Architektenhaftung und Anscheinsbeweis: Ein Blick auf mangelhafte Bauüberwachung
Beim Baurecht handelt es sich um ein komplexes Feld, in dem oft die Frage der Verantwortung im Mittelpunkt steht. Im vorliegenden Fall geht es um die Haftung eines Architekten und den Anscheinsbeweis bei einer mutmaßlich mangelhaften Bauüberwachung.
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Übersicht
Kontroverse um mangelhafte Bauüberwachung
Der Beklagte, ein Architekt, wurde beschuldigt, eine mangelhafte Bauüberwachung durchgeführt zu haben, die zu Farbablösungen an Fenstern führte. Er verteidigte sich, indem er behauptete, sowohl seine Planungs- als auch seine Bauüberwachungsleistungen seien einwandfrei gewesen. Er argumentierte, dass er den Einbau der Fenster überwacht und insbesondere die Abdichtungen überprüft habe. Es wurde auch die Möglichkeit einer fehlerhaften Beschichtung der Fenster mit ungeeignetem Lack in Erwägung gezogen.
Beweisaufnahme und Sachverständigengutachten
Das Landgericht zog zur Beweiserhebung verschiedene Akten und Sachverständigengutachten heran. Es wurde festgestellt, dass kein Anspruch auf Schadensersatz wegen mangelhaft erbrachter Architektenleistungen bestehe. Die Klägerin müsse nachweisen, dass der Architekt einen Planungs- oder Überwachungsfehler begangen habe, der zu den schadhaften Fenstern geführt hat. Es wurde argumentiert, dass kein typisches Mangelbild vorliege, das auf eine schlechte Leistung des Architekten hinweisen würde.
Anscheinsbeweis und seine Grenzen
Ein zentrales Thema war der Anscheinsbeweis. Dieser setzt voraus, dass bestimmte Handlungsabläufe mit hoher Wahrscheinlichkeit zutreffend sind. Im vorliegenden Fall wurde argumentiert, dass kein typischer Geschehensablauf vorliege, der auf einen Mangel in der Architektenleistung hinweisen würde. Es wurde festgestellt, dass die Fenster zwar Mängel aufwiesen, aber nicht eindeutig festgestellt werden konnte, ob diese auf eine mangelhafte Bauüberwachung oder auf andere Ursachen zurückzuführen waren.
Schlussbetrachtungen und Urteilsfindung
Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Klägerin nicht nachweisen konnte, dass der Architekt seine Bauüberwachungspflichten verletzt hat. Es wurde betont, dass erhöhte Anforderungen an die Bauüberwachungspflicht eines Architekten erst dann gelten, wenn konkrete Anhaltspunkte für Mängel vorliegen. Das Gericht stützte sich auch auf die Ausführungen des Sachverständigen, der die Ursache der Mängel an den Fenstern nicht eindeutig bestimmen konnte.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 12 U 162/19 – Urteil vom 25.03.2020
Die Berufung der Klägerin gegen das Teilurteil des Landgerichts Lübeck vom 14.08.2019, Az. 3 O 206/16, wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zu 1. vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Lübeck ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche wegen von der Klägerin behaupteten Planungs- und Überwachungsfehlern des Beklagten zu 1. als Projektsteuerer.
Die Klägerin plante, ein Büro mit Produktionshalle bauen zu lassen.
Hierzu schlossen die Klägerin und der Beklagte zu 1. am 25.08.2009 einen Projektsteuerungsvertrag. Dieser lautet in Auszügen wie folgt:
„1. Vertragsgegenstand
Gegenstand dieses Vertrages sind die in Ziffer 3 bezeichneten Projektsteuerungsleistungen für das Bauvorhaben des AG in S..
2. …
3. Leistungen des AN
3.1 Der AG überträgt dem AN die Leistungen der Projektsteuerung gemäß folgender Definition
1. Gemäß Leistungsangebot vom 03.08.2009
3.2 …“
Hinsichtlich der weiteren Inhalte wird auf den zur Akte gereichten Projektsteuerungsvertrag Bezug genommen (Anlage K1, Bl. 10 ff. d.A.).
Nach dem Leistungsangebot 1260.09 vom 03.08.2009 (Anlage K1, Bl. 13 d.A.) war der Beklagte zu 1. unter der Überschrift „schlüsselfertige Realisierung des oben genannten Objekts“, d.h. eines „Neubaus eines Büros mit Produktionshalle“, zu den nachfolgenden Tätigkeiten verpflichtet:
- Grundlagenermittlung/Vorplanung/Entwurfsplanung, PHPP,
- Erstellung der Statik, Positionspläne und Schall- und Bewährungspläne,
- Genehmigungsplanung/Ausführungsplanung/Konzeption, Abstimmung mit der Baubehörde usw.,
- Vorbereitung und Mitwirkung bei der Vergabe, zertifizierte Kostenermittlung,
- Bauleitung für eine schlüsselfertige Erstellung,
- Dokumentation und Gewährleistungsmanagement.
Im Dezember 2009 schloss die Klägerin mit der Beklagten zu 2., einem Fenster- und Türenbetrieb, sodann einen VOB – Bauvertrag über die Ausführung von Außenfenstern und Türen in der sog. „Passivhauskonstruktion“ für das oben bezeichnete Objekt (s. zu den Einzelheiten Anlage K2, Bl. 14ff. d.A.).
In der Folgezeit wurde das streitgegenständliche Objekt errichtet. Die Wände wurden dabei aus Porenbeton erstellt. Die streitgegenständlichen Fenster wurden im März 2010 hergestellt und im Mai 2010 montiert.
Im Verlauf des Spätsommers 2010 bezog die Klägerin das fertiggestellte Objekt.
Im Jahr 2011 stellte die Klägerin fest, dass sich Mängel an den eingebauten Fenstern zeigten, beginnend im Obergeschoss. Insbesondere auf den Rahmen der lackierten Holzfenster zeichneten sich sowohl innen als auch außen großflächig deutliche Blasenbildungen ab. Zudem blätterte die aufgebrachte Farbe großflächig ab.
Die Klägerin rügte die Mängel mit Schreiben vom 27.12.2011 gegenüber dem Beklagten zu 1. Der Beklagte zu 1. rügte die Mängel sodann unter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung gegenüber der Beklagten zu 2.
Im Jahre 2015 waren 30 von 36 Fenstern derart schadhaft, dass sie komplett überarbeitet werden müssen. Feuchtigkeitsbedingte Schäden an anderen Bauteilen des streitgegenständlichen Objektes sind bislang nicht aufgetreten. Auch Schimmelpilzbelastungen liegen nicht vor.
Die Klägerin beabsichtigt, die Ausbesserung der schadhaften Fenster in Auftrag zu geben. Hierdurch würden ihr voraussichtlich Kosten in Höhe von 19.987,50 € entstehen, für die sie mit ihrer Klage einen Vorschuss verlangt.
Der Klägerin sind zudem außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 984,60 € entstanden.
Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, dass die von dem Beklagten zu 1. gewählte Bauweise nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspreche. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf die Verbindung von Porenbetonwänden, Wärmedämmverbundsystem und Holzfenstern. Das aufgetretene Schadensbild hänge mit einer fehlerhaften Beschichtung der gelieferten Fenster mit ungeeignetem Lack, mit von vornherein im Holz befindlicher Feuchtigkeit und/oder mit weiterem Eintrag von Restbaufeuchte durch Wasserdampfdiffusion („Waschküchenklima“) aus dem Mauerwerk zusammen. Zur Behebung der Mängel entstünden Kosten in Höhe von 19.987,50 € (s. Kostenvoranschläge Anlage K5, Bl. 28 f. d.A.).
Erstinstanzlich hat die Klägerin beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von netto 19.987,50 € nebst 9 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 11.06.2016 an die Klägerin zu verurteilen,
2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin jedweden weiteren Schaden im Zusammenhang mit der Nachbesserung der im selbständigen Beweisverfahren vor dem Landgericht Lübeck, Az. 3 OH 19/12, festgestellten Mängel zu ersetzen,
3. den Beklagten als Gesamtschuldnern die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens vor dem Landgericht Lübeck, Az. 3 OH 19/12, aufzuerlegen,
4. die Beklagten als Gesamtschuldner zur Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von netto 984,60 € nebst 9 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu verurteilen.
