dass es sich um interne Notizen auf dem Weg zur sachverständigen Einschätzung handelt. Das ist verständlich, da die Notizen Grundlage waren, um die Marktzuordnung des Objekts vorzunehmen. Angreifbare Rückschlüsse zeigt die Berufung nicht auf.
III. Ein Mitverschulden (§ 254 BGB) ist nicht zu berücksichtigen.
Der Sachverständige hat nachvollziehbar (s. o.) zwei primäre Ursachen für die extreme Feuchtigkeitssituation und damit der späteren Schimmelbildung ermittelt: Das Einsperren der Feuchte im Dachstuhl durch Anbringung der Dampfsperre und die mangelhaft errichtete Dampfsperre. Insoweit trifft den Kläger ersichtlich keine Verantwortung. Dass Feuchtigkeit im Dachstuhl eingesperrt wurde ist ein gravierender Überwachungsfehler und ob das Ausmaß der eingesperrten Feuchtigkeit teilweise auf ein falsches Lüftungsverhalten zurückgeführt werden kann, ist insoweit nicht von Relevanz. Die Beklagte zu 2) hätte sich versichern müssen, ob der Feuchtigkeitszustand im Dachstuhl entsprechende Abdichtungsarbeiten erlaubt. Erst dann hätte mit der Abdichtung begonnenen werden dürfen, d. h. das Lüftungsverhalten war nicht mehr kausal. Unterstellt der Dachstuhl wäre vollständig abgedichtet worden, hätte das Lüftungsverhalten keinen erheblichen Einfluss auf den Dachstuhl (wohl aber auf den darunter liegenden Wohnbereich). Hinzu kommt, dass die Beklagte zu 2) die Beweislast dafür trägt, dass ein entsprechendes Fehlverhalten gegeben ist, was streitig ist. Das einzig in Betracht kommende Indiz für ein Fehlverhalten – die Feuchtigkeit im Dachstuhl – scheidet aus, da insoweit der Sachverständige die Ursachen hierfür ermittelt hat.
III. Der Schadensumfang ist nicht zu beanstanden.
Die Beklagte zu 2) wendet insoweit ein, dass die Schätzung zu hoch gegriffen sei und – entsprechende Anstrengungen und Witterungsverhältnisse unterstellt – der Dachstuhl mit geringerem Kostenaufwand errichtet werden könne. Der Sachverständige habe zu Unrecht Einheitswerte angesetzt.
Der Senat folgt dem insgesamt nicht. Der Sachverständige hat deutlich gemacht, dass nur ein Komplettaustausch in Frage kommt und diesen Umstand mit der dem Schimmel eigenen und innewohnenden Gefahr begründet und mit wissenschaftlichen Erkenntnissen belegt. Auch der Verlauf dieses Verfahrens stützt die Einschätzung des Sachverständigen, da trotz intensiver Maßnahmen die Schimmelproblematik nicht gelöst wurde.
Die Kostenschätzung des Sachverständigen ist nachvollziehbar. So wurde die Berechnung offengelegt und die einzelnen Kostenpositionen wurden nachvollziehbar aufgelistet und entsprechenden Gewerken zugeordnet. Der Senat kann die Kosten nachvollziehen, da die anfallenden Arbeiten präzise ermittelt und Gewerken (Zimmerer, Trockenbauer und Spenglerarbeiten) zugeordnet wurden. Allein im Bereich der Zimmererarbeiten – hier setzt der Sachverständige etwa 120 Tausend Euro an – erarbeitete der Sachverständige sechzehn Unterpositionen und sowohl die Arbeiten als auch der Berechnungsschlüssel wurden aufgeführt sind. Die Unterpositionen belaufen sich vielfach auf „niedrige“ vierstellige Beträge, der mathematische Rundungseinfluss wird herausgearbeitet und die Gesamtkosten sind unschwer kontrollierbar.
III) Dass die Sanierung (erheblich) kostenintensiver ist als die Neuerrichtung entspricht der klassischen Erfahrung im Bausegment und ist dem Senat als Fachsenat bekannt.
Bei der Neuerrichtung entfallen die Demontagearbeiten und die Anschlüsse der unterschiedlichen Gewerke sind, da im Wachstum befindlich, regelmäßig einfacher zu bewerkstelligen. Naturgemäß ist ferner das Betreiben einer Baustelle viel unproblematischer, wenn noch keine Wohnsituation vorherrscht und daher entsprechende Vorsichts- und Schutzmaßnahmen zu ergreifen sind und genau das beschreibt der Sachverständige, wenn in den Kosten eine sukzessive Dachsanierung zu Grunde gelegt wird, die von entsprechenden Abdichtungsmaßnahmen zu begleiten ist.
III) Ob – quasi in einer „Hauruckaktion“ wie die Beklagte zu 2 meint – vier Mann in vier Wochen bei günstigen Witterungsverhältnissen den Dachstuhl theoretisch errichten können, ist insoweit unbeachtlich.
Aufgabe des Sachverständigen ist es, den zu erwartenden Preis zu ermitteln, der bei den Sanierungsarbeiten des Dachstuhls voraussichtlich anfallen wird. Bei der Sanierung eines Dachstuhls als Werkvertrag wird vom Unternehmer ein Erfolg versprochen, ein verständiger Unternehmer berücksichtigt bei seiner Preiskalkulation das ihn treffende Wetterrisiko und er wird daher entsprechende Abdichtungsmaßnahmen zum Bestandteil seiner Preiskalkulation machen.
