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Anspruch nach § 642 Abs. 1 BGB – Entschädigungsanspruch des Unternehmers

OLG München, Az.: 27 U 2924/14 Bau, Beschluss vom 02.09.2014

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Grundurteil des Landgerichts Memmingen vom 30.06.2014, Az.: 22 O 1266/13, durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig davon überzeugt ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern und auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

II. Die Beklagte hat Gelegenheit, zu diesem Hinweis des Senats bis 30.09.2014 Stellung zu nehmen.

Gründe

Das Grundurteil des Landgerichts Memmingen entspricht der Sach- und Rechtslage.

Entscheidungserhebliche Rechtsfehler im Sinne des § 520 Abs. 3 ZPO liegen nicht vor und werden auch von der Berufung nicht aufgezeigt.

Vielmehr teilt der Senat die Rechtsauffassung des Erstgerichts, dass ein Entschädigungsanspruch der Klägerin gemäß § 642 Abs. 1 BGB dem Grunde nach gerechtfertigt ist.

Im Einzelnen ist zu den Berufungsangriffen der Beklagten Folgendes auszuführen:

1. Die vom Senat geteilte Rechtsauffassung des Landgerichts Memmingen steht im Einklang mit der von der Beklagten zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.12.2002 (Az.: VII ZR 440/01). Auch nach dieser Entscheidung ist Voraussetzung für einen Anspruch nach § 642 Abs. 1 BGB, bei dem es sich nicht um einen Schadensersatzanspruch, sondern um einen vertraglichen Anspruch eigener Art mit Entgeltcharakter handelt, eine unterlassene bzw. nicht rechtzeitige Mitwirkung des Auftraggebers, die kausal zum Annahmeverzug des Auftraggebers geführt hat. Das Vorliegen eines konkreten Schadens ist dagegen nicht Anspruchsvoraussetzung. Soweit der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung darauf hinweist, dass es eine Rolle spielen kann, ob die sonstigen vorgebrachten Behinderungen zu Verzögerungen geführt haben, die es erforderlich machten, die Bauleitung und Projektleitung aufrecht zu erhalten, betrifft dies die nach § 642 Abs. 2 BGB zu bestimmende Höhe der Entschädigung.

2. Die Entscheidung des Landgerichts steht auch nicht in Widerspruch zur Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 20.11.2007 (Az.: 9 U 2741/07). In dieser Entscheidung weist der 9. Senat darauf hin, dass im Falle von Behinderungen beispielsweise dargelegt werden müsste, warum Arbeiter in dem konkreten Vorhaben auch nicht anderweitig eingesetzt werden konnten. Der Schluss der Berufung, ein Entschädigungsanspruch sei nicht gegeben bei einem möglichen Einsatz auf einer anderen Baustelle, kann hieraus gerade nicht gezogen werden.

3. Das Erstgericht stützt seine Entscheidung auf § 642 BGB und nicht auf § 304 BGB. Der Anspruch nach § 642 BGB geht dabei über den Anspruch nach § 304 BGB, der nur die objektiv erforderlichen Mehraufwendungen umfasst, hinaus, da er den Unternehmer dafür entschädigen soll, dass er während des Verzugs seine Arbeitskräfte sowie sein Kapital bereit hält und in seinen unternehmerischen Dispositionen eingeschränkt ist.

4. Dem Anspruch der Klägerin steht nicht entgegen, dass Personal und Gerät nicht zunächst auf der Baustelle eingesetzt wurden und aufgrund des Annahmeverzuges eine Baustelleneinrichtung gar nicht erfolgt ist. Denn die Berechnung der Entschädigung erfolgt auf der Basis der Urkalkulation, die regelmäßig die tatsächlichen Mehrkosten nicht beinhaltet. Hierunter fallen unter anderem Kosten für die längere Vorhaltung einer Baustelleneinrichtung, des Bauleitungspersonals oder weiterer Kosten für Geräte oder Materialien, die tatsächlichen Mehrkosten werden dabei jedoch nicht berücksichtigt (vgl. Ingenstau/Korbion, 18. Aufl., § 6 Abs. 6 VOB/B Rn. 59 m. w. N.).

5. Das Grundurteil nach § 304 ZPO ist auch zulässig, da der geltend gemachte Anspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht. Auch wenn die vorgesehenen Arbeiter anderweitig eingesetzt werden konnten, kann hieraus nicht geschlossen werden, dass der grundsätzlich bestehende Entschädigungsanspruch der Klägerin für vergebliche Vorhaltung tatsächlich kompensiert wurde.

6. In Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre und Rechtsprechung geht auch der Senat davon aus, dass entgegen der Auffassung der Berufung § 254 BGB im Rahmen des § 642 BGB keine Anwendung findet, weil es sich bei § 642 BGB nicht um einen Schadensersatzanspruch, sondern um einen vertraglichen Anspruch eigener Art handelt (vgl. Palandt/Sprau, 73. Aufl., § 642 Rn. 5; Palandt-Grüneberg, § 254 Rn. 4).

7. Das Grundurteil des Landgerichts ist auch hinreichend bestimmt. Dem Tenor ist unmissverständlich zu entnehmen, dass der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch in vollem Umfang dem Grunde nach berechtigt ist.

8. Soweit die Berufung rügt, dass notwendige Darlegungen der Klägerin zu einem anderweitigen Erwerb fehlen, ist dies dem folgenden Betragsverfahren vorbehalten und begründet keine entscheidungserheblichen Rechtsfehler in Bezug auf das vorliegende Grundurteil.

9. Der hilfsweise ohne nähere Begründung gestellte Antrag, der Rechtsstreit solle „hochgezogen“ werden, ist zurückzuweisen.

Die Voraussetzungen einer solchen „heraufholenden“ Entscheidung sind vorliegend nicht gegeben. Denn nur wenn die Parteien den vom Landgericht ausgeklammerten Komplex der Entscheidung zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht haben und eine Entscheidung durch das Berufungsgericht hierüber sachdienlich ist, kann das Berufungsgericht eine Materie des Betragsverfahrens an sich ziehen und über sie entscheiden (vgl. BGH NJW 1993, 1793 f).

Nach alledem erweist sich das Ersturteil in vollem Umfang als zutreffend.

Der Senat beabsichtigt daher, das Rechtsmittel durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

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