Der Beklagte zu 1. hat erstinstanzlich beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat bestritten, dass Restbaufeuchte in die Fenster eingedrungen und ursächlich für die Farbablösungen gewesen sei. Außerdem hat er behauptet, sowohl seine Planungsleistungen als auch seine Bauüberwachungsleistungen mangelfrei erbracht zu haben. Er habe den Einbau der Fenster im Rahmen seiner regelmäßigen Anwesenheit auf der Baustelle überwacht. Insbesondere habe er die Ausführung der Abdichtungen überprüft. Das aufgetretene Schadensbild hänge mit der Verwendung einer ungeeigneten Folie zum Schutz der Fensterrahmen durch die Beklagte zu 2. zusammen, welche die im Holz enthaltene Feuchtigkeit nicht entweichen lasse, möglicherweise auch mit einer fehlerhaften Beschichtung der gelieferten Fenster mit ungeeignetem Lack.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung der Akten des selbstständigen Beweisverfahrens 3 OH 19/12, insbesondere der dort enthaltenen schriftlichen Sachverständigengutachten sowie des dortigen Vernehmungsprotokolls des Sachverständigen. Des Weiteren hat das Landgericht ein zusätzliches ergänzendes Sachverständigengutachten eingeholt und den Sachverständigen in der Sitzung vom 12.12.2017 persönlich zu seinen Gutachten gehört. Hinsichtlich der Ergebnisse der Beweisaufnahme vor dem Landgericht wird auf das Gutachten vom 30.05.2017 sowie das Protokoll vom 12.12.2017 (Blatt 214ff. d. A.) Bezug genommen.
Nachdem über das Vermögen der Beklagten zu 2. das Insolvenzverfahren eröffnet worden war (s. Beschluss Bl. 270 ff. d.A.), hat das Landgericht mit Zustimmung der Parteien das schriftliche Verfahren angeordnet und im Rahmen eines Teilurteils die Klage gegen den Beklagten zu 1. abgewiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass der Erlass eines Teilurteils zulässig sei. Zwar dürfe grundsätzlich ein Teilurteil nur dann ergehen, wenn es von der Entscheidung über den Rest des geltend gemachten prozessualen Anspruchs unabhängig sei, sodass keine Gefahr einander widersprechender Entscheidungen bestehe. Dies gelte auch dann, wenn – wie hier – die Klage über einen Anspruch gegen mehrere Personen erhoben werde. Diese Grundsätze fänden jedoch keine Anwendung, wenn die Anspruchsgegner einfache Streitgenossen seien und über das Vermögen eines von ihnen das Insolvenzverfahren eröffnet und deshalb gemäß § 240 ZPO das Verfahren insoweit unterbrochen sei. In einer derartigen Situation trete das Verbot eines Teilurteils hinter das Gebot einer effektiven Streitentscheidung im Hinblick auf den nicht unterbrochenen Teil des Rechtsstreits zurück. Das Gericht hat sodann ausgeführt, dass keine notwendige Streitgenossenschaft im Sinne des § 62 ZPO vorliege, da mehrere als Gesamtschuldner verklagte Anspruchsgegner regelmäßig nur als einfache Streitgenossen anzusehen seien.
Die Klage gegen den Beklagten zu 1. hat das Landgericht für unbegründet erachtet. Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen mangelhaft erbrachter Architektenleistungen bestehe nicht. Nach den allgemein geltenden prozessualen Bestimmungen obliege es der Klägerin, konkret darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, worin der dem Architekten vorgeworfene Planungs- oder Überwachungsfehler liege und aus welchen Gründen der Architekt für einen Baumangel – hier die schadhaften Fenster – verantwortlich sei. Es gebe auch keinen Anlass, Darlegungs- und Beweiserleichterungen zugunsten der Klägerin anzunehmen. Die Voraussetzungen für einen Anscheinsbeweis lägen nicht vor. In dem hier vorliegenden Fall könne nicht von einem typischen Mangelbild ausgegangen werden, das Rückschlüsse auf eine Schlechtleistung des Architekten zulasse. Vielmehr sei mit allen gängigen Erklärungsmustern nicht begründbar, welche Planungs- oder Überwachungsfehler der Beklagte zu 1. begangen haben solle, die sodann nach dem typischen Lauf der Dinge zu einem derartigen Schadensbild geführt hätten. Hierzu habe der Sachverständige ausgeführt, dass es sich seines Erachtens um eine sehr ungewöhnliche Problematik handele. Nach dem hier vorliegenden Schadensbild müsse sich der Anscheinsbeweis eher gegen den Fensterbauer richten, wonach die Vermutung bestehe, dass der Schaden ausschließlich aus dessen Verantwortungsbereich, nämlich im Hinblick auf die Herstellung der Beschichtung im Fenster, resultiere. Den Planungs- oder Bauaufsichtspflichten eines Architekten lasse sich hingegen die Herstellung der Beschichtung von Fenstern regelmäßig nicht zuordnen. Ein substantiierter Vortrag der Klägerin, welche Fehler bei der Bauüberwachung passiert seien, liege nicht vor. Aus dem Vortrag der Klägerin werde nicht klar, welche konkreten Maßnahmen der Beklagte zu 1. im Rahmen seiner Bauüberwachung unterlassen haben solle. Da die Fenster unstreitig zunächst mangelsymptomfrei geliefert und eingebaut worden seien, erschließe sich nicht, was der Beklagte zu 1. im Zuge der Bauüberwachung konkret hätte unternehmen sollen, um den später auftretenden Schaden zu vermeiden. Ohne konkrete Anhaltspunkte schulde der Beklagte zu 1. insbesondere keine vorbeugende labormäßige Untersuchung der verwendeten Lackierung. Es liege auch kein substantiierter klägerischer Vortrag im Hinblick auf eine angeblich mangelhafte Bauplanung vor. Hierzu habe die Klägerin behauptet, mängelursächlich sei die von dem Beklagten zu 1. so geplante, letztlich aber ungeeignete Verbindung von Porenbetonwänden, dem eingesetzten Wärmedämmverbundsystem und den verwendeten Holzfenstern, welche an den Anschlussstellen zu einem „Waschküchenklima“ geführt habe. Diese vom Beklagten zu 1. zulässigerweise bestrittene Behauptung sei sowohl im Hinblick auf die angebliche Untauglichkeit der Materialverbindung als auch im Hinblick auf die mögliche Ursächlichkeit dieser Verbindung für die Mängelerscheinungen an den Fenstern nicht bewiesen oder sogar widerlegt worden. Der Sachverständige habe hierzu ausgeführt, dass er keine Aussage dahingehend treffen könne, dass die eingesetzte Verbindung von Porenbeton mit dem Wärmedämmverbundsystem und Holzfenstern abstrakt untauglich sei. Ein Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik und damit ein Planungsfehler liege nicht vor. Die Beweiserhebung sei auch bezogen auf die Ursächlichkeit der verwendeten Materialverbindungen für die Abplatzungen an den Fenstern nicht ergiebig gewesen. Der Sachverständige habe hierzu ausgeführt, dass er nicht angeben könne, ob die Schäden aus einer fehlerhaften Lackierung oder aber aus Feuchteeintrag aus dem Mauerwerk herrührten. Letztendlich habe der Sachverständige diese Aussage auch noch einmal relativiert und erklärt, dass keine untypische Feuchte aus dem Mauerwerk habe festgestellt werden können. Die Feuchte habe sich in einer Größenordnung bewegt, die jedes mangelfreie Holzfenster habe aushalten müssen. Es könne auch nicht offengelassen werden, ob der Beklagte zu 1. überhaupt eine Pflichtverletzung begangen habe. Ihm werde das Verhalten des Beklagten zu 2. nicht zugerechnet. Dies liefe sonst letztendlich auf eine uferlose Garantiehaftung des Architekten für jedwede vom jeweiligen Bauunternehmer verursachten Baumängel ohne Ansehen des Verantwortungsbereiches des Architekten hinaus.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt.