III) Soweit die Beklagte zu 2) rügt, der Sachverständige sei ihren Fragen ausgewichen, wie lange die Arbeiten dauern würden, wenn Witterungsverhältnisse nicht berücksichtigt werden, ist dieser Einwand kein konkreter Anhaltspunkt für Zweifel (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Wie oben dargelegt, ist es Aufgabe des Sachverständigen zu ermitteln, welche Preiskalkulation ein verständiger Unternehmer zu Grunde legen wird und dieser wird nicht das Witterungsrisiko übernehmen. Die Rüge ist daher insgesamt verfehlt.
Gleiches gilt im Hinblick auf den angeblichen „Makel“, dass der Sachverständige mit Einheitspreisen rechnet. Die zu beurteilende Sanierung ist eine hoch individuelle Werkleistung und ein verständiger Unternehmer wird zunächst ermitteln, welche Einzelarbeiten erforderlich und welches Material benötigt wird. Genau das hat der Sachverständige erarbeitet. Dann erfolgt die Preisfestsetzung. Welche anderen Informationen als Kalkulationsgrundlage dienen sollen, als die vom Sachverständigen verwendeten Einheitspreise – typischerweise spiegelt sich in dem zu bearbeitenden Material die benötigte Arbeitszeit – ist für den Senat nicht ersichtlich. Bezeichnenderweise hatte die Beklagte zu 2) im Rahmen der Anhörung keine einzige Position und keinen einzigen Betrag in Frage gestellt, sondern allein die Höhe der Gesamtkosten angezweifelt und immer wieder Dauer und Schutzmaßnahmen gegen Witterungseinflüsse thematisiert, was – s. o. – unbehelflich ist. Der Einwand ist so nicht verständlich.
III. Der Anspruch ist durchsetzbar, da die Einrede der Verjährung (§ 214 BGB) nicht greift.
Die Berufung rügt zwar grundsätzlich zutreffend, dass ein Rückgriff auf § 213 BGB methodisch nicht einschlägig ist; der Rechtsfehler ist aber nicht erheblich (§ 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO):
Der Kläger hat Klage auf Schadensersatz statt der Leistung erhoben, nicht aber eine – so versteht der Senat die Berufungsrüge – offene oder verstecke Teilklage. Ausweislich des Petitums und des zur Rechtfertigung vorgetragenen Lebenssachverhalt wurde der vollständige Schaden geltend gemacht. Die Betragsänderung trägt dem Wandel der Rechtsprechung Rechnung, wonach im Werkvertragsrecht nicht mehr die Möglichkeit besteht, fiktiv abzurechnen. Vielmehr hat die Rechtsprechung Vorgaben gemacht und ausgeführt, dass das Schadensrecht zum einen das Integritätsinteresse schützt – das ist der merkantile Minderwert -, zum anderen aber auch das Äquivalenzinteresse schadensrechtlich zu beachten wäre, was über die zuvor dem Schadensrecht fremde Rechtsfigur des schadensrechtlichen Vorschusses erreicht wird. Beides ist aber Bestandteil des „Schadens“ im Sinne der §§ 249 ff. BGB und nach ständiger Rechtsprechung stellt eine Änderung der Schadensberechnung keine Klageänderung dar. Der Streitgegenstand bleibt – auch bei unterschiedlichen Beträgen – identisch und die Verjährung als prozessuale Bestimmung im BGB orientiert sich am prozessualen Streitgegenstandsbegriff.
Ein anderes Ergebnis ließe sich auch nicht begründen. Ein Geschädigter, der die Immobilienminderung ohne sachverständigen Hilfe nicht beziffern kann, könne kaum agieren: Er kann nur Klage erheben und sich hierbei an einer entsprechenden Schätzung orientieren. Ergibt dann eine gerichtliche Überprüfung, dass die Schätzung zu niedrig ist, kann er jederzeit den Antrag anpassen. Die Verjährungsvorschriften als besondere Ausprägung von Treu und Glauben enthalten die Wertung, dass das Vertrauen des Schuldners schützenswert ist, wenn der Gläubiger in der Verjährungszeit (Zeitmoment) untätig bleibt und keine Anstrengungen unternimmt, seine Forderung zu realisieren (Umstandsmoment). Der Kläger hat im vorliegenden Fall unproblematisch rechtzeitig mit seiner Klage zum Ausdruck gebracht, dass er von den Beklagten vollständigen Ersatz seines Schadens begehrt. Wie sich hierbei ein „schützenswertes“ Vertrauen bilden kann, ist für den Senat nicht verständlich.
IV. Der Senat geht bezüglich der zu Recht angegriffenen Zinsentscheidung (Berufungsbegründung Seite 27) davon aus, dass der Kläger insoweit seine Klage zurücknimmt bzw. auf den Zinsanspruch verzichtet und diese Erklärung bis zum 12.03.2020 abgibt.
V. Sodann wird empfohlen, vorsorglich der Teilklagerücknahme zuzustimmen und die Berufung aus Kostengründen bis zum 25.03.2020 zurückzunehmen.
Andernfalls kann bis zu diesem Termin zu diesem Hinweis Stellung genommen werden.