In ihrer Berufungsbegründung hat sie ausgeführt, dass das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sei, da es wesentliche vom Bundesgerichtshof aufgestellte Grundsätze zur Architekten-/Projektsteuererhaftung verkenne und die Klägerin zudem durch das Landgericht in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt sei, indem es eine in den Gründen als unzureichend angesehene Beweisaufnahme nicht fortgesetzt und rechtlichen Vortrag der Klägerin übergangen habe. Bereits mit der Klage sei unter Bezugnahme auf die Feststellungen im selbstständigen Beweisverfahren substantiiert dazu vorgetragen worden, dass und in welchem Umfang die vom Beklagten zu 1. geschuldeten Leistungen mangelhaft seien. Der Beklagte zu 1. schulde in seiner Eigenschaft sowohl als Architekt als auch als Projektsteuerer die Funktionalität des Bauwerkes. Der Beklagte zu 1. habe schlichtweg keine Fenster bestellt, die von solcher Qualität gewesen seien, dass nicht nach kurzer Zeit die Farbe bereits abblättere. Nicht die Klägerin müsse darlegen und beweisen, dass den Beklagten zu 1. hinsichtlich der unstreitigen Mängelerscheinungen eine Verantwortung treffe, sondern dieser habe sich zu exkulpieren. Die Klägerin sei aus eigener Sachkunde nicht in der Lage, darzulegen und gegebenenfalls Beweis dafür anzubieten, in welcher tatsächlichen und zeitlichen Intensität der Beklagte zu 1. seiner Verpflichtung zur Überprüfung der Fenster bei Anlieferung und zur Überwachung des Einbaus in den Baukörper nachgekommen sei.
Es liege zunächst ein Planungsfehler vor. Sowohl aus dem schriftlichen Gutachten als auch aus der Anhörung des Sachverständigen ergebe sich, dass der Beklagte zu 1. eine riskante Bauweise gewählt habe, die seinerzeit noch nicht über einen längeren Zeitraum in der Praxis bewährt, sondern relativ neu gewesen sei. Aus diesem Grunde hätte der Sachverständige ein besonderes Augenmerk auf den Herstellungsprozess der Fenster richten und sich vergewissern müssen, ob die besondere handwerkliche Sorgfalt auch eingehalten worden sei. Darüber hinaus habe das Landgericht verkannt, dass das Verschulden des Beklagten zu 1. vermutet werde. Der Beklagte zu 1. hätte darlegen müssen, was er unternommen haben wolle, um das Auftreten eines sogenannten Systemfehlers zu verhindern.
Es liege auch ein Überwachungsfehler vor. Gerade weil es sich um eine riskante Bauweise gehandelt habe, treffe den Beklagten zu 1. eine gesteigerte Bauüberwachungspflicht. Der Mangel sei bei Abnahme unstreitig als solcher vorhanden, d.h. zumindest im Werk angelegt gewesen. Darüber hinaus sei der Beklagte zu 1. Projektsteuerer gewesen, was dazu führe, dass er die Bauleitung für eine schlüsselfertige Erstellung übernommen habe, mithin einen eindeutigen werkvertraglichen Erfolg schulde.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 14.08.2019, Az. 3 O 206/16 aufzuheben und wie folgt zu erkennen:
1. Der Beklagte zu 1. wird gesamtschuldnerisch neben der gesondert verfolgen Beklagten zu 2. verurteilt, an die Klägerin einen Vorschuss auf Schadensersatz wegen Kosten der Mängelbeseitigung in Höhe von netto 19.987,50 € nebst 9 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 11.06.2016 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 1. der Klägerin gegenüber gesamtschuldnerisch neben der gesondert verfolgten Beklagten zu 2. verpflichtet ist, ihr jedweden weiteren Schaden im Zusammenhang mit der Nachbesserung der im selbstständigen Beweisverfahren vor dem Landgericht Lübeck, Az. 3 OH 19/12, festgestellten Mängel zu ersetzen.
3. Dem Beklagten zu 1. werden gesamtschuldnerisch neben der gesondert verfolgten Beklagten zu 2. die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens vor dem Landgericht Lübeck, Az. 3 OH 19/12, auferlegt.
4. Der Beklagte zu 1. wird gesamtschuldnerisch neben der gesondert verfolgten Beklagten zu 2. zur Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von netto 984,60 € nebst 9 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin verurteilt.
Der Beklagte zu 1. beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Nach seiner Auffassung hat das Landgericht die Darlegungs- und Beweislastverteilung zutreffend erkannt. Das Landgericht sei dann mit einer nachvollziehbaren und zutreffenden Begründung davon ausgegangen, dass sich aufgrund des streitgegenständlichen Mangels der Fenster (abplatzende Farbbeschichtung) gerade kein typischer Geschehensablauf zeige, der auf einen Mangel der Architektenleistung schließen lasse. Entgegen der Auffassung der Klägerin könne nicht davon ausgegangen werden, dass bereits jeder Mangel in der Leistungserbringung eines ausführenden Unternehmens ausreiche, um einen Anscheinsbeweis für eine mangelhafte Planung oder Bauüberwachung zu begründen. Das Landgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass ein substantiierter Vortrag zu etwaigen Mängeln in der Bauüberwachung nicht vorliege. Dies sei insbesondere vor dem Hintergrund zu betrachten, dass die streitgegenständlichen Fenster unstreitig zunächst mangelsymptomfrei geliefert und eingebaut worden seien. Das Landgericht sei auch zutreffend davon ausgegangen, dass keine mangelhafte Bauplanung seitens des Beklagten zu 1. vorliege. Eine mangelhafte Bauplanung sei nicht bewiesen worden. Vielmehr habe sich im Rechtsstreit gezeigt, dass die Planung mangelfrei sei. Ein Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik liege nicht vor. Auch aus der Verwendung des Begriffes „Projektsteuerungsvertrag“ könne keine verschärfte Haftung des Beklagten hergeleitet werden. Das Landgericht hätte die Beweisaufnahme auch nicht fortsetzen müssen, denn alle zulässigen Beweismöglichkeiten seien ohne Erfolg ausgeschöpft worden.
II.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht Lübeck hat zu Recht ein Teilurteil erlassen und die Klage gegen den Beklagten zu 1. abgewiesen.
1.
Die Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils lagen vor.
Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruches oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Entscheidung reif, so hat das Gericht sie gemäß § 301 Abs. 1 ZPO durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen. Gemäß § 301 Abs. 2 ZPO kann der Erlass eines Teilurteils unterbleiben, wenn es das Gericht nach Lage der Sache nicht für angemessen erachtet. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass die Voraussetzungen zum Erlass eines Teilurteils hier vorlagen.
Zwar bestand aufgrund der Streitgenossenschaft grundsätzlich die Gefahr widerstreitender Entscheidungen (vgl. Elzer in: BeckOK ZPO, 35. Edition, § 301 Rn. 18). Auch wenn es sich bei Gesamtschuldnern nicht um notwendige Streitgenossen handelt, hätte die Gefahr widerstreitender Entscheidungen aufgrund der durchgeführten gemeinsamen Beweisaufnahme gegeben sein können. Ungeachtet fehlender Unabhängigkeit ist ein Teilurteil aber trotzdem dann möglich, wenn – wie hier – ein Fall der Unterbrechung des Verfahrens durch Insolvenz oder Tod eines einfachen Streitgenossen vorliegt (vgl. BGH NJW 2011, 2736; BGH NJW-RR 2003, 1002; BGH NJW 2001, 3125; Elzer in: BeckOK ZPO, a.a.O., § 301 Rn. 18c). Dies gilt selbst dann, wenn eine Beweisaufnahme durchgeführt worden ist, die alle Streitgenossen betrifft (vgl. BGH NJW 2011, 2736). Der Grund liegt darin, dass die – in ihrer Dauer nicht absehbare – Unterbrechung des Verfahrens zu einer faktischen Trennung des Rechtsstreits führt und es daher mit dem Anspruch der übrigen Prozessbeteiligten auf effektiven Rechtsschutz nicht vereinbar wäre, wenn die Unterbrechung des Verfahrens eine Entscheidung nur deshalb nachhaltig verzögern würde, weil die abstrakte Gefahr einer widersprüchlichen Entscheidung nach einer eventuellen Aufnahme des Verfahrens besteht (vgl. BGH NJW 2011, 2736; BGH NJW-RR 2003, 1002).
Auch war der Erlass eines Teilurteils angemessen, da keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass das unterbrochene Verfahren alsbald hätte fortgesetzt werden können (vgl. zu diesen Voraussetzungen: BGH NJW-RR 2003, 1002).
2.
Die Klage gegen den Beklagten zu 1. ist jedoch nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Lübeck unbegründet.
a)
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten zu 1. auf Zahlung eines Vorschusses auf die Reparaturkosten gem. den §§ 634 Nr. 2, 637 BGB, den sie nach Verkündung der unten zitierten Entscheidung des BGH hier auch ausdrücklich geltend macht (s. Schriftsatz v. 13.05.2019, Bl. 289 d.A.). Anders als das Landgericht meint, geht es damit nicht (mehr) um einen fiktiven Schadensersatzanspruch wegen mangelhaft erbrachter Architektenleistungen gem. den §§ 631, 633, 634 Nr. 4, 280 BGB; ein solcher Anspruch wäre nach der neueren Rechtsprechung des BGH nicht mehr zulässig (vgl. BGH, Urteil v. 22.02.2018 – VII ZR 46/17).
Beide Ansprüche setzen aber gleichermaßen einen Werkvertrag und eine mangelhafte Werkleistung voraus. An letzterer fehlt es hier.
aa)
Zwar handelt es sich bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Projektsteuerungsvertrag um einen Werkvertrag.
Die Einordnung eines Projektsteuerungsvertrages als Dienst- oder Werkvertrag ist vom Einzelfall abhängig (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 16. Aufl., Rn. 1930 ff. m.w.N.). Bei einem Projektsteuerungsvertrag handelt es sich grundsätzlich um eine Kombination aus Kontroll- und Organisationsleistung unter Wahrnehmung von Führungs- und Leitungsfunktionen. Schuldet der Projektsteuerer einen bestimmten Erfolg, so zum Beispiel bei der technischen Bauüberwachung eines Generalübernehmers, ist das werkvertragliche Element prägend. Fehlt es dagegen an einer Erfolgsbezogenheit der Vereinbarung, ist von einem Dienstvertrag auszugehen (MüKo/Busche, BGB, 8. Aufl., § 631 Rn. 159).
Hier liegt das Erfolgselement im Vordergrund. Im zitierten Leistungsangebot werden ausnahmslos erfolgsbezogene Positionen aufgeführt, die dem Beklagten zu 1. oblagen, insbesondere die hier streitigen Punkte der Bauplanung und der Bauleitung des Objekts.
bb)
Das Landgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass es der Klägerin nicht gelungen ist, eine mangelhafte Werkleistung des Beklagten zu 1. darzulegen und zu beweisen, die hier sowohl in einer Planungs- als auch in einer Überwachungspflichtverletzung liegen könnte.
(1) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die landgerichtlichen Feststellungen zugrundezulegen, soweit nicht aufgrund konkreter Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Feststellungen bestehen. Dabei hat die Konzeption der Berufung als Instrument der Fehlerkontrolle und -beseitigung zur Folge, dass die fehlerfrei getroffenen Feststellungen der ersten Instanz für das weitere Verfahren grundsätzlich bindend sind (BT-Drucksache 14/6036, Seite 123). Das Berufungsgericht ist im Wesentlichen auf eine Fehlerkontrolle beschränkt. Das gilt auch, wenn sich die Berufung – wie hier – gegen eine vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung richtet. In solchen Fällen sind Zweifel an der Richtigkeit der vom Landgericht getroffenen Feststellungen erst dann gegeben, wenn aufgrund konkreter objektiver Anhaltspunkte eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dahingehend besteht, dass eine erneute Beweisaufnahme in zweiter Instanz zu einem abweichenden Beweisergebnis führen würde (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 32. Aufl., § 529 Rn. 7). Es genügt insoweit nicht, wenn der Berufungsführer darlegt, dass auch eine andere Beweiswürdigung als die vom Landgericht vorgenommene möglich sei, was sich nach Aktenlage stets schlüssig begründen ließe. Das Berufungsgericht überprüft die erstinstanzliche Beweiswürdigung demnach insbesondere auf ihre Nachvollziehbarkeit anhand allgemeiner Denkgesetze, auf innere Schlüssigkeit und Widerspruchsfreiheit sowie auf Vollständigkeit und Überzeugungskraft. Diese Maßstäbe zugrunde gelegt, begegnet die angegriffene Entscheidung keinen Bedenken.
(2) Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer mangelhaften Werkleistung des Beklagten zu 1. liegt nach Abnahme des (Architekten-/Projektsteuerungs-)Werks grundsätzlich bei der Klägerin als Auftraggeberin (vgl. Werner/Pastor, a.a.O., Rdnr. 1984). Die unstreitig bereits erfolgte Abnahme des Architektenwerks liegt jedenfalls in der längerfristigen Benutzung des Bauwerks nach Fertigstellung im Jahr 2010 bis zum Auftreten der Mängel (vgl. BGH, Urteil v. 11.03.1982 – VII ZR 128/81).
Bei der Prüfung dessen, was die Klägerin darlegen und beweisen muss, ist zu beachten, dass entgegen ihrer Auffassung nach Auslegung des Vertrages gemäß den §§ 133,157 BGB der Beklagte zu 1. als Projektsteuerer – ebenso wie ein Architekt – nicht die Mangelfreiheit des Bauobjekts an sich schuldet. Bereits aus dem Wortlaut „Projektsteuerung“ ergibt sich, dass die vertraglich übernommene Aufgabe des Beklagten zu 1. in der Steuerung des Projektes lag. Er hat nach dem Leistungsangebot – soweit hier von Bedeutung – die Bauplanung und Bauleitung bei der Erstellung des Objekts übernommen. Als geistiger Unternehmer haftet er nicht für jeden Mangel des Bauwerks; nach der Rechtsprechung ist das sog. Architektenwerk streng von dem „Bauwerk“ zu trennen, was auf das Werk des Projektsteuerers zu übertragen ist. Dies vorausgesetzt haftet der Beklagte zu 1. auch nur für Mängel seines Werkes; es muss also eine mangelhafte Planung oder Bauleitung vorliegen. Baumängel sind deshalb nur dann (auch) Mängel des Architekten-/Projektsteuererwerkes, wenn sie durch eine objektiv mangelhafte Erfüllung der Architekten-/Projektsteuereraufgaben verursacht worden sind (vgl. Werner/Pastor, a.a.O., Rn. 1983 m.w.N. für einen Architekten).
Aus diesem Grunde ist das von der Klägerin zitierte Urteil des BGH vom 31.08.2017, Az: VII ZR 5/17 zum Umfang der geschuldeten Leistung nicht mit dem hier vorliegenden Fall vergleichbar. In dem dortigen Fall ging es nicht um einen Architekten- oder Projektsteuerungsvertrag. Es ging vielmehr um die hier nicht zu entscheidende Frage, ob bei einem Werkvertrag über Malerarbeiten eine Beschaffenheitsvereinbarung über die Farbstabilität getroffen wurde. Die eigenhändige Durchführung von handwerklichen Arbeiten schuldete der Beklagte zu 1. hier jedoch gerade nicht.
(3) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stand nicht zur Überzeugung des Landgerichts Lübeck fest, dass ein Planungs- oder Überwachungsfehler des Beklagten zu 1. vorliegt. Diese Bewertung ist nicht zu beanstanden.
(a) Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Klägerin keine Beweiserleichterungen zugute kommen. Die Voraussetzungen für die Annahme eines Anscheinsbeweises lagen und liegen nicht vor.
(aa) Der Anscheinsbeweis (prima-facie-Beweis) ist ungeachtet seiner fehlenden dogmatischen Fundierung gewohnheitsrechtlich anerkannt (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., vor § 284 Rn. 29). Nach der Rechtsprechung erlaubt er bei typischem Geschehensablauf den Nachweis eines ursächlichen Zusammenhanges oder eines schuldhaften Verhaltens ohne exakte Tatsachengrundlage aufgrund von Erfahrungssätzen, d.h. von aus der Lebenserfahrung abgeleiteten Wahrscheinlichkeiten (vgl. BGH NJW 1997, 528; BGH NJW 2004, 3623 ff.). Die Tatsachen, aus denen nach einem solchen Erfahrungssatz auf eine typischerweise eintretende Folge oder (umgekehrt) auf eine bestimmte Ursache geschlossen werden kann, müssen entweder unstreitig oder mit Vollbeweis bewiesen sein (vgl. BGH NJW 1982, 2448; Zöller/Greger, a.a.O.). Hat der Beweispflichtige diese Voraussetzungen erfüllt, obliegt es dem Gegner, den Anschein durch einen vereinfachten Gegenbeweis zu erschüttern. Er braucht hierzu nur die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Ablaufs zu beweisen. Die Tatsachen, aus denen eine solche Möglichkeit abgeleitet werden soll, bedürfen dann des vollen Beweises, d.h. der Richter muss aufgrund gesonderter Beweiswürdigung zur vollen Überzeugung von der ernsthaften Möglichkeit eines atypischen Ablaufs gelangen (vgl. Zöller/Greger, a.a.O.).
(bb)
Dies zugrunde gelegt, fehlt es hier bereits an der Feststellbarkeit eines typischen Geschehensablaufes bis hin zu einer Pflichtverletzung des Beklagten zu 1.
Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 09.03.2020 nach dem Ende der mündlichen Verhandlung hat vortragen lassen, dass der Senat sich am Ende der rechtlichen Erörterung dahingehend positioniert habe, dass er nunmehr doch von einem Anscheinsbeweis ausgehe, entspricht dies nicht dem tatsächlichen Ablauf der Verhandlung, worauf auch der Beklagte zu 1. mit Schriftsatz vom 10.03.2020 hingewiesen hat. Die Vorsitzende hat sich vielmehr dahingehend geäußert, dass selbst bei Annahme eines Anscheinsbeweises dieser jedenfalls durch die nach dem Sachverständigengutachten möglichen mehrfachen Ursachen für den aufgetretenen Mangel an den Fenstern – die nicht sämtlichst bei ordnungsgemäßer Bauüberwachung erkennbar gewesen wären – erschüttert worden wäre.
Die Anwendung des Anscheinsbeweises setzt voraus, dass Erfahrungssätze existieren, nach denen bestimmte Handlungsabläufe mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zutreffend sind. Entscheidend für solche Erfahrungssätze ist, dass sie eindeutig und überprüfbar formuliert werden können, dem neuesten Stand der Wissenschaft entsprechen und ihre Richtigkeit je nach Lebenserfahrung mit einer gewissen Evidenz festgestellt werden kann. Je unwahrscheinlicher bestimmte Handlungsabläufe sind, umso weniger können sie zur Begründung des Anscheinsbeweises herangezogen werden. Sind bestimmte Abläufe lediglich wahrscheinlich, genügen sie allenfalls für den sogenannten Indizienbeweis, also zusammen mit der Würdigung vieler einzelner weiterer Indizien. Entscheidend für die Annahme eines entsprechenden Erfahrungssatzes kommt es auf die Art, die Schwere und die Erkennbarkeit des Mangels an (vgl. zu alledem Dr. Vogel, „Neue Tendenzen zur Rechtsprechung zur Haftung des Architekten – Nachweis der Verletzung der Bauaufsichtspflicht des Architekten durch Anscheinsbeweis?“, ZfBR 2004, 424 ff.; BGH, BGHZ 179, 55-71).
Häufig wird insoweit auf den Beweis des ersten Anscheins in dem Sinne zurückgegriffen, dass ein Baumangel schon den ersten Anschein beispielsweise eines Bauüberwachungsfehlers verursacht. Das kann aber in dieser Allgemeinheit nicht angenommen werden (so auch Werner/Pastor, a.a.O., Rn. 2025 m.w.N.).
Der Anscheinsbeweis ist nur auf einen Sachverhalt anwendbar, der – einem typischen Geschehensablauf entsprechend – nach der Erfahrung des Lebens auf eine bestimmte Ursache hinweist und in einer bestimmten Richtung zu verlaufen pflegt, bei dem also aus dem regelmäßigen und üblichen Ablauf der Dinge ohne weiteres auf den Hergang im Einzelfall geschlossen werden kann (vgl. Werner/Pastor, a.a.O., Rn. 3072 m.w.N.). Für den Fall ist der Klägerin beizupflichten, dass sie lediglich die Mangelsymptome darzulegen, eventuell noch den Mangel zu beweisen hätte und dass dann der Beklagte zu 1. den sich daraus ergebenden Anscheinsbeweis auszuräumen hätte. Einen solchen Fall schildert auch das von der Klägerin mit nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenem Schriftsatz zitierte Urteil des OLG Köln vom 08.09.2017 – 19 U 133/16.
Ein solch „glatter“ Fall mit einem typischen Geschehensablauf liegt hier aber nicht vor.
Tatsächlich sind nämlich für jeden Einzelfall die o.g. Kriterien der Art, Schwere und Erkennbarkeit des Mangels für den Projektsteuerer/Architekten zu prüfen, die im vorliegenden Fall gerade keine Rückschlüsse auf einen typischen Geschehensablauf und damit auf einen Anscheinsbeweis zu Lasten des Beklagten zu 1. zulassen. Dem Senat ist ebenso wenig wie dem Landgericht eine nachvollziehbare Bauüberwachungs- oder Planungspflicht erkennbar, deren Verletzung nach dem üblichen Lauf der Dinge zu dem hier vorliegenden Schadensbild führen würde.
(cc)
Zwar hat die Klägerin eine erste Grundlage für die Annahme eines Anscheinsbeweises bewiesen, nämlich einen Mangel der eingebauten Fenster. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme – insbesondere nach dem eingeholten Gutachten des Sachverständigen Schumacher, das diesbezüglich auch von keiner der Parteien angegriffen worden ist – ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die eingebauten Fenster nebst Rahmen von der üblichen Beschaffenheit abweichen, da sie durch Feuchtigkeit entstandene Bläschen im Lack aufweisen, zum Teil der Lack auch durch die Bläschenbildung aufgesprungen ist.
(dd)
Dies führt jedoch unter Berücksichtigung der Art, Schwere und Erkennbarkeit des Mangels nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichtes nicht zur Annahme eines entsprechenden Erfahrungssatzes zu Lasten des Beklagten zu 1. im Hinblick auf eine Überwachungspflichtverletzung.
Entgegen der Ansicht der Klägerin kann vorliegend von den schadhaften Fensterrahmen nicht auf einen Fehler des Beklagten zu 1. hinsichtlich der von ihm nach dem Projektsteuerungsvertrag zu erbringenden Bauleitung/Objektüberwachung geschlossen werden.
Das OLG Düsseldorf (Urteil v. 06.11.2012 – I-23 U 156/11) hat insbesondere zur Frage der Erkennbarkeit ausgeführt:
„Liegen Mängel des Bauwerks vor, die typischerweise entdeckt werden mussten, so spricht der Anscheinsbeweis für eine Bauaufsichtspflichtverletzung des Architekten.“
Genau an dieser Erkennbarkeit fehlt es hier.
o Stellt man auf die Erkennbarkeit des jetzt optisch zutage getretenen Mangels selbst – nämlich der Bläschenbildung bzw. der Abplatzungen im Lack – ab, waren diese im Zeitpunkt der Überwachungstätigkeit des Beklagten zu 1. noch nicht in Erscheinung getreten. Die konkreten Mangelerscheinungen traten erst im Jahr 2011, mithin längere Zeit nach Montage der Fenster im Mai 2010, auf und waren nach den unstreitigen Feststellungen des Sachverständigen erstmals auch erst dann optisch erkennbar.
Mangels optischer Erkennbarkeit kann aus dem Vorliegen des Mangels hier daher nicht darauf geschlossen werden, dass der Beklagte zu 1. seinen Überwachungspflichten beim Einbau der Fenster nicht nachgekommen ist. Wenn ein Mangel optisch nicht erkennbar ist und damit zur genaueren Überprüfung auch kein Anlass besteht, kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Architekt bzw. ein Projektsteuerer bei ordnungsgemäßer Ausübung seiner Überwachungspflichten diesen Mangel entdeckt hätte.
Darin unterscheidet sich der hier vorliegende Fall auch von den Fällen, in denen von der Rechtsprechung ein Anscheinsbeweis angenommen wurde. In den von der Rechtsprechung zum Anscheinsbeweis bei Überwachungsmängeln entschiedenen Fällen war der Mangel zum Zeitpunkt der Bauüberwachung zumindest für einen Architekten erkennbar und damit überprüfbar. So war dies beispielsweise in dem vom BGH entschiedenen Fall zur Verwendung minderwertigen Betons durch den Unternehmer (vgl. BGH, Urteil v. 16.04.1973 – VII ZR 85/71). Bei dem vom BGH entschiedenen Fall zu einer fehlenden Drainage und zur unzureichenden Gründungstiefe ging es ebenfalls um optisch für einen Architekten erkennbare Mängel (vgl. BGH, Urteil v. 16.05.2002 – VII ZR 81/00).
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist bei Mängeln an wesentlichen Bauteilen auch nicht stets und unabhängig von der Erkennbarkeit des Mangels von einer Überwachungspflichtverletzung auszugehen. Zutreffend hat das Landgericht hierzu ausgeführt, dass dies zu einer nicht gewollten, ausufernden Garantiehaftung des Architekten für sämtliche Mängel bei der Bauausführung führen würde. Anderes ergibt sich auch nicht etwa aus der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. In dem von der Klägerin zitierten Fall des BGH (Urteil vom 07.02.2019 – VII ZR 274/17) ging es nicht um eine Architektenhaftung. Es kam vielmehr auf die hier nicht entscheidungserhebliche Frage an, wann ein Mangel der Werkleistung eines Bauunternehmers vorliegt. Liegt ein Mangel vor, schuldet der Werkunternehmer nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofes Nacherfüllung, unabhängig von der Ursache des Mangels. Da der Beklagte zu 1. als Architekt bzw. Projektsteuerer jedoch entsprechend den obigen Ausführungen nicht die gleichen vertraglichen Pflichten wie ein Bauunternehmer hat, ist der vom Bundesgerichtshof entschiedene Fall auf den hier vorliegenden Rechtsstreit nicht übertragbar.
o Aber auch wenn man auf die Ursache des Mangels abstellt, kann entgegen der Ansicht der Klägerin nicht darauf geschlossen werden, dass der Beklagte zu 1. seiner Überwachungspflicht nicht genügt hat. Dies hat seinen Grund darin, dass die genaue Ursache des Mangels auch unter Zugrundelegung des eingeholten Sachverständigengutachtens nicht sicher festgestellt werden konnte.
Der Sachverständige hat insoweit zwei mögliche Ursachen für die Bläschenbildung im Lack ausgemacht: Zum einen könnte der Mangel durch Feuchtigkeit begründet sein, sei es, dass die Feuchtigkeit sich bereits bei Herstellung im Fensterholz befand, sei es, dass die Feuchtigkeit aus dem Mauerwerk erst nach dem Einbau ins Holz gezogen ist. Zum anderen könnte der Mangel auch durch Fehler beim Auftrag der Lackierung und/oder durch die Verwendung einer ungeeigneten Lackierung entstanden sein. In der mündlichen Verhandlung vom 12.12.2017 hat der Sachverständige dies nochmals bestätigt. Er könne nicht eingrenzen, welche von den genannten Schadensursachen tatsächlich vorgelegen habe; lediglich im Hinblick auf die mögliche Schadensursache Feuchtigkeit im Mauerwerk hat er eine Einschränkung dahingehend vorgenommen, dass jeder denkbare Feuchtigkeitseintrag, der untersucht worden sei, im Normalbereich liege und ein Fenster dieser Feuchtigkeit eigentlich habe standhalten müssen. Darüber hinaus spricht gegen Feuchtigkeit im Mauerwerk als Ursache für die Mangelerscheinungen auch die unstreitige Tatsache, dass anderweitige typische Auswirkungen wie z.B. Schimmelbildung nicht vorhanden sind.
Da keine der beiden möglichen Schadensursachen vom Sachverständigen ausgeschlossen werden konnte, müsste für die Annahme eines Anscheinsbeweises zu Lasten des Beklagten zu 1. ein typischer Geschehensablauf sich für beide denkbaren Schadensursachen ergeben. Dies ist hier nicht der Fall.
Läge die Ursache nämlich in einer fehlerhaften Lackierung der Fensterflügel und -rahmen, würde sich nur dann eine Verletzung der Überwachungspflichten im Rahmen eines Anscheinsbeweises begründen lassen, wenn zu den üblichen Überwachungspflichten eines Architekten bzw. Projektsteuerers gehören würde, stets die Lackierung der Fenster – im Herstellungsprozess – untersuchen zu lassen. Da es sich auch bei einer unterstellt fehlerhaften Lackierung nicht um einen optisch sichtbaren Mangel handelte, würde dies bedeuten, dass ein Architekt im Rahmen seiner Überwachungstätigkeit die Pflicht hätte, die Lackierung in einem entsprechenden Labor untersuchen zu lassen. Das aber kann ohne konkrete Anhaltspunkte nicht verlangt werden.
Der Umfang und die Reichweite der „Objektüberwachung“ richtet sich nach den getroffenen Vereinbarungen und umfasst vor allem das Überwachen der Ausführung des Objekts auf Übereinstimmung mit der Baugenehmigung, den Ausführungsplänen und dem Leistungsverzeichnis, den Regeln und einschlägigen Vorschriften der Baukunst und Technik (vgl. Werner/Pastor, a.a.O., Rn. 2013). Der Architekt muss sein Augenmerk im Rahmen der Bauleitung/-überwachung insbesondere auf schwierige oder gefahrenträchtige Arbeiten, typische Gefahrenquellen und kritische Bauabschnitte richten (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. April 2016, Az: I-21 U 102/15). Dazu gehört die Frage der ordnungsgemäßen Lackierung nicht.
Erhöhte Anforderungen an die Bauüberwachungspflicht des Architekten entstehen erst dann, wenn sich im Verlauf der Bauausführung Anhaltspunkte für Mängel und/oder für die erkennbare Unzuverlässigkeit oder technische Schwächen eines Werkunternehmers ergeben (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 21. Dezember 2012, Az: I-23 U 18/12). Hierzu ist hinsichtlich der Lackierung der Fenster nichts vorgetragen, ebenso wenig zu etwaigen konkreten Anhaltspunkten, die auf die Fehlerhaftigkeit des Lackes für den Beklagten zu 1. hätten schließen lassen. Zu Recht weist der Beklagte zu 1. darauf hin, dass eine grundsätzliche Pflicht zur Prüfung jeder einzelnen Komponente der gelieferten Fenster nicht besteht. Dies gilt um so mehr, als es sich nach der Aussage des Sachverständigen bei den aufgetretenen Bläschen und Abplatzungen um einen außergewöhnlichen Mangel und damit auch um einen atypischen Geschehensablauf handelt, mit dem der Beklagte zu 1. als Projektsteuerer bzw. Architekt nicht zu rechnen brauchte.
Erhöhte Prüfungspflichten folgen auch nicht daraus, dass die Klägerin die Bauweise der Halle mit Büro als „riskant“ bezeichnet hat. Zwar hat der Sachverständige hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht allgemein ausgeführt, dass es zu Problemen mit Feuchtigkeit kommen könne, je dichter ein Haus gebaut werde. Allerdings seien Passivhäuser heutzutage auch nicht mehr ungewöhnlich. Der Beklagte zu 1. habe auch – entgegen der Ansicht der Klägerin – keine „riskante Bauweise“ gewählt. In der Verbindung von Porenbeton mit dem Wärmedämmverbundsystem und den Holzfenstern sei kein Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik erkennbar, so dass er nicht feststellen könne, dass ein solcher Aufbau „abstrakt ungeeignet“ sei.
Da also hinsichtlich des Fenstereinbaus keine erhöhten Überwachungspflichten des Beklagten zu 1. gegeben waren, solche sich insbesondere auch nicht auf eine Überprüfung der Lackierung gerichtet hätten, kann – unabhängig von der Frage, ob und inwieweit eine Überprüfungspflicht hinsichtlich der Feuchtigkeit im Holz und im Mauerwerk bestand – kein Erfahrungssatz dahingehend gebildet werden, dass von den aufgetretenen Lackierungsmängeln an den Fenstern typischerweise auf eine Überwachungspflichtverletzung des Beklagten zu 1. geschlossen werden kann.
Nach alledem kann die Klägerin sich insgesamt nicht auf das Vorliegen eines Anscheinsbeweises hinsichtlich einer möglichen Überwachungspflichtverletzung zu Lasten des Beklagten zu 1. berufen. Zum einen fehlt es an der Erkennbarkeit des Mangels selbst – nämlich der Bläschenbildung im Lack – im Zeitpunkt der Bauüberwachung des Beklagten zu 1., zum anderen waren auch nicht sämtliche, nach Ansicht des Sachverständigen in Betracht kommenden Ursachen für diese Bläschenbildung durch den Beklagten zu 1. im Rahmen seiner Überwachungspflichten zu prüfen.
In Übereinstimmung damit hat auch der Bundesgerichtshof einen Anscheinsbeweis abgelehnt, wenn der Besteller wegen eines Mangels Schadensersatz verlangt und für das Mangelsymptom verschiedene Ursachen in Betracht kommen (vgl. BGH, Urteil vom 18.01.2017 – VII ZR 76/16). Auch das OLG Oldenburg (Baurecht 1993, 100) hat keinen Anscheinsbeweis angenommen, wenn ein Brand durch Lötarbeiten oder vorsätzliche Brandstiftung verursacht worden sein kann.
(ee)
Selbst wenn man aber der Auffassung der Klägerin folgen und einen Anscheinsbeweis zum Vorliegen einer Überwachungspflichtverletzung des Beklagten zu 1. annehmen sollte, wäre ein solcher jedenfalls durch das eingeholte Sachverständigengutachten erschüttert, worauf der Senat auch in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat (s. oben).
Liegen die Voraussetzungen eines Anscheinsbeweises vor, obliegt es dem Gegner, den Anschein durch einen vereinfachten Gegenbeweis zu erschüttern. Er braucht hierzu nur die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Ablaufs zu beweisen. Die Tatsachen, aus denen eine solche Möglichkeit abgeleitet werden soll, bedürfen dann des vollen Beweises, das heißt der Richter muss aufgrund gesonderter Beweiswürdigung zur vollen Überzeugung von der ernsthaften Möglichkeit eines atypischen Ablaufs gelangen (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., vor § 284 Rn. 29).
Der Beklagte zu 1. hätte nach den überzeugenden Ausführungen des Landgerichtes auch die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufes bewiesen. Es kommt nach den Ausführungen des Sachverständigen nämlich ernsthaft in Betracht, dass keine für den Beklagten zu 1. erkennbare bzw. überprüfbare Feuchte des Fensterholzes oder des Mauerwerkes, sondern eine fehlerhafte Lackierung im Herstellungsprozess der Fenster Ursache für den Mangel war (s. oben zu den verschiedenen denkbaren Mangelursachen), die nach den Angaben des Sachverständigen äußerst selten auftritt und die mangels Überwachungsverpflichtung des Beklagten zu 1. (s. oben) einen – unterstellt – als gegeben angenommenen Anscheinsbeweis erschüttern würde.
(ff)
Nach alledem kann die Klägerin sich schon nicht auf einen Anscheinsbeweis zu Lasten des Beklagten zu 1. im Hinblick auf eine Überwachungspflichtverletzung berufen; jedenfalls aber wäre ein solcher Anscheinsbeweis erschüttert.
(gg)
Ein Anscheinsbeweis kann auch nicht im Hinblick auf einen etwaigen Planungsfehler des Beklagten zu 1. angenommen werden.
Auch hier ist kein Erfahrungssatz erkennbar, mit dem aus den aufgetretenen Bläschen und Abplatzungen auf einen Planungsfehler des Beklagten zu 1. geschlossen werden könnte. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, der Beklagte zu 1. habe eine letztlich ungeeignete Verbindung von Porenbetonwänden, dem eingesetzten Wärmedämmverbundsystem und den verwandten Holzfenstern gewählt, welche an den Anschlussstellen zu einem „Waschküchenklima“ geführt habe, mit der typischen Folge der hier aufgetretenen Mängel, hat der Sachverständige dem Vorwurf einer „riskanten Bauweise“ eine Absage erteilt (s. oben).
(hh)
Danach scheidet auch die Annahme eines Planungsfehlers des Beklagten zu 1. im Rahmen eines Anscheinsbeweises aus.
(c)
Im Rahmen eines Vollbeweises ist der Klägerin der Beweis eines Planungs- oder Überwachungsfehlers des Beklagten zu 1. ebenfalls nicht gelungen.
Nachvollziehbar und in sich schlüssig führt das Landgericht hierzu aus, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Gerichts feststand, dass der Beklagte zu 1. seinen Überwachungs- und Planungspflichten nicht vollumfänglich nachgekommen ist. Hierzu wäre ein Maß an Gewissheit erforderlich gewesen, das Zweifeln Einhalt geboten hätte, ohne sie völlig auszuschließen. Einen derartigen Grad an Gewissheit hat das Landgericht Lübeck auch unter Zugrundelegung des Sachverständigengutachtens nicht erreicht und ist auch für den Senat nicht erreicht.
(aa)
Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten steht nicht fest, inwiefern der Beklagte zu 1. im Rahmen seiner Überwachungspflichten hätte dazu kommen können, dass die hier streitgegenständlichen Fenster und Rahmen nicht so hätten eingebaut werden dürfen wie geschehen.
Die Fenster und Fensterrahmen wiesen im Zeitraum der Bauüberwachung keine erkennbaren Abweichungen der vereinbarten Soll-Beschaffenheit von der Ist-Beschaffenheit auf. So führt auch das Landgericht Lübeck hierzu aus, dass zwischen den Parteien unstreitig sei, dass die Fenster zunächst mangelsymptomfrei geliefert und eingebaut wurden. Die Klägerin hat auch nicht beweisen können, dass die Feuchtigkeit im Mauerwerk oder im Holz der Fenster, die möglicherweise vom Beklagten zu 1. im Rahmen seiner Überwachungspflichten vor einem Einbau der Fenster hätte gemessen werden können und müssen, die einzig mögliche Ursache für die Bläschenbildung und Abplatzungen der Lackierung sein konnte. Vielmehr kommt daneben gleichermaßen oder sogar vorrangig ein Fehler in der Lackierung in Betracht, hinsichtlich derer dem Beklagten zu 1. ohne konkrete Anhaltspunkte keine Überwachungspflicht oblag. Solche konkreten Anhaltspunkte bestanden auch nicht etwa deshalb, weil der Beklagte zu 1. Eine „riskante Bauweise“ gewählt hätte (s. oben).
(bb)
Auch einen Planungsfehler konnte die Klägerin dem Beklagten zu 1. nicht nachweisen, denn der Sachverständige hat in dem vorgenommenen Fenstereinbau unter Verbindung von Porenbetonwänden, eingesetztem Wärmedämmverbundsystem und Holzfenstern keinen Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik feststellen können (s. oben).
Selbst wenn man einen entsprechenden Planungsfehler unterstellen wollte, fehlte es an dem Beweis der Ursächlichkeit für die Blasenbildung und Abplatzungen an den Fenstern. Der Sachverständige hat gerade nicht feststellen können, ob die Schäden aus einer fehlerhaften Lackierung oder aber aus einem Feuchteeintrag aus Mauerwerk oder Holz herrührten.
(cc)
Auch im Rahmen eines Vollbeweises ist es der Klägerin nach alledem nicht gelungen, dem Beklagten zu 1. eine Überwachungspflichtverletzung oder einen Planungsfehler nachzuweisen, insbesondere keinen, der dann auch noch kausal zu den streitgegenständlichen Mängeln an den Fenstern geführt hätte.
(d)
Die Beweisaufnahme hätte entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht fortgesetzt werden müssen; eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht erkennbar.
Weitere Beweismittel sind auch nach dem Vortrag der Klägerin nicht angeboten worden.
Es war und ist auch kein neues Gutachten gemäß § 412 ZPO einzuholen. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht eine neue Begutachtung durch denselben oder durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben: Das bisherige Sachverständigengutachten kommt zwar nicht zu dem von der Klägerin erhofften Ergebnis; bereits das Landgericht ist ihm aber uneingeschränkt gefolgt und auch für den Senat sind keine Mängel ersichtlich.
Mängel lägen insbesondere vor, wenn die Sachkunde des bisherigen Gutachters zweifelhaft wäre, wenn das Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausginge, wenn es nicht aufklärbare Widersprüche enthielte, sich als nicht vollständig erwiese oder aber dann, wenn der Sachverständige wissenschaftlich umstrittene Kriterien heranzöge (vgl. Scheuch in: BeckOK ZPO, a.a.O., § 412 Rn. 4). Solche Mängel sind hier weder behauptet worden noch sonst ersichtlich. Der Sachverständige hat sich umfassend in seinem Ausgangs- und den Ergänzungsgutachten mit den Beweisfragen auseinandergesetzt, er ging von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus und wies die notwendige Sachkunde auf. Er konnte auf sämtliche Nachfragen der Parteien und des Gerichtes widerspruchsfrei und in sich schlüssig antworten. Dass er die exakte Ursache für die Bläschenbildung und Abplatzungen an der Lackierung der Fenster nicht hat finden können, ist jedenfalls vorliegend eine Frage des unaufklärbaren Sachverhalts; Anknüpfungspunkte für eine eventuelle Inkompetenz des Sachverständigen werden nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
(e)
Dem Senat kann entgegen dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatz der Klägerin auch nicht vorgeworfen werden, dass er das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt habe. Die Klägerin hat zu allen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat aufgeworfenen Fragen und zu der Positionierung des Senats in der mündlichen Verhandlung ausführlich Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt, die ihr Prozessbevollmächtigter sowohl mündlich als auch schriftsätzlich genutzt hat. Der Senat hat sich mit allen Argumenten, ebenso wie mit der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung, in gebotenem Umfang auseinandergesetzt. Dass das Ergebnis von der Klägerin nicht geteilt wird, ist keine Frage der Verletzung des rechtlichen Gehörs.
(f)
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf einen nunmehr noch zu erteilenden Hinweis des Senats gem. § 139 ZPO zum Inhalt seiner Ausführungen zur Frage des Anscheinsbeweises bzw. dessen Erschütterung in der mündlichen Verhandlung vom 26.02.2020.
Wie bereits dargelegt, hat die Vorsitzende sich in der mündlichen Verhandlung nach Beratung dahingehend geäußert, dass selbst bei Annahme eines Anscheinsbeweises dieser jedenfalls durch die nach dem Sachverständigengutachten denkbaren mehrfachen Ursachen für den aufgetretenen Mangel an den Fenstern – die nicht sämtlichst bei ordnungsgemäßer Bauüberwachung für den Beklagten zu 1. erkennbar gewesen wären – erschüttert worden wäre. Soweit hierzu auf Klägerseite weiterer Erläuterungsbedarf bestanden hätte, hätte es ihr freigestanden, entsprechende Nachfrage zu halten. Dass ein Prozessbevollmächtigter zu rechtlichen Erwägungen des Senats – auch wenn sie neu sein sollten – noch im Rahmen der mündlichen Verhandlung Stellung nehmen kann und nimmt, wird erwartet. Ein Anspruch auf einen nachträglichen – nochmaligen – Hinweis gem. § 139 ZPO mit Gelegenheit zur Stellungnahme besteht nicht.
b)
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Beklagten zu 1. Gemäß § 280 Abs. 1 BGB aufgrund der Verletzung von Hinweispflichten.
Es fehlt zunächst auch hier am Beweis der erforderlichen Pflichtverletzung. Wie bereits dargelegt, hat der Sachverständige in Verbindung mit dem Fenstereinbau und den ausgewählten Materialien keine „riskante Bauweise“ und auch keinen Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik feststellen können (s. oben), so dass – anders als die Klägerin meint – etwaige Hinweispflichten des Beklagten zu 1. darauf zu verneinen sind.
Selbst wenn der klägerische Vortrag zum Bestehen von „Systemfehlern“ an den Fenstern dahingehend ausgelegt würde, dass der Beklagte zu 1. bei der Planung eines Passivhauses auf bestehende Risiken im Hinblick auf Feuchtigkeit hätte hinweisen müssen, kann hier keine für den Schaden ursächliche Pflichtverletzung angenommen werden. Vor allem fehlt es an der substantiierten Darlegung der Kausalität, denn mangels eindeutig feststellbarer Ursache für die Mängel an den Fenstern kann auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit gesagt werden, dass eine entsprechende Aufklärung über die Besonderheiten eines Passivhauses zu einer Vermeidung der Mängel geführt hätte, die nach Ansicht des Sachverständigen ebenso auf eine fehlerhafte Lackierung zurückgehen können.
Schließlich hat die Klägerin auch weder darlegt noch Beweis dafür angeboten, wie sie sich im Falle der Aufklärung über etwaige Risiken verhalten hätte. Ohne Vortrag dazu kann eine vollständige Abstandnahme von dem Bauprojekt als Passivhaus auch nicht vermutet werden, denn bei dem sog. Passivbau handelt es sich entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen um eine heutzutage übliche und keineswegs riskante Bauweise.
Ebenso wenig kann eine Hinweispflicht im Hinblick darauf angenommen werden, dass der Beklagte darüber hätte informieren müssen, dass es bereits in einem anderen seiner Bauobjekte zu Lackabplatzungen an den Fenstern gekommen war. Denn ausweislich seiner unstreitig gebliebenen Angabe in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 26.02.2020 trat dieser weitere Fall erst nach dem hier zu entscheidenden auf.
c)
Da der Kostenvorschussantrag vom Landgericht zu Recht abgelehnt worden ist, besteht in der Folge auch kein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu 1. auf Feststellung, ihr jedweden weiteren Schaden im Zusammenhang mit der Reparatur der im selbstständigen Beweisverfahren festgestellten Mängel an den Fenstern ersetzen zu müssen.
d)
Gleiches gilt auch für die verlangte Kostenentscheidung zum selbstständigen Beweisverfahrens und zur Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten, wobei über die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens ohnehin erst im Rahmen der End-Kostenentscheidung zu entscheiden wäre.
e)
Nach alledem war die Berufung insgesamt unbegründet.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, denn die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch dient sie der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§§ 542 Abs. 1, 543 Abs. 1, Abs. 2 ZPO). Es sind hier konkrete Einzelfragen entschieden worden, die in Ergebnis und Begründung – anders als die Klägerin meint – auch nicht von der bisherigen (BGH-)Rechtsprechung abweichen, mit der sich der Senat an den entsprechenden Prüfungspunkten auseinandergesetzt hat.